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NORDRHEIN-WESTFALEN/2059: Finale Haushaltsdebatte zwischen Attacke und Abschied (Li)


Landtag intern 11/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Kapitel beendet
Finale Haushaltsdebatte zwischen Attacke und Abschied
Plenarbericht



18. Dezember 2013 - Die dritte Lesung des Landeshaushalts für 2014 hatte - aktualitätsbezogen - einen anderen Charakter als gewohnte Generaldebatten von Regierung und Opposition. Angesichts der frisch gebackenen Großen Koalition auf Bundesebene und des anstehenden Wechsels von CDU-Fraktionschef Laumann nach Berlin wurden zwischen CDU und SPD neben den Unterschieden über den Haushalt auch grundsätzliche Gemeinsamkeiten deutlich. Eine Abrechnung über die Landespolitik erfolgte dann zwischen FDP, GRÜNEN und PIRATEN.


"Nordrhein-Westfalen ist ein tolles Land", unterstrich der aus dem Landtag scheidende CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann. Er lobte den Gemeinsinn vielerorts und fügte hinzu: "Ein gutes Gemeinwesen braucht einen starken Staat." Nicht nur die Schwachen seien darauf angewiesen, sondern auch die Starken, wie sich in der Finanzkrise gezeigt habe. Deshalb sei es die wichtigste Aufgabe von Parlament und Regierung, die Handlungsfähigkeit des Staates auch für die Zukunft zu sichern. Ein handlungsfähiger Staat müsse aber solide finanziert sein. Dass in NRW seit 40 Jahren mehr Geld ausgegeben als eingenommen werde, bereite ihm riesige Sorgen, sagte Laumann. Einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, falle in NRW deshalb so schwer, weil die Wirtschaft im Vergleich zum Durchschnitt der Bundesländer unterdurchschnittlich wachse. Bundeslandbezogene Auflagen für die Wirtschaft wie etwa das Klimaschutzgesetz hielt Laumann deshalb für falsch. Dem Landtag gegenüber begründete er seine Entscheidung zugunsten einer künftigen Tätigkeit als Bundesbeauftragter für Pflege: "Ich hab schon immer diejenigen besonders gemocht, die es nicht so leicht haben." Vieles werde er im Herzen mitnehmen, versprach er.

SPD-Fraktionsvorsitzender Norbert Römer zeigte zum Abschied seines bisherigen Gegenspielers Laumann Wertschätzung für große Teile seiner Rede. Er betonte - gerade in diesem "tollen Land" mit seinen zahlreichen Strukturveränderungen - die Bedeutung der sozialen Sicherheit, der Sozialpartnerschaft, die über Mitbestimmung auch Mitverantwortung bedeute. Kein Bergmann dürfe ins Bergfreie fallen. Dies bedeute heute, dass der Staat nicht um des Sparens willen kürzen und einsparen dürfe. Er müsse vielmehr auch notwendige Zukunftsinvestitionen vornehmen. Dazu zählten vor allem die Investitionen in frühkindliche Bildung, in Schule und Weiterbildung, in Wissenschaft und Forschung. Auch angesichts notwendiger Haushaltskonsolidierung und knapper Gelder müsse man hier für eine hohe Qualität sorgen, damit man kein Kind zurücklasse, betonte Römer. Die Zahl derjenigen, die ohne Schulabschluss blieben, sei immer noch zu hoch. Außerdem stärke eine solche Politik auch die Wirtschaft, da sie einem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirke. Insofern sei der Haushalt auf die Zukunft zugeschnitten. Vor diesem Hintergrund und bezugnehmend auf seinen Vorredner plädierte Römer an die CDU: "Stimmen Sie diesem Haushalt zu."

Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Lindner, ging auf Konfrontationskurs zum Haushaltsentwurf. "Es ist im Prinzip eine soziale Fassade auf Pump, und der stimmen wir nicht zu", sagte der Abgeordnete. Nach wie vor zeichne sich kein Konsolidierungspfad ab, mit dem 2020 die Schuldenbremse eingehalten werde. Stattdessen sei die Haushaltspolitik auf Steuererhöhungen ausgelegt, die mit der neuen Bundesregierung aber nicht kämen. Lindner bezeichnete dies als "spekulative Finanzpolitik". Obendrein sehe der Haushalt globale Mehreinnahmen von 300 Millionen Euro vor, von denen aber unklar sei, wo das Geld herkomme. "Ihre Haushalts- und Finanzpolitik ist angelegt auf Verfassungsbruch mit Ansage", sagte der Fraktionschef. Auch für die angeblichen Präventionsrenditen im Haushalt gebe es keine empirischen Belege. Während Lindner den Koalitionsfraktionen mangelnde Sparanstrengungen attestierte, verwies er auf die 71 Änderungsanträge der FDP zum Haushaltsentwurf. Damit könne die Nettokreditaufnahme schon 2014 unter 2 Milliarden Euro gedrückt werden. "Der Haushaltsentwurf zeigt, die Landesregierung ist damit beschäftigt, sich Spielwiesen und ideologischen Nebenkriegsschauplätzen zu widmen", urteilte Lindner.

Reiner Priggen, Fraktionschef der GRÜNEN, bescheinigte der Koalition eine außerordentlich sparsame Haushaltsführung: "Wir haben eine klar sinkende Linie der Neuverschuldung." Ausgehend von 6,6 Milliarden Euro Neuverschuldung, die Rot-Grün im Jahr 2010 von der schwarz-gelben Vorgängerregierung übernommen habe, stehe man nun im Haushalt 2014 bei 2,4 Milliarden Euro. Von den kritisierten gestiegenen Ausgaben gehe ein Löwenanteil auf unvermeidliche Kosten für die Kommunen, für Grundsicherung und Alter, den Hochschulpakt und die Kleinkindbetreuung zurück. Priggen verteidigte den Eigenanteil der Kommunen am Kommunal-Soli. "Die Erwartung, dass immer alles das Land zahlt, können Sie nur fordern, solange Sie in der Opposition sind", sagte der GRÜNE zu CDU und FDP. Einer der Änderungsanträge sei wie ein Untoter, spottete Priggen. Die Forderung nach Studiengebühren feiere in NRW jedes Jahr Auferstehung, obwohl es diese in keinem Bundesland mehr gebe. Die CDU-Forderung nach einer zwanzigprozentigen Kürzung der Mittel aller Förderprogramme kritisierte der Fraktionsvorsitzende als unkonkret. Mit dem Prinzip "Wasch mich, aber mach mich nicht nass" umgehe die CDU die sonst sehr konkrete Kritik der Interessenverbände.

Ohne zusätzliche Einnahmen werde man entweder einen wachsenden Schuldenberg oder eine kaputte Infrastruktur und ein ineffizientes Bildungssystem hinterlassen, so Dr. Joachim Paul, Vorsitzender der Piratenfraktion. Gerade werde die Kernsubstanz verfrühstückt. Das von der rot-grünen Landesregierung, aber auch der neuen Großen Koalition im Bund hierfür eingeplante Geld reiche nicht einmal für das Allernötigste. Mit Blick auf die Leistungen der Bürgerinnen und Bürger mahnte Paul den Lohn für die immens gestiegene Produktivität an. Stattdessen steige die Zahl derjenigen, die von der Sozialhilfe leben müssten. Neben Einnahmeverbesserungen forderte Paul auch eine andere Aufteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern. Das Geld müsse zum Beispiel in die Verkehrsinfrastruktur und den öffentlichen Nahverkehr investiert werden, "weil diese Systeme sonst kaputt gehen". Präventive Sozialpolitik bedinge auch mehr Mittel für die Bildung, konkret zum Beispiel für die Schulen, die bislang noch keine Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichteten. Dringend notwendig sei die Förderung der Schulsozialarbeit. Nicht genutzt werde auch das Potenzial der Digitalmedien für die Weiterentwicklung von Unterrichtsangeboten.

NRW sei ein gutes Stück von der Einhaltung der Schuldenbremse entfernt, betonte der fraktionslose Abgeordnete Robert Stein. Es sei geboten, den bis zum Jahr 2020 notwendigen Konsolidierungsverlauf transparent aufzeigen.

Ein klares Bekenntnis zur Sanierung des Landeshaushaltes legte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ab. "Unser Ziel ist Konsolidierung, und wir halten auch Wort", sagte die Regierungschefin. Spätestens 2020 sei die schwarze Null erreicht. Dafür werde die Neuverschuldung Jahr für Jahr zurückgefahren. Allein durch eine Senkung der Ausgaben funktioniere dies aber nicht. "Einsparen ja, aber gleichzeitig investieren in die Zukunft und die Einnahmen erhöhen", erläuterte Kraft. Durch Prävention könne erreicht werden, dass Sozialausgaben gar nicht erst entstünden. "Das ist die beste Haushaltskonsolidierung", bekräftigte Kraft. Mit Blick auf die Änderungsanträge der Opposition sagte sie: "Sie tun oft nur so, als ob sie Alternativen aufzeigen." Meistens seien es widersprüchliche und sozial unausgewogene "Luftbuchungen". Als Beispiel nannte sie die FDP-Forderung nach Mittelkürzungen für Sekundarschulen und gleichzeitig mehr Geld für private Gymnasien. Auch der Ruf nach schlankeren Strukturen bleibe unkonkret. Und wenn die Regierung wie beim Denkmalschutz spare, fordere die Opposition direkt das Gegenteil. "Einsparungen tun weh. Da muss man dann den Rücken breitmachen und da muss man stehen."


Angenommen
Der Landtag hat den Gesetzentwurf zum Haushalt 2014 (Drs. 16/3800, Ergänzung Drs. 16/4300) mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU, FDP, PIRATEN sowie des fraktionslosen Abgeordneten Stein angenommen. Änderungsanträge fanden keine Mehrheit.

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Quelle:
Landtag intern 11 - 44. Jahrgang, 19.12.2013, S. 10-11
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2014