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NORDRHEIN-WESTFALEN/2334: Debatte über die Sicherheit (Li)


Landtag intern 4/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

PLENUM
Debatte über die Sicherheit
Kontroverse Diskussion um geplante Änderung des Polizeigesetzes

von Thomas Becker und Dr. Stephan Malessa


26. April 2018 - Die Landesregierung will das nordrhein-westfälische Polizeigesetz ändern, um die Sicherheit an Rhein und Ruhr zu stärken. Geplant sind u. a. neue Fahndungsmöglichkeiten für die Polizei, eine Ausweitung der Videoüberwachung und der Einsatz "elektronischer Fußfesseln". Hintergrund seien terroristische Bedrohungen, aber auch die sogenannte Alltagskriminalität. Die regierungstragenden Fraktionen lobten den Gesetzentwurf, die Opposition äußerte sich kritisch.


Anlass der Debatte war die erste Lesung des Entwurfs des "Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen - Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen" (17/2351), den die Landesregierung ins Parlament eingebracht hat.

Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnete das Sicherheitspaket als "effektive und auch ausgewogene Grundlage für Polizeiarbeit in Nordrhein-Westfalen". Mit der Gesetzesänderung solle die Handlungsfähigkeit der Polizei für die Zukunft gesichert werden. Als Beispiele nannte er u. a. die Telekommunikationsüberwachung, die elektronische Fußfessel und die Ausweitung des Unterbindungsgewahrsams in Fällen einer drohenden Gefahr. Das Paket sei mit Augenmaß geschnürt. "Freiheit und Sicherheit schließen sich nicht aus, im Gegenteil, mehr Sicherheit bedeutet auch mehr Freiheit", sagte Reul.

Der Gesetzentwurf sei ein "Quantensprung in der Sicherheitspolitik in Nordrhein-Westfalen", sagte Dr. Christos Katzidis (CDU). Es würden die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, damit die Polizei effektiv Gefahren und Terror bekämpfen könne. Zudem werde der Opferschutz gestärkt, z. B. bei häuslicher Gewalt. Die Änderungen am Polizeigesetz seien nur ein Baustein der Sicherheitspolitik, weitere seien mehr Wertschätzung für Polizistinnen und Polizisten, die materielle Ausstattung der Polizei sowie die Schaffung neuer Stellen. "Nordrhein-Westfalen wird in Zukunft ganz zweifelsfrei sicherer sein."

Hartmut Ganzke (SPD) kündigte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf an. Denn jede Bürgerin und jeder Bürger in NRW sei von den Änderungen des Gesetzes betroffen. So solle künftig die Polizei nicht nur bei konkreter, sondern auch bei "drohender Gefahr" eingreifen können. Er warnte: Wer am falschen Ort zur falschen Zeit mit den falschen Menschen nur rede, könne möglicherweise bis zu einem Monat in Gefährderhaft genommen werden. "Wollen wir das?", fragte Ganzke und warnte, dass Grundrechte wie das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen sein könnten.

Marc Lürbke (FDP) hielt dagegen, dass die Gesetzesnovelle die Polizei bei ihrer täglichen Arbeit stärke und "passgenaue Verbesserungen bei der Inneren Sicherheit" auf den Weg bringe. "Effektive Kriminalitätsbekämpfung" erfordere, dass Ermittlungsinstrumente und -befugnisse von Sicherheitsbehörden an "neue Bedrohungslagen" angepasst würden. In Nordrhein-Westfalen hielten sich mehr "islamistische Gefährder" als in jedem anderen Bundesland auf. "Dies länger zu ignorieren, wäre mehr als fahrlässig", sagte Lürbke. "Kriminellen und Terroristen wollen wir konsequent auf den Füßen stehen."

Elektronische Fußfesseln

Der Gesetzentwurf zeige, wie sehr CDU und FDP zu Getriebenen der "von ihnen geschürten Ängste" geworden seien, kritisierte Verena Schäffer (Grüne). Der Entwurf strotze nur so vor "Symbolpolitik", ohne für mehr Sicherheit zu sorgen: Elektronische Fußfesseln hinderten Terroristen nicht daran, Anschläge zu begehen, wie sich in Frankreich gezeigt habe. Menschen auf Verdacht bis zu einem Monat lang in Gewahrsam zu nehmen, sei zudem verfassungswidrig und führe nicht dazu, dass sie "geläutert" würden. Aufgrund des restriktiven, wirkungslosen und verfassungswidrigen Entwurfs sei Innenminister Reul "ein Risiko für unsere Freiheit".

Aus anderen Gründen kritisierte Thomas Röckemann (AfD) den Gesetzentwurf als "nicht zielführend". Die geplante Telekommunikationsüberwachung werde etwa der "Gefährdungslage des ausländischen bzw. des islamischen Terrorismus nicht ansatzweise gerecht". Wirksamer sei, "die Grenzen zu schließen", "Abschiebungen durchzuführen" und dem "Rechtsstaat auf diese Weise Geltung zu verschaffen". Auch die geplante Videoüberwachung sei reine "Symptombekämpfung" und zudem "realitätsfern", da es bei der Polizei an Personal mangele. Mit ihrem "populistischen" und "halbherzigen" Entwurf mache die Regierung "ein scharfes Schwert stumpf".

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Quelle:
Landtag intern 4 - 49. Jahrgang, 02.05.2018, S. 7
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2018

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