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NORDRHEIN-WESTFALEN/2283: Schuldenbremse - aber wie? (Li)


Landtag intern 1/2017
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Schuldenbremse - aber wie?
Sachverständige äußern sich zu Gesetzentwurf der Landesregierung

von Dr. Stephan Malessa


24. Januar 2017 - "Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen", schreibt Artikel 109 des Grundgesetzes vor. Ab dem Jahr 2020 dürfen die Länder daher keine neuen Schulden machen. Das Grundgesetz lässt aber Spielraum bei der Umsetzung, etwa um auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können. Wie Nordrhein-Westfalen die Schuldenbremse konkret einführen kann, haben jetzt Sachverständige bei einer Anhörung im Landtag beraten.


Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf (Drs. 16/13315) vorgelegt, um die Schuldenbremse als einfaches Gesetz umzusetzen. Eine Aufnahme in die Landesverfassung hatte die Verfassungskommission des Landtags diskutiert, sich aber nicht darauf einigen können. Einige Sachverständige kritisierten dies jetzt.

Professor Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität Berlin führt in seiner Stellungnahme aus, dass der Verfassungsgerichtshof bei einer einfachgesetzlichen Regelung nicht aktiv werden könne. "Die Schuldenregel in Nordrhein-Westfalen könnte ab dem Jahr 2020 durch Opposition und Verfassungsgerichtshof noch weniger auf ihre Einhaltung kontrolliert werden als zuvor", schreibt Waldhoff. Auch der Landesrechnungshof NRW und Professor Henning Tappe von der Universität Trier forderten in ihren Stellungnahmen eine Regelung in der Landesverfassung. Die Kreditaufnahme ließe sich nicht "durch eine - etwa durch die Opposition im Landtag beantragte - abstrakte Normenkontrolle überprüfen", schreibt Tappe. Ein Stück Verfassungsautonomie sei damit preisgegeben. Auch der Bund der Steuerzahler empfiehlt eine Verfassungsänderung: "Da eine Verfassungsänderung eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament benötigt, könnten künftige Regierungen eine wirksame Schuldenbremse nicht eigenmächtig aushebeln."

"Möglichkeit zur Reaktion"

Professor Achim Truger von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin hingegen begrüßt in seiner Stellungnahme das Vorgehen der Landesregierung. Durch die einfachgesetzliche Regelung könne sie auf die Erfahrungen des Bundes und anderer Länder reagieren. Professor Christoph Gusy von der Universität Bielefeld sagte in der Anhörung, man müsse abwägen zwischen dem größeren Maß an Stabilität in der Landesverfassung und dem Vorteil, bei einer einfachgesetzlichen Regelung schneller reagieren zu können. Es handle sich um einen "gelungenen Kompromiss". Dr. Sebastian Gechert von der Hans-Böckler-Stiftung stimmte zu: Die Schuldenbremse sei etwas Neues und es sei gut, reagieren zu können. Deswegen ziehe er die einfachgesetzliche Regelung der Umsetzung in der Verfassung vor. Professor Heinz-Josef Bontrup von der Westfälischen Hochschule begrüßte, dass es im Landtag keine Mehrheit für eine Verfassungsänderung gegeben hatte. Die Schuldenbremse werde sich nicht umsetzen lassen. Er befürchtete eine "ökonomische Fehlentwicklung".

Das Grundgesetz erlaubt den Ländern Ausnahmen von der Schuldenbremse, zum Beispiel bei einer "von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung", wie es im Gesetzentwurf der Landesregierung heißt. Abweichungen sollen laut Gesetzesentwurf auf einem Kontrollkonto erfasst werden. Sobald die Höhe der neuen Schulden 1,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts überschreite, müssten sie konjunkturgerecht zurückgeführt werden.

Dr. Sebastian Gechert begrüßte die Regelung: Die Vorschriften orientierten sich an denen des Bundes und seien ein "sinnvoller Puffer". Professor Christoph Gusy führte grundlegend aus: "Die Schuldenbremse ist kein Wert an sich", die Handlungsfähigkeit des Staates müsse erhalten bleiben. Das bedeute auch, investitionsfähig zu sein. Aus Sicht des Landesrechnungshofes ist die 1,5-Prozent-Grenze zu hoch angesetzt, um "eine effektive Begrenzung von Kreditaufnahmen sicherzustellen", heißt es in der Stellungnahme. Zudem fehlten gesetzliche Vorgaben, wie über dem Schwellenwert liegende Belastungen zurückgeführt werden sollten.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 48. Jahrgang, 31.01.2017, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2017

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