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NORDRHEIN-WESTFALEN/2013: Breite Zustimmung für das Anerkennungsgesetz (Li)


Landtag intern 6/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Zwei Fliegen mit einer Klappe
Dem Fachkräftemangel begegnen und zugewanderte Menschen wertschätzen:
Breite Zustimmung für das Anerkennungsgesetz
Plenarbericht

Von Sonja Wand



15. Mai 2013 - Viele Branchen klagen über zunehmenden Fachkräftemangel. - Viele Menschen mit ausländischen Wurzeln klagen über mangelnde Anerkennung. Die Landesregierung möchte eine Brücke schlagen, um beide Probleme gleichermaßen anzugehen. Sie hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der es Menschen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen leichter machen soll, diese hier anerkennen zu lassen (Drs. 16/1188). Das Gesetz soll für 165 landesrechtlich geregelte Berufe gelten, darunter den des Ingenieurs, des Architekten und des Erziehers.


"Wir schaffen zum einen die Grundlage, um in Zeiten eines wachsenden Fachkräftemangels ausländische Qualifikationen besser nutzen zu können, zum anderen geben wir den Menschen mit Migrationshintergrund die Anerkennung, die sie verdienen", warb Daniela Jansen (SPD) für den Gesetzentwurf. Mithilfe einer umfassenden Beratungsinfrastruktur sollten alle Menschen die Chance bekommen, ihre Qualifikationen angemessen begutachten zu lassen. Und wenn nur ein Zeugnis oder ein Baustein zur Anerkennung fehle, sollten Nachqualifizierungen helfen, meinte Jansen. An beidem, Beratung und Anpassungsqualifikation, müsse der Bund sich finanziell beteiligen.

Auch Matthias Kerkhoff (CDU) sah im Gesetzentwurf einen wichtigen Baustein zur Sicherung des Fachkräftebedarfs - neben einer stärkeren Beteiligung von Frauen und älteren Menschen im Arbeitsmarkt. Mit dem Gesetzentwurf setze die Landesregierung ein Bundesgesetz um, und der Landtag sende die Botschaft an viele tausend Menschen im Land: "Wir brauchen Euch." Es sei egal, ob der Ausbildungsort am Bosporus oder am Baldeneysee liege. Verbunden sei mit einem Anerkennungsgesetz für viele auch die Chance auf sozialen Aufstieg. Allerdings, mahnte Kerkhoff, dürfe die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse nicht zulasten der Qualität gehen.

Jutta Velte (GRÜNE) sprach von der Signalwirkung, die der Gesetzentwurf mit sich bringe, indem die Kompetenzen von Migrantinnen und Migranten wertgeschätzt würden. "Es ist in keiner Weise einzusehen, dass sich eine ausländische Ingenieurin in Deutschland ein Taschengeld als Reinigungskraft verdienen muss, wo sie doch eigentlich als Ingenieurin dringend gebraucht wird", unterstrich die Abgeordnete. In Deutschland, wo formale Qualifikationen besonders wichtig genommen würden, gelte es nun, Berufserfahrung, Wissen und Können stärker bei der Anerkennung zu berücksichtigen. Dies sehe ein Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf vor, erklärte Velte.

"Wir müssen für qualifizierte Zuwanderung attraktiver werden", meinte auch Ulrich Alda (FDP) und forderte einen Rechtsanspruch auf Beratung für die Arbeitskräfte. Aber seine Fraktion, ebenso wie CDU und PIRATEN, erachte es für sinnvoll, den Arztberuf aus dem Gesetz auszuklammern. Schließlich dürften die Betroffenen selbst über einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung entscheiden, was wegen wesentlicher Unterschiede in der Weiterbildung Qualitätsverluste mit sich bringen könne. Anders als in anderen Berufen, in denen Arbeitskräfte zunächst eine Probezeit absolvierten, gehe es im Arztberuf von Anfang an um Leib und Leben.

Für seine Fraktion stehe die angestrebte Willkommenskultur an erster Stelle, erklärte Torsten Sommer (PIRATEN). Verbesserungsbedarf sah er beim Gesetzentwurf für diejenigen, die noch nicht zugewandert seien. Für sie hätte man einen Rechtsanspruch auf Ansprechpersonen in den Ausländerbehörden festschreiben können, meinte Sommer. Er forderte Fachgesetze für alle Berufe, damit Bildungsmaßstäbe vergleichbar seien und das derzeit hohe Fachniveau erhalten bleibe. Hierzu sprach er sich für bundesweit einheitliche Vorgaben aus. Gleichwertige Ausbildungen und Abschlüsse seien lebenswichtig, nicht nur im Arztberuf, sondern auch etwa bei der Baustatik.

"Die Qualität des deutschen Berufswesens - das unterstreiche ich noch einmal ganz dick - tasten wir nicht an", sagte Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD). Gerade beim Arztberuf habe man es sich nicht leicht gemacht und intensiv mit den Ärztekammern diskutiert. Die Patientensicherheit dürfe in keiner Weise gefährdet werden, betonte der Minister. Aber auch Bildungssysteme in anderen Staaten brächten gutes medizinisches Fachpersonal hervor. Deshalb müssten qualifizierte Arbeitskräfte mit jahrelanger Berufserfahrung keine volle Prüfung mehr absolvieren, sondern nur die fehlenden Inhalte nachholen und sich entsprechend prüfen lassen.


EINSTIMMIG

Der Landtag hat den Gesetzentwurf (Drs. 16/1188) einstimmig angenommen. Zwei Änderungsanträge der Piratenfraktion (Drs. 16/2978) und der FDP (Drs. 16/2975) fanden keine Mehrheit.

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Quelle:
Landtag intern 6 - 44. Jahrgang, 26.6.2013, S. 8
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2013