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NORDRHEIN-WESTFALEN/2087: Kulturelles Erbe - Wie abgrenzen, wie bewahren? (Li)


Landtag intern 3/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenarbericht
Was bleibt von heute für morgen?
Kulturelles Erbe NRWs: Wie abgrenzen, wie bewahren?

Von Christoph Weißkirchen



20. Februar 2014 - Vor rund 2.000 Jahren wurde das sogenannte Gilgamesch-Epos verfasst, eines der ältesten schriftlichen Dokumente der Menschheit; es ist heute zumindest teilweise entziffert. Digitale Texte, abgespeichert vor rund 20 Jahren, sind dagegen heute zum Teil überhaupt nicht mehr lesbar. Wie also ist das kulturelle Erbe zu bewahren? Was ist überhaupt bewahrenswert? Was ist - auch angesichts der gigantischen digitalen Datenflut - zu löschen? Fragen, denen sich der Landtag NRW auf Antrag der PIRATEN (Drs. 16/5027) stellte.


Nordrhein-Westfalen besitze eine reiche Kulturlandschaft, betonte Lukas Lamla (PIRATEN). Oft unwiederbringliches Kulturgut werde in Bibliotheken, Museen, Archiven und Dokumentationszentren dezentral gesammelt und aufbereitet. In all diesen Institutionen würden große Mengen an Unterlagen digitalisiert, auch um sie der Bevölkerung unkompliziert online und barrierefrei zugänglich zu machen. Allerdings würden gerade hier nicht genügend Finanzmittel eingesetzt. Daher sei es notwendig, zunächst einmal mit Fachleuten einen Überblick über den Bestand zu erarbeiten, um dann planen zu können, welche Unterlagen in den kommenden Jahren digitalisiert werden sollten.

Das Datenvolumen im Internet verdoppele sich alle zwei Jahre, erläuterte René Schneider (SPD). Daher brauche man eine klare Festlegung, was man bewahren wolle und könne - verbunden mit der Frage, was eine solche Auswahl für die zukünftige Deutung unserer Gegenwart bedeute. Die Digitalisierung analoger Kulturgüter berge den Vorteil, dass man sie einem breiten Publikum zur Verfügung stellen könne. Problematisch sei, dass Festplatten ihre Informationen teils nur rund fünf Jahre festhielten. Hinzu komme, dass Hard- und Software schnell veralte und daher nach einer gewissen Zeit nicht mehr nutzbar sei. Bücher dagegen trügen ihre Information mehrere hundert Jahre.

Problem der Auswahl

Es sei nicht selten schwierig, elektronische Daten, die man vor 20 Jahren abgespeichert habe, heute noch zu öffnen, so Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg (CDU). Gleiches gelte für die Daten des ersten Online-Bildschirmdienstes BTX, der von 1983 bis 2001 in Betrieb war. Im heutigen Internet drohe Ähnliches, wenn man sich nicht mit dessen Archivierung beschäftige. Während man Online-Bücher und -Zeitungen relativ einfach digital aufbewahren könne, sehe das zum Beispiel bei Blogs, bei Radio und Fernsehen ganz anders aus. Hier stellten sich zum Beispiel die Fragen, was aufbewahrt werden solle, wer die Auswahl treffen solle und wie es mit dem Urheberrecht aussehe.

Die Frage der Auswahl hielt auch Oliver Keymis (GRÜNE) für das entscheidende Problem. Diese Arbeit sei jedenfalls sehr personalintensiv. Dies habe auch ein Gespräch mit dem Präsidenten des Landesarchivs NRW gezeigt. Angesichts des benötigten Aufwands müssten die PIRATEN daher sagen, woher das Geld kommen solle. Denn der Haushalt sei gerade auch im Kulturbereich so eng gestrickt, dass man nicht genügend Mittel habe, alle Forderungen zu erfüllen. Jedenfalls sei das Thema wichtig, müsse aber mit viel Realismus betrachtet werden. Der GRÜNEN-Sprecher regte daher ein Fachgespräch unter Beteiligung des Landesarchivs NRW sowie des Digitalen Archivs NRW an.

Es könne nicht Aufgabe einer Landesregierung sein, zu bestimmen und zu katalogisieren, was das aus ihrer jeweiligen Sicht erhaltenswerte kulturelle Erbe NRWs sei, wandte sich Ingola Schmitz (FDP) gegen den Antrag. Ihre Fraktion wolle kein Zentralregister für kulturelle Ausdrucksformen. Ablehnend stand sie auch der Forderung nach dem Einsatz "erheblicher Personalressourcen und Finanzmittel" gegenüber. Aus ihrer Sicht belegten permanente Kürzungen im Kulturetat, dass für SPD und GRÜNE Kulturpolitik keine Priorität habe. Gleichzeitig sägten sie am zweiten Standbein der kulturellen Vielfalt in NRW, dem privaten freiwilligen Engagement der Bürgerinnen und Bürger.

Die gemeinsame Verantwortung von Land und Kommunen für das analoge wie auch digitale Kulturgut werde bereits umgesetzt, betonte Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). Nordrhein-Westfalen sei das bislang einzige Land, das mit einem "Digitalen Archiv" daran arbeite, eine landesweite Infrastruktur zu schaffen, um digitales Kulturgut langfristig zu sichern. Diese stehe Land und Kommunen sowie Kultur- und Gedächtniseinrichtungen gleichermaßen zur Verfügung. Mengen- und Kostenplanungen seien in diesem Bereich allerdings schwierig. Daher sprach sich die Ministerin dafür aus, mit den vorhandenen Ressourcen funktionsfähige technische Lösungen zu entwickeln.


WEITERE BERATUNG
Der Antrag (Drs. 16/5027) wurde vom Plenum zur Fachberatung einstimmig an den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen.

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Quelle:
Landtag intern 3 - 45. Jahrgang, 26.3.2014, S. 6
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2014