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NORDRHEIN-WESTFALEN/2319: Das Diesel-Urteil und die Folgen (Li)


Landtag intern 2/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

PLENUM
Das Diesel-Urteil und die Folgen
Landtag debattiert über mögliche Fahrverbote in NRW-Städten

von Thomas Becker, Susanne Ellert und Michael Zabka


28. Februar 2018 - Drohen Diesel-Besitzern Fahrverbote in nordrhein-westfälischen Städten? Mit dieser Frage befasste sich der Landtag in einer Aktuellen Stunde. Nur einen Tag zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht in Ausnahmefällen solche Fahrverbote zur Verbesserung der Luft erlaubt.


Der Aktuellen Stunde lagen Anträge der AFD-Fraktion (Drs. 17/2026) und der Grünen-Fraktion (Drs. 17/2027) zugrunde.

Dr. Christian Blex (AfD) kritisierte die Gerichtsentscheidung: "Was wir gestern erleben durften, war Staatsversagen mit Ansage." Das Urteil basiere auf einer "völlig unreflektierten Übernahme" von Grenzwertempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für die Feinstaubbelastung. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/³) für Stickstoffdioxide sei als "ökoradikales Planziel" vom Gesetzgeber für gültig erklärt worden; diese Interpretation sei allerdings "ganz bewusst falsch". Zudem seien Messcontainer - etwa in Düsseldorf - direkt an Hauptverkehrsstraßen errichtet worden, um die gewünschten Ergebnisse zu liefern.

Arndt Klocke (Grüne) wies darauf hin, dass die Bundesregierung bislang keine notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, um Fahrverbote zu vermeiden. In "Kumpanei" mit der Autoindustrie sei in der Vergangenheit "geschummelt und getrickst" worden, um Messwerte von Dieselfahrzeugen zu manipulieren - mit eklatanten Folgen für die Gesundheit. Es brauche deshalb ein "verbindliches Hardwareupdate" in betroffenen Fahrzeugen. Die Kosten dafür müsse die Autoindustrie tragen. "Und zwar zu 100 Prozent." Nötig sei außerdem die bundesweite Einführung einer blauen Plakette, um schadstoffarme Fahrzeuge zu kennzeichnen.

Das Bundesverwaltungsgericht habe eine abstrakte Rechtsfrage beantwortet, aber nicht darüber geurteilt, ob Fahrverbote in den betroffenen Kommunen einzuführen sind, sagte Klaus Voussem (CDU). Die Entscheidung, ob diese verhältnismäßig seien, obliege den Bezirksregierungen. "Ziel der NRW-Koalition ist und bleibt es daher, Fahrverbote generell zu vermeiden. Auch der blauen Plakette erteilen wir weiterhin eine Absage", erklärte Voussem. Fahrverbote würden einen schweren wirtschaftlichen Schaden verursachen. Ziel sei es, die Feinstaubbelastung weiter zu senken, dafür stünden eine ganze Reihe anderer Maßnahmen zur Verfügung.

"Kommunen unterstützen"

Bisher habe die Landesregierung "sprachlos, untätig und orientierungslos" reagiert, sagte Sven Wolf (SPD). Das Problem könne nicht von den Kommunen allein gelöst werden. Es sei nun an der Landesregierung, einen Maßnahmenkatalog zu erstellen. Nur so könnten bei einem möglichen Fahrverbot ein Verkehrschaos verhindert und die Ziele der Gesundheit und des Umweltschutzes erreicht werden. Es brauche Instrumente, die Klarheit schafften. Die blaue Plakette könne eines davon sein. "Dieselgate ist in den Städten angekommen", sagte Wolf und forderte die Landesregierung auf, die Kommunen mit Förderprogrammen zu unterstützen.

Aus Sicht der FDP-Fraktion seien Fahrverbote eine "unzumutbare Einschränkung individueller Mobilität", sagte Bodo Middeldorf. Sie vernichteten Vermögen und seien "auch wirtschafts- und stadtentwicklungspolitisch der vollkommen falsche Weg". Die FDP werde alles daran setzen, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu vermeiden. Das Bundesverwaltungsgericht habe Fahrverbote an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geknüpft und damit ein "kluges, abgewogenes Urteil" gefällt. Wichtig sei, die Automobilhersteller in die Pflicht zu nehmen. Sie müssten ältere Dieselfahrzeuge auf eigene Kosten nachrüsten.

Man habe sich "willkürlich" auf einen von vielen Grenzwerten fokussiert, sagte Marcus Pretzell (fraktionslos). Er empfahl, die Grenzwerte bei der Schadstoffbelastung zu verändern. Dies sei die "einzige realistische Möglichkeit".

Fahrverbote seien nur dann zulässig, wenn sie sich als einzige geeignete Maßnahme erweisen, die Grenzwerte einzuhalten, sagte Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU). Fahrverbote seien damit eine "Ultima-Ratio-Option". Dies habe das Gericht deutlich gemacht. Zudem seien Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen erforderlich. Die Landesregierung sei zuversichtlich, die Einhaltung der Grenzwerte auch ohne Fahrverbote zu erreichen. Die Ministerin sah auch die Autobranche in der Pflicht: Alle Möglichkeiten der Nachrüstung müssten geprüft werden - "zeitnah und nicht auf Kosten der Autofahrer und Steuerzahler".

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Quelle:
Landtag intern 2 - 49. Jahrgang, 06.03.2018, S. 3
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
André Kuper, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2018

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