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NORDRHEIN-WESTFALEN/1986: Fußball-Randale - "Ehrlicher Dialog mit Fans" (Li)


Landtag intern 3/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Fußball-Randale: "Ehrlicher Dialog mit Fans"
Fachleute sehen Prävention und Kommunikation als Schlüssel Ausschussbericht

Von Daniela Braun



7. März 2013 - Stadionverbote, Meldeauflagen und Fanarbeit: Im Landtag haben Fachleute auf Antrag der FDP (Drs. 16/1268) über den Umgang mit Randalierern bei Fußballspielen diskutiert. Dabei sprachen sie sich für kommunikative und differenzierte Lösungen aus. In den vergangenen Monaten gab es auch in Nordrhein-Westfalen immer wieder gewaltsame Ausschreitungen vor und in Stadien.

"Das ist so nicht hinnehmbar", bewertete Erich Rettinghaus von der Deutschen Polizeigewerkschaft die organisierte Gewalt rund um Fußballspiele. Ein Drittel der Bereitschaftspolizei sei nur noch für den Fußball abgestellt - dadurch fehlten Kräfte an anderer Stelle. Auch der Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Hendrik Große Lefert, bestätigte, die "mitunter hochgradig Kriminellen" stellten Veranstalter und Polizei vor große Herausforderungen. Arnold Plickert von der Gewerkschaft der Polizei NRW bezifferte die Gruppe der Randalierer auf etwa 4.000 Personen: "Die haben eine andere Vorstellung von Fußball."

Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass sich der Großteil der mehr als 20 Millionen Stadiongäste in den ersten drei Ligen friedlich verhalte, schränkte Große Lefert ein. Zudem, betonte er, zählten die deutschen Stadien wohl zu den sichersten der Welt. Auch Rettinghaus warnte davor, den Fußball insgesamt zu kriminalisieren.

Phänomen Stadiongewalt

Die Ultrabewegung habe in lokalen Jugendkulturen einen erheblichen Zulauf erfahren, stellte Katja Kruse vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste fest. Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte, bezeichnete die Ultraszene gar als "größte jugendliche Subkultur" in Deutschland. Der Umgang hiermit sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Gleichzeitig machte Plickert deutlich: "Gewalt ist kein neues Phänomen im Bereich Fußball." Während er davon ausgeht, dass sich die Qualität der Stadiongewalt gesteigert habe, bezweifelt dies Thomas Schönig vom 1. FC Köln: Es gebe kaum wissenschaftliche Studien, kritisierte er. Schönig sprach sich zudem gegen Nacktuntersuchungen von Fans und gerichtliche Schnellverfahren gegen Gewalttäter direkt in Stadien aus.

Zwischen Prävention & Repression

Es komme auf eine Balance zwischen Vorbeugung und Strafe an, meinte unter anderem Gabriel. Schon jetzt bestehe unter den jungen Leuten ein ausgeprägtes Feindbild gegenüber der Polizei - dies dürfe nicht fahrlässig weiter geschürt werden. Viele glaubten fälschlicherweise, dass Gewalt mit dem olympischen Prinzip "Höher, schneller, weiter" zu lösen sei, gab der Jurist Prof. Dr. Thomas Feltes zu bedenken. Dies treffe nicht zu. Der Schlüssel sei eine überzeugende Kommunikation, unterstrich Große Lefert: "Wir wollen und brauchen einen ehrlichen Dialog mit den Fans." Ein Fanparlament sei dabei eine mögliche Maßnahme, schlug der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, Andreas Rettig, vor.

Für den Umgang mit den gewalttätigen Anhängern seien Stadionverbote und Meldeauflagen allerdings ein notwendiges Mittel, betonte Plickert, wobei er sich für letztere eine klarere gesetzliche Grundlage wünsche. Entscheidend sei dabei, so Gabriel, dass tatbezogen und nicht kollektiv bestraft werde. Alles über einen Kamm zu scheren, führe lediglich zu ungewollten Solidaritätsbewegungen, warnte Dr. Stefan Kleier, Wahlausschussvorsitzender beim FC Schalke 04.

In diesem Zusammenhang wandte sich Kleier auch gegen Vorverurteilungen: "Die gesamte Ultraszene ist heterogen." Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien wichtig. Zudem müssten Stadionverbote sehr behutsam eingesetzt werden, ermahnte Feltes. Anderenfalls drohe das Vertrauen in den Rechtsstaat gerade bei den betroffenen Jugendlichen erschüttert zu werden. Der Umgang sei bereits behutsam, entgegnete Plickert: Von über 15.000 Prüfanträgen seien nach Angaben des DFB in der vergangenen Saison bundesweit nur gut 1.000 Stadionverbote tatsächlich in Kraft getreten.

Fanprojekte & Ordnungsdienste

Fanarbeit müsse sich in erster Linie auf die friedlichen Fans fokussieren und diese als Unterstützer gewinnen, erläuterte Gabriel. Ähnlich sah dies Dirk Bierholz vom Fanprojekt Düsseldorf: Die Leute müssten Verantwortung für ihre Kurve übernehmen. Der Geist, dass Straftäter in Fankurven gedeckt würden, müsse aufhören, so auch Rettig. Zudem forderte Gabriel die Politik auf, Fanprojekte stärker zu fördern. Hier fehle es in finanzieller, personeller und materieller Hinsicht, bestätigte Ralf Zänger von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte.

Luft nach oben sah Bierholz auch bei der Qualität der Ordnungsdienste: "Manchmal habe ich den Eindruck, so ein Ordnungsdienstmitarbeiter hat noch nie etwas von Deeskalation gehört." Dabei gehe es doch genau darum. Gleichzeitig warnte Lefert vor falschen Illusionen: Letztlich werde auch NRW die Stadien nie komplett gewaltfrei halten können.

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Quelle:
Landtag intern 3 - 44. Jahrgang, 22.3.2013, S. 15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2013