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NORDRHEIN-WESTFALEN/2063: Steiniger Weg zu mehr Transparenz (Li)


Landtag intern 11/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Steiniger Weg zu mehr Transparenz
Umfassendes Informationsrecht zur Meinungsbildung gefordert

Von Christian Wolf



Dezember 2013 - Über Transparenz reden viele. Schließlich sollen den Bürgerinnen und Bürgern keine wichtigen Daten vorenthalten werden. Geht es aber um die Frage der Umsetzung und konkreten Ausgestaltung, ist es mit der Einigkeit schnell wieder vorbei. So auch bei einer gemeinsamen Expertenanhörung von Innen- und Kommunalausschuss zum Gesetzentwurf "Verwirklichung von Transparenz und Informationsfreiheit im Land Nordrhein-Westfalen" (Drs. 16/3248) der Piratenfraktion. Ein gemeinsamer Nenner ließ sich unter den Sachverständigen nicht finden - zu groß sind die unterschiedlichen Interessen.


Mit dem Gesetzentwurf soll ein umfassendes Informationsrecht eingeführt werden, das die demokratische Meinungs- und Willensbildung unterstützt und so die bürgerschaftliche Teilhabe fördert. Während das gültige Informationsfreiheitsgesetz Auskünfte lediglich auf Antrag gewähre, sollten Informationen "seitens des Staates von Amts wegen zugänglich gemacht" werden, heißt es.


Kommunen sehen keinen Bedarf

Vertreter der kommunalen Spitzenverbände konnten sich mit dem Gesetzentwurf überhaupt nicht anfreunden. Ein gesetzgeberisches Handeln sei nur bei Bedarf notwendig. "Einen solchen Bedarf sehen wir aus kommunaler Sicht mit Blick auf die Themen Transparenz und Informationsfreiheit derzeit nicht", sagte Dr. Marco Kuhn vom Landkreistag Nordrhein-Westfalen. Schon jetzt informierten die Kommunen interessierte Bürgerinnen und Bürger auf vielfältige Art und Weise. Der Gedanke von Öffentlichkeit und Transparenz sei nichts Neues. Wichtig sei allerdings die Freiwilligkeit, mit der so etwas geschehe. Auf freiwilliger Basis würden die Verwaltungen aktiv an dem Thema mitwirken. Gesetzliche Verpflichtungen wären kontraproduktiv, meinte er. Außerdem gebe es mit Blick auf die verfassungsrechtlich verbürgte kommunale Organisationsfreiheit "große Bedenken".

Stellvertretend für die kommunale Familie wies Kuhn auch darauf hin, dass eine unmittelbare Kontrolle der Verwaltung durch die Bürgerschaft dem Modell der repräsentativen Demokratie widerspreche. Aus kommunalverfassungsrechtlicher Sicht obliege es den Räten und Kreistagen, die Verwaltungen zu kontrollieren und zu überwachen.

Auf den entstehenden Kosten- und Arbeitsaufwand machte Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen aufmerksam. Wenn Verwaltungsdaten verpflichtend zugänglich gemacht werden müssten, löse dies einen beträchtlichen Aufwand und Kosten aus. Für die Bereitstellung und Aufarbeitung der Daten müssten zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Ulrich Lepper, zeigte sich grundsätzlich offen für einen nachhaltigen Ausbau von Transparenz und Open Data und nannte den Gesetzentwurf einen "wichtigen Beitrag" dazu. Allerdings sei dieser keine Weiterentwicklung des bestehenden Informationsfreiheitsgesetzes, sondern eine komplette Neufassung, die teilweise sogar etwas hinter den bisherigen Regelungen zurückbleibe. Sein Wunsch sei unter anderem ein Katalog mit eindeutigen Veröffentlichungspflichten.


Forderung nach zentralem Register

Seitens des Vereins "Mehr Demokratie" wurde der Schritt weg von einem Informationszugang auf Antrag und hin zu einer proaktiven Veröffentlichungspflicht begrüßt. Sofern nicht eng definierte Ausnahmebestände griffen, solle die Veröffentlichung integrierter Bestandteil des Verwaltungshandelns sein. Daniel Lentfer vom Landesverband Hamburg forderte in diesem Zusammenhang ein zentrales, elektronisches Informationsregister, in dem alle Daten übersichtlich und anwenderfreundlich zugänglich seien. Der Arbeitsaufwand für die Kommunen sei "nicht so groß".

Alexander Trennheuser vom NRW-Landesverband wies auf die Vorteile eines Transparenzgesetzes hin: Es stärke die demokratische Kontrolle durch parlamentarische Oppositionen, kritische Medienleute sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger. Da die Umsetzung auf Landesebene etwa drei Jahre und in den Kommunen etwa sechs Jahre dauere, solle das Projekt jetzt angegangen werden. Der Gesetzentwurf sei dafür ein "erster Aufschlag". Dem Argument des Mehraufwandes in den Verwaltungen entgegnete Stefan Wehrmeyer von der Open Knowledge Foundation, dass die bislang individuellen Anfragen nach Informationen durch eine verpflichtende Veröffentlichung schrittweise zurückgehen würden.

Insgesamt positiv bewertete Dr. Wilhelm Mecklenburg (netzwerk recherche e. V., Berlin) den Gesetzentwurf. Trotzdem führte er einige Kritikpunkte an. Besonders kritisch sei eine Presseklausel, wonach alle Informationen aufgrund presserechtlicher Anfragen veröffentlicht werden sollen. Investigative Arbeit würde dadurch unmöglich gemacht. Aus handwerklicher Sicht sei eine Überarbeitung des Entwurfs nötig.

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Quelle:
Landtag intern 11 - 44. Jahrgang, 19.12.2013, S. 19
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2014