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NORDRHEIN-WESTFALEN/2262: Familienausschuss hört Sachverständige zur Rolle von Betriebskitas (Li)


Landtag intern 8/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Beruf und Betreuung
Familienausschuss hört Sachverständige zur Rolle von Betriebskitas

Von Sonja Wand


22. September 2016 - Papa arbeitet, Mama hütet daheim das Kind - neben diesem traditionellen Modell haben sich längst andere etabliert, um Beruf und Kinder miteinander zu vereinbaren. Welche Rolle spielen betriebliche Kindertagesstätten im System der Kinderbetreuung? Wie hoch ist der Bedarf, wie sind die Rahmenbedingungen? Zu diesen Fragen hat der Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend Sachverständige angehört.

Der Anhörung lag ein Antrag (Drs. 16/11700) von CDU und FDP zugrunde, die sich für bessere Fördermöglichkeiten für Betriebskitas aussprechen. Betriebliche Betreiber von Kitas sollten mit anerkannten freien Trägern gleichgestellt werden, ebenso wie private Träger, die im Auftrag von Unternehmen Kitas betreiben. Zudem solle das Land mit "Best Practise"-Beispielen werben, so die Forderungen im Antrag.

Niemand unter den Sachverständigen konnte im Ausschuss den tatsächlichen Bedarf an Betriebskitas beziffern, da keine entsprechende Erhebung vorliege. Claudia Dunschen vom Verband "Unternehmer NRW" berichtete aber, dass Unternehmen aus dem ländlichen Raum des Öfteren einen solchen Bedarf meldeten.

In der Tat liege Potenzial brach, heißt es in der Stellungnahme von David Brabender, dem Geschäftsführer des Unternehmens Kita Concept, das Betriebskindergärten in NRW und Hessen betreibt. Die Förderbeschränkungen für Betriebskitas seien nicht nachvollziehbar. Schließlich müssten sie dieselben qualitativen Anforderungen erfüllen wie jede andere Kita, um eine Betriebsgenehmigung zu erhalten. Außerdem könnten Betriebskitas mit zusätzlichen Plätzen einen Betreuungsbedarf abdecken, den zurzeit andere Träger abdecken würden, die die Landesförderung erhielten. Mehr Plätze kämen der Öffentlichkeit zugute.

"Eine quantitativ ausreichende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ist eine gesamtgesellschaftliche staatliche Aufgabe", stellte der Verband "Unternehmer NRW" in seiner Stellungnahme fest. Wenn Unternehmen diese öffentliche Aufgabe wahrnähmen, müssten sie auch aus öffentlichen Mitteln in NRW gefördert werden, so die Forderung. Zudem sei mehr Flexibilität wünschenswert, sodass Kinder auch innerhalb des Kindergartenjahres starten oder Kontingente kurzfristig angepasst werden könnten, forderte Verbandsvertreterin Dunschen.

Häufig schreckten Betriebe sowohl vor der Komplexität an Anforderungen als auch vor den Kosten zurück, erklärte Dolf Mehring, Leiter des Bochumer Jugendamtes. Eine Lösung finde sich meist in Kooperationen von Betrieben mit anerkannten freien Trägern, die im Auftrag des Unternehmens eine Kita betreiben könnten und dafür auch Landesförderung erhielten.

Es gebe sehr viel mehr betriebliche Kitas als die 23 im Antrag genannten, erklärte Martin Künstler vom Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. Die meisten seien Kooperationsmodelle zwischen einem Betrieb und einem anerkannten Träger.


Förderkriterien

Grundsätzlich seien betriebliche Kindertageseinrichtungen nicht von der Landesförderung ausgeschlossen, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe - es komme lediglich auf die Rechtsform an. Wenn der Betrieb z. B. eine gemeinnützige GmbH gründe, stehe einer Förderung nichts im Wege.

Der Landesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe sieht in der bestehenden Unterscheidung nach der Rechtsform des Trägers eine "willkürliche Ungleichbehandlung". Diese sei unvereinbar mit dem Grundgesetz und Europarecht, argumentiert der Verband in seiner Stellungnahme.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe wies darauf hin, dass sich Eltern in der Regel eine Kinderbetreuung im Wohnumfeld wünschten. Eltern wollten ihren Kindern Sozialkontakte ermöglichen, die auch außerhalb der Betreuung gepflegt werden könnten.

Kritisch zu beleuchten sei der Anspruch, die Kinderbetreuung den Arbeitserfordernissen anzupassen: "Wir dürfen den sehr jungen Kindern nicht zumuten, was für Beschäftigte undenkbar wäre." Ähnlich argumentierte Dr. Matthias Menzel von den Kommunalen Spitzenverbänden. Die Rolle der Betriebskitas dürfe zudem nicht überbewertet werden. Interessant seien diese vor allem für Beschäftigte mit wechselnden Arbeitszeiten oder Schichtdienst. Hier aber dürften die Kinder nicht das Nachsehen haben. Stattdessen gelte es, auch auf der Seite der Arbeitgeber Arbeitszeiten anzupassen.

Helga Siemens-Weibring von der Evangelischen Kirche im Rheinland kritisierte die Zielrichtung von Betriebskitas, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin unterstützen sollten, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. "Wir verstehen Kitas zuallererst als Bildungseinrichtung für Kinder, nicht als Betreuungsangebot", sagte sie in der Anhörung.

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Quelle:
Landtag intern 8 - 47. Jahrgang, 11.10.2016, S. 7
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2016

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