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NORDRHEIN-WESTFALEN/2201: Petitionsausschuss - "Kummerkasten" des Landtags (Li)


Landtag intern 6/2015
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

"Eine beeindruckende Solidarität unter Kindern"
Petitionsausschuss - "Kummerkasten" des Landtags


Ärger mit behördlichen Stellen, beispielsweise mit dem Bauamt oder den Sozialbehörden? In diesen Fällen kann der Landtag helfen. Das Petitionsrecht ist eines der demokratischen Grundrechte eines jeden Bürgers.


In Artikel 17 des Grundgesetzes heißt es: "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden." Dieses ist - wie alle anderen im Grundgesetz geschriebenen Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte - Bestandteil der Landesverfassung (Artikel 4 Absatz 1).

Wer sich also von behördlichen Stellen ungerecht behandelt fühlt, kann sich jederzeit an den Petitionsausschuss des Landtags wenden. Das Wort Petition stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt so viel wie Bitte oder Gesuch. Staatliche Stellen sind beispielsweise kommunale Verwaltungen, Finanzämter, die Polizei oder die Schulen und Universitäten des Landes.


Weitgehende Rechte

Das Gremium setzt sich zusammen aus 25 Abgeordneten aller im Landtag vertretenen Fraktionen. Sie befassen sich mit allen Eingaben von Bürgern, die in den Zuständigkeitsbereich des Landes fallen, und versuchen zwischen Petenten und behördlicher Stelle zu vermitteln und gemeinsame Lösungen aufzuzeigen.

Für Nordrhein-Westfalen räumt Artikel 41a der Landesverfassung dem Petitionsausschuss des Landtags weitgehende Rechte ein. So sind die Landesregierung und die Behörden, soweit sie unter der Aufsicht des Landes stehen, verpflichtet, dem Ausschuss auf sein Verlangen jederzeit Zutritt zu ihren Einrichtungen zu gestatten. Sie müssen darüber hinaus alle erforderlichen Auskünfte erteilen und Akten zugängig zu machen. In vielen Fällen machen sich die Abgeordneten bei Ortsterminen ein eigenes Bild vom Streitfall - beispielsweise bei Bauangelegenheiten.

Die Bürgerinnen und Bürger können mit ihren Petitionen aber auch Anstöße zur Kontrolle der Verwaltung und in Ausnahmefällen sogar zur Gesetzgebung geben.

Das Petitionsrecht kann jeder in Nordrhein-Westfalen für sich in Anspruch nehmen - und zwar jeden Alters und unabhängig davon, ob er einen deutschen Pass hat oder nicht. Auch Kinder und Jugendliche können sich mit Bitten oder Beschwerden an den Petitionsausschuss wenden.

Die Hürden für eine Petition sind sehr niedrig. Es gibt keine formalen Vorgaben -jeder soll sein Anliegen so vortragen können, wie er es sieht. Allerdings müssen die Eingaben schriftlich an den Petitionsausschuss gerichtet werden, mit Namen, Adresse und Unterschrift.

Möglich sind auch Sammelpetitionen, wenn sich mehrere oder viele Bürgerinnen und Bürger über dasselbe Problem geärgert haben - beispielsweise Bürgerinitiativen, Vereine oder Schulklassen. Auch hier reichen der Name, die Adresse und die Unterschrift einer Person, die die Interessen der Gruppe vertritt. Anonyme Petitionen werden nicht bearbeitet.

Der Petitionsausschuss des Landtags ist per Post zu erreichen unter: Landtag Nordrhein-Westfalen - Petitionsausschuss - Postfach 101143 - 40002 Düsseldorf. Petitionen können auch per E-Mail eingereicht werden an: petitionsausschuss@landtag. nrw.de.

Zudem gibt es auf der Internetseite des Landtags ein vorbereitetes Formular, das online ausgefüllt und dann abgesendet werden kann: www.landtag.nrw.de.

Auf den Internetseiten gibt es unter der Rubrik Petitionen zudem weitere Informationen zum Ausschuss und seiner Arbeit - u.a. ein Video.

Fragen beantwortet der Ausschuss unter:

(0211) 884-2134 oder -2299.

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Ärger mit Behörden? Der Petitionsausschuss ist Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger und hilft. Landtag Intern sprach mit Rita Klöpper (CDU), der Ausschussvorsitzenden, und Inge Howe (SPD), der stellvertretenden Vorsitzenden, über die Arbeit und ihr gemeinsames Herzensanliegen - Petitionen von Kindern und Jugendlichen.


Landtag Intern: Frau Klöpper, Frau Howe, haben Sie sich persönlich schon einmal von einer Behörde ungerecht behandelt gefühlt?

Rita Klöpper: Natürlich. Ich denke, jeder wird das in irgendeiner Form schon einmal erlebt haben. Die meisten Dinge lassen sich aber im direkten Gespräch klären. Wenn ich Ärger mit Behörden habe, gehe ich zuerst einmal zu dem betreffenden Sachbearbeiter und sage: Gucken Sie doch bitte noch einmal drüber, das kann nicht stimmen. Wenn er dann trotzdem dabei bleibt, dann geht es schon langsam in Richtung Petitionsausschuss. Es ist schließlich wichtig, dass Behörden und Bürger vernünftig miteinander auskommen. Sonst funktioniert unser ganzes System ja nicht.

Inge Howe: Ganz konkret: Als wir gebaut haben, da wollten wir gerne eine Doppelgarage haben. Ich wohne im ländlichen Raum und da hat man gezwungenermaßen einen zweiten Pkw. Es gab Probleme mit der Baubehörde, die sagte: Eine Garage reicht, eine zweite ist nicht notwendig. Nach dem schriftlichen Antrag kam die schriftliche Ablehnung, danach suchten wir das persönliche Gespräch.


Landtag Intern: Und, das Ergebnis?

Howe: Wir konnten das regeln. Wir hätten die zweite Garage bauen dürfen, haben uns dann jedoch für einen Carport entschieden. Oft ist es aber so, dass sich die Betroffenen vor Ort derart zerstritten haben, dass der Petitionsausschuss die letzte Rettung ist. In unserer Landesverfassung gibt es den Artikel 41a, er gewährt dem Petitionsausschuss besondere Rechte. Wir können beispielsweise Termine vor Ort machen, um uns die Sache anzuschauen. Gerade im Baurecht erzielen wir bei Ortsterminen gute Erfolge.

Klöpper: Wir können Dinge versachlichen. Mitunter haben sich die Beteiligten bis aufs Blut bekämpft. Wenn sie sich aber gegenübersitzen und in die Augen blicken, wird vieles leichter. Dann sieht man: Auf einmal wird sogar gelächelt.


Landtag Intern: In gewisser Weise sind die Ausschussmitglieder demnach Mediatoren.

Howe: Das stimmt. Wir versuchen, die Beteiligten an einen Tisch zu bekommen und allen Seiten gerecht zu werden. Alle bemühen sich dann, Emotionen zurückzustellen und in einer sachlichen Diskussion zu einer Lösung zu kommen.

Klöpper: Ein Beispiel: Wegen eines anderen Termins kam ich einmal eine Viertelstunde zu spät zu einem Ortstermin. Als ich dann da war, hatte sich der Streit schon erledigt.


Landtag Intern: Besonders am Herzen liegt Ihnen, dass das Petitionsrecht auch für Kinder und Jugendliche gilt. Warum?

Klöpper: Wir wünschen uns, dass sich junge Leute in die politische Debatte einbringen. Und dass sie sich Gedanken machen über wichtige Themen unserer Gesellschaft. Wie ernsthaft sie an Politik herangehen, zeigt sich beispielsweise beim Jugend-Landtag. Und Kinder werden heutzutage vielmehr als in früheren Zeiten von ihren Eltern dazu erzogen, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Howe: Es gibt Informationsmaterial über den Ausschuss, das ist jedoch sprachlich auf Erwachsene ausgerichtet. Kinder aber haben ihre eigene Sprache und auch sie sollen verstehen, was sie lesen. Wir werden deshalb künftig auch kindgerechtes Informationsmaterial anbieten. Ich glaube, das stärkt die Kinderrechte. Und das ist uns als Parlament sehr wichtig.


Landtag Intern: Mit welchen Anliegen können sich Kinder und Jugendliche an den Petitionsausschuss wenden? Könnten sie sich über Lehrer beschweren?

Klöpper: Wie bei den Erwachsenen mit allen Problemen, die sich im Umgang mit Behörden ergeben. Es gab beispielsweise bereits Petitionen wegen Problemen bei der Vergabe von Schulnoten. Das ist ein Anliegen, mit dem wir uns natürlich beschäftigen.

Howe: Ein aktuelles Thema sind Flüchtlingsfragen. Da reichen Kinder einer Schulklasse eine Petition ein, weil ein Mitschüler ausgewiesen werden soll. Es ist beeindruckend, was sie schreiben und welche Solidarität dabei zutage tritt. Natürlich werden Petitionen von Kindern genauso ernst behandelt wie die von Erwachsenen.


Landtag Intern: Wie viele Petitionen erreichen den Ausschuss im Jahr?

Klöpper: Das sind Wellenbewegungen. Meist sind es zwischen 4.000 und 5.000. Im Gegensatz zu sogenannten privaten Petitionsplattformen im Internet geht es bei uns immer nur um den einen Fall, deshalb können wir auch mehr für die Menschen tun. Darauf haben sie einen Rechtsanspruch. Außerdem kostet es keinen Cent, wenn man das Parlament anruft.

Howe: Und bei diesen Plattformen ist nicht sichergestellt, dass eine Petition das Parlament auch tatsächlich erreicht. Wird die Petition an den Petitionsausschuss geschickt, erreicht jedes Anliegen direkt den Landtag und wird bearbeitet.


Landtag Intern: Worum geht es in den Petitionen?

Howe: Schwerpunkte sind die Bereiche Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Klöpper: Ich denke, dass uns auch das Thema "Flüchtlinge" stärker beschäftigen wird.


Landtag Intern: Man bezeichnet den Petitionsausschuss zuweilen als "Kummerkasten". Im Grunde sind Sie aber auch ein "Pulsmesser" der Gesellschaft.

Klöpper: Das stimmt, ich nenne den Ausschuss auch oft einen Seismografen. Wir wissen über die Gesellschaft Bescheid und wie sich Menschen in ihrem Denken verändert haben.

Howe: In den Petitionen spiegelt sich die ganze Bandbreite der Gesellschaft wider. Menschen mit geringem Einkommen wenden sich an uns, aber auch Unternehmer, die beispielsweise mit der Parksituation vor ihrem Geschäft unzufrieden sind. Jeder, der eine Eingabe macht, bekommt von uns auch eine Antwort. Die Menschen sollen merken, dass sie ernst genommen werden.


Landtag Intern: Bekommen Sie auch Dankesschreiben?

Klöpper: Ja, durchaus.

Howe: Wir merken aber auch vor Ort, dass die Menschen dankbar und überrascht sind, wenn wir uns um ihre Anliegen kümmern. Es wird positiv wahrgenommen, dass sich auch hauptamtliche Politiker nicht von den Bürgerinnen und Bürgern entfernt haben.


Landtag Intern: Wie funktioniert die Arbeit im Ausschuss?

Klöpper: Nordrhein-Westfalen steht mit seinem Petitionsausschuss richtig gut da. Wir sind 25 Ausschussmitglieder und können uns individuell mit jedem Fall beschäftigen. Das macht viel Arbeit. Aber wir arbeiten in vollstem Vertrauen miteinander. Unsere Ortstermine sind eine Besonderheit, die von großem Vorteil ist. Zudem fassen wir alle Beschlüsse zu Petitionen vor dem Hintergrund des geltenden Rechts einstimmig. Parteipolitik spielt bei uns keine Rolle.

Howe: Bei uns stehen die Belange der Bürgerinnen und Bürger im Vordergrund. Beschlüsse werden parteiübergreifend und einvernehmlich gefasst, das ist nicht in allen Bundesländern so.

Das Interview führten Michael Zabka und Wibke Busch

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Quelle:
Landtag intern 6 - 46. Jahrgang, 8.9.2015, S. 14-15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-2107, -2324, -2309
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2015

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