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RHEINLAND-PFALZ/2728: Reform soll Wahlalter auf 16 Jahre absenken (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 43/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 19. November 2012

Reform soll Wahlalter auf 16 Jahre absenken



In einer von der SPD-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde wurde eine mögliche Wahlrechtsreform zur Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre diskutiert. In einem gleichzeitig bearbeiteten Antrag forderte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Stellungnahmen ein, inwiefern Jugendpartizipation in Rheinland-Pfalz gestärkt werden kann. Während sich Landesregierung und Regierungsfraktionen für eine Absenkung des Wahlalters stark machten, lehnte die Opposition dies ab und forderte die Förderung anderer politischer Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche.

Es sei Pflicht der Politik, darüber nachzudenken, wie man mehr Begeisterung für Politik bei Jugendlichen in Rheinland-Pfalz hervorbringen könne, so Pia Schellhammer (Bündnis 90/Die Grünen). Es gelte dabei, sich klar für mehr Demokratiebeteiligung einzusetzen und Jugendliche vermehrt an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Nicht ausreichend sei, Jugendparlamente als einzige Beteiligungsmöglichkeit einzurichten. Der CDU attestierte Schellhammer mangelndes Interesse daran, Jugendliche ernsthaft zu beteiligen und sie dabei stärker zu fördern. Generell warte man noch auf eine Aussage von Seiten der CDU. Betrachte man die Aussagen wichtiger Jugendverbände, so zeige sich ein klares "Ja" zum Wahlrecht ab 16. Lediglich der CDU-eigene Jugendverband, die Junge Union, sei alleine dagegen. Angesichts des breiten ehrenamtlichen und gemeinnützigen Engagements vieler Kinder und Jugendlicher, sei es mehr als verwunderlich, dass die CDU sich einer Wahlrechtsreform so vehement verweigere.

Marcus Klein (CDU) betonte, die Einbindung junger Menschen in die Politik könne nicht früh genug beginnen. Es gelte dabei vor allem den Bedarf an Räumen, Geldern und Möglichkeiten zur Einbindung zu decken. Angesichts der Entschuldung der öffentlichen Haushalte sei dies für die meist klammen Kommunen nicht leistbar. Klein verwies auf die Ergebnisse, die die Enquetekommission zur Beteiligung Jugendlicher an der Politik erarbeitet habe. Diese seien zunächst zu beachten und zu verwirklichen. Gerade auch in Schulen müsse an der politischen Bildung gearbeitet werden, da dort alle Jugendlichen erreicht werden könnten, so Klein. Die generellen Voraussetzungen zur Politikbeteiligung hätten sich in den letzten Jahren allerdings nicht verbessert, sondern verschlechtert. Klein sah dabei die Landesregierung in der Verantwortung, die ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei und sich nun mit parteipolitischer Brille auf einem Nebenschauplatz bewege, indem sie das Wahlrecht ab 16 fordere.

Der demografische Wandel treffe auch Rheinland-Pfalz, entgegnete Martin Haller (SPD). Da es damit einhergehend immer öfter ältere Menschen seien, die auf den zentralen Positionen Entscheidungen träfen, ergebe sich als notwendige Konsequenz die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Haller wandte sich mit der Bitte an die Abgeordneten, den diskutierten Vorstoß deshalb mitzutragen. Es gehe um eine große Verantwortung, was sich nicht zuletzt an der notwendigen Zweidrittelmehrheit erkennen lasse, die für eine Änderung des Wahlrechts notwendig ist. Unverständlich sei auch für ihn, weshalb sich die CDU der Diskussion entziehe, so Haller. Diese Haltung sei Teil einer langen Reihe von Klüngeleien, die nicht zuletzt wahltaktische Hintergründe hätten. Für Jugendliche sei in Sachen Politik vor allem die unmittelbare Lebenswirklichkeit von großer Bedeutung.

Für die Landesregierung sprach Jugendministerin Irene Alt (Bündnis 90/Die Grünen). Das Wahlrecht mit 16 bezeichnete sie als klaren Fortschritt. Würden Jugendliche früher miteinbezogen, so zeige sich durchgängig ein größeres Interesse an Politik. Es gebe generell ein großes Bedürfnis nach mehr Beteiligung. Nur konsequent sei es außerdem, diejenigen, die von Entscheidungen betroffen seien, auch mitbestimmen zu lassen. Jugendliche in diesem Alter seien erwachsen genug um demokratische Probleme zu begreifen. Es gehe darum, zunächst symbolische Wahlen für Jugendliche abzuhalten, wie es auch in anderen Bundesländern schon Gewohnheit sei. Leppla zeigte sich erfreut angesichts der Ergebnisse des abgehaltenen "Jugendforum RLP". Dort habe eine rege Diskussion stattgefunden, online und offline, bei der es um zentrale politische Themen gegangen sei. Die Ergebnisse des Forums würden Ende November in Form eines jugendpolitischen Manifests übergeben.

Daniel Köbler (Bündnis 90/Die Grünen) stellte das Wahlrecht ab 16 in Zusammenhang mit den Ereignissen um Stuttgart 21. Wie sich dort gezeigt habe, gelte es mehr Politik zu wagen. Die Forderung der CDU, erst die politische Bildung auszubauen, bevor eine Wahlrechtsänderung anzugehen sei, lehnte Köbler ab. Jugendliche seien mündig, betonte er. Die religiöse Mündigkeit beginne außerdem mit dem 15. Lebensjahr und es sei sicherlich keine einfachere Frage, eine Religion zu wählen. Dass die CDU keine eigenen Vorschläge vorbringe, zeige ihre Angst vor dem möglichen Ergebnis eines Wahlrechts ab 16. Es handele sich um ein Wahlrecht, keine Wahlpflicht. Jugendliche würden keineswegs dazu gezwungen sich politisch zu engagieren. Die CDU habe scheinbar ein grundsätzlich anderes Demokratieverständnis als SPD und Grüne.

Alle wollen gegen die Demokratieverdrossenheit ankämpfen, stellte Ellen Demuth (CDU) klar. Deshalb sei die Arbeit der Enquetekommission ausdrücklich zu begrüßen. Demuth wollte der parteiinternen Diskussion zum Thema Wahlrecht ab 16 nicht vorgreifen. Es sei jedoch klar, dass das Wahlrecht ein herausragendes Bürgerrecht darstelle und deshalb an die Volljährigkeit gekoppelt sein müsse. Eine Verjüngung des Wahlalters stelle eine Entkopplung dar. Damit würde man Jugendlichen das Wählen erlauben ohne dass diese jedoch selbst Vertreter aufstellen dürften. Dieses passive Wahlrecht ändere nichts an der jetzigen Situation, so Demuth. Es gelte aber die aktiven Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche zu fördern. Dies verspreche größere Erfolge als das Wahlrecht ab 16. Nach der Absenkung des Wahlalters in Bremen und Sachsen-Anhalt habe sich zudem eine stetig absinkende Tendenz der jugendlichen Wahlbeteiligung gezeigt. Junge Menschen empfänden Wählen zum Teil als Überforderung.

SPD-Fraktionschef Hendrik Hering plädierte für eine Diskussion frei von parteipolitischen Interessen. Man müsse einen offenen Diskussionsprozess fördern und gegebenenfalls Zurückhaltung üben um eine angemessene Entscheidung zu finden. Den Antrag der Jungen Union bezeichnete Hering als Beitrag zur Politikverdrossenheit. Jugendlichen würde dadurch vermittelt, ein Dialog könne gar nicht erst stattfinden. Dabei habe sich ein ständig wachsendes Interesse junger Menschen an Politik gezeigt. Dies müsse man in die Diskussion mitaufnehmen. Wenn Jugendliche mit 16 schon für straffähig befunden werden könnten, müsse man ihnen auch die Möglichkeit zum politischen Mitwirken bieten. Dies sei in sieben Bundesländern auch bereits umgesetzt worden, stelle also keine Sonderlösung dar. Der CDU attestierte Hering Angst vor dem Votum junger Menschen.

CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner setzte sich gegen eine Abkopplung des Wahlrechts ein. Mit 16 dürfe man noch nicht heiraten, Auto fahren oder Alkohol trinken. Es bestehe also noch keine Volljährigkeit, die eine Absenkung des Wahlalters rechtfertigen könnte. Klöckner betonte, das Wahlrecht ab 16 dürfe auf keinen Fall zu einem pädagogischen Projekt zur Politikbeteiligung junger Menschen werden. An die Grünen richtete Klöckner die Vermutung, diese verfielen bei der Diskussion parteipolitischem Denken. Sie setzten sich aus reinem Eigeninteresse für das Wahlrecht ab 16 ein. Jugendliche hingegen sprächen sich Studien zufolge mehrheitlich gegen eine Wahlrechtsreform aus. Am Wahlrecht ab 18 sollte deshalb nicht gewackelt werden.

Die CDU habe nicht richtig zugehört, empfand Innenminister Roger Lewentz (SPD). Dem Einwurf der CDU, selbst Willy Brandt habe sich zu seiner Amtszeit gegen eine Absenkung des Wahlalters auf 18 schon ablehnend gegenübergestellt, entgegnete Lewentz, Brandt habe damals den Mief der Politik weggestoßen und zeitgemäß gehandelt. Heute wisse man jedoch, dass Jugendliche kein auffälliges Wahlverhalten an den Tag legten. Sie seien mit 16 absolut reif und wahlfähig.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 43/2012, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2012