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NORDRHEIN-WESTFALEN/2163: Zahl der von Wohnungslosigkeit Bedrohten steigt (Li)


Landtag intern 10/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Die Abstiegsspirale
Experten: Zahl der von Wohnungslosigkeit Bedrohten steigt

Von Wibke Busch



20. November 2014 - Der drohende Verlust der Wohnung wird für eine steigende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen zum Problem. Dies geht aus einer Studie der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS) Bremen hervor, die den Mitgliedern des Landtags-Sozialausschusses vorgestellt wurde. Demnach sind vor allem alleinstehende Männer von Wohnungslosigkeit bedroht. Überraschend hoch sei auch der Anteil von jungen Menschen unter 25 Jahren.


Laut der Studie, die im Auftrag des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums erstellt wurde, nahm die Zahl der von Wohnungslosigkeit bedrohten Haushalte in den Jahren 2007 bis 2012 landesweit um 10 Prozent zu. Im Jahr 2012 waren demnach insgesamt rund 53.000 Haushalte von Wohnungslosigkeit bedroht, wie Dr. Ekke-Ulf Ruhstrat, einer der beiden Autoren der Untersuchung, erläuterte - und damit mindestens 90.000 bis 100.000 Menschen. Die höchsten Zuwächse verzeichneten dabei die mittelgroßen Städte in Nordrhein-Westfalen mit 25.000 bis 100.000 Einwohnern. Das Problem ist allerdings weiterhin am größten in den kreisfreien Städten des Landes an Rhein und Ruhr, angeführt von Gelsenkirchen und Dortmund.

Fast 60 Prozent der Betroffenen sind Alleinstehende ohne Kinder, wobei Männer viel häufiger betroffen sind als Frauen, wie Mitautor Dr. Volker Busch-Geertsema betonte. Gegenüber ihrem Anteil an der Bevölkerung seien neben den alleinstehenden Männern insbesondere alleinerziehende Frauen "deutlich überrepräsentiert". Der Anteil der Haushalte mit Migrationshintergrund entspreche dagegen in etwa dem Bevölkerungsanteil von Zuwanderern.


Problem: Mietschulden

Das Gros aller von Wohnungslosigkeit Bedrohten ist laut der GISS-Studie zwischen 25 und 60 Jahre alt. Die meisten davon bezögen Hartz IV; rund 10 Prozent verfügten dagegen über ein Erwerbseinkommen. Unmittelbarer Anlass für den drohenden Verlust der Wohnung in fast 90 Prozent der Fälle: Mietschulden. Die Studie ergab zudem, dass sozial und wirtschaftlich benachteiligte Haushalte "in erheblichem Umfang" von Energieschulden und in der Folge von Liefersperren betroffen seien. Besonders hart treffe es Empfänger von Hartz IV und Grundsicherung, da der in den Regelsätzen für Haushaltsenergie vorgesehene Anteil die tatsächlichen Kosten nicht decke.

Als "relativ besorgniserregend" bezeichnete Busch-Geertsema, dass man bei der Erstellung der Studie einen "überraschend" hohen Anteil von Menschen unter 25 Jahren an den von Wohnungslosigkeit Bedrohten ermittelt habe. Hier gebe es Handlungsbedarf, denn ihre Zahl steige. Bei dieser Gruppe eskalieren laut der Studie häufig Konflikte im Elternhaus, so dass die jungen Menschen ihr Zuhause verlassen. Die zuständigen Präventionsstellen erhielten aber in den meisten Fällen gar keine Kenntnis von den Problemen, weil die Betroffenen zunächst bei wechselnden Bekannten oder Freunden unterkämen. Das System der öffentlichen Hilfe greife in der Regel erst dann, wenn die Personen tatsächlich wohnungslos seien. Hier seien "neue Wege" nötig, um frühzeitig intervenieren und helfen zu können.

Um Wohnungslosigkeit vermeiden zu können, empfehlen die beiden Forscher insbesondere ein koordiniertes Vorgehen von Kommunen, Jobcentern, Freien Trägern der Wohlfahrtspflege und der Wohnungswirtschaft. Wichtig sei auch die Information: Laut der Studie erhalten die zuständigen Stellen nur bei etwas weniger als der Hälfte der Fälle frühzeitig Kenntnis von bedrohten Wohnverhältnissen. Bei der Mehrheit geschehe dies erst, wenn die Mitteilungspflichten von Amtsgerichten und Gerichtsvollziehern griffen.

Für die Studie hatten die beiden Autoren Städte und Gemeinden, Jobcenter und Fachberatungsstellen der Freien Träger in Nordrhein-Westfalen befragt. Ergänzt worden sei dies durch vertiefende Fallstudien zum Umgang mit der Problematik in 13 ausgewählten Orten. Hintergrund der Studie waren den weiteren Angaben zufolge die bislang nur geringen Kenntnisse über die Anzahl und Zusammensetzung der von Wohnungslosigkeit bedrohten Haushalte sowie über die Art und den Umfang präventiver Hilfen.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 45. Jahrgang, 3.12.2014, S. 15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2015


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