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RHEINLAND-PFALZ/2777: Mehr Mitbestimmung durch "Bürgerhaushalt" (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 07/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 11. März 2013

Mehr Mitbestimmung durch "Bürgerhaushalt"

Anhörung der Enquete-Kommissionen Bürgerbeteiligung und Kommunale Finanzen



Sind Bürgerhaushalte ein effektives Mittel, um die Bürger mehr in die kommunale Politik einzubinden? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer gemeinsamen Sitzung der beiden Enquete-Kommissionen "Bürgerbeteiligung" und "Kommunale Finanzen" am 1. März 2013. Es wurde intensiv diskutiert zwischen den Kommissionsmitgliedern und den eingeladenen Sachverständigen aus Kommunalpolitik und Wissenschaft.

Durch einen "Bürgerhaushalt" oder "Offenen Haushalt" wird den Bürgerinnen und Bürgern einer Kommune die Möglichkeit der Mitbestimmung und Entscheidung über die Verwendung von Haushaltsmitteln eingeräumt.

Für Michael Kissel, Oberbürgermeister der Stadt Worms, könnten Bürgerhaushalte Verständnis und Vertrauen schaffen, es dürften jedoch nicht zu viele Erwartungen bei den Bürgerinnen und Bürgern geweckt werden. Der Begriff könne durch dieses Instrumentarium irreführend verstanden werden, weshalb Kissel den Bürgerhaushalt eher als "Haushalt im Dialog" versteht.

Die Diskussion mit den Bürgern sei nach Ansicht von Dr. Carsten Herzberg, Politikwissenschaftler an der Universität Potsdam, außerordentlich wichtig. Diese dürfe jedoch nicht nur über Internet-Plattformen stattfinden. Zudem sei die Anonymität im Netz wenig hilfreich für die Qualität der Bürgervorschläge.

Alle Sachverständigen waren sich darin einig, dass die Partizipation bei Bürgerhaushalten bisher zu gering sei. Sie liege nicht selten unter einem Prozent. Zwar könnten Bürgerhaushalte für mehr Mitbestimmung und Transparenz sorgen, es müssten jedoch Mittel gefunden werden, um die Partizipation zu steigern. Klare Regeln zur Rechenschaftspflicht und ein eigenständiges Referat für Bürgerbeteiligungen könnten laut Univ.-Prof. Dr. Brigitte Geißel, Professorin für Gesellschaftswissenschaften an der Universität Frankfurt, positiv wirken.

Politisches Desinteresse, aber auch die Komplexität eines Haushaltsplans seien Auslöser für die fehlende Beteiligung. Thorsten Klute, Bürgermeister der Stadt Versmold, bemerkte eine höhere Beteiligung, je konkreter das Thema und die Fragen bezüglich des Haushaltsplanes sind. Häufig beteilige sich aber trotzdem nur eine sehr kleine, oft privilegierte und nicht repräsentative Gruppe von Bürgern. So bezweifelten Sachverständige und Kommissionsmitglieder den Begriff "Bürgerhaushalt". Zudem hinterfragten sie, ob ein Bürgerhaushalt zur Konsolidierung der Finanzen beitragen könne.

Die Enquete-Kommissionen wollen am 21. Juni 2013 ein weiteres Mal zu einer gemeinsamen Sitzung zusammenkommen, um das Anhörverfahren auszuwerten und die gewonnenen Erkenntnisse zu analysieren.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 07/2013, Seite 4
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2013