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RHEINLAND-PFALZ/2719: "Betreuungsgeld schafft falsche Anreize" (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 40/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 29. Oktober 2012

"Betreuungsgeld schafft falsche Anreize"



Die Pläne der Bundesregierung zur Einführung eines Betreuungsgelds für junge Familien veranlasste die SPD-Fraktion zur Beantragung ihrer Aktuellen Stunde.

Er sei der festen Überzeugung, "dass die Mehrheit der CDU-Mitglieder und auch der FDP gegen die Einführung des Betreuungsgeldes ist, weil sie der Ansicht sind, dass hiermit falsche Anreize gesetzt werden", sagte SPDFraktionschef Hendrik Hering. Mit dieser "Fernhalteprämie" würden Frauen davon abgehalten, erwerbstätig zu werden, und Kinder, "bei denen es für ihre zukünftige Entwicklung dringend notwendig wäre", ferngehalten den Kindergarten zu besuchen. Fast 80 Prozent der Bevölkerung lehnten die Einführung des Betreuungsgeldes ab. Der CDU müsste es zu denken geben, dass alle gesellschaftlichen Gruppen diese Pläne ablehnten, so auch geschlossen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände. Auch vier ehemalige Familienbundesministerinnen hätten sich ablehnend geäußert. "Nicht nur einstige SPD-Bundesfamilienministerinnen, auch ehemalige von der CDU sagen: Tut dies nicht." Da stelle sich die Frage, "warum CDU und FDP an diesen Plänen festhalten". Der einzige Grund in Berlin sei der Machterhalt in der Bundesregierung. "Diese Fehlanreizprämie wird Milliarden kosten", betonte Hering.

Die Ablehnung der Landtagsmehrheit zu den Plänen der Bundesregierung sei längst deutlich geworden. "Was soll das also heute?", fragte sich Simone Huth-Hage (CDU). "Ich würde vorschlagen, reden wir doch einmal über landespolitische Themen, über die Versäumnisse, die Sie zu verantworten haben", sagte die Abgeordnete an die Adresse der Mehrheit. "Wo sind denn bitte Ihre Antworten auf den Erzieherinnenmangel? Wo ist Ihre Position dazu, dass sich das Land komplett aus der Finanzierung beim U3-Ausbau heraushält? Das Land macht sich hier einen ganz schlanken Fuß", kritisierte Huth-Hage. Mit einer Debatte des Betreuungsgeldes habe ihre Fraktion "überhaupt kein Problem". Die CDU halte es allerdings für falsch, "wenn wir Familien gegen eine institutionelle Betreuung ausspielen, wir brauchen beides". Die Erziehungsarbeit in den Familien und die Kinderbetreuung in den Institutionen seien beide notwendig. "Wir begegnen Eltern nicht mit einem solchen Misstrauen, wie Sie das tun, schreiben Familien nicht vor, wie sie zu leben haben, wir möchten ihnen eine echte Wahlfreiheit ermöglichen", erläuterte die Abgeordnete. Die Anstrengungen lägen daher auf einem Ausbau der Betreuung, aber auch auf der Anerkennung und Honorierung der Familienarbeit. "Das Familienleben an sich hat für uns auch einen Wert."

Eine "fatale Außenwirkung" hat es nach Einschätzung von Elisabeth Bröskamp (Bündnis 90/Die Grünen), wie sich die Prozedur auf der Bundesebene gestaltete. Mehr als Dreiviertel der Bevölkerung spreche sich gegen das Betreuungsgeld aus. "Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die CDU in diesem Fall nicht endlich die alten Zöpfe abschneidet und immer noch darauf beharrt, das Betreuungsgeld einzuführen", wundert sich Bröskamp. Mit Wahlfreiheit habe das überhaupt nichts zu tun, "denn wenn es keine Möglichkeit gibt zu wählen, besteht auch keine Wahlfreiheit". Schon 2005 sei festgestellt worden, dass es eine Nachfrage nach Plätzen für Kinder unter drei Jahren im Umfang von 1,2 Millionen gebe. Die Politik habe einkalkuliert, dass viele Menschen trotz des Bedarfs nichts in Anspruch nehmen werden. "Klar, wenn die Plätze bundesweit nicht vorgehalten werden, kann das auch keiner in Anspruch nehmen." In Rheinland-Pfalz laufe der Ausbau unter Hochdruck. "Andere Bundesländer sind leider noch nicht so weit." Daher würde es allen helfen, "wenn die CDU-Abgeordneten vor Ort in den Kommunalparlamenten den Ausbau in den zuständigen Ausschüssen und Kreistagen nicht blockieren würden, sondern wenn sie das im Sinne der Familien vorantreiben könnten", sagte Bröskamp.

Man könne sagen, "das Betreuungsgeld wird in Deutschland auf breiter Front abgelehnt", sagte Familienministerin Irene Alt (Bündnis 90/Die Grünen). Mittlerweile gebe es Differenzen zwischen den Regierungsfraktionen des Bundes. "Es ist schon befremdlich, wenn Deals in den Ring geworfen werden: Gibst Du mir das Betreuungsgeld, dann schaffe ich mit Dir die Praxisgebühr ab." Das Betreuungsgeld widerspreche aus Sicht der Landesregierung der Chancengerechtigkeit aller Kinder in diesem Land, "nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern in ganz Deutschland". Wenn das Betreuungsgeld jetzt käme, bedeutete dies einen erheblichen Verwaltungsaufwand und damit einen erheblichen personellen Aufwand. Sollte noch die Verpflichtung zu den Früherkennungsuntersuchungen hinzukommen, bedeute das auch noch einmal einen viel höheren Aufwand. Gerade bei den Früherkennungsuntersuchungen sei Rheinland-Pfalz "ganz weit vorne". Mit dem Landeskinderschutzgesetz sei ein verbindliches Einladungswesen für die Früherkennungsuntersuchungen eingeführt. "Wir erreichen damit eine Teilnahme von 99 Prozent aller Früherkennungsuntersuchungen, das ist bundesweit vorbildlich".

Die CDU reite "ein längst tot gerittenes Pferd", sagte Ingeborg Sahler-Fesel (SPD). Die Eltern stimmten mit ihren Anmeldungen ab. "Warum ist es so, dass die Quoten, die man einmal für den U3-Ausbau gesetzt hat, nicht ausreichen? Warum werden viel mehr Kinder angemeldet, als überhaupt in Quoten jemals gedacht wurde, also Tendenz steigend?", fragte Sahler-Fesel. Die Eltern selbst zeigten so, was sie wollen. "Dass wir dann monatelang darüber reden, ist doch dem monatelangen Koalitionsstreit in Berlin geschuldet." Diesen "Komödienstadl" hätte die SPD gerne beendet.

Die CDU rede immer groß von der Förderung der Familie, von der Wahlfreiheit und der Gleichheit. "Aber Sie tun doch genau das Gegenteil", kritisierte Daniel Köbler (Bündnis 90/Die Grünen). Wer ein einjähriges Kind in die Kinderkrippe bringe, bezahle Beiträge in Höhe von 300 oder 350 Euro im Monat. "Wenn ich es nicht in die Krippe bringe, soll ich nach Ihren Plänen demnächst 100 oder 150 Euro im Monat erhalten." CDU und FDP wollten also mit materiellen Anreizen die Eltern dazu zwingen, dass sie ihren Kindern die Krippen vorenthalten. "Das ist doch die Wahrheit."

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 40/2012, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2012