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RHEINLAND-PFALZ/2880: Besorgt über Aufrüstung amerikanischer Atomwaffen (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 42/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 18. November 2013

Besorgt über Aufrüstung amerikanischer Atomwaffen



Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschäftigte sich der Landtag in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema Atomwaffen in Rheinland-Pfalz. Die Grünen äußerten sich besorgt über die in Medienberichten zutage getretenen Informationen über die Aufrüstung der amerikanischen Atomwaffen in Europa und somit möglicherweise auch in Rheinland-Pfalz. Daher forderte die Fraktion die Bundesregierung auf, sich für einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen.

Nach Angaben des "SPIEGEL" würden die USA die Stationierung neuartiger Atomwaffen in Europa, in Deutschland und damit auch bei uns in Rheinland-Pfalz erwägen, so Nils Wiechmann (Bündnis 90/Die Grünen). Die Nationale Nukleare Sicherheitsbehörde behalte sich die Möglichkeit vor, Atomwaffen mit neuen Fähigkeiten zu bauen. "Das dürfte dazu führen, dass die mutmaßlich noch in Deutschland gelagerten freifallenden Atombomben des Typs B61 zu präzisen Lenkwaffen umgerüstet werden. Voraussichtlich schon ab 2019", befürchtete Wiechmann. Solche Meldungen würden verständlicherweise bei vielen Menschen "Besorgnis und Unbehagen" auslösen. Insbesondere am mutmaßlich einzigen Standort in Deutschland, an dem diese Waffensysteme gelagert werden: Gesicherten Informationen zufolge lagerten ca. 20 Bomben dieses Typs in Rheinland-Pfalz in Büchel und "gefährden seit Jahrzehnten die rheinland-pfälzische Bevölkerung und unsere Umwelt". "Damit muss endlich Schluss sein", forderte Wiechmann. Die USA würden die in Deutschland stationierten Waffen mit Milliarden modernisieren wollen, damit sie bis mindestens 2050 einsetzbar seien. Die Bundesregierung habe bisher dabei "tatenlos" zugeschaut. Es sei die Aufgabe der neuen Bundesregierung, den Abzug der in Büchel stationierten Atomwaffen aus Rheinland-Pfalz voranzutreiben. "Für die Stationierung von US-Atomwaffen gibt es keinerlei Begründung und keinerlei Rechtfertigung. Wir, die rot-grüne Landesregierung, haben uns sehr klar dafür ausgesprochen, dass diese Atomwaffen sofort abgezogen werden", so Wiechmann abschließend.

"Aktuell und wirklich etwas Neues ist das überhaupt nicht, sondern das Thema wird immer wieder aufgekocht und hochgeholt", kritisierte Marlies Kohnle-Gros (CDU). Zudem seien Verteidigungsaufgaben eindeutig Sache des Bundes und nicht des Landes. Kohnle-Gros meinte einen Strategiewechsel der Landesregierung ausgemacht zu haben, was sich auch in den Haushaltsberatungen gezeigt hätte. "Wir haben festgestellt, dass Sie zum Beispiel die Atlantische Akademie mit Sitz in Kaiserslautern langsam austrocknen lassen, aber 300 000 Euro neu für eine Friedensakademie einsetzen wollen", wunderte sich Kohnle-Gros über die zunehmende antiamerikanische Haltung in der Landesregierung.

Doch Hans Jürgen Noss (SPD) wehrte sich gegen den Vorwurf einer antiamerikanischen Haltung der Koalition. "Die SPD-Fraktion stehe fest zum Bündnis mit den USA", wie Noss betonte. Die Frage, ob sich in Büchel in der Eifel Atomwaffen befinden, sei in der Tat in den letzten Jahren schon des Öfteren diskutiert worden. "Wir alle wissen dies oder glauben es zu wissen oder vermuten es zumindest. Genaue Daten haben wir alle nicht", bedauerte Noss. Der Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen, habe stets ins Leere geführt, die Bundesregierung habe sich stets auf die Geheimhaltungsregeln der NATO bezogen. Wie in den letzten Tagen der Presse zu entnehmen war, werden im Moment offensichtlich die Nuklearwaffenpotenziale der US-Streitkräfte erneuert. "Dadurch werden sie sicherer, was zu begrüßen wäre", so Noss. Gleichzeitig gehe aber auch die Gefahr einher, dass damit auch eine längere Verweildauer verbunden sei, befürchtete Noss. "Denn wer Nuklearwaffen erneuert und verbessert, hat nicht die Absicht, sie im nächsten Jahr gleich wieder abzuziehen", war Noss überzeugt. Es solle deutlich geworden sein, dass alle Versuche unternommen werden müssen, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen.

Innenminister Roger Lewentz (SPD) erklärte, dass sein Ministerium nach den Medienberichten über eine Modernisierung von US-Atomwaffen die US-Streitkräfte um eine Stellungnahme gebeten habe. Das US-Verbindungsbüro Rheinland-Pfalz und Saarland habe "erwartungsgemäß" nur sehr kurz mitgeteilt, dass die Anwesenheit von US-Atomwaffen in Europa "weder bestätigt noch dementiert werde", so Lewentz. Der Landesregierung sei auch bekannt, dass sich die Bundesregierung den Geheimhaltungsregelungen des Bündnisses in Bezug auf die Nuklearstreitkräfte der NATO unverändert verpflichtet sehe. Es sei also nicht mit Auskünften über mögliche Lagerorte oder die Anzahl der Atomwaffen zu rechnen. Innenminister Lewentz betonte jedoch, dass die Landesregierung der festen Überzeugung sei, dass die heutige Bedrohungslage eine Lagerung von Nuklearwaffen auf deutschem Boden nicht mehr rechtfertigt. Die Landesregierung sehe Massenvernichtungswaffen als Lösungsalternative bei Konflikten "sehr, sehr kritisch", gestand Lewentz. Hier müssten die Mittel der Diplomatie, der friedlichen Konfliktregulierung und der Entwicklungszusammenarbeit im Vordergrund stehen. Dies stelle aber keineswegs die Beziehungen zu Amerika in Frage, so Lewentz.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 42/2013, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2013