Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/2056: Debatte über Finanzierung und Freiheit der NRW-Hochschulen (Li)


Landtag intern 11/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Uni-Gelder vom US-Militär
Debatte über Finanzierung und Freiheit der NRW-Hochschulen
Plenarbericht

Von Daniela Braun



29. November 2013 - In einer Aktuellen Stunde hat sich der Landtag mit der Debatte um Forschungsgelder des US-Verteidigungsministeriums für NRW-Unis auseinandergesetzt. Medienberichten zufolge sollen 22 deutsche Hochschulen und Forschungsinstitute seit der Jahrtausendwende auf diesem Wege umgerechnet rund 7,4 Millionen Euro Drittmittel erhalten haben - darunter die Universitäten in Aachen, Bochum und Wuppertal. Grundlage für die Diskussion im Plenum war ein Antrag der Piratenfraktion (Drs. 16/4482).


"Klar sind wir Freunde von internationalen Forschungskooperationen", stellte Dr. Joachim Paul (PIRATEN) klar. Doch es könne nicht sein, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die ja die Hochschulen grundlegend mitfinanzierten, nicht erführen, was geforscht werde. Forschung im Verborgenen schüre Misstrauen. Zudem kritisierte Paul, dass weder der Wissenschaftsausschuss des Parlaments noch das zuständige Ministerium Kenntnis über die Herkunft von Drittmitteln hätten. Insgesamt wandte er sich gegen eine "Militarisierung unserer Bildungseinrichtungen" und forderte, die Hochschulen finanziell so auszustatten, dass sie dem "Lockruf" der Rüstungsindustrie widerstehen könnten.

Die Hochschulen seien mitnichten die "Kaderschmieden der Rüstungsindustrie", entgegnete Karl Schultheis (SPD). Dazu sei der Umfang der diskutierten Mittel viel zu gering. Im Kern drehe sich die Debatte doch darum, inwiefern militärische Forschung oder solche, die Militärzwecken dienen könnte, zulässig und verantwortbar sei. Die Frage nach einer militärischen oder zivilen Nutzung - Stichwort "Dual-Use" - sei nicht immer eindeutig zu beantworten, und daher ein Schwarz-Weiß-Schema wenig hilfreich, erklärte Schultheis. Es gehe also darum, dass die Hochschulen verantwortlich und transparent damit umgingen. Dies greife auch der Referentenentwurf zum Hochschulzukunftsgesetz auf.

Die Grundfinanzierung an den NRW-Hochschulen sei nicht ausreichend, kritisierte für die CDU Dr. Stefan Berger. Gleichzeitig unterstrich er, dass Drittmittelforschung verbunden mit militärischer Nutzung immer auch eine Ethikdebatte mit sich bringe. Es sei schwer zu sagen, wann eine rote Linie überschritten werde - letztlich sei auch das Internet einem Projekt des US-Militärs entsprungen. Zudem warnte Berger davor, die Debatte zu nutzen, um wissenschaftliche Freiheit einzuschränken. Solange Hochschulen sich an die Gesetze hielten, sollten sie frei in ihren Drittmittel-Entscheidungen sein, so Berger. Den Entwurf zum Hochschulzukunftsgesetz bezeichnete er als "bedenklichen Weg".

Nach dem Grundgesetz stehe es Wissenschaftlern zu, ihre Forschungsthemen frei zu wählen, stimmte Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) zu. Das bezweifle auch niemand. Allerdings beschreibe die Verfassung auch eine friedlich ausgerichtete Gesellschaft. Daraus leite Rot-Grün eine allgemeine Zivilklausel ab, wie sie im jüngst vorgelegten Referentenentwurf stehe. "Flankiert werden soll diese Selbstverpflichtung mit einer strikten Transparenzpflicht auch für Drittmittelströme", erläuterte Seidl. Richtig sei aber auch, dass es für den Graubereich "Dual-Use" keine Patentlösung gebe. Zudem betonte sie, dass die Unis finanziell keineswegs auf die diskutierten US-Drittmittel angewiesen seien.

Die Wissenschaftsfreiheit sei Eckpfeiler einer freiheitlichen Gesellschaft, unterstrich Angela Freimuth (FDP). Begrenzt werden dürfe sie nur durch verfassungsimmanente Schranken, welche im Piraten-Antrag jedoch nicht vorkämen. Forschung im Rahmen des deutschen Verteidigungsauftrags sei vom Grundgesetz gedeckt, meinte Freimuth. Dies gelte ihrer Auffassung nach ebenso bei der Forschung für Nato-Bündnispartner. Dass Studienergebnisse auch für Militärzwecke angewandt werden könnten, dürfe jedenfalls nicht ein Verbot der Forschung bedeuten, so die Abgeordnete: "Diesen Zwiespalt müssen wir aushalten." Der Staat dürfe nicht diktieren, was gute und schlechte Forschung sei.

"Wir alle sind genauso schlau, wie die Leser der Süddeutschen Zeitung", so Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) zum US-Mittelfluss an Unis. Die Hochschulen seien derzeit nicht verpflichtet, solche Zuflüsse offenzulegen. "Wir brauchen mehr Transparenz", forderte Schulze. Sie wolle, dass Hochschulen künftig über Drittmittel informierten, darauf habe die Öffentlichkeit beim Einsatz öffentlicher Gelder ein Recht. Erst auf dieser Basis könne dann eine offene Debatte über ethische Grenzfragen stattfinden. Unstrittig sei aber, dass die Hochschulen trotz des für das kommende Jahr auf 7,9 Milliarden Euro steigenden Landesetats weiter auf Drittmittel angewiesen seien.

*

Quelle:
Landtag intern 11 - 44. Jahrgang, 19.12.2013, S. 3
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -23 04, -21 07, -23 09,
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2014