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RHEINLAND-PFALZ/2834: Abstrakte Gefahr der Überwachung ist Realität geworden (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 30/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 26. August 2013

Abstrakte Gefahr der Überwachung ist Realität geworden



Auf Antrag der SPD-Fraktion diskutierte der Landtag im Rahmen einer Aktuellen Stunde über die Auswirkungen der Abhöraktionen der NSA auf Deutschland und Rheinland-Pfalz. Die SPD forderte aufgrund der Datenüberwachung deutscher Bürger seitens des britischen und amerikanischen Geheimdiensts die Implementierung von Datenschutzregelungen auf europäischer Ebene.

Carsten Pörksen (SPD) äußerte sich besorgt über die unbekannten und schwer beherrschbaren Risiken, denen die Bürger im digitalen Zeitalter ausgesetzt seien. Das Internet biete nicht nur neue Chancen und Möglichkeiten, mahnte Pörksen. Bisher hätten die großen US-Unternehmen Google, Facebook und Co. die Angst vor gläsernen Bürgern geschürt, nun sei diese abstrakte Gefahr Realität geworden. "Vor dem Hintergrund unserer geschichtlichen Erfahrungen mit zwei totalitären Systemen sollten die USA unsere Sorgen begreifen und unsere Rechts- und Datenschutzkultur respektieren", so Pörksen. Er forderte die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für Datenschutzregelungen stark zu machen, welche US-Behörden und US-Unternehmen an europäische Datenschutzstandards binden. Doch solange keine europarechtlichen Datenschutzstandards in Sicht seien, müsse es zumindest seitens des Bundestags und der Bundesregierung entsprechende Regeln für Deutschland geben.

Auch Marcus Klein (CDU) äußerte sich besorgt über das Vorgehen des britischen und amerikanischen Geheimdiensts. Das erschreckende daran sei der Umfang des Unternehmens und die Speicherwut, die die Dienste laut den Berichten an den Tag legten. Wenn die Meldungen stimmen, finde im Programm PRISM ein regelrechter Datenaustausch zwischen amerikanischen Internetfirmen und der NSA statt. "Doch in Deutschland gilt das Grundgesetz. Damit gelten die Regeln und Grenzen, es gilt das Telekommunikationsgeheimnis, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung", machte Klein deutlich. Eingriffe in diese Grundrechte seien nur in sehr engen Grenzen und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zulässig. Dies gelte ohne Unterschied für deutsche Sicherheitsbehörden und ausländische Dienste, betonte Klein.

Pia Schellhammer (Bündnis 90/Die Grünen) war alarmiert angesichts der Totalüberwachung durch ausländische Geheimdienste. "Keine Daten sind mehr tabu, private Gespräche, online abgelegte Dokumente, Bewegungsprofile, Geschäftsgeheimnisse...", verdeutlichte Schellhammer. Das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei von US-amerikanischen und den britischen Geheimdiensten mit Füßen getreten worden, kritisierte sie. Es handele sich um private Daten, aber auch um die Kommunikation von sensiblen Verfassungsorganen wie dem Bundestag und von Regierungsnetzen.

Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) äußerte sich besorgt. Laut Presseberichten würden durch die NSA in Deutschland monatlich rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen überwacht: Telefonate, Mails, SMS oder Chatbeiträge. "Das konnte sich vom Ausmaß her eigentlich keiner vorstellen", so Dreyer. Auch in Rheinland-Pfalz gebe es viele Bürger und Bürgerinnen sowie viele Unternehmen, die besorgt und verunsichert seien. Wenn sich die jetzigen Informationen bewahrheiten sollten, dann sei dies eine Bedrohung und gefährde unsere Rechtsordnung in einem noch nie dagewesenen Maße. Die Verschmelzung von militärischer, geheimdienstlicher und wirtschaftlicher Logik, so Dreyer weiter, durchdringe eigentlich jeden Winkel unserer Privatsphäre, ohne dass sich die Betroffenen mit rechtsstaatlichen Mitteln annähernd dagegen wehren könnten. "Für mich sind unsere rechtsstaatlichen Standards ganz klar: geheimdienstliche Aktivitäten dürfen sich nur auf elementare Bedrohungen wie organisierte Kriminalität oder internationalen Terrorismus beziehen und sie müssen einer demokratischen Kontrolle unterliegen. Maß und Mittel müssen gelten, die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein", machte Dreyer ihren Standpunkt deutlich. Es sei essentiell notwendig, eine gemeinsame Strategie auf der europäischen Ebene zu verfolgen.

Martin Haller (SPD) erwähnte in dem Zusammenhang lobend den Beauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit von Rheinland-Pfalz, der die Aufklärung und Prävention, die Befähigung und Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger zum Ziel habe. Die Technik und die damit verbundenen Möglichkeiten würden immer umfassender und grenzenloser. Erschreckend sei, dass weltweit prozentual nur ganz wenige Menschen verstünden, wie Apps, Programme etc. funktionierten, welche Algorithmen was bewirkten, welche Daten verwendet, generiert und weitergeleitet würden. Die Mehrheit der Bevölkerung sei nicht in der Lage, Programme und ihre Mechanismen in ihrer Ursprache zu erfassen, weshalb externer Sachverstand notwendig sei, um die ethischen und moralischen Fragestellungen in diesem Zusammenhang erörtern zu können.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 30/2013, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2013