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NORDRHEIN-WESTFALEN/1984: Prüfpflicht für Abwasserkanäle (Li)


Landtag intern 3/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Prüfpflicht für Abwasserkanäle
Rot-Grün hält an Besorgnisgrundsatz fest

Von Christoph Weißkirchen



27. Februar 2013 - Gefährden Abwasseranlagen das Grundwasser und darf man hierfür folglich Prüffristen festschreiben? Über diese Frage und zwei unterschiedliche Gesetzentwürfe hatte der Landtag zu entscheiden. Bislang müssen alle Abwasseranlagen innerhalb bestimmter Fristen überprüft werden. Die CDU/FDP-Lösung einer Überprüfung nur nach konkretem Verdacht gefährde das Trinkwasser, so SPD und GRÜNE. Es müsse vorbeugend geprüft werden. Die angesprochenen Oppositionsfraktionen wiederum kritisierten, SPD und GRÜNE stellten Hausbesitzende unter Generalverdacht. Eine Gefährdung durch Abwasserkanäle sei eben nicht nachgewiesen, meinten auch die PIRATEN und befürchteten eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten.


"Die Hauseigentümer werden gegenüber der Regelung, die bis zum heutigen Tage gültig ist, bessergestellt", meinte Norbert Meesters (SPD). Anders als die bestehende bürgerferne und wenig praxistaugliche Regelung schaffe die Neuregelung jetzt Rechtssicherheit und schütze das Trinkwasser wirksam. Diese halte an dem Besorgnisgrundsatz fest, denn wenn Schäden erst einmal offenkundig würden, sei es zu spät. Daher sehe man innerhalb von Wasserschutzgebieten für die Überprüfung Fristen vor, außerhalb nicht. Allerdings könnten hier die Kommunen Satzungen und Fristen festsetzen. Für Härtefälle gewähre das Land Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen.

"Kanäle müssen dicht sein", betonte auch Josef Hovenjürgen (CDU). Aber es reiche aus, bei begründetem Verdacht tätig zu werden. Den Regierungsfraktionen warf er vor, sie seien inkonsequent: Entweder es gebe eine Gefährdung durch Abwasserkanäle, dann brauche man eine flächendeckende Dichtheitsprüfung. Oder es gebe keine Gefährdung, wovon er ausgehe, dann brauche man gar keine Prüffristen. Jedenfalls sei es bürgerunfreundlich, über die "Hintertür" kommunaler Entscheidungsmöglichkeiten doch wieder eine flächendeckende Dichtheitsprüfung einzuführen. Die CDU lehne einen "Generalverdacht" gegen Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen jedenfalls ab.

Notwendig sei ein fairer Ausgleich von Interessen, der den Besorgnisgrundsatz einschließe, erläuterte Hans Christian Markert (GRÜNE). Dieser müsse auch die Interessen der Hauseigentümerinnen und -eigentümer berücksichtigen, die ihren Kanal bereits saniert hätten. Leider sei eine bundeseinheitliche Lösung an der FDP gescheitert, so der Abgeordnete. Die Neuregelung für NRW stelle in besonderem Maße die Wasserschutzgebiete in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Kommunen erhielten die Möglichkeit, bestehende Überprüfungsregelungen beizubehalten. Es könne nicht sein, dass bestimmte Straßenzüge bereits saniert worden seien, andere aber nicht.

Ministerpräsidentin Kraft habe ihr Wahlversprechen gebrochen, so Henning Höne (FDP). Denn man entscheide heute "zwischen der wirklich bürgerfreundlichen Lösung von FDP und CDU auf der einen Seite und dem Generalverdacht von SPD und GRÜNEN auf der anderen Seite". Dadurch, dass außerhalb von Wasserschutzgebieten zukünftig die Kommunen über Prüfpflichten entscheiden sollten, sei zu befürchten, dass es doch zu einer flächendeckenden Prüfpflicht komme. Ebenso schlimm sei ein "Flickenteppich". Außerdem schiebe Rot-Grün so den Kommunalpolitikerinnen und -politikern den schwarzen Peter zu. Umweltschutz müsse effektiv und verhältnismäßig sein.

Die Bürgerinitiativen seien mit dem rot-grünen Gesetzentwurf alles andere als zufrieden, so Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): "Wir teilen diese Unzufriedenheit." SPD und GRÜNE behaupteten ohne Beweis, dass von privaten Anschlussleitungen, die überwiegend trocken lägen, eine Gefahr für das Grundwasser ausgehe. Mit dieser Begründung sei eine flächendeckende Dichtheitsprüfung nicht gerechtfertigt. Diese drohe aber durch den vorliegenden rot-grünen Gesetzentwurf. Er biete eine breite Front für Rechtsstreitigkeiten, befürchtete Rohwedder. Der Gesetzentwurf von CDU und FDP hingegen berücksichtige das Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit.

Die Landesregierung sei der Meinung, dass für die Zukunft ein vollziehbares Regelungskonzept benötigt werde, erklärte die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (GRÜNE) in Vertretung von Umweltminister Remmel. "Die Belange der Bürgerinnen und Bürger und die Belange der Wasserwirtschaft müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen", so Löhrmann. Wer solle denn einen Verdacht feststellen, wenn die Betreiber nicht mehr verpflichtet seien, ihre Abwasseranlagen zu untersuchen, fragte sie in Richtung CDU und FDP. Daher gelte die im Wasserhaushaltsgesetz geregelte generelle Prüfpflicht für alle Abwasserleitungen.


ABSTIMMUNG

SPD und GRÜNE setzten in namentlicher Abstimmung ihren Gesetzentwurf (Drs. 16/1264) gegen den Gesetzentwurf von CDU und FDP (Drs.16/45), für den auch die PIRATEN stimmten, durch.

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Quelle:
Landtag intern 3 - 44. Jahrgang, 22.3.2013, S. 12
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2013