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SACHSEN-ANHALT/329: ZwischenRuf 2-2016 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 2/2016
DAS MAGAZIN DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT

Landtag startet in 7. Wahlperiode


INHALT

AUS DEM PLENUM

Abwasserstreit entschärft?
Kann ein freiwilliges Moratorium die Fronten im Abwasserstreit glätten oder muss es verbindlich festgelegt werden? Das war die Frage in der Landtagsdebatte um zwei Gesetzentwürfe zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes.

KiFöG soll geändert werden
Kommunen und Eltern sollen bei den Kosten für die Kinderbetreuung stärker unterstützt werden. Darüber waren sich alle Fraktionen im Landtag einig. Über die Detailfragen gab es unterschiedliche Auffassungen.

80 Millionen extra für Kommunen
Noch in diesem Jahr sollen die Kommunen in Sachsen-Anhalt 80 Millionen Euro mehr vom Land erhalten. Das geht aus einem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes hervor.

IM BLICKPUNKT

Vom Wahlabend zur Konstituierung
Mit der konstituierenden Sitzung kamen die Abgeordneten am 12. April zum ersten Mal nach der Landtagswahl im März im Magdeburger Plenarsaal zusammen. Zum neuen Landtagspräsidenten wurde Hardy Peter Güssau gewählt.

Haseloff im Amt bestätigt
Der Landtag hat in seiner zweiten Sitzung Dr. Reiner Haseloff erneut zum Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt gewählt.

Die "Nachrücker"
Die Regierungsbildung hatte direkte Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Landtags. Fünf neue Abgeordnete rückten über die Landeslisten ins Parlament nach.

RÜCKBLICK

Deutsches Recht zu Gast
Alle zwei Jahre konferieren die Präsidentinnen und Präsidenten der Verfassungsgerichte der Länder und des Bundes. Gastgeber war in diesem Jahr Sachsen-Anhalt.

Werkstätten des Parlaments
Der Landtag verfügt in der 7. Wahlperiode über elf ständige Ausschüsse. Diese haben sich in den vergangenen Wochen konstituiert.

EINBLICK

Barrierefrei wird Standard
Die Live-Übertragung der Landtagssitzungen im Internet sind schon lange Standard. Ab der 7. Wahlperiode sind alle Übertragungen auch barrierefrei.

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AUSSTELLUNGEN IM LANDTAG -
Von Juni bis September 2016

DIE DDR - ZWISCHEN REPRESSION UND WIDERSPRUCH
6. Juni bis 29. Juli 2016

Die Ausstellung des sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der DDR gibt Antworten auf die Frage, welche Geschichte die neuen Bundesländer 1990 in das wiedervereinigte Deutschland einbrachten. Dabei spannt sie den Bogen von den Anfangsjahren bis zum Zusammenbruch der DDR und fragt nach dem Wechselverhältnis von Repression und Widerspruch. Gleichzeitig wird anschaulich erklärt, wie das politische System funktionierte. Viele Einzelschicksale geben den Fakten und Erzählungen ein Gesicht. Durch die klare Struktur der Ausstellung sowie die Auswahl eindrücklicher Fotos und Dokumente werden historische Prozesse verständlich vermittelt.


PARALYMPICS - SPORT OHNE LIMIT

16. bis 24. August 2016

Die beeindruckende Entwicklung des Behindertensports sowie seine gesellschaftliche Relevanz dokumentiert die Ausstellung "Paralympics - Sport ohne Limit". Großformatige Thementafeln sowie zahlreiche Exponate und Filminstallationen lassen die Besucherinnen und Besucher an den magischen Momenten der Spiele teilhaben. In beeindruckender Weise wird das Spannungsfeld von Sieg und Niederlage nachgezeichnet sowie der Wert des Sports für Aktive und Zuschauer gleichermaßen dargestellt.

25 JAHRE LOCAL HEROES - EINE AUSSTELLUNG
1. bis 30. September 2016

"25 Jahre local heroes" erhebt den Anspruch, mehr als eine Ausstellung zu sein. Die Besucherinnen und Besucher erleben multimedial einen Rückblick über die Entwicklung dieses einzigartigen Musikwettbewerbs aus der Altmark. Ausgerichtet auf die Zielgruppe der Jugendlichen, werden die Sinne Sehen, Hören und Fühlen mit verschiedenen Reizen angesprochen. Neben Ausschnitten aus Musikvideos, Konzertmitschnitten und Gesprächen mit namhaften Musikern werden viele Bilder und Exponate wie Musikinstrumenten und Musikequipment ausgestellt. Die Exposition möchte allen Besuchern den Impuls vermitteln, sich mit dem Thema "populäre Musik" und ihrem Wertschöpfungsprozess auseinanderzusetzen.

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Wieder Führungen für Besuchergruppen

Seit Mitte April werden wieder Besuchergruppen durch den Landtag geführt. Wie berichtet, musste die Besucherbetreuung für Februar und März vorübergehend eingestellt werden. Hintergrund waren die umfangreichen Umgestaltungsmaßnahmen rund um den Wahlabend im Landtagsgebäude.

Mittlerweile ist der Plenarsaal wieder "der Alte" und der Besucherdienst freut sich auf viele kleine und große Gäste. Ziel ist es, ihnen allen einen möglichst authentischen Einblick in die parlamentarische Arbeit zu geben und der einen oder anderen Gruppe auch ein Treffen mit einer/m Abgeordneten zu ermöglichen. Im vergangenen Jahr haben übrigens rund 13.000 Menschen den Landtag in Magdeburg besucht. Welche konkreten Besuchsangebote es im Landtag gibt und wie Sie am besten an einen Termin kommen, das lesen Sie auf unserer Internetseite:
www.landtag.sachsen-anhalt.de/service/besuch-im-landtag


Termine für die Landtagssitzungen 2016

Nachdem der Landtag am 12. April zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen war und am 25. April einen neuen Ministerpräsidenten gewählt hat, geht es nun an die konkrete parlamentarische Arbeit in der 7. Wahlperiode. Dabei hat sich der Ältestenrat auf folgende Termine für die nächsten Landtagssitzungen geeinigt:

1./2. September 2016
29./30. September 2016
27./28. Oktober 2016
24./25. November 2016
14./15./16. Dezember 2016

Zwischen den Landtagssitzungen arbeiten die Abgeordneten entweder in den jeweiligen Ausschüssen, in den Fraktionen oder ganz nah an den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort in ihren Wahlkreisen. In der Zeit zwischen dem 27. Juni und dem 12. August 2016 gibt es - parallel zu den Schulferien keine Sitzungen.

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

das letzte Mal haben wir vor mehr als drei Monaten bei Ihnen vorbeigeschaut - mitten im Landtagswahlkampf. Seitdem hat sich einiges getan: Nach der Landtagswahl konstituierte sich am 12. April der neue Landtag und wählte mit Hardy Peter Güssau einen neuen Landtagspräsidenten.

Anstatt der bisher vier Fraktionen im Landtag gibt es in der 7. Wahlperiode fünf und daher reicht der Platz im Landtagsgebäude nicht mehr aus. Im letzten Monat begann also das große Stühlerücken: Wände wurden durchbrochen, Kartons ein- und ausgepackt, Möbel von A nach B transportiert. Endergebnis: Ein Großteil der Verwaltungsmitarbeiter ist mittlerweile in externe Büroräume umgezogen und die Fraktionen haben sich im Landtag neu eingerichtet. Daher war die Stimmung bei dem einen oder anderen Kollegen etwas gedrückt, aber dass kennt bestimmt jeder: Irgendwann hat man sein Büro eben liebgewonnen und sträubt sich innerlich zunächst ein wenig gegen Veränderungen. Davor sind auch Landtagsmitarbeiter nicht gefeit.

Aber kommen wir zurück zu den wesentlichen Dingen: Sachsen-Anhalt ist nach der Landtagwahl das erste Bundesland mit einer "Kenia-Koalition" aus CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - wer hätte das vor der Wahl gedacht?! An der Spitze der Regierung steht weiterhin Dr. Reiner Haseloff. Er skizzierte in seiner ersten Regierungserklärung Anfang Juni vor dem Parlament, welche Pläne er für die nächsten Jahre hat und woran er sich messen lassen will. Außerdem möchten wir Ihnen in diesem Heft zu Beginn der neuen Legislaturperiode einen Überblick über die Arbeit der neu konstituierten Ausschüsse geben, schließlich sind sie das "Herzstück" des Parlaments und leisten die eigentliche Arbeit.

Wie immer gibt es natürlich auch einen kurzen Abriss der jüngsten Landtagssitzungen. Im Juni-Plenum standen vor allem drei Gesetzesvorhaben im Fokus. So werden die Kommunen in Sachsen-Anhalt vermutlich etwas aufatmen, denn eine geplante Änderung des Finanzausgleichsgesetzes sieht vor, dass sie noch in diesem Jahr 80 Millionen Euro mehr vom Land erhalten sollen. Daneben brachten die Kenia-Koalition und die Fraktion DIE LINKE jeweils einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes ein, von dem ebenfalls Kommunen und Eltern profitieren sollen. Darüber hinaus hat die Koalition im Eiltempo die Änderung des Kommunalabgabengesetzes beschlossen. Damit soll ein seit Längerem schwelender Streit zwischen Bürgern und Abwasserverbänden entschärft werden.

In unserem Regionalfenster sind wir in diesem Heft ganz in den Westen des Landes gefahren, genauer gesagt nach Hötensleben. Dort wollten wir an der einstigen innerdeutschen Grenze den Spuren der Vergangenheit nachspüren und erfahren, wie Geschichte heute erlebbar gemacht wird. Vielleicht inspiriert Sie der Artikel und Sie fahren in den Sommerferien mal auf einen Abstecher vorbei.

Einen entspannten Sommer 2016!

Ihr ZwischenRuf-Team

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AUS DEM PLENUM

"Die Welt schaut auf Sachsen-Anhalt"

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hielt in der Juni-Sitzungsperiode des Landtags seine erste Regierungserklärung in der 7. Legislaturperiode. Titel: "Verlässlich, gerecht und nachhaltig - Kontinuität und neue Perspektiven für Sachsen-Anhalt".


Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU) warb mit seiner Regierungserklärung für eine Politik der Kontinuität und neuen Perspektiven. Man könne selbstbewusst und stolz auf das Land sehen, und nicht nur im Lutherjahr und beim Bauhausjubiläum schaue die Welt auf Sachsen-Anhalt. "Wie wir mit den Flüchtlingen umgehen, das ist die Reifeprüfung für unsere Gesellschaft", betonte Haseloff. Es gehe darum, die Grundpfeiler der Gesellschaft - Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Respekt - zu wahren.

"Ausgrenzung und Abschottung, verbale Entgleisungen und Gewalt sind nicht akzeptabel", erklärte Haseloff. Eine gezielte und gesteuerte Zuwanderungspolitik führe zu wirtschaftlicher Stärkung und kultureller Bereicherung. Noch immer bestehe ein deutliches West-Ost-Gefälle in der Wirtschaftskraft der Länder. Der Arbeitsmarkt müsse weiterentwickelt werden, damit auch jene, die schwer Zugang fänden, vermittelt werden könnten.

Unternehmensgründer sollen besser unterstützt, die Hochschulen noch bessere Keimzellen für Startups werden.

In Sachen Bildung und Kultur hat sich die Koalition einiges vorgenommen. Im Koalitionsvertrag hat man sich darauf verständigt, jährlich ein Prozent, mindestens aber 100 Millionen Euro des Haushalts für die Kultur einzusetzen.

"Nur mit Bildung gibt es eine gute Zukunft", konstatierte Haseloff. Planungssicherheit für die Hochschulen zu schaffen, steht ebenfalls auf der Agenda.

In Sachen Infrastruktur kündigte der Ministerpräsident an, man wolle attraktive und leistungsfähige Verkehrsverbindungen zu Wasser, Schiene und Straße ausbauen und in diesem Jahr noch einen Landesradverkehrswegeplan aufstellen. Flächendeckendes Internet in ganz Sachsen-Anhalt sei ein wichtiges Ziel, um benachteiligte ländliche Regionen zu stärken. Die Zahl der Polizeibeamten soll zunächst auf 6400, dann auf 7000 steigen. Spezielle Fortbildungen soll es für den Umgang mit Hasskriminalität geben. Haseloff nannte seine neue Landesregierung eine "stabile Regierung der Mitte". Die Chancen der Zuwanderung seien sehr viel größer als die Risiken; "nur ohne Verzagtheit werden wir das Land voranbringen".

Deutschland befinde sich in einer Zeit des Umbruchs und überfälliger Besinnung, erklärte André Poggenburg, Vorsitzender der AfD-Fraktion. Viele Umbrüche sorgten für Ängste in der Bevölkerung, denn alles Neue sei nicht auch gleichzeitig etwas Gutes: "Die AfD folgt Gott sei Dank keiner ideologischen Entwicklung", so Poggenburg. Der Fraktionsvorsitzende bezeichnete die AfD als "langersehnte Alternative zum Merkel-Kartell". Gerade von rot-rot-grüner Seite gebe es wenig Demokratieverständnis, Toleranz und Respekt für AfD-Wähler und -Abgeordnete, so Poggenburg, die gerade nicht der Multikulti-Doktrin folgen wollen. Kein echter Flüchtling erreiche Deutschland, da sie alle über sichere Herkunftsländer kämen. Von einer notwendigen Einwanderung könne gar nicht gesprochen werden: "Deutschland und somit auch Sachsen-Anhalt haben genug eigenes Potenzial im deutschen Volk."

Poggenburgs Rede sei eine Aneinanderreihung von Beleidigungen, Diffamierungen und Unterstellungen gegenüber den demokratischen Parteien gewesen, konstatierte Dr. Katja Pähle, Vorsitzende der SPD-Fraktion. "Das ist keine Politik, das ist 'Angst fressen Seele auf' - genau das macht diese Partei." Politik gerechter, verständlicher und bürgernäher zu machen, sei Teil des sozialdemokratischen Beitrags in der ungewöhnlichen und ungewohnten schwarz-rot-grünen Regierungskonstellation. Gemeinsam werde man für einen sozialen Ausgleich sorgen. Der Koalitionsvertrag beinhalte "konkrete Vorhaben, die wir umsetzen wollen", darunter kommunal- und bürgerfreundliche Sofortmaßnahmen. In der Integration sieht die SPD die Grundlage für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das Land könne seine Entwicklungspotenziale nur ausschöpfen, wenn sich jeder mitgenommen fühle.

"Vierzig Minuten rassistischer Parolen" nannte Swen Knöchel, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, die Rede Poggenburgs, zu Sachsen-AnhaIt habe er sich allerdings nicht geäußert. Knöchel freute sich, dass die Regierungserklärung Haseloffs nicht allein mehr die Sachzwanglogik der vergangenen Jahre unterbreitet habe. Der verbreitete Optimismus wirke aber bisweilen doch bemüht, Kritisches würde oftmals ausgeblendet. Die Schwächen und Probleme der vergangenen Legislaturperiode sollen zwar angegangen werden, aber die Koalition dürfe nicht allein eine Reparaturbrigade sein. Um Sachsen-Anhalt sei es nicht bestens bestellt, konstatierte Knöchel. Das in Deutschland verzeichnete Wachstum komme bei den unteren Schichten nicht an. Der von Haseloff vorgebrachte Paradigmenwechsel müsse sich jetzt im Land vollziehen.

"Ausgrenzung und Abschottung, verbale Entgleisungen und Gewalt sind nicht akzeptabel."
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff während seiner ersten Regierungserklärung in der 7. Wahlperiode.


Cornelia Lüddemann, Vorsitzende der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, betonte, dass die Koalition echte und ernsthafte Politik für die Neuausrichtung des Landes machen wolle. Man werde die Regierungsarbeit verlässlich, gerecht und nachhaltig gestalten. Die Politik und die Veränderungen, zu denen sie führe, sollen vor Ort spürbar sein, sagte Lüddemann. Die Koalition sei von einem gemeinsamen Wollen getragen. Man wolle zeigen, dass tatsächlich im Interesse der Menschen umgesteuert werden könne.

Das Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen sei angesichts des Wahlergebnisses in Sachsen-Anhalt eine "Koalition der Vernunft", betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Siegfried Borgwardt. Der Koalitionsvertrag sei eine solide Grundlage für die politische Zusammenarbeit der nächsten fünf Jahre. Man werde dem Rassismus genauso entgegentreten wie der Intoleranz, die CDU stehe für Demokratie und ein weltoffenes Sachsen-Anhalt. Die besonderen Ängste und Sorgen eines Teils der Bevölkerung würden ernst genommen.

Mit einer soliden und nachhaltigen Finanzpolitik sollen wirtschaftliche Stärke und soziale Gerechtigkeit vorangebracht werden. Die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen stünden dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Bildungspolitik und der Umweltschutz. "Lassen Sie uns gemeinsam zum Wohle des Landes und seiner Menschen an die Arbeit gehen", forderte Borgwardt die Mitglieder des Landtags abschließend auf.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Abwasserstreit entschärft?

Kann ein freiwilliges Moratorium die Fronten im Abwasserstreit glätten oder muss es verbindlich festgelegt werden? Das war die zentrale Frage in der Landtagsdebatte um zwei Gesetzentwürfe zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes.


Der sogenannte "Abwasserstreit" erhitzt seit mehr als einem Jahr die Gemüter in Sachsen-Anhalt. Zwar wurde das Kommunalabgabengesetz im Dezember 2014 geändert, dies hat aber nicht unbedingt zur Beruhigung im Streit zwischen Bürgern und Abwasserverbänden beigetragen. Denn einerseits wurde eine Verjährungsfrist von zehn Jahren festgelegt, andererseits auch eine Übergangszeit bis 31. Dezember 2015 eingeräumt. Dies ermöglichte es den Abwasserverbänden, bis Ende letzten Jahres rückwirkende Bescheide an "Altanschließer" verschicken zu können. Dabei geht es um einmalige Anschlussgebühren ans kommunale Abwassernetz.

Die Übergangsfrist habe einem "uneingeschränkten Abkassieren Tür und Tor geöffnet", erklärte Kerstin Eisenreich (DIE LINKE). Dies belegten auch die Zahlen der Landesregierung, wonach bis zum 31. Dezember 2015 rund 85.000 Beitragsbescheide erlassen worden seien. Die Nachforderungen könnten sich auf rund 130 Millionen Euro belaufen, so die Linken-Abgeordnete. In der derzeitigen schwierigen finanziellen Lage würden sich Verbände und Kommunen gezwungen sehen, das Geld einzutreiben. Es gebe sogar Verbände, die mittlerweile Inkasso-Firmen beauftragt hätten.

Noch vor der Landtagswahl im März 2016 hatte die Fraktion DIE LINKE ein Normenkontrollverfahren beim Landesverfassungsgericht eingereicht. Dieses soll klären, ob die Übergangsregelung verfassungskonform ist oder nicht. Wann eine Entscheidung dazu falle, sei jedoch unklar, deshalb bestehe für Bürger und Verbände derzeit keine Rechtssicherheit, argumentierte Eisenreich. In der Zwischenzeit schlägt ihre Fraktion nun ein Moratorium - einen Zahlungsaufschub - vor. Die Kosten, die dadurch für die Abwasserverbände entstünden, sollten vom Land übernommen werden.

Die Koalitionsfraktionen legten dagegen einen Gesetzentwurf vor, in dem die Zweckverbände selbst entscheiden können, ob sie die Gebührenbescheide derzeit einfordern und kassieren oder auf die Entscheidung der Verfassungsrichter warten. SPD-Abgeordneter Rüdiger Erben erklärte dazu, die vorgeschlagene Regelung sei keine kosmetische Operation, sondern die Achtung vor der kommunalen Selbstverwaltung. Außerdem sorge der Gesetzentwurf für günstigere Nachzahlungszinsen und ermögliche Vergleichsregelungen zwischen Bürgern und Verbänden. Darüber hinaus kündigte Erben für den Herbst eine komplette Neufassung des kommunalen Abgabengesetzes an.

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) fügte hinzu, jeder Verband habe eine unternehmerische Verantwortung, die er auch wahrnehmen müsse. Er würde sich freuen, wenn es gelänge, ein Umdenken zu mehr Kundenorientiertheit im Verband zu erreichen. Außerdem wollte Stahlknecht zur Versachlichung der Debatte beitragen und stellte klar, die Abwasserverbände hätten eigentlich nicht erst aufgrund der Verjährungsfrist die Beiträge erheben müssen, sondern hätten dies schon viel früher tun können und müssen.

"Mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf wollen wir für eine faire und rechtssichere Erhebung der Kommunalabgaben eintreten", erklärte Chris Schulenburg (CDU). Er verwies auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt, wonach die Übergangsregelung dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und Vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung trage. Den Entwurf der Linken lehnte Schulenburg ab, denn diejenigen Bürger, die nach Recht und Gesetz gezahlt hätten, würden doppelt belastet.

Ganz anders sahen das die Oppositionsfraktionen, allen voran DIE LINKE. Sie hält den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen für untauglich, weil durch die Kann-Bestimmungen die Verantwortung auf die Verbände abgewälzt würde. Außerdem fürchten die Linken, dass es bei ungleichmäßiger Umsetzung zu einer Ungleichbehandlung der Bürger käme.

Dieser Meinung schloss sich die AfD-Fraktion an. Ihr Abgeordneter Robert Farle hält das Moratorium lediglich für eine "Mogelpackung". Denn eine gesetzlich verankerte Bestimmung könne niemals eine "Kann-Bestimmung" sein. Zudem seien bereits jetzt Vergleiche zwischen Bürgern und Verbänden gesetzlich möglich, sie hätten jedoch niemandem geholfen. Farle unterstellte Innenminister Stahlknecht, dass er bewusst die Übergangsfrist bis 2015 verlängert habe, um mit einer "Task Force" dafür zu sorgen, dass abkassiert werden könne.

Diese uneinheitliche und verfahrene Situation im Abwasserstreit wieder hinzubekommen, sei fast unmöglich, betonte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Zwar könne man natürlich alles wieder auf die Zeit vor der Gesetzesänderung 2014 zurückdrehen, dann müsse man allerdings auch die Kosten übernehmen. Der Entwurf der Linken berge nach seiner Einschätzung einige juristische Fallstricke. Daher hätten sich die Koalitionsfraktionen gegen ein verpflichtendes Moratorium entschieden. Diejenigen Abwasserverbände, die dennoch die Gebühren einziehen wollen, müssten ihren Kunden nun erklären, warum sie dies tun. Dies entspreche dem Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung. Außerdem verwies Meister auf das Prinzip der Gleichberechtigung aller Kunden. Es könne nicht sein, dass die Verluste sozialisiert würden.

Silke Schindler (SPD) erklärte, dass bei der Diskussion vergessen werde, dass viele Bürger im Land bereits Gebührenbescheide erhalten und sie auch bezahlt hätten. Es dürfte daher nicht nur über die Unzufriedenen geredet werden, wie es die AfD getan habe. Bei der Erstattung der finanziellen Aufwendung seitens des Landes - wie von den Linken gefordert - entstünde ihrer Ansicht nach Ungerechtigkeit gegenüber denen, die bereits ordnungsgemäß gezahlt hätten. Stattdessen sollen die Verbände mit dem Moratorium in die Lage versetzt werden, die Bürger von ihrer Beitragspflicht zu entlasten.

Am Ende erhielt der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die erforderliche Mehrheit im Parlament und wurde somit beschlossen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes kann nun jeder Abwasserverband selbst entscheiden, ob er ein Moratorium einsetzt oder nicht.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

KiFöG soll geändert werden

Kommunen und Eltern sollen bei den Kosten für die Kinderbetreuung stärker unterstützt werden. Darüber waren sich alle Fraktionen im Landtag einig. Über die Detailfragen gab es unterschiedliche Auffassungen.


Wie werden die 58,5 Millionen Euro genutzt, die Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren aus dem gescheiterten Betreuungsgeld zufließen? Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE sollen die Mittel zur Entlastung der Eltern bei den Kinderbetreuungskosten genutzt werden, erläuterte Monika Hohmann einen entsprechenden Gesetzentwurf. Sie sprach sich außerdem dafür aus, die Mittel für das Jahr 2018 per Entschließungsantrag zu binden, da zunächst die Evaluierung des Kinderförderungsgesetzes (KiFöG) abgewartet werden müsste. Darüber hinaus solle sich das Land im Jahr 2016 mit einer Zuweisung in Höhe von 50 Millionen Euro an den Kosten der Kinderbetreuung beteiligen, um den Gemeinden zusätzliche Möglichkeiten einzuräumen, beispielsweise zum Ausgleich von Tarifsteigerungen oder zur weiteren Unterstützung der Kostenbeiträge der Eltern, so Hohmann.

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) räumte ein, dass die Gesetzentwürfe von Koalition und Linksfraktion in eine ähnliche Richtung gingen. Im Koalitionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des KiFöG sollen die Leistungen des Landes an die Kommunen rückwirkend zum 1. Januar 2016 so angehoben werden, dass die zuletzt erfolgten Tarifsteigerungen für die Erzieherinnen ausgeglichen werden. Lüddemann sagte: "Wir wollen Eltern und Kommunen deutlich entlasten." Die Koalition wolle verlässlich und nachhaltig agieren. Sie wolle zeigen, dass sie verstanden habe, dass einzig zähle, was am Ende bei den Eltern ankomme. Ab 2017 sollen die Mittel aus dem Betreuungsgeld dann für zusätzliche Kostenentlastungen der Eltern eingesetzt werden, heißt es im Gesetzentwurf der Koalition weiter. Mehrere Kommunen hätten bereits signalisiert, dass sie aufgrund des geplanten Gesetzes auf eine Erhöhung der Elternbeiträge verzichten wollen. Dies sei jedoch nur ein erster Schritt, erklärte Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration (SPD). Weitere Maßnahmen sollen nach einer Evaluierung der Kinderbetreuung bis Ende 2017 folgen.

CDU-Abgeordneter Tobias Krull zeigte sich ebenfalls zufrieden mit dem Gesetzentwurf: "Mit dem KiFöG wird ein zentrales Ziel des Koalitionsvertrages angepackt." Seiner Auffassung nach seien die nach der Tariferhöhung gestiegenen Gehälter der Erzieherinnen mehr als gerechtfertigt. Auch Alexander Raue (AfD) begrüßte die geplante Erhöhung der Landeszuschüsse, denn die wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben der Erzieherinnen müssten angemessen vergütet werden. Noch besser wäre jedoch eine vollständige Abschaffung der Kita-Gebühren, so Raue. SPD-Abgeordneter Andreas Steppuhn erklärte: "Eine gute Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung sind für die Zukunft unseres Landes von großer Bedeutung." Mit der geplanten Änderung des KiFöG hätten die Kommunen jetzt die Spielräume, familienfreundliche Strukturen zu unterstützen.

Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Gesetzentwurf sowie der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE wurden in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration (federführend) und in den Ausschuss für Inneres und Sport sowie den Ausschuss für Finanzen (mitberatend) überwiesen.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

80 Millionen Euro extra für Kommunen

Noch in diesem Jahr sollen die Kommunen in Sachsen-Anhalt 80 Millionen Euro mehr vom Land erhalten. Das geht aus einem Entwurf der Koalition zur Änderung des FAG hervor.


Die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) sei ein echtes Sofortprogramm für die Kommunen, erklärte Siegfried Borgwardt (CDU). Davon abgesehen müsse es zukünftig "einfacher, verständlicher und anreizvoller" gestaltet werden. Dem schloss sich Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) an und fügte hinzu, dass die Kenia-Koalition den Kommunen ab 2017 weitere 182 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellen wolle. Zudem sei noch für dieses Jahr eine größere Novelle des FAG geplant.

"Die Stärkung der Finanzkraft der Kommunen ist ein wichtiges Anliegen der Koalition", ergänzte Finanzminister André Schröder (CDU). Mit dem Gesetzentwurf sollen sowohl die Ländervergleiche (Benchmarks) als auch der Tilgungsanteil nicht mehr angerechnet werden.

Außerdem will Schröder die Kommunikation zwischen Finanzministerium und Kommunen verbessern. Ähnlich äußerten sich auch Silke Schindler (SPD) und Eva Feußner (CDU). Letztere betonte, wenn die Kommunen nicht mehr handlungsfähig seien, würde dies radikalen Gruppierungen Tür und Tor öffnen.

Auch die Oppositionsfraktionen begrüßten die Tatsache, dass die Kommunen mehr Geld vom Land erhalten sollen. Allerdings plädierte Swen Knöchel (DIE LINKE) dafür, den Landeshaushalt noch einmal in seiner Gesamtheit zu betrachten, denn das Hauptproblem sei der Verteilmechanismus. Jan Schmidt (AfD) kritisierte die Begründung des Gesetzentwurfs, wonach die zusätzlichen Mittel auch dazu dienen sollen, "dass die Kommunen ihre Aufgaben im Bereich der Flüchtlingsintegration erfüllen können". Schmidt argumentierte, dies mache keinen Sinn, da viele Asylbewerber das Land wieder verlassen müssten. Daher lehne die AfD-Fraktion den Antrag ab. Nach der Debatte wurde der Gesetzentwurf in den Ausschuss für Finanzen (federführend) und den Ausschuss für Inneres und Sport (mitberatend) überwiesen.

Stefanie Böhme

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Neuer Jugendsender in der Planung

Der Rundfunkstaatsvertrag wurde geändert und muss jeweils durch Landesrecht abgesichert werden. Daher brachte die Landesregierung für die Juni-Sitzung einen Gesetzentwurf (Drucksache 7/44) in den Landtag ein, um den novellierten Rundfunkstaatsvertrag auf eine gesetzliche Basis in Sachsen-Anhalt zu stellen. Die aktuelle Änderung betrifft unter anderem das gemeinsame Jugendangebot der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten von ARD und ZDF sowie die damit in Zusammenhang stehenden Jugendschutzbestimmungen. Zur Finanzierung des Jugendangebots sollen die digitalen Spartenkanäle "EinsPlus" und "ZDFkultur" entfallen. Der Gesetzentwurf wurde zunächst in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien überwiesen.

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Musterbauordnung wird Landesrecht

Die von der Landesregierung vorgelegte Änderung der Bauordnung (Drucksache 7/54) passt das geltende Landesrecht an eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs an. In Europa gibt es eine auf die Qualität hinweisende einheitliche CE-Kennzeichnung von Bauprodukten. In Deutschland hatten bisher noch höhere Ansprüche bestanden, sodass es zu einer zusätzlichen Ü-Kennzeichnung der Bauprodukte kam. Gegen dieses Vorgehen wurde Klage am Europäischen Gerichtshof eingereicht. Eine von Brüssel akzeptierte neue Musterbauordnung für die deutschen Bundesländer muss nun bis spätestens 15. Oktober 2016 jeweils in Landesrecht umgewandelt werden. Der Gesetzentwurf wurde in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr überwiesen.

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REGIONALFENSTER

Grenzenlos auf dem Weg zum Nachbarn

55 Jahre nach dem Mauerbau kennen viele die innerdeutsche Grenze nur noch aus Geschichtsbüchern, verblassen bei anderen die einst mit dem DDR-Grenzregime verbundenen Schrecken. Nach wie vor erleb- und begreifbar ist die Vergangenheit der deutschen Teilung mit ihren menschenverachtenden Sperr- und Kontrollanlagen aber in Marienborn und Hötensleben.


Burkhard Sommerfeld füllt klares Quellwasser in Plasteflaschen. Es schmecke besser als das aus der Leitung, sagt der Mann, der immer, wenn die Flaschen leer sind, von seinem Wohnort Helmstedt aus zum legendären Brunnen in Marienborn fährt, um seine Vorräte aufzufüllen - an der Marienkapelle in einem der historisch ältesten deutschen Wallfahrtsorte. Dort soll vor mehr als tausend Jahren einem frommen Hirten die Jungfrau Maria erschienen, der Überlieferung zufolge auch eine Marienstatue vom Himmel gefallen und ein Quell mit heilender Wirkung entsprungen sein. Die darüber errichtete Kapelle wurde bald in der ganzen Umgebung bekannt, zahlreiche Menschen kamen, um aus dem "Marienborn" Wasser zu schöpfen und um Gesundheit zu bitten. Für die Versorgung der Wallfahrer stiftete Erzbischof Wichmann von Magdeburg 1191 ein Hospital, das später in ein Kloster umgewandelt wurde.

Die 1836 in Marienborn neu errichtete Marienkapelle wurde wie die reizvolle kleine Orangerie des Ortes in der 1975er Auflage des Dehio, dem Handbuch deutscher Kulturdenkmäler, als "stark verfallen" sowie "zu großen Teilen zerstört" beschrieben.

Damals führten die historischen und architektonischen Schätze Marienborns, wie die Stiftskirche des Klosters, das Pfarrhaus, die an einen römischen Tempel erinnernde Orangerie sowie die Brunnenkapelle, tatsächlich ein Schattendasein. Bemerken konnten dies aber nur Einheimische, denn Auswärtige kamen zu DDR-Zeiten in das Dorf nahe der innerdeutschen Grenze kaum.

Reger Verkehr zwischen Ost und West herrschte indes unweit von Marienborn, das einer Grenzübergangstelle (GÜST) den Namen gab und weltweit zum Synonym für eine Grenze wurde, die nicht nur Deutsche von Deutschen, sondern Europa und die Welt spaltete.

Schon im Sommer 1945 wurde die GÜST von den alliierten Siegermächten eingerichtet und Anfang der 70er Jahre von der DDR ausgebaut. Auf dem mit 35 Hektar größten innerdeutschen Grenzübergang versahen bis zu 1000 DDR-Grenzsoldaten, Zöllner, Stasi-Mitarbeiter und Zivilangestellte ihren Dienst, die allein zwischen 1984 und 1989 rund 10,5 Millionen Personenwagen und Motorräder, 4,9 Millionen Lastwagen und 140.000 Busse abfertigten - mit zusammen 34,6 Millionen Reisenden.

Auf dem Gelände dieses einstigen Bollwerks der DDR-Grenzanlagen errichtete das Land Sachsen-Anhalt die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. Das einstige Nadelöhr zwischen Ost und West wandelte sich zu einem Ort der Begegnung, des Gedenkens, des politischen Lernens. Am 13. August 1996 offiziell eröffnet, begeht die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn am 55. Jahrestag des Berliner Mauerbaus ihren 20. Geburtstag.

Während anderswo in Deutschland kaum noch Zeugnisse der Trennung zu sehen sind, wird an der Bundesautobahn 2 zwischen Helmstedt und der Ausfahrt Alleringersleben, wo zwischen großflächig überdachten Baracken und zweistöckigen Gebäuden hohe Lichtmasten in den Himmel ragen, seit nunmehr zwei Jahrzehnten die Geschichte der deutschen Teilung und Wiedervereinigung multimedial nacherlebbar.

Rund 150.000 Besucher passieren jährlich ein graues, überdachtes Terminal mit Kontrollhäuschen, in denen einst Stasi-Mitarbeiter jeden Pass registrierten, sehen mit Beklemmung das 60 Meter lange Transportband aus Gummi, auf dem die Pässe zur eigentlichen Kontrolle befördert wurden, oder jene Kontrollbox, in der der DDR-Zoll westdeutsche Fahrzeuge bei der Ausreise nach verbotenen Waren oder versteckten Flüchtlingen durchsuchte.

Als am 13. August 1961 West-Berlin eingemauert wurde, war auch der Grenzübergang Marienborn geschlossen - jedoch nur für wenige Stunden, wie Matthias Ohms von der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt berichtet. Denn die Alliierten hatten unweit davon schon ihre Panzerregimenter positioniert, wollten sich den Straßenweg nach West-Berlin nicht einfach versperren lassen.

Die Dauerausstellung in der heutigen Gedenkstätte informiert auch darüber, dass die innerdeutsche Grenze ebenfalls die Kohleabbaugebiete des Helmstedter Reviers zerschnitt. Mitten durch einen Braunkohle-Tagebau verlief die Demarkationslinie, die 1952 geschlossen und mit der jeglicher betriebliche Verkehr darüber unterbunden wurde. Ein Millionen Tonnen starkes Kohleflöz blieb ungenutzt. Verhandlungen über den Abbau des grenzüberschreitenden Vorkommens scheiterten an der Zuspitzung des Kalten Krieges, der im Bau der Berliner Mauer am 13.August 1961 gipfelte.

Erst nach 1976 konnte die "Grenzpfeilerkohle" nach langen deutsch-deutschen Verhandlungen genutzt werden. Bis 1986 baute die DDR mehr als zehn Millionen Tonnen Kohle auf dem Gebiet des Landes Niedersachsen ab. Dann wurde die Förderung im Revier Harbke eingestellt, auf einem extra entlang der Staatsgrenze aus Abraum aufgeschütteten Damm der Grenzzaun wieder aufgebaut. Dort entsteht in naher Zukunft ein touristisch reizvolles, länderübergreifendes Bade- und Freizeitgewässer. Nach kompletter Auskohlung läuft das Seeprojekt Lappwaldsee - zu einem Teil bei Helmstedt in Niedersachsen und zum anderen Teil bei Harbke in Sachsen-Anhalt liegend - allmählich mit Wasser voll.

Wie Marienborn war auch Harbke zu DDR-Zeiten wegen der Grenznähe weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Selbst die liebe Verwandtschaft konnte einen nicht überraschen, berichtet eine Einwohnerin. Im Harbker Park habe sie als Kind gern gespielt, doch spazierten durch die schönen Anlagen damals nur Einheimische.

Heute kommen Parkliebhaber aus nah und fern zu diesem besonderen "Gartentraum Sachsen-Anhalts", um dort Deutschlands wohl ältesten Ginkgobaum zu bestaunen oder eine kleine Zerr-Eiche zu bewundern.

Die Kultivierung ausländischer Gehölze machten Harbke und seinen Park einst weit über die Region hinaus bekannt. 1805 kam sogar Goethe hierher, um vor Ort die berühmte "Wilde Baumzucht" zu studieren. Immerhin war Harbke Pflanzenlieferant unter anderem für die Wörlitzer Anlagen und für Parks in Dänemark, Polen und Russland.

Für Dörte Lindstedt bieten der Park und seine waldreiche Umgebung heute alles, was die junge Frau mag: Natur pur, Vogelgezwitscher im Wald, nette Bewohner des Dorfes, zählt sie auf. Für ein bis zwei Generationen vor ihr noch undenkbar, kommt die Mutter einer kleinen Tochter heute ganz selbstverständlich von Helmstedt aus häufig zu Spaziergängen oder Treffen mit der Freundin nach Harbke, wo sie früher schon auf ihrem Pferd gern die Natur durchstreifte. Von Harbke sind es nur wenige Kilometer bis nach Hötensleben. Dort wurde kürzlich wieder jener Menschen gedacht, die an der innerdeutschen Grenze ihre Heimat verlassen mussten. Als am 26. Mai 1952 der Besatzungsstatus für die BRD aufgehoben und die Bundesrepublik in die NATO aufgenommen werden sollte, begann in der DDR ein umfangreicher Ausbau der Grenzanlagen.

Zum Teil willkürlich als politisch unzuverlässig eingestufte Bewohner mussten binnen weniger Stunden Haus und Hof verlassen. Allein in Hötensleben und in den benachbarten Grenzorten wurden im späten Frühjahr 1952 fast 300 Menschen zwangsausgesiedelt, 1961 weitere 80. Insgesamt 12.000 Männer, Frauen und Kinder wurden ab 26. Mai 1952 bis zum Mauerbau 1961 unter Zwang aus dem DDR-Sperrgebiet ins Landesinnere umgesiedelt.

Jener, die durch diese Grenzpolitik ihre Heimat verloren, Leid und Unrecht erfuhren oder getötet wurden, wird seit einigen Jahren jeweils am 26. Mai am Grenzdenkmal Hötensleben gedacht.

Immer mit dabei ist Achim Walther. Er kam zu DDR-Zeiten freiwillig in das Grenzdorf Hötensleben - der Liebe wegen, doch durfte der junge Maschinenbaukonstrukteur zunächst nicht im Sperrgebiet arbeiten, weil er laut Stasi-Akte ein "Gegner von Partei und Regierung" war. Leben aber konnte er in Sichtweite zur scharf bewachten Grenze, denn hier wohnten nicht nur überzeugte Kommunisten, wie er sich erinnert.

Doch die Menschen waren durch die Zwangsaussiedlungen so eingeschüchtert, "dass Ruhe herrschte". Achim Walther fühlte sich hinter den Mauern von Hötensleben nicht wie am Ende der Welt, sondern mittendrin in der Wunde von Deutschland und Europa ...

Als Mitglied des örtlichen Denkmal- und Heimatvereins engagierte er sich nicht nur für Dorfkirche, alte Wasserburg und kaiserliches Postamt in Hötensleben, sondern brachte zeitig auch die Grenze als Denkmal ins Gespräch. Immerhin sei dies ein Stück Ortsgeschichte ohnegleichen, das lange das Leben im Dorf geprägt habe. Es gelang ihm und einigen Mitstreitern, dass die Grenzanlagen bei Hötensleben seit dem 12. Januar 1990 - anfangs noch nach DDR-Recht - unter Denkmalschutz stehen.

Während überall Mauer und Zaun demontiert wurden, achtete man in Hötensleben auf deren Erhalt, was bei anderen für Entrüstung sorgte. So schimpfte ein anonymer Briefschreiber, dass er auf die Straße gegangen sei, damit die Mauer verschwinde, "und Sie haben wohl noch immer nicht genug davon?" Und auch in und um Hötensleben wurde mancher Komposthaufen oder Hühnerauslauf mit alten Grenzzäunen gesichert, manche der tonnenschweren Panzersperren als Altmetall eingeschmolzen. "Die haben wir aber nachfertigen lassen", berichtet Achim Walther.

So dokumentiert das Grenzdenkmal Hötensleben heute noch den Zustand Ende des Jahres 1989. Es gilt als das am besten und umfassendsten erhaltene Zeugnis der innerdeutschen Grenzbefestigung. Auf einem 6,5 Hektar großen Areal sind auf einer Länge von 350 Metern unter anderem die Sichtblendmauer, der Signalzaun, das Sicht- und Schussfeld mit Lichttrasse, Kolonnenweg und Kfz-Hindernis, die Grenzmauer und der Führungsturm mit Kraftfahrzeugstellung zu besichtigen.

Rund 10.000 Besucher kommen jährlich, um die früheren Grenzanlagen mit eigenen Augen zu sehen. Seit 2004 ist das Grenzdenkmal Hötensleben Bestandteil der rund 18 Kilometer nördlich liegenden Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, die seit 2011 zum Europäischen Kulturerbe gehört.

Gudrun Oelze


Jahrhundert der Parallelbiographien

Die deutsch-deutsche Grenzgeschichte erlebbar macht auch der Verein Grenzenlos, unter anderem mit Rundfahrten auf "Wegen zum Nachbarn" - vom Zonengrenz-Museum Helmstedt über das Grenzdenkmal Hötensleben bis zur Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn.

Im Rahmen des Projektes "Grenzenlos - Wege zum Nachbarn" finden seit 1995 immer in zeitlicher Nähe zum Tag der Deutschen Einheit die Helmstedter Universitätstage statt, die sich in diesem Jahr vom 15. bis 18. September dem "Jahrhundert der Parallelbiographien" widmen. Zur Abschlussdiskussion werden am Samstag, 17. September 2016, Dr. Hans-Otto Bräutigam und Egon Krenz "Den Blick auf den Gegenüber im geteilten Deutschland" wagen.

www.universitaetstage.de

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IM BLICKPUNKT

Vom Wahlabend zur Konstituierung

Mit der konstituierenden Sitzung kamen die Abgeordneten am 12. April zum ersten Mal nach der Landtagswahl im März im Magdeburger Plenarsaal zusammen. Zum neuen Landtagspräsidenten wurde Hardy Peter Güssau gewählt.


Die 7. Wahlperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt ist eröffnet. Nach der Landtagswahl am 13. März hat die Zusammenführung des neuen Parlaments mit der konstituierenden Sitzung, die am 12. April die Abgeordneten zum ersten Mal im Magdeburger Plenarsaal gemeinsam in den Abgeordnetenrängen präsentierte, ihren Abschluss gefunden. Vorausgegangen war dem ein gespannt erwarteter Wahltag, der Platz für Jubel, Zaudern und Überraschung barg.

Der Landtag setzt sich in seiner 7. Wahlperiode, die voraussichtlich bis ins Jahr 2021 reichen wird, aus fünf Fraktionen (siehe auch weiter unten) zusammen: CDU, AfD, DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die FDP hatte den Einzug mit 4,9 Prozent der Zweitstimmen denkbar knapp verpasst (Fünf-Prozent-Hürde). Die fünf Fraktionen teilen sich 87 Mandate; 18 weniger als in der vorangegangenen Legislaturperiode - bedingt durch die Parlamentsreform, die eine Verkleinerung des Plenums vorsah. Da keine Überhang- und Ausgleichsmandate vergeben werden mussten, konnte diese Verkleinerung auch eingehalten werden. Alle Fraktionen beziehen mit ihren Abgeordneten und anderen Mitarbeitern (Fraktionsbüro, Referenten etc.) Räumlichkeiten im Gebäudekomplex des Landtags am Magdeburger Domplatz 6 - 9.

2016
2011
Sitze 2016
Die Linke
B90/Grüne
SPD
CDU
AfD
 16,3 %
  5,2 %
 10,6 %
 29,8 %
 24,3 %
 23,7 %
  7,1 %
 21,5 %
 32,5 %

16
5
11
30
25

Bis auf die AfD haben alle Parteien Wählerstimmen verloren.
Dem neuen Parlament gehören 21 Frauen und 66 Männer an.


Doch der Landtag kann als Parlament erst dann funktionieren, wenn die konstituierende Sitzung stattgefunden hat. Dies ist der entscheidende Moment, der alles politische Handeln nach der Wahl erst möglich macht.

Der CDU-Abgeordnete Detlef Gürth eröffnete als Alterspräsident (in Sachsen-Anhalt handelt es sich dabei um das dienstälteste Mitglied des Parlaments) die konstituierende Sitzung am 12. April, pünktlich um 11 Uhr. Eine relativ leichte Übung für den erfahrenen Abgeordneten, der dem Landtag seit 1990 angehört und von 2011 bis 2015 das Amt des Präsidenten ausübte.

Alle Abgeordneten seien mit gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet, erinnerte Gürth. Die Würde des Hohen Hauses sei durch eine faire Streitkultur zu bewahren. "Nur hier in diesem Saal können Gesetze und Regeln beschlossen werden, die für jedermann im Land gelten." Er diene der Transparenz und der Öffentlichkeit, denn alles müsse öffentlich verhandelt werden, bevor ein Beschluss gefasst werden könne. So sei sichergestellt, dass jeder vor einer Entscheidung in eine Sachlage eingreifen könne.

Der stärksten Fraktion im Landtag kommt es zu, einen Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten zu stellen. Die CDU-Fraktion schickte ihren Abgeordneten Hardy Peter Güssau ins Rennen. Güssau, früher Gymnasiallehrer in Stendal, ist seit der 6. Wahlperiode Mitglied des Landtags. Mit einem Stimmenverhältnis von 47:35:5 wurde Güssau zum sechsten Präsidenten des Landtags gewählt.

Hardy Peter Güssau ist seit vielen Jahren auf kommunaler und auf Landesebene politisch aktiv und sieht zwei grundlegende Entwicklungen: "Zum einen können wir nicht die Augen davor verschließen, dass eine Politik, die immer öfter im Krisenmanagement aufgehen muss, zunehmend Vermittlungs- und Verständigungsprobleme in der Bevölkerung bekommt. Zum anderen spüren Politiker, dass es zunehmend schwerer wird, selbst bei politisch interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Bereitschaft zu wecken, sich auf die Erklärung der komplexen Rahmenbedingungen einer politischen Entscheidung einzulassen."

Die frei gewählten Abgeordneten hätten die Chance, die wertegebundenen Grundfragen hinter komplexen tagespolitischen Entscheidungen oder hinter dem Krisenmanagement aufzuspüren und diese zuerst für sich selbst und dann für alle sichtbar zu machen, betonte Güssau. Sein Mandat als Abgeordneter und seine Aufgabe als Landtagspräsident beschränkten sich nicht nur darauf, Entscheidungen vorzubereiten und demokratisch zu treffen. "Wir müssen uns auch stärker als bisher als Informationsquelle, als Kommunikationspartner begreifen. Wir müssen wieder stärker zu Zuhörern, zu Ansprechpartnern, zu Kümmerern vor Ort werden!"

Vizepräsidenten gewählt

Während der konstituierenden Sitzung wurden auch traditionell die beiden Vizepräsidenten gewählt. In dieses Amt wurden Daniel Rausch (AfD) und Wulf Gallert (DIE LINKE) gebracht. Aufgabe des Vizepräsidenten ist es unter anderem, den Landtagspräsidenten bei der Leitung der Plenarsitzungen zu unterstützen und ihn und den Landtag bei repräsentativen Terminen zu vertreten. Am 2. Juni ist Daniel Rausch aus persönlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten.


Laut Landesverfassung verfügt der Landtag von Sachsen-Anhalt über zwei Vizepräsidenten. Das Vorschlagsrecht liegt bei der zweit- und der drittstärksten Fraktion. Die Fraktion der AfD hat den Abgeordneten Daniel Rausch vorgeschlagen, die Fraktion DIE LINKE schickte ihren früheren Fraktionsvorsitzenden Wulf Gallert ins Rennen. Die Wahl der beiden Vizepräsidenten wurde in zwei unabhängigen Wahlvorgängen vollzogen. Mit 46:34:7 Stimmen wurde Daniel Rausch zum Vizepräsidenten des Landtags gewählt (Rücktritt am 2. Juni 2016). Der Wahlvorschlag der Linken wurde dagegen negativ beschieden. Mit 39:44:4 Stimmen verfehlte Wulf Gallert zunächst die Wahl zum Vizepräsidenten.

Nach dem Wahlvorgang kam es zu einer längeren, von den Linken beantragten Unterbrechung der Sitzung. Alle Fraktionen zogen sich zu internen Beratungen zurück. Nach Wiederaufnahme der Sitzung verständigte man sich auf einen weiteren Wahlgang. Dem ging die Ankündigung der Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN voraus, die Konstituierung des Landtags nicht ohne die Wahl des zweiten Vizepräsidenten beenden zu wollen. DIE LINKE nominierte erneut Wulf Gallert. Mit 45:33:9 Stimmen wurde er im zweiten Anlauf zum Vizepräsidenten des Landtags von Sachsen-Anhalt gewählt.

Um Punkt 16 Uhr erklärte Landtagspräsident Hardy Peter Güssau die Konstituierung des Landtags der 7. Wahlperiode für abgeschlossen.

Dr. Stefan Müller

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Haseloff im Amt bestätigt

Der Landtag hat in seiner zweiten Sitzung Dr. Reiner Haseloff zum Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt gewählt. Der CDU-Politiker hat dieses Amt seit 2011 inne.


Nach Ablauf einer 14-tägigen Frist nach der konstituierenden Sitzung musste der erste Durchgang der Wahl des Ministerpräsidenten spätestens am vorgesehenen Wahltag (25. April) erfolgen. Laut Auszählung verfehlte Dr. Reiner Haseloff jedoch die Wahl mit 41 Ja-Stimmen zu 45 Nein-Stimmen und einer Enthaltung.

Die Fraktionsvorsitzenden der schwarz-rot-grünen Koalition zeigten sich erstaunt ob des unerwarteten Wahlausgangs; Haseloff bekam fünf Stimmen weniger als die Koalition hätte abgeben können. Siegfried Borgwardt (CDU), Andreas Steppuhn (SPD) und Prof. Dr. Claudia Dalbert (Grüne) appellierten an ihre Fraktionen, die Wahl Haseloffs zu unterstützen, so wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen sei.

Haseloff stellte sich also ein zweites Mal zur Wahl. Im zweiten Durchgang erreichte er 47 Ja-Stimmen, bei 34 Nein-Stimmen, drei Stimmenthaltungen und drei ungültigen Stimmzetteln und wurde damit zum Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt gewählt. Reiner Haseloff nahm die Wahl an und leistete den Amtseid vor den Abgeordneten des Landtags.

Klare Zielstellung sei, eine weitere Polarisierung der Gesellschaft zu verhindern. Es gelte, die Werte, "für die wir stehen und die im Grundgesetz und der Landesverfassung verankert sind", nicht in Frage zu stellen, sondern sie noch zu stärken, betonte der wiedergewählte Ministerpräsident.

Dr. Stefan Müller

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IM BLICKPUNKT

CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt
Domplatz 6-9
39104 Magdeburg
Tel.: 0391 560 2005
Fax: 0391 560 2139
info@cdufraktion.de

Siegfried Borgwardt
Fraktionsvorsitzender
Diplom-Verwaltungswirt (FH)
06901 Kemberg, OT Reuden
* 1957 in Naumburg (Saale)
Wahlkreis 25 (Jessen)
Mitglied des Landtags seit 2002

Gabriele Brakebusch
stellv. Fraktionsvorsitzende

Ulrich Thomas
stellv. Fraktionsvorsitzender

Markus Kurze
parlam. Geschäftsführer


AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt

Domplatz 6-9
39104 Magdeburg
Tel.: 0391 560 6002
Fax: 0391 560 1123
fraktion@afd-lsa.de

André Poggenburg
Fraktionsvorsitzender
Unternehmer
06667 Stößen
* 1975 in Weißenfels
Wahlkreis 41 Zeitz
Mitglied des Landtags seit 2016

Matthias Büttner
Oliver Kirchner
Matthias Lieschke
Tobias Rausch
Sarah Sauermann

stellv. Fraktionsvorsitzende

Daniel Roi
parlam. Geschäftsführer


DIE LINKE. Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt

Domplatz 6-9
39104 Magdeburg
Tel.: 0391 560 2003
Fax: 0391 560 5008
fraktion@dielinke.lt.sachsen-anhalt.de

Swen Knöchel
Fraktionsvorsitzender
Diplom-Finanzwirt
06108 Halle/S.
* 1973 in Halle/S.
Landesliste
Mitglied des Landtags seit 2011

Eva von Angern
stellv. Fraktionsvorsitzende

Birke Bull
stellv. Fraktionsvorsitzende

Stefan Gebhardt
parlam. Geschäftsführer


SPD Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt

Domplatz 6-9
39104 Magdeburg
Tel.: 0391 560 3005
Fax: 0391 560 3020
fraktion@spd.lt.sachsen-anhalt.de

Dr. Katja Pähle
Fraktionsvorsitzende
Soziologin
06110 Halle (Saale)
* 1977 in Wippra
Landesliste
Mitglied des Landtags seit 2011

Silke Schindler
stellv. Fraktionsvorsitzende

Andreas Stepphuhn
stellv. Fraktionsvorsitzender

Rüdiger Erben
parlam. Geschäftsführer


BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt

Domplatz 6-9
39104 Magdeburg
Tel.: 0391 560 4002
Fax: 0391 560 4006
fraktion@gruene.lt.sachsen-anhalt.de

Cornelia Lüddemann
Fraktionsvorsitzende
Geschäftsführerin,
Erziehungswissenschaftlerin
06844 Dessau-Roßlau
* 1968 in Dessau
Landesliste
Mitglied des Landtags seit 2011

Dorothea Frederking
stellv. Fraktionsvorsitzende

Sebastian Striegel
parlam. Geschäftsführer

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IM BLICKPUNKT

Die "Nachrücker"

Die Regierungsbildung hatte direkte Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Landtags. Fünf neue Abgeordnete schafften über die jeweiligen Landeslisten doch noch den Sprung ins Parlament. Sie folgten Abgeordneten, die Ministerämter übernahmen oder Staatssekretäre wurden.


Hintergrund für das Stühlerücken sind Personalentscheidungen bei der Regierungsbildung. So haben beispielsweise die frischgebackenen Minister Prof. Dr. Claudia Dalbert (Umwelt, Landwirtschaft und Energie), Petra Grimm-Benne (Arbeit, Soziales und Integration) und Jörg Felgner (Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung) auf ihre Landtagsmandate verzichtet. Zudem haben Edwina Koch-Kupfer und Dr. Gunnar Schellenberger neue Aufgaben als Staatssekretäre übernommen und sind somit verpflichtet, ihre Mandate niederzulegen.

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zog Wolfgang Aldag nachträglich in den Landtag ein. Der gelernte Landschaftsgärtner kam Anfang der 1990er Jahre aus Stuttgart nach Sachsen-Anhalt, um in Bernburg Landschaftspflege zu studieren. 2014 wurde er für die Grünen Stadtrat in Halle. Neben seinen politischen Aufgaben engagierte sich Aldag zehn Jahre als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. in Sachsen-Anhalt.

Im Landtag wird Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Gebiete Halle, Mansfeld-Südharz und Harz betreuen.

Im Gegensatz zu Aldag ist Nadine Hampel (SPD) schon ein alter Hase im Landtag von Sachsen-Anhalt. Die 41-jährige Rechtsanwältin aus Sangerhausen gehört schon seit 2006 dem Landtag an. Seit 2004 ist Hampel SPD-Mitglied, seit 2010 stellvertretende Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Mansfeld-Südharz. Im Landtag war sie unter anderem in den Ausschüssen für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie im Umweltausschuss vertreten. Als Mutter eines kleinen Sohnes engagiert sich Hampel unter anderem ehrenamtlich im Bildungsbereich.

Nadine Hampel (SPD) wird die Bereiche Rechtspolitik, Tourismus, Behindertenpolitik, Seniorenpolitik sowie Familienpolitik betreuen.

Ebenfalls für die SPD rückte Dr. Falko Grube als Abgeordneter ins Parlament nach. Auch für den 38-jährigen gebürtigen Magdeburger ist der Landtag kein unbekanntes Parkett. Von 2003 bis 2015 war Grube bereits in verschiedenen Positionen für die SPD-Fraktion tätig, zuletzt als Pressesprecher. Seit Mai 2016 ist er nun offiziell Parlamentarier und wird sich unter anderem um die Bereiche Verkehr, Wohnungs- und Städtebau sowie Sportpolitik kümmern.

Dr. Falko Grube (SPD) wird in den Ausschüssen für Landesentwicklung und Verkehr sowie für Finanzen mitarbeiten.

Für die CDU-Fraktion schaffte Lars-Jörn Zimmer als Nachrücker den Sprung in den 7. Landtag von Sachsen-Anhalt. Der 45-jährige studierte Betriebswirt hat ebenfalls schon jede Menge Landtagsluft geschnuppert, seit 2002 war er Abgeordneter und zuständig für die Region Bitterfeld-Wolfen. Hier beschäftigte er sich vor allem mit den Themenbereichen Wissenschaft und Wirtschaft, zudem war Zimmer tourismuspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Nachdem er bei der Landtagswahl sein Direktmandat verloren hatte, rückte er für Edwina Koch-Kupfer nach.

Lars-Jörn Zimmer sitzt seit 2002 im Landtag von Sachsen-Anhalt. In der 7. Wahlperiode rückt er für Edwina Koch-Kuper nach.

Jens Kolze (CDU) war seit 2002 durchgehend für den Wahlkreis Dessau Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt. Dort war der 49-Jährige im Innen- und Rechtsausschuss tätig und innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Bei der Landtagswahl verlor Kolze sein Direktmandat und schied zunächst aus dem Landtag aus. Über die CDU-Landesliste übernahm er nun am 1. Juni den Sitz für Dr. Gunnar Schellenberger.

Der Abgeordnete Jens Kolze (CDU) wird in der 7. Legislaturperiode rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion sein.

Stefanie Böhme

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RÜCKBLICK

Deutsches Recht zu Gast

Alle zwei Jahre konferieren die Präsidentinnen und Präsidenten der Verfassungsgerichte der Länder und des Bundes. Gastgeber war in diesem Jahr Sachsen-Anhalt. Landtagspräsident Hardy Peter Güssau lud am Rande zu einem gemeinsamen Abendessen ein.


Das Technikmuseum "Hugo Junckers" in Dessau-Roßlau wurde am 3. Juni zum Schauplatz eines etwas außergewöhnlichen Abendessens. Dafür war weniger das Dinner an sich, zu dem Landtagspräsident Hardy Peter Güssau eingeladen hatte, als vielmehr dessen Gäste verantwortlich: Das deutsche Recht in Persönlichkeiten, könnte man diesen Abend durchaus nennen.

Zu Gast waren nämlich die Präsidentinnen und Präsidenten der Verfassungsgerichte der Länder und des Bundes, die zu ihrer zweijährlich stattfindenden Jahrestagung zusammengekommen waren. Gastgeber der Konferenz im schönen Wörlitz war Winfried Schubert, Präsident des Landesverfassungsgerichts von Sachsen-Anhalt. Unter den Konferenzteilnehmern befanden sich auch Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, sowie Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding und Mitglieder des Landtags.

Landtagspräsident Hardy Peter Güssau wies in seinem Willkommensgruß auf die vielseitige Geschichte der Region Anhalt hin und rief die Konferenzteilnehmer dazu auf, das Dessau-Wörlitzer Gartenreich, die Luthergedenkstätten in unmittelbarer Nähe, das Bauhaus und auch den kleinen Ort Reppichau, der als Geburtstort Eike von Repgows eine besondere Geschichte trage, auszukundschaften. Güssau wies auch auf die Bedeutung des Versammlungsorts hin: In Dessau war anno 1990 der erste Landtag Sachsen-Anhalts nach der politischen Wende zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten.

Die Richterinnen und Richter nutzten die Konferenz für einen regen Gedanken- und Meinungsaustausch und nahmen die Gelegenheit wahr, aktuelle politische und gesellschaftliche Themen aus Sicht von Verfassungsrechtlern und Politikern zu erörtern. In Fachvorträgen ging es unter anderem um "Das Zusammenwirken europäischer Gerichte und nationaler Verfassungsgerichte im europäischen Gerichtsverbund", um den "derzeitigen Stand, die Planungen und die Umsetzung eines elektronischen Rechtsverkehrs", um die "Überprüfung von Bebauungsplänen durch die Verfassungsgerichte im Rahmen von Popularklagen und Individualverfassungsbeschwerden" und um das "parlamentarische Frage- und Auskunftsrecht (übermäßiger Verwaltungsaufwand, Umfang der Begründungspflicht, Bezifferung des Kostenaufwands)".

Dr. Stefan Müller

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IM BLICKPUNKT

Die Werkstätten des Parlaments

Der Landtag verfügt in der 7. Wahlperiode über elf ständige Ausschüsse. Diese haben sich in den vergangenen Wochen konstituiert. Die politische Arbeit kommt jetzt erst richtig ins Rollen.


Die Landtagswahl am 13. März ist etwa drei Monate her, in der Zwischenzeit hat sich der Landtag konstituiert, der Ministerpräsident wurde gewählt und die Regierungsbildung ist abgeschlossen. Aber damit ist es noch nicht getan, denn um einen Parlamentsbetrieb wirklich ins Rollen zu bringen, bedarf es noch der Ausschüsse. In ihnen findet die eigentliche Arbeit statt, sie sind die Werkstätten des Parlaments, für manche sind sie sogar das "Herzstück".

Wegen der Themenvielfalt und der damit einhergehenden Spezialisierung der Abgeordneten bildet der Landtag aus seiner Mitte heraus ständige und zeitweilige Ausschüsse. Deren Anzahl kann von Wahlperiode zu Wahlperiode variieren. In der 7. Wahlperiode hat der Landtag elf ständige Ausschüsse. Sie verfügen jeweils über zwölf Mitglieder, die nach dem Rangmaßzahlverfahren von den Fraktionen entsandt werden.

Landtagpräsident Hardy Peter Güssau war bei der Konstituierung jedes Ausschusses anwesend und wünschte jedem einzelnen gutes Gelingen bei der anstehenden Arbeit. Er zeigte sich überzeugt, dass sich die neuen Abgeordneten schnell in die parlamentarischen Gepflogenheiten einfinden würden und dass gerade die Mischung aus alten und neuen, jungen und erfahrenen Abgeordneten die Ausschussarbeit bereichern werde. Im Mittelpunkt der Arbeit müsse immer das Ringen um die bestmögliche Lösung für die Bürgerinnen und Bürger stehen, betonte Güssau.

Die Ausschüsse des Landtags sind jeweils für bestimmte Politikbereiche (zum Beispiel Inneres oder Umwelt) zuständig. Die thematische Ausrichtung der Ausschüsse orientiert sich an der Ressortgestaltung (Ministerien) der Landesregierung. Die Fraktionen entsenden entsprechend ihrem Stärkeverhältnis im Plenum die insgesamt je zwölf Mitglieder pro Ausschuss. Ebenso benennen die Fraktionen in einem Zugriffsverfahren die Ausschüsse, in denen sie den Vorsitz stellen wollen. Für die 7. Wahlperiode bedeutet dies konkret: jeweils vier CDU-Abgeordnete, drei AfD-Abgeordnete, zwei Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE, zwei SPD-Abgeordnete und ein Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bilden einen Ausschuss.

Die Ausschüsse tagen grundsätzlich nichtöffentlich. Um einer interessierten Öffentlichkeit Einfluss auf die Meinungsbildung zu ermöglichen und Transparenz auf dem Weg zu den Entscheidungen herzustellen, führen die Ausschüsse öffentliche Anhörungen durch. Darüber hinaus kann auf Antrag einer Fraktion oder des Vorsitzenden der Ausschuss beschließen, bestimmte Verhandlungsgegenstände öffentlich zu beraten.

In den Ausschüssen werden Gesetzentwürfe und Anträge diskutiert, die nach der Ersten Beratung im Plenum in die Fachausschüsse überwiesen wurden. Dass die fachliche Auseinandersetzung zum Teil viele Monate in Anspruch nimmt, ist Realpolitik. Fünf Monate nach der Überweisung kann allerdings ein Bericht über den Stand der Beratungen eingefordert werden. Ziel der Arbeit eines Ausschusses ist die detaillierte und sachgerechte Behandlung eines Gesetzentwurfs oder Antrags. Hierfür werden in Anhörungen auch Experten gehört. Am Ende der Beratungen entsteht eine Beschlussempfehlung für das Plenum, mit der versucht wird, einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu erreichen.

Die Ausschüsse reagieren aber nicht nur, sie agieren auch - durch das Selbstbefassungsrecht. Sie können sich auch ohne besonderen Auftrag des Landtags mit Fragen und Sachverhalten beschäftigen, die ihren Geschäftsbereich betreffen. Eine Beschlussempfehlung für den Landtag dürfen sie aus diesen Beratungen allerdings nicht herleiten.


DIE AUSSCHÜSSE DES LANDTAGS

1. Ausschuss für Inneres und Sport - Vorsitzender: Hagen Kohl (AfD)
2. Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr - Vorsitzender: Andreas Mrosek (AfD)
3. Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Vorsitzende: Gabriele Brakebusch (CDU)
4. Ausschuss für Umwelt und Energie - Vorsitzender: Jürgen Barth (SPD)
5. Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien - Vorsitzender: Ralf Geisthardt (CDU)
6. Ausschuss für Finanzen - Vorsitzender: Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
7. Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung - Vorsitzender: Detlef Gürth (CDU)
8. Ausschuss für Petitionen - Vorsitzende: Christina Buchheim (DIE LINKE)
9. Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung - Vorsitzender: Lars-Jörn Zimmer (CDU)
10. Ausschuss für Bildung und Kultur - Vorsitzender: Thomas Lippmann (DIE LINKE)
11. Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration - Vorsitzender: Ulrich Siegmund (AfD)


Neben den elf ständigen Ausschüssen hat der Landtag das Recht, zeitweilige Ausschüsse einzuberufen, so gab es beispielsweise in der 6. Wahlperiode einen Ausschuss zum Thema Vernässung. Außerdem können Unterausschüsse eingesetzt werden; der Finanzausschuss macht davon regelmäßig Gebrauch, indem er einen Ausschuss für Rechnungsprüfung einsetzt. Darüber hinaus hat der Landtag das Recht und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Dies muss jedoch mindestens von einem Viertel der Landtagsabgeordneten beantragt werden. Gleiches gilt für die Einsetzung einer Enquete-Kommission. Diese wird eingesetzt, wenn Entscheidungen über umfangreiche oder bedeutsame Sachkomplexe vorbereitet werden sollen. In der 6. Wahlperiode gab es eine Enquete-Kommission zum Thema: "Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen - bürgernah und zukunftsfähig gestalten".

Stefanie Böhme


Das Wahlverfahren

Zur Ausschussbesetzung wird im Landtag von Sachsen-Anhalt das Rangmaßzahlverfahren eingesetzt. Dabei werden die auf eine Fraktion entfallenden Ausschusssitze mithilfe sogenannter Rangmaßzahlen ermittelt. Diese werden errechnet, indem man die Gesamtzahl der Abgeordneten durch die Mitgliederstärke der einzelnen Fraktionen dividiert. Dieser Quotient wird für jede Fraktion mit 0,5, 1,5, 2,5 usw. multipliziert, bis so viele Rangmaßzahlen vorliegen, wie zur Ausschussbesetzung erforderlich sind. Die Sitze werden dann, der Reihe nach, auf die kleinsten Rangmaßzahlen verteilt, bis keine Sitze mehr zu vergeben sind.

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RÜCKBLICK

Debattanten küren ihre Landessieger

Mädchen und Jungen der Sekundarstufen I und II aus ganz Sachsen-Anhalt ermittelten beim Landesfinale des Debattierwettbewerbs "Jugend debattiert" ihre besten Rednerinnen und Redner.


Mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler aus ganz Sachsen-Anhalt haben in diesem Jahr an dem Projekt "Jugend debattiert" der gemeinnützigen Hertie-Stiftung teilgenommen. Die Sieger der Einzelausscheide auf Schulverbundsebene kürten nun in Magdeburg ihre Landessieger, die am 18. Juni beim Bundesausscheid in Berlin Sachsen-Anhalt repräsentieren. Gewonnen haben Lisa-Maria Grimm (Domgymnasium Naumburg, Sek. I) und Sonja Winkler (Paul-Gerhardt-Gymnasium Gräfenhainichen, Sek. II).

Die Sekundarstufe I hatte sich mit der Frage "Soll ein Jugendcheck für Gesetzesvorhaben eingeführt werden?" zu beschäftigen. Jeweils zwei Jugendliche vertraten dabei die Pro- beziehungsweise die Kontraseite. Besondere Herausforderung beim Debattierwettstreit sei, so Landtagspräsident Hardy Peter Güssau, dass man manchmal auch eine Position einnehmen muss, die man eigentlich nicht vertritt, aber dennoch mit gewinnenden Argumenten unterlegen muss, um sich gegen die Debattierkontrahenten durchzusetzen.

Die Mädchen und Jungen der Sekundarstufe I (Julius Vierling vom Domgymnasium Naumburg, Simon Mersdorf vom Europagymnasium Stephaneum Aschersleben, Lisa-Maria Grimm vom Domgymnasium Naumburg und Jasmin Sahit vom Gymnasium Philanthropinum Dessau-Roßlau) werteten also aus, inwieweit jugendliche Interessen bei der Gesetzgebung eingebunden werden sollten, wie ein Expertengremium besetzt sein könnte und ob das Interesse von Jugendlichen an Politik nicht sowieso viel zu gering sei, als dass sie sich an solchen Politik-Checks beteiligen wollten.

Die Sekundarstufe II (vertreten durch Anna Scheller vom Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasium Wolmirstedt, Lisa Girimhanova von der CJD Christophorusschule Droyßig, Wieland Breitfeld vom Gymnasium Philanthropinum Dessau-Roßlau und Sonja Winkler vom Paul-Gerhardt-Gymnasium Gräfenhainichen) hatte es thematisch auch nicht leichter. Die jungen Damen und Herren stellten sich der Frage: "Soll in Sachsen-Anhalt Hitlers 'Mein Kampf' an weiterführenden Schulen als Pflichtlektüre eingeführt werden?"

Es handele sich auf jeden Fall um ein Thema mit großem Gesprächsbedarf, war man sich in der Diskutiergruppe allgemein einig. Aber haben Neuntklässler schon die Reife, sich mit dem Buch auseinanderzusetzen, wie viel Zeit sollte investiert werden? Und gibt es nicht ausreichend andere historische Quellen, die die Zeit des Nationalsozialismus und die Gründe für das Anwachsen von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass anschaulich machen? Eine abschließende Antwort auf die Frage wurde nicht gefunden - aber das war auch nicht Aufgabe der Diskussionsrunde.

Als Preis für ihren Erfolg in Magdeburg erhielten die vier Erst- und Zweitplatzierten ein fünftägiges intensives Rhetorik-Training auf der Burg Rothenfels am Main, das sie gemeinsam mit den Siegern der anderen Länder für die Bundesebene des Wettbewerbs in Berlin vorbereitet.

Dr. Stefan Müller


Jugend debattiert

Das Projekt "Jugend debattiert" gründet auf einer Initiative des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau. Die Schirmherrschaft hat Bundespräsident Joachim Gauck übernommen. Kooperationspartner sind die gemeinnützige Hertie-Stiftung, die Stiftung Mercator, die Robert-Bosch-Stiftung, die Kultusministerkonferenz und die Kultusminister der Länder. "Jugend debattiert" ist bundesweit das größte privat finanzierte Projekt zur sprachlichen und politischen Bildung in Deutschland. Seit 2001 wurden vornehmlich von den beteiligten Stiftungen 15 Millionen Euro bereitgestellt.

Weitere Informationen zum Wettbewerb auf:
www.jugend-debattiert.de.

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EINBLICK

Barrierefrei wird Standard

Die Live-Übertragung der Landtagssitzungen im Internet sind schon lange Standard und werden Monat für Monat intensiv genutzt. Ab der 7. Wahlperiode sind alle Übertragungen auch barrierefrei.


Der Landtag von Sachsen-Anhalt bietet ab der 7. Wahlperiode standardmäßig eine barrierefreie Übertragung der Landtagssitzungen im Internet an. Das bedeutet: Der übliche Livestream der Plenarsitzung wird durch einen alternativ wählbaren Livestream mit Gebärdendolmetschung ergänzt. Dazu werden die jeweiligen Dolmetscher ins herkömmliche Bild der Videoübertragung eingeblendet und ermöglichen so die barrierefreie Übertragung. Parallel dazu erscheint alles Gesprochene auch als fortlaufender Text. Die Nutzer können dabei zwischen einer fortlaufenden Textbox oder dem Text im Vollbild wählen.

Einem Beschluss des Ältestenrats vom Herbst 2014 zufolge soll damit die Inklusion von Menschen mit Behinderung gefördert werden, um ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am Geschehen im Landtag zu ermöglichen. Bisher war es Gehörlosen oder Schwerhörigen nur eingeschränkt möglich, die Landtagssitzung per Livestream im Internet zu verfolgen, weil sie die Tonübertragung akustisch nicht oder nur mangelhaft wahrnehmen konnten. Diese Barriere wird nun durch die Simultanübersetzung der Tonübertragung durch einen Gebärdensprachdolmetscher überwunden, zusätzlich wird eine Schriftübersetzung (Transkription) angeboten.

Wer den Livestream verpasst, kann im Anschluss an die Sitzungsperiode auf das Video-Archiv des Landtags zurückgreifen. Im Internet werden alle Video-on-Demand-Angebote auch als Gebärdensprachvideos mit zuschaltbarer Transkription zur Verfügung gestellt.

Zu den Plenumstagen im Dezember wurde die Übertragung erstmals getestet. Daran schloss sich eine Pilotphase an, in der die technischen Verfahren optimiert wurden, die Schriftdolmetscher trainiert und sich die Einbindung der Gebärdendolmetscher in den Plenarsitzungsalltag eingespielt hat.

Bereits 2006 wurde die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung unterzeichnet. Darin wird konstatiert, dass der ungehinderte Zugang zu Information und Kommunikation (auch im Internet) für Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten ein grundlegendes Menschenrecht ist.

Alle Sitzungen des Parlaments werden vom hauseigenen Parlamentsfernsehen per Livestream im Internet übertragen. Von der Startseite aus werden Interessierte direkt zur barrierefreien Übertragung gelenkt, über den "Bühnenartikel" zur Sitzung bzw. den Sitzungsbutton ganz rechts oben auf der Website. Von dort aus gelangt man auch zum Videoarchiv.

Stefanie Böhme

Der Landtag von Sachsen-Anhalt bietet ab der 7. Wahlperiode standardmäßig einen barrierefreien Livestream der Landtagsdebatten an: www.landtag.sachsen-anhalt.de.

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DER LANDTAG AUF EINEN BLICK

Vorabauflage des Volkshandbuchs erschienen

Nach der Landtagswahl im März wurde eine Vorabauflage des traditionellen Volkshandbuches veröffentlicht. Alle Abgeordneten auf einen Blick, versehen mit einer Mini-Biografie (Format A4, 16 Seiten). Die Abgabe erfolgt kostenfrei unter Nutzung der im Impressum angegebenen Kontaktdaten.

Nach dem Vorliegen aller Kontaktdaten der Abgeordneten wird das Volkshandbuch im bekannten Kleinformat gedruckt und steht voraussichtlich im September 2016 zur Verfügung.

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POLITIK VOR ORT

Präsentation der Fraktionen des Landtags von Sachsen-Anhalt

Besuchen Sie die Präsentationen der fünf Landtagsfraktionen in der Themenstraße "Weltoffenes Sachsen-Anhalt" auf dem Parkplatz Breitbarthstraße/Mühlendamm in Sangerhausen. Führen Sie Gespräche mit Abgeordneten und informieren Sie sich über die Hintergründe politischer Entscheidungen.

Landtag von Sachsen-Anhalt
Referat Medien- und Öffentlichkeitsarbeit: Ursula Lüdkemeier Domplatz 6-9 | 39104 Magdeburg | Telefon: 0391 560 Fax: 0391 5603 www.landtag.sachsen-anhalt.de | E-Mail: landtag@lt.sachsen-anhalt.de

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IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Auflage und Erscheinen: 10.000 Exemplare, vierteljährlich

Redaktion/Bestelladresse: Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst
und Protokoll
Domplatz 6-9, 39094 Magdeburg
Fon: 0391 / 560 0
Fax: 0391 / 560 1123
www.landtag.sachsen-anhalt.de
landtag@lt.sachsen-anhalt.de

Redaktion: Ursula Lüdkemeier (Ltg.), Stefanie Böhme,
Ulrich Grimm, Dr. Stefan Müller, Gudrun Oelze,

Fotos & Grafiken:
Titel: Jens Schlüter
Seite 2: LBStU Sachsen, Deutscher Behindertensportverband e.V. Christoph Eisenmenger.
Seite 4: Stefanie Böhme, fotolia.com
Seite 6: Stefanie Böhme
Seite 8: Semalex/pixelio.de
Seite 9: Stefanie Böhme
Seite 10: Highwaystarz/fotolia.com
Seite 11: Frank Gärtner/fotolia.com
Seite 12 - 15: Gudrun Oelze
Seite 16 - 17: Semalex/pixelio.de
Seite 18: AfD-Fraktion, Fraktion Die LINKE, Dr. Stefan Müller
Seite 19: Fraktionen
Seite 20: privat, Susie Knoll (2), Jens Schlüter, Joachim Oppermann
Seite 21: Stefanie Böhme
Seite 23: Dr. Stefan Müller
Seite 24: Stefanie Böhme
Seite 25: Stefanie Böhme
Seite 26: Screenshot/Landtag

Satz & Gestaltung: IdeenGut OHG | www.ideengut.info

Druck: Harzdruckerei GmbH. www.harzdruck.de

Redaktionsschluss: 9.6.2016

Dieses Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

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Quelle:
ZwischenRuf 2/2016
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt
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E-Mail: landtag@lt.sachsen-anhalt.de
Internet: www.landtag.sachsen-anhalt.de
 
Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
Das Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit
des Landtages von Sachsen-Anhalt.
Es wird kostenfrei verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2016

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