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SACHSEN-ANHALT/316: ZwischenRuf 1-2013 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 1/2013
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt

Legende und Menetekel
Der Volksaufstand am 17. Juni 1953




Inhaltsverzeichnis

AUS DEM PLENUM
Alles in trockenen Tüchern
Willkür bei der Niederschlagswasserentsorgung? Die Opposition moniert einen zu weiten Auslegungsspielraum des Gesetzes, Landesregierung und Opposition sind sich einig: Die Wasserentsorgung lässt sich besser handhaben.

SACHSEN-ANHALT
Mahnende Verpflichtung
Zentrale Gedenkteier des Landes für die Opfer des Nationalsozialismus an der Feldscheune Isenschnibbe. Landtag beschließt einstimmig, Mahn- und Gedenkstätte in die Landes-Stiftung aufzunehmen.

VORGESTELLT
Acht Stunden reichen nicht
Der Landtagspräsident leitet die Parlamentssitzungen und vertritt den Landtag nach außen. Aber was bedeutet das im Arbeitsalltag? ZwischenRuf hat Landtagspräsident Detlef Gürth an zwei Tagen im Januar begleitet.

SACHSEN-ANHALT-MONITOR
Mitten im Land
Der Sachsen-Anhalt-Monitor 2012 wirft Blicke auf das Eigene und das Fremde in der Gesellschaft. 1.250 Personen aus allen elf Landkreisen und den drei kreisfreien Städten wurden betragt.

REGIONALFENSTER
Schnöggersburg zum Üben
Die Colbitz-Letzlinger Heide ist ein Naturparadies und Truppenübungsplatz. Jetzt soll dort für 100 Millionen Euro ein europaweit einmaliges Traininsgelände für die Bundeswehr errichtet werden.

SACHSEN-ANHALT
Ein komfortables Einzugsgebiet
Cheforganisator des Sachsen-Anhalt-Tages ist Gerald Fuchs. ZwischenRuf sprach mit ihm über Besonderheiten, Schwierigkeiten und Herausforderungen des Planungsprozesses.

Kunterbunt und einfallsreich
Der 17. Sachsen-Anhalt-Tag findet vom 28. bis 30. Juni in Gommern statt. Die Einheitsgemeinde möchte mit dem größten Volksfest des Landes auch an den 200. Jahrestag des ersten Gefechts der Befreiungskriege erinnern.

AUS DEM PLENUM
Novellierung steht an
Der Landtag von Sachsen-Anhalt diskutiert den Gesetzesentwurf zur Änderung der Bauordnung und zur Regelung der Marktüberwachung, den das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr vorgelegt bat.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

AUF GEPACKTEN KISTEN
Der Landtag ist umgezogen. Bei laufendem Parlamentsbetrieb wird die IT- und die Kommunikationstechnik modernisiert.

MEHR BEFUGNISSE
Der Landtag hat das Gesetz über die Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt novelliert.

LEGENDE UND MENETEKEL
Der Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 war ein Jahrhundertereignis, das stolz macht, aber nicht immer und überall.

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EIN ZWISCHENRUF VORWEG

Liebe Leserinnen und Leser,
Panta rhei - alles fließt, diese aus den Lehren des vor 2.500 Jahren lebenden griechischen Philosophen Heraklit entwickelte Kurzformel, gilt nicht nur für unseren Alltag. Sie beschreibt auch unsere Gesellschaft, unser Zusammenleben; sie kennzeichnet aber auch den Wesenskern der Politik. Sich der Welt in ihrer Dynamik zu stellen, ist nicht nur die Herausforderung an jeden Einzelnen, sondern auch an die Gestaltung der gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unseres Zusammenlebens.

ZwischenRuf widmet sich in dieser Ausgabe wieder mit ganz unterschiedlichen Themen diesem Gedanken.

Am 17. Juni dieses Jahres jährt sich der Volksaufstand in der DDR 1953 zu 60. Mal. Viele sehen heute dieses Ereignis als die Einleitung eines Prozesses, der mit der friedlichen Revolution des Jahres 1989 seinen Abschluss fand. Welche Dynamik damals in den Bezirken Halle und Magdeburg bestand, aber auch wie man dem Volksaufstand heute noch ein Gesicht geben kann, damit beschäftigt sich der aktuelle ZwischenRuf.

Wie sich die Einstellung der Sachsen-Anhalterinnen und -Anhalter zur Demokratie, zu ihrem Land, aber auch zu Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in den letzten Jahren entwickelt hat, war Gegenstand des im Dezember 2012 erschienenen 4. Sachsen-Anhalt-Monitors. In einer Aktuellen Debatte befasste sich der Landtag mit den Ergebnissen der Befragung von 1.250 Bürgerinnen und Bürgern zwischen Havelberg und Zeitz und diskutierte die sich daraus ergebenden Anforderungen an Politik und Gesellschaft.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind auch die drei Zeitebenen, in denen sich der ZwischenRuf dem Thema Colbitz-Letzlinger Heide widmet. Deutschlands größtes unbewohntes Gebiet, eines der riesigsten zusammenhängenden Heidegebiete Mitteleuropas ist heute Naturparadies und Truppenübungsplatz zugleich. Wir werfen einen Blick in die Geschichte vom ersten Truppenversuchsplatz 1934 bis heute und informieren über die Diskussionen zu den heftig umstrittenen Planungen der Bundeswehr, eine komplette Übungsstadt zu errichten.

Die Entwicklungen der letzten Jahre sind auch Auslöser für die vom Landtag beschlossenen Änderungen wasserrechtlicher Vorschriften, in deren Mittelpunkt die Niederschlagsentwässerung steht. Bei der Novellierung des Gesetzes über die Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt ging es unter anderem um die heiß diskutierten erweiterten Befugnisse für die Polizei.

Einen ganz besonderen Einblick in den Alltag des Parlaments wird der ZwischenRuf in seinen nächsten Ausgaben geben. In einer Artikelserie stellen wir Ihnen in diesem Jahr je einen Parlamentarier in seiner täglichen Arbeit im Wahlkreis, in seiner Fraktion, in den Ausschüssen und im Plenum vor. Zum Auftakt haben wir in dieser Ausgabe zwei Arbeitstage von Landtagspräsident Detlef Gürth begleitet.

Ein Beispiel für die ganz alltägliche, praktische Dynamik stellt die für die nächsten eineinhalb Jahre geplante Modernisierung des Landtagsgebäudes dar. ZwischenRuf war dabei, als an nur einem Wochenende der Umzug von Abgeordneten und Fraktionsgeschäftsstellen in ein Ausweichquartier bei laufendem Parlamentsbetrieb erfolgte.

Mit wie viel Elan Sie den ZwischenRuf lesen, bleibt natürlich ihnen überlassen. Wir hoffen aber, dass wir Ihnen wieder einen kurzweiligen und vielfältigen Einblick in die Dynamik unseres Landes bieten können.

Ihr ZwischenRuf-Redaktionsteam

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Nomination-Team für UNESCO-Weltkulturerbe

Die historischen Gebäude der Franckeschen Stiftungen in Halle stehen als weltweit einzigartiges Beispiel sozialer und pädagogischer Zweckarchitektur auf der deutschen Vorschlagsliste für das UNESCO-Weltkulturerbe. Um die Anerkennung im April 2014 beantragen zu können, wurde jetzt das achtköpfige "Nomination-Team" vorgestellt, in dem Landtagspräsident Detlef Gürth als Vertreter des Parlaments mitarbeitet. Sachsen-Anhalt ist mit vier Orten, das Bundesland in Deutschland mit der größten Anzahl von Weltkulturerbestätten. Die UNESCO verleiht den Titel Welterbe (Weltkulturerbe und Weltnaturerbe) an Stätten, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit, Authentizität und Integrität bzw. Unversehrtheit eine universale Bedeutung haben und von den Staaten, in denen sie liegen, für den Titel vorgeschlagen werden.


Zwischenbericht des Petitionsausschusses

Der Ausschuss für Petitionen stellt alle halbe Jahre einen Bericht im Landtag vor, in dem über die eingegangenen und bearbeiteten Petitionen Bilanz gezogen wird. Letztmalig für den Zeitraum 1. Juni bis 30. November 2012. Insgesamt waren demnach im genannten Zeitraum 239 Petitionen eingegangen. Traditionelle Schwerpunkte sind die Sachbereiche Justiz (44), Inneres (35) sowie Gesundheit und Soziales (32). Eine hohe Steigerung gab es aufgrund der veränderten Gebührensatzung im Bereich Medien (26). Im Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 30. November 2012 fanden insgesamt 18 Sitzungen des Ausschusses statt, in denen er insgesamt über 518 Eingaben beraten hat. Diese Zahl setzt sich aus noch nicht abschließend bearbeiteten und neu eingegangenen Petitionen zusammen.

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IM BLICKPUNKT

Auf gepackten Kisten

In den nächsten eineinhalb Jahren steht dem Landtag von Sachsen Anhalt bei laufendem Parlamentsbetrieb eine Modernisierung der IT-Netzwerk und Telefoninfrastruktur sowie der Elektronetze bevor. Aus diesem Grund bezogen die Abgeordneten und Mitarbeiter ein Ausweichquartier. Um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments möglichst wenig einzuschränken, passierte das an einem Wochenende.

"Im Vorfeld der Aktion haben wir insgesamt 25.792 Umzugsaufkleber mit Angaben zum Quell- und Zielort für Kartons, Mobiliar, Computer und sonstiges Umzugsgut ausgegeben."

11. Januar 2013, Freitagnachmittag 15:00 Uhr, an der Tür zu einem Beratungsraum im Erdgeschoss des Landtages von Sachsen-Anhält hängt ein weißes Schild, auf dem in schlichten schwarzen Lettern der Schriftzug "Umzugszentrale/Fundbüro" zu lesen ist. Beim Betreten des Raumes wird deutlich, dass hier alle Fäden eines logistischen Großprojektes zusammenlaufen.

Auf den Tischen stehen zwischen den Mikrofonen, die sonst für Beratungen der Landtagsabgeordneten und Gespräche mit Besuchergruppen genutzt werden, Computer, Telefone und Drucker. Langsam füllt sich der Raum mit Personen, die jeweils ein Bündel Blätter in den Händen halten. Das Umzugsteam trifft sich kurz vor Ende der ersten Schicht mit den Speditionen zur Auswertung und Feststellung des Umzugszwischenstandes. Nach den ersten acht Stunden des Kistentragens und Möbeltransports will man das allgemeine Vorankommen einschätzen und etwaige Probleme klären.

Die Lage ist angespannt. Immerhin sind im Vorfeld rund 3.300 Umzugskisten an die Mitglieder des Landtages sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Fraktionen und Verwaltung ausgeteilt worden. Ziel des Umzugs sind die ehemaligen Räumlichkeiten des Umweltministeriums in Magdeburg.

250 Büroarbeitsplätze mit Möbeln und Computereinheiten sollen innerhalb von 60 Stunden in das Ausweichquartier gelangen. Gemeinsam wollen drei Speditionsfirmen im Schichtbetrieb 1.400 Kubikmeter Umzugsvolumen darunter Stühle, Tische und Schränke (das allein sind 2.000 Möbelstücke) vom Domplatz in die Olvenstedter Straße 4 und 5 transportieren. Am Montagmorgen soll wieder alles funktionsfähig eingerichtet sein. Allen sitzt sprichwörtlich die Zeit im Nacken.

Mit einem Blick auf den Stoß Blätter, dem offiziellen Umzugsplan, welcher endlos erscheinende Tabellen mit Raumnummern, Etagenfarben und Organisationsziffern umfasst, versichern die erfahrenen Umzugsunternehmer ein gutes Vorankommen und einen reibungslosen Ablauf.

Einige Tage zuvor klebt Frank Scheurell, Abgeordneter der CDU-Fraktion, einen Aufkleber mit seinem Namen sowie einer Etagen- und Zimmernummer auf einen seiner Umzugskartons und gebt damit sicher, dass seine Kisten den Weg in das neue Büro finden. Alle Abgeordneten und Mitarbeiter müssen nämlich ihr Umzugsgut selbst einpacken.

In den Gängen der SPD-Fraktion stapeln sich die Kartons fast bis unter die Decke und überall im Landtagsgebäude sieht man Abgeordnete und Mitarbeiter schwer bepackt über die Flure laufen.

Ähnlich wie die Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist Stefan Gebhardt, Faktion DIE LINKE, eine Woche vor dem Umzug damit beschäftigt, gemeinsam mit seiner Wahlkreismitarbeiterin Karin Paul, Aktenordner und allerlei Bücher in Kisten zu verstauen. Er steht auf einem Stuhl und reicht ihr das Umzugsgut aus den oberen Fächern eines Regals. Nach kurzer Zeit stapeln sich auch hier an die zehn Kartons. Alle sind sie mit besagten Aufklebern versehen.

Damit alles an den richtigen Zielort gelangt, wurden im Vorfeld insgesamt 25.792 Umzugsaufkleber mit Angaben zum Quell- und Zielort für Kartons, Mobiliar, Computer und sonstiges Umzugsgut ausgegeben. Ziel des Umzugs ist es, dass alle Fraktionen zur gleichen Zeit wieder arbeitsfähig sind und alle Beteiligten nur einmal aus dem jeweiligen Büro aus- und nach dem Umbau wieder zurückziehen müssen.

Von 1990 bis 2003 ist das Landtagsgebäude, welches einst die Ingenieurschule für Wasserwirtschaft und die Wasserwirtschaftsdirektion Mittlere Elbe beherbergte, in mehreren Abschnitten saniert und weitestmöglich barrierefrei umgebaut worden. Daher befinden sich in den verschiedenen Gebäudeteilen technische Einrichtungen, die dem Stand der jeweiligen Zeit entsprechen. Etliche Installationen sind inzwischen fast 20 Jahre alt und werden den heutigen Anforderungen an einen modernen Parlamentsbetrieb nicht mehr gerecht. Aus diesem Grund ist es jetzt vorgesehen, das Parlamentsgebäude am Domplatz bis Mitte 2014 in vier Bauabschnitten zu modernisieren.

Zunächst werden bis März 20 13 die Gebäude Domplatz la und Domplatz 2/3 sowie der Westflügel des Hauptgebäudes (Domplatzes 6 bis 9) technisch zeitgemäß ausgestattet. Danach folgen der Süd- und der Nordflügel. Erst im letzten Bauabschnitt soll von Ende 2013 bis Mitte 2014 der Ostflügel mit dem Plenarsaal in Angriff genommen werden.

Bis zum Ende des Jahres 2013 finden parallel zum Baubetrieb alle Plenarsitzungen wie bisher im Landtagsgebäude statt. Derzeit wird noch geprüft, in welchem Ausweichquartier das Parlament im nächsten Jahr tagt. Voraussichtlich im Mai/Juni 2014 kehren die Abgeordneten jedoch zurück und können ihre bisherigen Büros wieder in Besitz nehmen.

Annekatrin Barth


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Drei Speditionsunternehmen transportierten insgesamt 1.400 Kubikmeter Umzugsvolumen vom Domplatz in die Olvenstedter Straße.
- Umzugshelfer verstauen Mobiliar, Kartons und Technik in Umzugswagen. Frank Scheurell (CDU-Fraktion) versieht seine Kartons mit Umzugsaufklebern (2. F. v. r.)
- Stefan Gebhardt (Fraktion DIE LINKE) packt gemeinsam mit seiner Wahlkreismitarbeiterin Karin Paul Umzugskisten (F.r.)

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AUS DEM PLENUM

Mehr Befugnisse für die Polizei

Das Gesetz über die Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt wurde novelliert und nach 22 Jahren den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Die Fraktionen konnten ihre Ressentiments auch während der Zweiten Beratung nicht abbauen.


Der Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigte sich während seiner Februarsitzungsperiode abschließend mit einem breiten Themenfeld, das die innere Sicherheit des Landes betrifft. Beschlossen wurden unter anderem Eingriffsmöglichkeiten der Polizei in die Telekommunikation (bei Gefahrenständen) und die Möglichkeit des Verbots von Alkohol auf öffentlichen Plätzen. Die allgemeine Kennzeichnungspflicht bei der Polizei wurde jedoch abgelehnt.

"Sicherheit ohne Freiheit ist wertlos, aber Freiheit ohne Sicherheit hat keine Zukunft", erklärte Innenminister Holger Stahlknecht. Sicherheitspolitik erfordere immer auch Eingriffe in Grundrechte, und diese müssen gesetzlich fundiert werden. Im gleichen Zuge müssten die neuen technischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Darunter zählt beispielsweise die Videographie bei Einsätzen der Polizei, um beweisverwertbares Material zu erhalten. Hinzu kommt - in Gefahrensituationen - die Möglichkeit des Abhörens und des Abschaltens von Telekommunikationsverbindungen über Mobiltelefone. "Handys hatten mal die Größe eines Aktenkoffers, damals war es nicht denkbar, dass man damit einmal Bomben zünden könnte", machte Stahlknecht die Dringlichkeit dieser Maßnahme deutlich.

Im Vorfeld harte auch der Gesetzesabschnitt zu unfreiwilligen Blutentnahmen bei Verursachern von Verletzungen bei Einsatzkräften geführt. Bislang waren Betroffene auf die freiwillige Mitwirkung des Verursachers angewiesen. Jetzt hat die Polizei die Möglichkeit, eine Blutentnahme oder andere geeignete körperliche Untersuchungen auch gegen den Willen des Verursachers zu veranlassen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr ihr Leib oder Leben eines Dritten erforderlich ist.

Kurz und knapp lehnte Stahlknecht die gesetzlich geregelte Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamtinnen und -beamten im geschlossenen Einsatz ab.


Zwangstests sind unnötig und unverhältnismässig

Das nun verabschiedete Gesetz der Landesregierung sei ein nicht ausbalanciertes Gesetz, das die Bürgerrechte aushöhle, sagte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Grünen kündigten aus diesem Grund auch eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht gegen das Gesetz an. Die im Gesetz verankerten "Zwangsbluttests" seien unnötig und unverhältnismäßig, denn sie griffen in das Persönlichkeitsrecht ein, sie führten zur Diskriminierung von Risikogruppen, wodurch irrationale Vorurteile geschürt würden, sagte Striegel. Stattdessen sei es wünschenswert, im Vorfeld die Impfkosten bei Einsatzkräften zu übernehmen, denn hier würden die möglichen Betroffenen im Regen stehengelassen.

Die Grünen sind Befürworter der allgemeinen Kennzeichnungspflicht bei der Polizei. Sachverständige Lind Praktiker hätten sich in einer Anhörung des Innenausschusses für eine Kennzeichnung ausgesprochen. Sie mache das Fehlverhalten von Einzelnen nachweisbar. Auch Angehörige der Polizei müssten sich dem demokratischen Recht der Kontrolle unterwerfen, schloss Sebastian Striegel.


Neue Koalition nur mit Kennzeichnungspflicht der Polizei

Trotz des großen Schlachtengebrülls in den letzten Monaten stehe Sachsen-Anhalt nicht in der Gefahr, in einen Polizeistaat abzugleiten, versicherte Rüdiger Erben (SPD). Es gehe in dem Gesetzentwurf nicht um die Diskriminierung von Risikogruppen (durch den Infektionsschutzparagraphen), Nazigegnern sollten bei Demonstrationen nicht die Handys lahmgelegt werden und es gehe auch nicht darum, den Alkoholgenuss im öffentlichen Raum per se zu verbieten. Kommunen werden lediglich neue Handlungsspielräume eröffnet, absehbaren Gefahren durch Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit vorzubeugen.

Bluttests können zur Gefahrenabwehr nun per Gesetz angeordnet werden und bedürfen nicht mehr der Zustimmung des Getesteten.

Ein Wermutstropfen bei der SPD bleibt die Kennzeichnungspflicht bei der Polizei: Die SPD votierte bei der Verabschiedung des Gesetzes zwar im Sinne der Koalition, die Fraktion selbst hatte sich für eine Kennzeichnungspflicht ausgesprochen. "Ohne eine solche Regelung wird die SPD in einer Koalitionsregierung nach der nächsten Landtagswahl nicht zu haben sein", betonte Rüdiger Erben.


Grund- und Bürgerrechte werden ausgehebelt

Die neuen technischen Möglichkeiten riefen offenbar nach neuen staatlichen Befugnissen, monierte Henriette Quade (DIE LINKE), also beispielsweise nach einem massiven Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch unfreiwillige Bluttests. Dabei zeigten die Statistiken bisher keinen einzigen solchen Fall im aktiven Einsatz an, wodurch ein Test notwendig geworden wäre.

In Sachen Verhinderung von Telekommunikation mit Mobiltelefonen ist den Linken das Gesetz nicht eindeutig genug: "Wie weit gehen die Präventivmaßnahmen bei der Beschneidung von Telekommunikation? Wenn es um das Zünden einer Bombe geht, dann schreiben Sie das so ins Gesetz", forderte Quade, die diese Maßnahme dann akzeptieren könne. Die Linken votierten zudem für die Kennzeichnungspflicht bei der Polizei. Sie sei rechtsstaatlich erforderlich, denn Beamte handelten nicht als Privatpersonen, sondern stünden im Dienste des Staates Lind seien mit besonderen Handlungsrechten ausgestattet. Diese einer öffentlichen Kontrolle zu unterführen, sei ein ganz normales rechtstaatliches Prinzip.


Mehr Sensibilität wäre angebracht gewesen

Es sei ein erklärtes Ziel der CDU, dass sich die Menschen in Sachsen-Anhalt sicher und zuhause fühlen sollen, betonte Jens Kolze (CDU). Die zwei großen Zielsetzungen des Gesetzes seien die Rechtssicherheit und die Handlungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden des Landes. Kolze verwahrte sich gegen die von den Linken und Grünen entgegengebrachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit einzelner Paragraphen.

Die von der Polizei künftig angefertigten Videoaufnahmen dienten zur Eigensicherung der Beamtinnen und Beamten und stellten keinen tiefen Eingriff in die Demonstrationsfreiheit dar, betonte Jens Kolze. Darüber hinaus handele es sich um verbesserte Polizeibefugnisse, die sich in anderen Bundesländern längst bewährt hätten, so zum Beispiel die Blutentnahme unter Richtervorbehalt.

Das novellierte Gesetz unterstütze zudem die Kommunen im Kampf gegen Ordnungsstörungen durch Alkoholkonsum (Randalierer, Gewalt, Verunreinigungen). Hinsichtlich der Kennzeichnung bei der Polizei bei geschlossenen Einsätzen forderte Kolze, sich nicht über die berechtigten Interessen der Polizei hinwegzusetzen. "Unsere Polizistinnen und Polizisten denken und handeln rechtsstaatlich", versicherte Kolze und ließ dies als Grundlage für eine Ablehnung der Kennzeichnungspflicht gelten.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport von der Mehrheit des Landtages (nur Koalition) verabschiedet. Die Anträge und Gesetzentwürfe der Opposition fanden keine Mehrheit.

Dr. Stefan Müller


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten im geschlossenen Einsatz - beispielsweise durch Kennnummern - wurde von der Koalition abgelehnt.

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IM BLICKPUNKT

Legende und Menetekel

Der Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 war ein Jahrhundertereignis, das stolz macht, aber nicht immer und überall den Stellenwert hat, der seiner Bedeutung gerecht wird.


Die Ereignisse im Juni 1953 rücken in diesem Jahr wieder verstärkt in die Öffentlichkeit, weil sie sich zum 60. Mal jähren. Das ist einerseits zu begrüßen, andererseits sollte die Erinnerung an den 17. Juni 1953 unabhängig von Jahrestagen permanent im Bewusstsein der Menschen lebendig sein. Dieser 17. Juni war ein säkulares Ereignis, das auf den Sturz des totalitären DDR-Regimes abzielte und einen Prozess einleitete, der 1989 seinen Abschluss fand. Im Folgenden wird an einige Ereignisse in den Bezirken Halle und Magdeburg, dem heutigen Sachsen-Anhalt, erinnert.

Streiks, Demonstrationen, Unruhen und Aufruhr wurden am 17. Juni 1953 in über 700 Städten und Gemeinden in allen Teilen der DDR verzeichnet. Ausgangspunkt war einen Tag zuvor die Ostberliner Stalinallee. Bauarbeiter streikten hier gegen eine willkürliche Normerhöhung und riefen für den nächsten Tag zum Generalstreik auf.

Über den RIAS und andere Kanäle verbreitete sich das wie ein Lauffeuer im ganzen Land. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand wusste: Bereits am Abend des 16. Juni war in Moskau das militärische Eingreifen der Sowjets zur Niederschlagung eines Putsches beschlossen worden. Noch in der Nacht rückten 500 Panzer auf Berlin vor.

In Magdeburg traten am 17. Juni tausende Arbeiter in den Großbetrieben des Schwermaschinenbaus in den Ausstand. Nach Betriebsversammlungen marschierten sie in die Innenstadt. Dabei wurden mehr und mehr die ursprünglich sozialen und ökonomischen Forderungen von politischen Forderungen verdrängt. "Freie Wahlen", "Nieder mit der Regierung", "Freiheit für politische Gefangene" wurden nun gefordert. In Bitterfeld, Gommern, Halle, Magdeburg und Merseburg drangen Aufständische in Gefängnisse ein und erzwangen die Freilassung von politischen Häftlingen.

Gegen 11 Uhr trafen sich Demonstrationszüge aus verschiedenen Magdeburger Stadtteilen im Stadtzentrum. Zwischen dem Hauptbahnhof und dem Hasselbachplatz versammelten sich mehr als 20.000 Demonstranten. Auf dem Weg ins Zentrum waren sie in die Gebäude der Bezirks- und Kreisleitung der SED, der FDJ und der Bezirksbehörde der Volkspolizei eingedrungen, hatten Akten und Möbel aus den Fenstern geworfen.

Schauplatz blutiger Ereignisse wurde die Strafvollzugsanstalt Magdeburg-Sudenburg. Bei dem vergeblichen Versuch, das Gefängnis zu stürmen, fielen Schüsse. Die Polizisten Georg Gaidzik (32) und Georg Händler (25) sowie der Stasi-Wachmann Hans Waldbach (43) wurden getötet.

Das Blatt wendete sich, als gegen 13 Uhr Sowjetsoldaten mit einem Panzer eintrafen und die Menge zurückdrängten. Dabei starben die Landarbeiterin Dora Borgmann (16), der Kellner Kurt Fritsch (47) und der FDJ-Instrukteur Horst Prietz (17). 45 Demonstranten wurden zum Teil schwer verletzt.

Um 14 Uhr verhängte der sowjetische Stadtkommandant das Kriegsrecht, es begann eine gnadenlose Jagd auf sogenannte Hetzer, Provokateure, Saboteure und Rädelsführer. Allein im Bezirk Magdeburg wurden 827 Personen verhaftet; DDR-weit waren es etwa 10.000 Festnahmen.

Die Justiz beteiligt sich an dieser Verfolgung. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilt am 18. Juni den Müllermeister Herbert Stauch (35) und den Lackierer Alfred Dartsch (42) zum Tode. Das Urteil wurde um 14.15 Uhr von einem Volkspolizisten per Genickschuss im Gefängnis Sudenburg vollstreckt. In einem Schauprozess wird der Gärtner Ernst Jennrich (52) zum Tode verurteilt und am 30. März 1954 in Dresden enthauptet. In der sowjetischen Kommandantur in Schönebeck stirbt am 21. Juni 1953 der Landwirt Ernst Grobe (49).

Insgesamt sind durch Recherchen der früheren Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Edda Ahrberg, in der DDR 55 Todesopfer im Zusammenhang mit dem 17. Juni zu beklagen, davon im Bezirk Halle 16 und im Bezirk Magdeburg zehn. Die politischen Opfer wurden alle nach der Wende rehabilitiert.

Im Bezirk Halle wurden am 17. Juni 211 Betriebe bestreikt. Neben den machtvollen Demonstrationen in Halle kam es zu Protesten in Merseburg, Wolfen, Naumburg, Eisleben und Bitterfeld. In Halle gelang es am 17. Juni 2.000 Demonstranten, 245 Gefangene aus der Haftanstalt Kleine Steinstraße zu befreien. Keinen Erfolg hatten dagegen die 700 Menschen, die gegen 14 Uhr die Freilassung der Gefangenen aus dem berüchtigten Zuchthaus "Roter Ochse" verlangten. Die Wachmannschaften eröffneten das Feuer, der Tischler Kurt Crato (42) und der Doktorand Gerhard Schmidt (26) sterben sofort, der Kesselschmied Manfred Stoye (21) nachts im Krankenhaus. Um 16 Uhr verhängten die Sowjets den Ausnahmezustand.

Trotzdem versammelten sich um 18 Uhr rund 60.000 Hallenser zu einer Kundgebung auf dem Hallmarkt. Für den nächsten Tag wird zum Generalstreik aufgerufen. Zum Abschluss der Kundgebung singen die Menschen das Deutschlandlied, bis sowjetische Panzer die Demonstranten vertreiben.

Auf dem Rückweg vom Hallmarkt geraten die Demonstranten an Polizisten und MfS-Leute, die rücksichtslos von ihren Waffen Gebrauch machen. Aus der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit wird gegen 20 Uhr ohne Vorwarnung auf die wehrlosen Menschen geschossen. Der 25-jährige Edmund Ewald bricht getroffen zusammen und verstirbt im Krankenhaus. Ebenso der Malerlehrling Horst Keil (18). Rundfunkmechaniker Rudolf Krause (23) wird kurz nach 21 Uhr mit einem Kopfschuss am Botanischen Garten tot aufgefunden.

Zu den Toten im Bezirk Halle gehören außerdem die Verkäuferin Margot Hirsch (19) aus Halle, der Bergmann Kurt Arndt (38) aus Eisleben, der Kraftfahrer Erich Langlitz (51) aus Spören/Querfurt, der Bergmann August Hanke (52) aus Bietegast im Kreis Wittenberg, die angebliche "KZ-Kommandeuse" Erna Dorn aus Halle (hingerichtet am 1.10.1953), der Zimmermann Hermann Stieler (33) aus Bitterfeld, der Bahnpostbeamte Karl Ruhnke (61), der Uhrmacher Wilhelm Ertmer (52) aus Roßlau, der Betriebsleiter Adolf Grattenauer (52) aus Wengelsdorf/Weißenfels und der Elektromonteur Paul Othma (63) aus Sandersdorf/Bitterfeld.

Der 17. Juni 1953 galt im SED-Staat als absolutes Tabuthema, obwohl er schnell zur Legende geworden war. Die Machthaber hatten bis zu ihrem Untergang Angst vor der Kraft und dem Freiheitswillen, der angeblich von ihnen vertretenen Arbeiter und Bauern. Der 53er Volksaufstand war das Menetekel, das sich schließlich in der friedlichen Revolution 1989 bewahrheitete.

Wolfgang Scholz


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Als sowjetische Panzer, wie hier in Berlin, auch in Magdeburg und anderen Städten auftauchten, hatten die Aufständischen keine Chance mehr.
- Demonstranten dringen in den Hof der Bezirksbehörde der Volkspolizei in Magdeburg ein.

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IM BLICKPUNKT

Dem Volksaufstand ein Gesicht geben

Vor 60 Jahren demonstrierten Hunderttausende in der DDR für mehr Freiheit und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Konrad Breitenborn erforscht die Geschichte des 17. Juni 1953 im Kreis Wernigerode.


ZwischenRuf: Herr Professor Breitenborn, seit mehr als zehn Jahren beschäftigen Sie sich mit dem 17. Juni 1953 im Kreis Wernigerode. Sind die Ereignisse im Harzkreis von besonderer Bedeutung?

Prof. Breitenborn: Die Aufarbeitung dieses Ereignisses ist im Hinblick auf die regionale Geschichtsforschung nicht nur im Harzkreis noch immer völlig unzureichend. Für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus stehen konkrete Namen, wie beispielsweise Claus Graf Schenk von Stauffenberg und die Geschwister Scholl. Die Volkserhebung vom Juni 1953, bei der Hunderttausende nicht nur niedrigere Arbeitsnormen, sondern meist an erster Stelle den Rücktritt der Regierung der DDR und die Wiedervereinigung Deutschlands forderten, hat dagegen bis heute kein Gesicht. In der kollektiven Erinnerung ist sie in der Regel - wenn überhaupt - nur als ein mehr oder weniger marginales historisches Ereignis präsent.

ZwischenRuf: Wie kann dem Volksaufstand ein Gesicht gegeben werden?

Prof. Breitenborn: Im Kreis Wernigerode streikten im Juni 1953 insgesamt 7.000 Beschäftigte in mehr als 20 Betrieben. In einer polizeiinternen "Analyse über den faschistischen Putsch" im Bezirk Magdeburg hieß es wenig später, dass die Städte Halberstadt, Wernigerode und Staßfurt neben der Bezirkshauptstadt "die Schwerpunkte des faschistischen Putschversuches", wie die SED die Volkserhebung titulierte, gebildet hätten. Neben der Rekonstruktion des zeitlichen Ablaufs der Ereignisse war es für mich wichtig, die Frage zu beantworten, welche Personen den Volksaufstand im Kreis Wernigerode trugen und inspirierten und wie ihr weiteres Schicksal verlief. Wer waren sie? Leider musste ich konstatieren, dass vor allem die Namen der beteiligten Akteure meist nicht in Erinnerung geblieben sind, zumal sie in DDR-Zeiten ohnehin als potentielle Staatsfeinde galten.

ZwischenRuf: Im Juni erscheint ihr Buch über den 17. Juni im Kreis Wernigerode. Gibt es Aufschluss über die Personen, die maßgeblich beteiligt waren?

Prof. Breitenborn: Mir ist es durch das Studium von Akten der Wernigeröder SED-Kreisleitung, von Stasi-Akten und in zahlreichen Gesprächen mit Zeitzeugen gelungen, mehr als 90 Namen von Streikführern und anderen Beteiligten ausfindig zu machen. Eine Fundgrube war dabei der Tonbandmitschnitt einer Belegschaftsversammlung des Elektromotorenwerkes (2.500 Beschäftigte) am 15. Juni im Karl-Marx-Haus. Die Versammlung war das zentrale Ereignis des Volksaufstandes in Wernigerode. Das Tonbanddokument spiegelt eindrucksvoll und sehr authentisch die damalige Atmosphäre wider.

ZwischenRuf: Zum 50. Jahrestag des 17. Juni im Jahre 2003 war dieser Tonbandmitschnitt bereits bekannt, aber wer die Aufzeichnung veranlasst hat und wer in der Versammlung gesprochen hat, das lag im Dunkeln. Was haben Sie herausgefunden?

Prof. Breitenborn: Die Tonbandaufzeichnung war am 18. Juni morgens um 7.30 Uhr mit Beginn der Versammlung von Albert Bartneck, dem Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung, veranlasst worden. Neben dieser Tatsache habe ich durch das Studium von Akten und in zahllosen Gesprächen mit Zeitzeugen die Namen von etwa zehn Diskussionsrednern herausgefunden. Im Elektromotorenwerk war die Initiative zum Streik von der Wickelei ausgegangen. Meister Karl Wernicke (1908-2000) galt als führender Kopf der Aktion. Von der Versammlung wurde eine Delegation bestimmt, die die Forderungen der Arbeiter weitergeben sollte. Dazu gehörten neben Wernicke der Wickler Heinz Jäschke (1925-1981) aus Wernigerode, der Brigadier in der Schleuderei Martin Buth (1927-1982) aus Ströbeck und die Sachbearbeiterin Ursula Sophie Herynk (1921-2005) aus Derenburg. Der Wickler Gerhard Templin (1921-1969) verlas schließlich, mehrfach von tosendem Applaus unterbrochen, drei auf einem Zettel handschriftlich notierte Forderungen der Elmo-Werker.

ZwischenRuf: Wie lauteten die Forderungen?

Prof. Breitenhorn: Als erstes nannte Templin die Forderung nach freien und geheimen Wahlen in ganz Deutschland, dann die Aufhebung der Zonengrenzen und Abschluss eines Friedensvertrages mit ganz Deutschland und schließlich sagte er: "Sollten Kollegen verhaftet oder Repressalien ausgesetzt werden, ruht die Arbeit solange, bis die Kollegen wieder in Freiheit sind." Des Weiteren wurden auf der Versammlung die Freilassung aller in der Sowjetunion inhaftierter deutscher Kriegsgefangener und die Senkung der HO-Preise um 40 Prozent gefordert.

ZwischenRuf: Was ist daraus geworden?

Prof. Breitenborn: Die SED-Kreisleitung - so gab Karl Wernicke bei einem späteren Verhör durch den Staatssicherheitsdienst an - lehnte die formulierten Punkte ab und machte Vorschläge, wie man sie ändern könnte, um sie dann der Regierung vorzulegen. Diese neu formulierten Forderungen fanden jedoch nicht die Zustimmung der Belegschaft.

Der Streik ging deshalb bis zum Nachmittag weiter. Eine neunköpfige Streikleitung bestätigte die ursprünglichen Forderungen und schickte sie per Fernschreiben nach Berlin. In anderen Betrieben des Kreises erklärten sich die Beschäftigten solidarisch mit den Arbeitern des Elmo-Werkes. Auch dafür habe ich zahlreiche Namen von Streikenden und deren Schicksal erforscht. Insgesamt wurden im Kreis Wernigerode 44 Personen im Zusammenhang mit dem Juni-Aufstand festgenommen, die erstaunlicherweise alle Ende Juni/Anfang Juli wieder auf freiem Fuß waren. Wernicke beispielsweise wurde am 8. Juli "ohne Papier" entlassen und flüchtete am 16. August 1953 nach Westberlin.

ZwischenRuf: Mit der Erforschung der Namen der Beteiligten am Volksaufstand und ihrer Geschichte haben Sie dem 17. Juni in Wernigerode ein Gesicht gegeben. Was leiten Sie daraus ab?

Prof. Breitenborn: Mit meinem Buch "Tage zwischen Hoffnung und Angst. Der 17. Juni im Kreis Wernigerode" möchte ich der nachwachsenden Generation vor dem Hintergrund von Diktaturgeschichte die Werte einer demokratischen Gesellschaftsform auf rechtsstaatlicher und demokratischer Grundlage verdeutlichen. Mit der Publikation soll anhand eines ausgewählten regionalen Bereichs ein exemplarischer Beitrag zur notwendigen Aufarbeitung und zur öffentlichen Diskussion dieses Themas geleistet werden.

Das Gespräch führte Wolfgang Schulz.


Prof. Dr. Konrad Breitenborn erforscht seit mehr als einem Jahrzehnt die Ereignisse und Entwicklungen im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 im Kreis Wernigerode. Von 1990 bis 1994 war er FDP-Abgeordneter des ersten Landtages von Sachsen-Anhalt. Heute arbeitet der 62-Jährige als Direktor für Wissenschaft und Forschung der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt.


Buchpremiere in Berlin und an historischer Stätte

"Tage zwischen Hoffnung und Angst. Der 17. Juni 1953 im Kreis Wernigerode nennt Konrad Breitenborn sein Buch über den Volksaufstand, das im Verlag Janos Stekovics erscheint. Am 12. Juni 2013 soll die 450 Seiten umfassende Dokumentation in der Berliner Landesvertretung von Sachsen-Anhalt vorgestellt werden. Wenige Tage später am 18. Juni wird der Autor sein Werk an historischer Stätte, im ehemaligen Karl-Marx-Haus in Wernigerode, präsentieren. Das Buchcover zeigt neben einem SPD-Flugblatt ein Foto, das ein Beamter des Bundesgrenzschutzes Ende Mai 1952 aufgenommen hat. Zu sehen sind eine Frau und zwei Männer aus dem Dorf Stapelburg, die unter Aufsicht von DDR-Grenzpolizisten und Sowjetsoldaten die Landstraße zwischen Wernigerode und Bad Harzburg aufreißen mussten. Wenig später wurde die Straße mit Stacheldrahtverhauen dicht gemacht.

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AUS DEM PLENUM

Alles in trockenen Tüchern

Willkür bei der Niederschlagswasserentsorgung? Die Opposition moniert einen zu weiten Auslegungsspielraum des Gesetzes, Landesregierung und Koalition sind sich einig: Die Wasserentsorgung lässt sich so besser regeln.


Mit einem Gesetz zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften sind in einem Zuge das Ausführungsgesetz zum Abwasserabgabengesetz, das Wassergesetz des Landes und die Verordnung über abweichende Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Wasserrechts vorgenommen worden.

Die Novellierung des gesamten Wassergesetzes wurde dringend nötig, da das geltende Gesetz Ende März dieses Jahres außer Kraft getreten wäre. Ein Teil der Änderungen richtet sich auf die weiterbestehende Einteilung der Gewässer in verschiedene Ordnungsgrade. Einige Gewässer wurden in ihrem Rang umgeschrieben, was zu einer Verfahrungserleichterung bei deren Betreibung fuhren und sich positiv auf ihre Refinanzierung auswirken soll. Wichtiges Anliegen des Gesetzes und von der Opposition kritisch beäugt ist die Organisation der zentralen Niederschlagsbeseitigung. Wann und wie eine Gemeinde die Niederschlagsbeseitigung ganz oder teilweise zu regeln hat, steht nun niedergeschrieben.

Umweltminister Dr. Hermann Onko Aeikens machte aber deutlich, dass es keinen Benutzungszwang einer öffentlichen Abwasseranlage allein aus fiskalischen Gründen geben dürfe. Können Privatleute ihr Niederschlagswasser umweltverträglich versickern lassen, ist ein kostenverursachender Neuanschluss nicht notwendig. Komme es jedoch zu Schäden in der Natur oder werde das Wohl der Gemeinheit beeinträchtigt (zum Beispiel durch Vernässung), müsse für einen Neuanschluss durch den Betreiber bei der Unteren Wasserbehörde die Genehmigung für einen öffentlichen Anschluss eingeholt werden.

Das novellierte Gesetz biete eine bessere Handhabung bei der Wasserentsorgung in vernässten Gebieten, sagte Ralf Bergmann (SPD). Ein zeitweiliger Ausschuss im Landtag hatte sich im Vorfeld umfänglich mit Hilfe eines Expertenteams mit Maßnahmen gegen Vernässung auseinandergesetzt. Bergmann lobte die Neueinstufting von Gewässern, die klaren Regelungen zur ortsnahen Niederschlagswasserbeseitigung und die damit einhergehende Sicherstellung, dass versiegelte Grundstücke an einen Abfluss angeschlossen werden müssen.

Jürgen Stadelmann (CDU) wies zudem auf den kostenfreien Zugriff auf Gen-Daten der Gemeinden durch die Unterhaltungsverbände hin. Schäden - beispielsweise an Hochwasserschutzanlagen - könnten dadurch besser haftbar gemacht werden. Bei der Niederschlagsbeseitigung gebe es keine Willkür, betonte Stadelmann, denn die Gemeinden hätten nachzuweisen, dass es zu schadhafter Versickerung komme, bevor ein Anschluss an ein öffentliches System zu erfolgen habe.

Für die Fraktion der Linken ist die Novellierung nicht gelungen. André Lüderitz (DIE LINKE) bemängelte, dass die während der Ausschussberatungen vorgebrachte Kritik nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Linke und Grüne brachten ihren Unmut über den § 79b des Gesetzes vor, der eine missbräuchliche Auslegung bei der Niederschlagswasserbeseitigung zulasse. Der gebotene Gestaltungsspielraum könne von den Abwasserbetrieben so ausgeschöpft werden, dass eine gesammelte statt einer individuellen Ableitung vorangetrieben werde. Dies sei nur eine von vielen Unklarheiten und Verschlechterungen im Gesetz, betonte Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Dazu gehöre auch die nicht gewährte Befreiung von der Beitragspflicht für gemeinnützige Stiftungen und Verbände bei den zu leistenden Gewässerunterhaltungsbeiträgen.

Am Ende der Zweiten Beratung wurde das Gesetz von der Mehrheit der Stimmen (Koalition) im Landtag angenommen. Die von den Linken und Grünen eingebrachten Änderungsanträge fanden keine Mehrheit.

Dr. Stefan Müller


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Kann das Regenwasser umweltgerecht versickern, müssen Grundstückseigentümer ihren Regenabfluss nicht zwingend an ein öffentliches Abwassersystem anschließen lassen.

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SACHSEN-ANHALT

Mahnende Verpflichtung

Zentrale Gedenkfeier des Landes für die Opfer des Nationalsozialismus an der Feldscheune Isenschnibbe. Landtag beschließt einstimmig, Mahn- und Gedenkstätte in die Landes-Stiftung aufzunehmen.


Unbekannt" steht auf den meisten Kreuzen des riesigen Gräberfeldes vor den Toren Gardelegens. Lediglich 305 von 1.016 KZ-Häftlingen, die die Nazis in der Nacht vom 13. zum 14. April 1945 in der Feldscheune des Gutes Isenschnibbe ermordeten, konnten anhand ihrer Häftlingsnummer identifiziert werden.

Die amerikanische Armee, die nur 24 Stunden nach dem schrecklichen Massaker in Gardelegen eintraf, hatte den Opfern dieses Verbrechens eine würdevolle Bestattung ermöglicht. Männliche Bewohner der Stadt mussten mit Spaten, Schaufeln, Bettlaken und hölzernen Kreuzen hinaus zur Feldscheune, die noch von den Nazis eiligst in einem Massengrab verscharrten Leichen exhumieren und für jede ein Einzelgrab schaufeln.

Der US-Kommandant Frank Keating verpflichtete damals die Gardelegener, "diese Gräber ebenso frisch zu bewahren, wie das Gedächtnis der Unglücklichen in den Herzen aller freiheitsliebenden Menschen bewahrt bleiben wird".

Dieser Verpflichtung seien die Stadt und ihre Bewohner in den seither vergangenen fast sieben Jahrzehnten stets gerecht geworden, erinnerte Bürgermeister Konrad Fuchs am 27. Januar 2013 vor der Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibbe. Dort legten bei der zentralen Veranstaltung des Landes zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus Vertreter von Politik, Kirchen und Verbänden Kränze nieder.

Mahnmale wie dieses zeugen davon, "dass bei Versagen der Zivilgesellschaft die schlimmsten Verbrechen auch in Deutschland möglich waren", sagte Landtagspräsident Detlef Gürth. Orte der Erinnerung seien nötig, um der heutigen und späteren Generationen die schrecklichen Ereignisse greifbar und begreifbar zu machen.

In der anschließenden Gedenkstunde betonte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, dass ohne Kenntnis der Geschichte kein Volk seine Zukunft gestalten könne. In der Aula des Gardelegener Gymnasiums "Geschwister Scholl", einer der landesweit ersten "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage", verurteilte der Ministerpräsident die jüngst erfolgte Schändungen der Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibbe auf das Schärfste. Er schäme sich dafür, dass unbekannte Mitte Januar auf dem Friedhof für die Opfer des Massakers Grabkreuze aus dem Boden gerissen und zu einem Hakenkreuz angeordnet hatten, sagte er.

Sachsen-Anhalts Landtag hatte sich wenige Wochen zuvor einstimmig dafür ausgesprochen, dass die Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibber Feldscheune zusammen mit dem Kriegsgefangenenlager Altengrabow in die Trägerschaft der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt überführt wird. Das Parlament verfolge das Ziel, "die Voraussetzungen für die Errichtung einer modernen wissenschaftlichen und pädagogischen Standards genügenden Gedenkstätte an der Feldscheune Isenschnibbe zu schaffen", heißt es in dem Beschluss.

Gudrun Oelze


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Wird in die Trägerschaft der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt aufgenommen: Mahn- und Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe

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VORGESTELLT

Acht Stunden reichen nicht

Der Landtagspräsident führt durch die Parlamentssitzungen, vertritt den Landtag nach außen und leitet die Verwaltung. Aber was bedeutet das im Arbeitsalltag? ZwischenRuf hat Landtagspräsident Detlef Gürth an zwei Tagen im Januar begleitet.


MONTAG

08:00 Uhr: Wenn nicht direkt ein Außentermin ansteht, beginnt der Arbeitstag im Büro mit der Durchsicht der Tagespresse und der eingegangenen E-Mails. Für Landtagspräsident Gürth gehört auch immer ein Blick auf die neusten Facebook-Posts dazu.

09:00 Uhr: Nur ein paar Schritte vom Landtag entfernt nimmt der Landtagspräsident an der monatlichen Sitzung des Landesvorstandes der CDU Sachsen-Anhalt in der Geschäftsstelle am Schleinufer teil.

10:00 Uhr: Jetzt rufen wieder die Amtsgeschäfte im Landtag. Auf dem Schreibtisch liegt u.a. die Jahresplanung für die Arbeit des Netzwerkes für Demokratie und Toleranz, dessen Schirmherr der Landtagspräsident gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten ist.

Des Weiteren gilt es, auf der Grundlage eines Vorschlags der Landtagsverwaltung zu entscheiden, wo im Verlauf der Baumaßnahmen im Landtagsgebäude die Sitzungen des Ältestenrates stattfinden werden.

Da in den nächsten Tagen auch die Auftaktsitzung des Nomination Teams für den Antrag der Franckeschen Stiftungen in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes ansteht, bereitet sich der Präsident ebenso wie auf seinen Part bei der am nächsten Tag anstehenden Abschlusskonferenz des europäischen Projekts YURA (Entwicklung und Umsetzung ganzheitlicher Jugendstrategien für Regionen mit Abwanderung) vor.

Wahlkreis, Fraktion, Landtagsverwaltung, Parlament und repräsentative Aufgaben: Da bin ich dankbar für das Vertrauen der Abgeordneten, die Professionalität der Verwaltung und das grosszügige Verständnis der Familie.

13:30 Uhr: Bei einem Treffen mit Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff in der Staatskanzlei geht es insbesondere um die weitere Arbeit des Netzwerkes für Demokratie und Toleranz. Ebenso tauscht man sich über mögliche gemeinsame Veranstaltungen des Landtages und der Landesregierung zu wichtigen Jahrestagen 2013 und 2014, wie dem Tag der Deutschen Einheit aus.

14:30 Uhr: Abfahrt nach Aschersleben in das Büro des Abgeordneten Detlef Gürth. Hier warten schon Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis auf ein Gespräch mit ihm. Unterwegs wird Post erledigt.

16:00 Uhr. Den Rest des Tages widmet sich der Landtagspräsident seiner Aufgabe als Schirmherr der Europäischen Bewegung Sachsen-Anhalt. Gemeinsam mit dem Botschafter lrlands Dan Mulhall führt Detlef Gürth ein Pressegespräch. Beim anschließenden Neujahrsempfang in der IHK Halle unter dem Motto "Die irische EU-Ratspräsidentschaft - Schwerpunkte und Herausforderungen" begrüßt der Präsident Gäste aus Wirtschaft, Politik und öffentlichem Lehen.

22:00 Uhr: Der Landtagspräsident tritt die Rückfahrt nach Magdeburg an.


DIENSTAG

08:00 Uhr: Wie üblich beginnt auch dieser Arbeitstag mit der Durchsicht der Tagespresse. der eingegangenen E-Mails und der Vorbereitung auf die Tagestermine.

09:00 Uhr: In der einmal wöchentlich stattfindenden Besprechung mit der Pressesprecherin des Landtages Ursula Lüdkemeier und dem Büroleiter Martin Hünecke werden die nächsten presserelevanten Termine und Themen abgestimmt.

09:30 Uhr: Gemeinsam mit den Sekretärinnen Ingrid Weidig und Ingelore Müller sowie dem Büroleiter werden die Termine der Woche durchgesprochen. Welche Informationen müssen noch eingeholt und welche organisatorischen Details sollten noch geklärt werden.

10:30 Uhr: Detlef Gürth empfängt im Landtag ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der Haus- und Straßensammlungen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Sachsen-Anhalt, dessen Schirmherr er ist.

11:30 Uhr: Jetzt ist endlich Zeit, sich am Schreibtisch mit der Post zu beschäftigen, über Terminanfragen zu entscheiden und anzufangen, die Telefonliste abzuarbeiten. Der Präsident lässt sich über den Stand des Umzugs aufgrund der Baumaßnahmen im Landtag informieren.

12:30 Uhr: Bei seinem ersten Besuch des Landeshauptarchivs in Magdeburg verschafft sich der Landtagspräsident einen Überblick über dessen Aufgaben als moderner Informationsdienstleister, der die verwahrten Bestände für die Benutzung durch die historische Forschung, Landesbehörden und Privatpersonen bereitstellt.

14:00 Uhr: Ein kurzer "Zwischenstopp" am Schreibtisch ermöglicht es noch, einen weiteren Teil der Post und der Informationen aus dem Haus zu bearbeiten. Manches konnte vorher schon auf der Fahrt im Auto erledigt werden.

14:30 Uhr: Als Abgeordneter ist ein Landtagspräsident auch Mitglied seiner Fraktion. Die Dienstagnachmittage sind im Kalender somit fest reserviert für die in der Regel mehrstündigen Sitzungen der CDU-Fraktion. Anschließend warten Büro und Wahlkreis.

Ursula Lüdkemeier

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SACHSEN-ANHALT-MONITOR

Mitten im Land

Der Sachsen-Anhalt-Monitor 2012 wirft Blicke auf das Eigene und das Fremde in der Gesellschaft. 1.250 Personen aus allen elf Landkreisen und den drei kreisfreien Städten wurden im Juli 2012 telefonisch befragt.


Zum vierten Mal legten Prof. Dr. Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und sein Autorenteam Dipl.-Soz. Tobias Jaeck und Dr. Kerstin Völkl im Dezember 2012 den sogenannten Sachsen-Anhalt-Monitor vor, eine Studie im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung und der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt. 1.250 Personen aus allen elf Landkreisen und den drei kreisfreien Städten wurden im Juli 2012 während einer telefonischen Befragung gebeten, Auskünfte zur eigenen politischen Einstellung sowie zum soziopolitischen und wirtschaftlichen Alltag im Bundesland zu geben.

Die Zielgruppe der Befragung war zunächst die gesamte wahlberechtigte Bevölkerung Sachsen-Anhalts ab dem 18. Lebensjahr. Darüber hinaus wurde bei der Befragung ein Schwerpunkt auf die 18- bis 29-Jährigen gelegt. Die Interviewten hatten sich mit 27 Fragen auseinanderzusetzen, die unter anderem Rückschlüsse auf die Verbundenheit mit dem Land, auf die Wahrnehmung der DDR sowie Ansichten und Einsichten des Themengebiets Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Toleranz ermöglichten.


Höhere Lebenszufriedenheit

Trotz der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise, die seit 2008 die Handelsmärkte der Welt nachhaltig beeinflussen, werden die wirtschaftliche Lage des Landes und die eigene Lebenszufriedenheit besser eingeschätzt als in den Vergleichsbefragungen in den Jahren 2009 und 2019. Dabei wird die persönliche Lage verblüffenderweise durchweg positiver eingeschätzt als die des Landes insgesamt: Die am häufigsten genannte Kategorie war demnach mit 51 Prozent "eher positiv" bei der eigenen wirtschaftlichen Situation, 52 Prozent votierten für "teils/teils" bei der wirtschaftlichen Lage des Landes. Nicht überraschend dürfte dabei sein, dass die Lebenszufriedenheit und der Blick auf die persönliche Zukunft umso zuversichtlicher ausfallen, desto höher das monatliche Netto-Einkommen eines Haushalts ist.

Die Verbundenheit mit dem Land Sachsen-Anhalt wächst kontinuierlich. Dadurch steigert sich auch das Engagement in den unterschiedlichen Lebensbereichen.

Als "unhistorisches Land" bezeichnete der Magdeburger Historiker Prof. Dr. Mathias Tullner einst das 1990 wiedererstandene Bundesland Sachsen-Anhalt. Der zentralistische Staatsaufbau der DDR hatte die Ausbildung eines Länderbewusstseins für das Gebiet, das es für wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg schon einmal gegeben hatte, unmöglich gemacht. Die beiden Bezirke Magdeburg und Halle hatten eigene Identitäten ausgebildet. So wundert es wenig, dass die Bevölkerung sich 1995 zu 53 Prozent wenig oder gar nicht mit dem Land identifizierte. Das Bewusstsein, Teil eines selbstständigen Bundeslandes zu sein und dieses als Heimat zu begreifen, ist in den Jahren seit diesen frühen Umfragezahlen kontinuierlich gewachsen. Der Sachsen-Anhalt-Monitor aus dem Jahr 2012 zeigt, dass sich mittlerweile 49 Prozent der Menschen stark und 29 Prozent sehr stark mit dem Bundesland verbunden fühlen. Die persönliche Verquickung mit Deutschland im Allgemeinen (67 Prozent starke und sehr starke Verbundenheit) und Ostdeutschland im Besonderen (82 Prozent) fiel bei der Befragung sehr zufriedenstellend aus.


Das Land als Tourismusziel

Wo man gern lebt, empfängt man auch gern Gäste: Sachsen-Anhalt hat sich aus der Sicht seiner Bewohnerinnen und Bewohner zu einem beliebten Tourismusziel gemausert. Dies hat vor allem mit den historischen Stätten zu tun, die es im Land zu besuchen gilt und die sowohl religiöse, literarische, musikalische, politische und architektonische Geburtsstätten sind. Darüber hinaus habe sich das Land, so die Erhebungszahlen, mit seinen Universitäten, Hochschulen und Instituten zu einem wichtigen Standort für Wissenschaft und Forschung entwickelt. Dass statistische Erhebungen bisweilen auch skurrile Ergebnisse zutage fördern, kann am Werbeslogan "Wir stehen früher auf" abgelesen werden: Während ihn vor allem Personen zwischen 35 und 44 Jahren mit einem niedrigen Bildungsniveau, Arbeitslose und politisch wenig Interessierte für stimmig erachten, zweifeln Bürger mit hohem Bildungsniveau, Angestellte, Freiberufler und politisch Interessierte am Wahrheitsgehalt des vielzitierten Ausspruches.


Berührungsängste bei der Politik

Zwar ist das politische Interesse bei den Sachsen-Anhaltern in den vergangenen Jahren leicht angestiegen, insgesamt betrachtet ist es aber relativ mittelmäßig (bei 48 Prozent) ausgeprägt, wenig oder überhaupt nicht interessieren sich 15 Prozent. Rund die Hälfte der Befragten gab an, sich täglich oder mehrmals in der Woche in der Familie, im Freundeskreis oder im Kollegium über politische Themen auszutauschen. Und gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, selbst politisch aktiv zu werden, gaben sich die Befragten eher skeptisch. 27 Prozent glauben, sich aufgrund ihrer persönlichen Fähigkeiten einbringen zu können, 28 Prozent trauen sich dies hingegen nicht zu. Das große Mittelfeld ist unentschieden und kann das eigene Kompetenzgefühl in Sachen Politik nur schwer einschätzen.

Stabil ist die Meinung, dass die "Demokratie die beste aller Staatsideen" (so der Wortlaut in der Befragung) ist. 61 Prozent stimmen der Idee Demokratie völlig zu, Demokratiegegner bilden mit insgesamt acht Prozent eine Randgruppe. Es ist ebenso eine Minderheit, die sich für die Idee der Diktatur in Zeiten der Not ausspricht. Mit besonderer Aufmerksamkeit ist bei dieser Fragestellung die Ablehnung der Diktatur bei den 18- bis 24-Jährigen zu betrachten: Insgesamt 80 Prozent lehnen die Diktatur als mögliche Staatsform völlig (61 Prozent) oder eher (19 Prozent) ab.

Trotz dieser guten Zahlen ist die Zufriedenheit mit dem Funktionieren des demokratischen Prinzips nicht so hoch, wie man dies zunächst erwarten würde. Nur jeder Fünfte ist ziemlich oder sehr zufrieden, der größte Teil, nämlich 49 Prozent, gab ein teils/teils zur Antwort. Daraus resultiert dann wohl auch die große Zahl derer - knapp zwei Drittel -, die den allgemeinen Lauf der Dinge in Deutschland als ungerecht empfinden. Dass der Staat als Institution fähig ist, schwierige Problemfelder zu lösen, wird geringer eingeschätzt als in den Jahren zuvor. Meinungsfreiheit, Demonstrationsrecht und ein Recht auf Opposition werden aber nach wie vor geradezu einhellig von allen Befragten unabhängig von Alter, Bildungsgrad, Beruf oder sozialem Status eingefordert. "


Fremde und Nichtfremde

Die Daten des aktuellen Sachsen-Anhalt-Monitors zeigen, dass sich die Fremdenfeindlichkeit im Land im Vergleich zu den Vorjahren abermals abgeschwächt hat. Nur eine Minderheit der Befragten spricht sich für die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und gegen religiöse Toleranz aus. Fremdenfeindliches und antisemitisches Potenzial ist in ganz Deutschland verbreitet und in Sachsen-Anhalt nicht höher als in anderen Bundesländern, so die Studie. Zumeist handelt es sich auch um ein Feindbild ohne tatsächlichen "Feind", denn solche Erscheinungen existieren auch, wenn die betroffene Gruppe gar nicht präsent ist. Zwei Drittel der Befragten teilen die Beschämung über die von den Deutschen begangenen Verbrechen an den europäischen Juden während der Nazi-Herrschaft. Dennoch finden vier Prozent aller Befragten, dass Juden "etwas Besonderes und Eigentümliches haben und nicht so recht zu uns passen".

Die DDR ist seit über 20 Jahren ein Teil der politischen Geschichte der Deutschen. Mauer und Stacheldraht zwischen den beiden deutschen Staaten sind verschwunden. Doch wie sieht es in den Köpfen der Einwohner aus? Zwei Drittel der Befragten erkennt heute in der DDR eine Diktatur, aber nur ein Drittel bezeichnet das Land auch als Unrechtsstaat. Zum Sozialismus will nur eine verschwindend geringe Menge der Befragten zurückkehren, 77 Prozent der Interviewten bestehen aber darauf, dass in der DDR nicht alles schlecht war. 40 Jahre DDR haben Millionen Lebenswege positiv wie negativ berührt. Wenn rund zwei Drittel der Befragten angibt, man habe trotz der Einschränkungen im Privaten "alles in allem gut leben können", ist auch der Wunsch verständlich, dass dieser Teil der Lebenswirklichkeit, beispielsweise in Spielfilmen und in der Presse berücksichtigt bzw. der Fokus nicht ausschließlich auf die Stasi und die Diktatur gerichtet wird.


Beurteilung von Sachsen-Anhalt
in Prozent

sehr
positiv
eher
positiv
teils/
teils
eher
negativ
sehr
negativ
Wirtschaftliche Lage
Sachsen-Anhalt
21
54
20
6


Wirtschaftliche Lage Region
2
23
44
21
9
Zukunft von Sachsen-Anhalt
4
38
43
12
2
Eigene wirtschaftliche Lage
9
50
29
8
4
Lebenszufriedenheit
19
37
35
6
4
Persönliche Zukunft
12
43
32
9
3

Einstellung gegenüber Ausländern im Deutschlandvergleich
(Nennungen in Prozent)

Deutschland
Sachsen-Anhalt
Lebensstil besser an deutschen anpassen
39
38
Jede politische Betätigung untersagen
8
5
Bei Mangel an Arbeitsplätzen zurückschicken
7
9
Ausländer sollen unter sich heiraten
5
8

Verbundenheit mit Sachsen-Anhalt im Zeitverlauf

1995
2007
2009
2010
2012
sehr positiv
eher positiv
teilt/teils
eher negativ
10
44
40
6
4
28
46
21
5
30
47
18
3
23
53
21
3
19
49
29


Der komplette Sachsen-Anhalt-Monitor 2012 ist auf der Internetseite des Landes www.sachsen-anhalt.dc nachlesbar.

Dr. Stefan Müller


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Touristischer Magnet in Sachsen-Anhalt: Schloss Oranienbaum im Gartenreich Dessau-Wörlitz

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Wird es besser?

Die politische Kultur des Landes im Lichte des 4. Sachsen-Anhalt-Monitors in einer Aktuellen Debatte.


In einer von der SPD-Fraktion initiierten Aktuellen Debatte wurden in der Dezembersitzungsperiode des Landtages die Ergebnisse des aktuellen Sachsen-Anhalt-Monitors erörtert. Als Grundlage des Monitors war eine Befragung von 1.250 Menschen aus den unterschiedlichen Regionen und Lebensbereichen in Sachsen-Anhalt herangezogen worden. Mit dieser Thematisierung beabsichtigte die SPD, den Fraktionen die Gelegenheit zu geben, diese Befunde im Landtag, der nicht nur Gegenstand der Untersuchung, sondern auch wichtiger Akteur im Gefüge der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, zu diskutieren und ihre Erfordernisse für die Zukunft darzulegen.

Die Bemühungen zur Demokratiebildung haben sich positiv ausgewirkt, lobte Katrin Budde (SPD) und zitierte die Zahlen der gewachsenen Demokratiebefürwortung gerade bei den jüngeren Befragten. Dennoch gäbe es keinen Grund zur Entwarnung, denn die Vergangenheit habe gezeigt, wie schnell und intensiv rechtes Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft vordringen könne. Bildung sei nach wie vor eines der wichtigsten Kriterien gegen Demokratiefeindlichkeit. Budde freute sich über die durch den Monitor belegte erhöhte Verbundenheit der Menschen mit dem Land.

Eine Antwort auf die im Titel der aktuellen Debatte formulierten Frage, ob es in Sachsen-Anhalt besser werde, könne man hier im Hause geben. Denn es hänge wesentlich auch von der Landesregierung und vom Landtag ab, erklärte Kultusminister Stephan Dorgerloh. Der aktuelle Monitor trage eine ganze Reihe von Botschaften: Es sei uneingeschränkt positiv zu bewerten, dass sich die Menschen stärker mit ihrem Land identifizierten. Die Erhebung zeige außerdem, dass sich die Befragten in der Mehrheit nicht trauen, sich politisch einzumischen. "Es liegt auch ein Stück weit an uns selbst, diese Einstellung zu beeinflussen", erinnerte der Kultusminister. Er rief seine Kolleginnen und Kollegen dazu auf, alle Chancen zu nutzen, Demokratie frühzeitig erfahrbar und schwierige Komplexe verständlich zu machen.

Der Sachsen-Anhalt-Monitor schaffe eine Kontrollmöglichkeit, die Befunde zur politischen Kultur im Land aufzeige, erklärte André Schröder (CDU). Sich den Ergebnissen des Monitors zuwendend, freute sich Schröder über die gewachsene Verbundenheit der Menschen mit ihrem Bundesland. Der typische Sachsen-Anhalter sei demnach kein Demokratieverweigerer, er sei weder fremdenfeindlich noch rassistisch oder rechtsextrem. Es habe sich aber herauskristallisiert, dass die Politik als nicht offen genug erlebt werde. Positiv zu bewerten sei, dass augenscheinlich eine junge Generation heranwachse, die immer weniger in eine Ossi- und Rassismus-Schublade passe.

Wenig überzeugt vom Sachsen-Anhalt-Monitor 2012 zeigte sich indes Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Seiner Meinung nach sei der Monitor eine der schlechteren Studien, denn Methodik, Auswertung und Interpretation der Ergebnisse seien bisweilen nicht nachvollziehbar. Es scheine, so Striegel, dass ein Befund gemacht wurde, der zuvor gesucht worden sei. Die Auswertung werfe mehr Fragen auf als sie beantworten könne, bemängelte Striegel, über die Repräsentativität seien keine Aussagen möglich.

Wulf Gallert (DIE LINKE) stellte fest, dass der Sachsen-Anhalt-Monitor unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt habe und in einem Spannungsverhältnis zu den Ergebnissen der kurz zuvor erschienenen Erhebung der Friedrich-Ebert-Stiftung stehe. Konsensfähig sei seiner Ansicht zufolge die Feststellung der zunehmenden Identifikation mit dem Land. Das Zeitfenster der strukturellen Neugliederung des Landes als Ganzes schließe sich nun auch im Osten. Aufhorchen ließ ihn, dass der Politik eine geringe Problemlösungskompetenz bescheinigt und die eigene Partizipation bei politischen Entscheidungen miserabel beurteilt wurde. Man müsse den Menschen als Ansprechpartner dienen, damit sie sich nicht außerhalb des demokratischen Spektrums Antworten suchten, mahnte Gallert abschließend an. Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.

Dr. Stefan Müller

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REGIONALFENSTER

Schnöggersburg zum Üben

Die Colbitz-Letzlinger Heide ist ein Naturparadies und Truppenübungsplatz. Jetzt soll dort für 100 Millionen Euro ein europaweit einmaliges Trainingsgelände für die Bundeswehr errichtet werden.


Naturparadies im Norden Sachsen-Anhalts: Die Colbitz-Letzlinger Heide. Rund 850 Quadratkilometer groß, reicht die Region von der Altmark im Norden bis zur Bürde im Süden. Zwischen den Städten Gardelegen, Stendal, Haldensleben und Wolmirstedt liegend, bietet sie viele Superlative: Deutschlands größtes unbewohntes Gebiet, eines der gewaltigsten zusammenhängenden Heidegebiete Mitteleuropas und ein Naturparadies, in dem seltene Pflanzen gedeihen und eine an Arten reiche Tierwelt lebt. Die vielseitige Landschaft bezaubert nicht nur mit der Ginsterblüte im Frühjahr und dem weithin leuchtenden Erika-Violett im Spätsommer, sondern lockt auch - außerhalb des Truppenübungsplatzes - zu Wanderungen durch ausgedehnte Kiefernforste, herrliche Laubmischwälder mit Eichen, Hainbuchen und Birken.


Riesiges unterirdisches Wasserreservoir

Einen großen Schatz birgt die Heide unterirdisch: ein riesiges Grundwasserreservoir, das zu den größten und qualitativ hochwertigsten in Sachsen-Anhalt gehört. Mächtige Sand- und Kiesschichten, in dieser zum sogenannten südlichen Landrücken. einem sich von Nordwestdeutschland bis zur Lausitz hinziehenden Hügelzug der Saaleeiszeit gehörenden Region, wirken wie natürliche Filter, durch die die Niederschläge sickern. Rund 3,3 Milliarden Kubikmeter Grundwasser beherbergt der Untergrund der Heide - Basis für die Trinkwasserversorgung von Magdeburg und nördlich der Landeshauptstadt liegender Kreise. Gefördert und aufbereitet wird der flüssige Heide-Bodenschatz seit 1932 im Wasserwerk Colbitz, einem jener Dörfer, die der Region ihren Namen gaben.

Bei Colbitz steht auch der größte geschlossene Lindenwald Europas - in Nachbarschaft zu herrlichen Mischwäldern mit 600-jährigen Eichen und ausgedehnten Kiefernforsten. Im rund 185 Hektar großen Urwald bleibt der Bestand an bis zu 200 Jahre alten Linden seit 140 Jahren sich selbst überlassen und bietet das Bild einer echten, vom Menschen unbeeinflussten Naturlandschaft.


Ein Jagdschloss der Hohenzollern in der Altmark

Umgeben von Wald ist auch Letzlingen, der andere namensgebenden Ort der Colbitz-Letzlinger Heide. Dort befindet sich das letzte erhaltene Hohenzollern-Schloss in Sachsen-Anhalt. Es verdankt der Jagdleidenschaft des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg und dessen Vorliebe für die wildreiche Umgebung seine Existenz, der zwischen 1559 und 1562 in Letzlingen das herrschaftliche Jagdhaus mit dem sinnbildlichen Namen Hirschburg errichten ließ.

Der royale Glanz verhinderte einst den Kahlschlag der Region. Ende 1934 war es damit vorbei. Eine 800 Meter breite und 30 Kilometer lange Schneise wurde in den Wald geschlagen.

Im 19. Jahrhundert war es erneut ein Hohenzoller, der das Schloss für sich entdeckte. Auf einer Reise durch die Altmark lernte Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die alte Hirschburg kennen, die in seinem Auftrag ab 1843 im neogotischen Stil umgebaut wurde. Die neue Kirche sowie das Kavalier- und das Kastellanhaus vervollständigten bald das Letzlinger Schlossensemble - fortan Ausgangspunkt zahlreicher Hofjagden, die sich vor allem während der Regierungszeiten Wilhelm I. und Wilhelm II. zu einem bedeutenden gesellschaftlichen Ereignis entwickelten. Europäische Monarchen, unter ihnen Alexander II. von Russland, und prominente Staatsmänner wie Otto von Bismarck, nahmen daran teil.

Der royale Glanz, der dadurch auf die zum Teil unberührte Natur fiel, verhinderte damals noch den Kahlschlag der dicht bewaldeten, reich mit Wild bestückten, aber fast unbewohnten Region, auf die schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Rüstungsindustrie begehrlich schielte. Noch waren es vor allem Ausflügler, die in die Heide kamen. Es gab darin einige wenige Orte wie Salchau, die Waldarbeitersiedlung Schnöggersburg oder Planken, wo an Teichen und in Kneipen schon so etwas wie Naherholung gedieh.


Kahlschlag für die Versuchsanstalt des Heeres

Dann aber kam der Kahlschlag. Ende 1934 wurde die Aufstellung eines Heeresversuchsplatzes in der Colbitz-Letzlinger Heide beschlossen und dafür eine gewaltige Schneise, 800 Meter breit und 30 Kilometer lang, in den Wald geschlagen. Parallel zur Schießbahn entstanden eine autobahnähnliche betonierte Straße, eine Eisenbahnlinie und in regelmäßigen Abständen Bunker aus Beton, aus denen die Beschuss- und ballistischen Versuche beobachtet wurden.

Der "Schwere Mörser Karl" und die "Dora", die größten und aufwändigsten Geschütze der Welt, die jemals im Einsatz waren, feuerten ihre ersten Granaten auf Stahlplatten und Betonelemente in der Heide. Modelle dieser Eisenbahngeschütze und andere originale Zeugnisse jener Zeit sind in einer Ausstellung zur Geschichte des heutigen Gefechtsübungszentrums (GÜZ) in Letzlingen zu sehen.

Die Wehrmacht erprobte neue Artilleriegeschosse in der Colbitz-Letzlinger Heide bis April 1945, "konsequent bis zum Schluss", so Hauptmann Thomas Herzog bei einer Führung durch die Ausstellung. Bis Mai 1945 hätten dann Experten der US-Armee die Heeresversuchsanlage inspiziert. Eine ähnliche Erprobungsstelle sei später in Amerika aufgebaut worden, berichtet der Offizier der Altmark-Kaserne.

Nach den Amerikanern übernahmen kurzzeitig die Briten den Platz, ehe die Sowjetarmee ihn zum zweitgrößten Schießplatz in der DDR ausbaute. Dafür wurde das militärische Übungsgelände durch weitere Rodungen ausgedehnt. Die Rote Armee nutzte das gänzlich abgesperrte Gelände vorrangig für Panzer- und Infanterieschießübungen. 1991 begann der Abzug ihrer Truppen, im Frühjahr 1994 wurden die letzten GUS-Streitkräfte aus der Heide verabschiedet, der Platz offiziell an die Bundeswehr übergeben.


Tourismus oder Militär?

Da hatte sich Sachsen-Anhalts Landtag aber schon für die künftig ausschließlich zivile Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide ausgesprochen. Diesem Beschluss aus dem Jahr 1991 folgte 1997 der sogenannte Heidekompromiss: zumindest der südliche Teil des riesigen Areals sollte nach einer oberflächigen Munitionsberäumung bis 2006 einer zivilen Nutzung zugeführt werden. Dazu kam es nicht. Seit 2004 gilt, dass auch der Südteil der Heide dauerhaft zur militärischen Nutzung im Eigentum des Bundes verbleibt, in übungsfreien Zeiten aber auf festgelegten Wegen - dem Jägerstieg - betreten werden kann.

Seit beinahe 20 Jahren protestiert die Bürgerinitiative "Offene Heide" gegen das Militär in der Colbitz-Letzlinger Heide. An jedem ersten Sonntag im Monat wandern Mitglieder und Sympathisanten der Bürgerinitiative auf einem Friedensweg entlang der Heide.

Nicht ganz so regelmäßig beschäftigen sich Land- und Bundestag mit der Heide und ihrer Nutzung. Im Dezember 2012 ging es in Berlin und Magdeburg um Schnöggersburg, jenen vor rund 80 Jahren geschliffenen Ort, der nun wieder auferstehen soll. Statt der einst kleinen Siedlung aber wird das neue Schnöggersburg nach Planungen der Bundeswehr für rund 100 Millionen Euro eine große Stadt - mit über 500 Gebäuden, Straßen und Kanalisation, einem 22 Meter breiten Fluss, einer Altstadt und einer Hochhaussiedlung, Industriegebiet, U-Bahn-Tunnel und Elendsviertel. Den Städte- und Häuserkampf in urbanen Gebieten sollen die Truppen für künftige Auslandseinsätze später dort üben können.


Politische Debatten um 100-Millionen-Stadt Schnöggersburg

Die LINKE in Land- und Bundestag wendet sich vehement gegen die geplante Übungsstadt, würden dort doch über sechs Quadratkilometer urbarer Heidefläche "umgepflügt", das Areal zu einem "Exterritorium", in dem das Militär üben könne, wann und womit es wolle, ohne dass die Bevölkerung darüber aufgeklärt werde. Vor dem Landtag von Sachsen-Anhalt verwahrte sich Innenminister Holger Stahlknecht gegen den Eindruck, die Bundeswehr sei ein Staat im Staate, "der im Geheimen und Verborgenen irgendwo in der Colbitz-Letzlinger Heide in bürgerkriegsähnlichen Zuständen Häuserkämpfe führt, Bomben schmeißt und Sonstiges tut". Dass in der Heide eine Stadt namens Schnöggersburg gebaut werde, laufe "nach den ganz normalen rechtsstaatlichen Regeln".

Für rund 100 Millionen Euro soll die einst kleine Siedlung Schnöggersburg als grosse Stadt wieder auferstehen - mit 500 Gebäuden, Hochhaussiedlung, U-Bahntunnel und Elendsviertel.

Die Bundeswehr stehe im Auftrag des Parlaments in der Pflicht, bei der internationalen Konfliktvermeidung und Krisenbewältigung zu helfen, so die SPD, daran müsse sich auch die Ausbildung der Einsatzkräfte orientieren. Die Grünen wandten sich generell gegen die auszubauende militärische Nutzung der Altmark, gegen die Flächenversiegelung in einem europäischen Schutzgebiet und sprachen sich für die Ausweisung eines Naturparks für sanften Tourismus aus.

Dass die Bedrohungsszenarien heute andere seien als zu Zeiten des Kalten Krieges, betonte die CDU. Soldaten müssten auf Guerillakampf und Terrorismus vorbereitet sein. Im Anschluss an die Debatte zu den Ergebnissen der Großen Anfrage lehnte der Landtag einen Antrag der Linken zum Rückbau der Truppenübungsplätze in Sachsen-Anhalt ab.


Die Heide - Europas modernstes Gefechtsübungszentrum

Der Truppenübungsplatz in der Colbitz-Letzlinger Heide wurde zwischen 1994 und 2006 zu einer der modernsten Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr ausgebaut. Dafür musste das Gelände zunächst großräumig von Blindgängern und Munitionsschrott beräumt werden. Bis zu 40 Firmen suchten in der Heide gleichzeitig danach - und fanden etwa 15.000 Tonnen.

"Sauber" ist das Areal aber längst noch nicht, warnt Hauptmann Herzog vor unerlaubten Spaziergängen. es tauchen durch Bodenerosion immer wieder Splitter und Munition auf. Eine eigene Truppe überprüft im fünfjährigen Rhythmus jeden Quadratmeter neu auf die gefährliche alte Hinterlassenschaft.

Seit mehr als zehn Jahren bietet das Gefechtsübungszentrum Heer eine realitätsnahe Ausbildung - ohne dass dabei ein einziger scharfer Schuss fällt. Über dem modernsten Übungszentrum für Bodentruppen in Europa befinden sich Satelliten mit GPS-Sende- und Empfangseinheiten in einer geostationären Umlaufbahn. Alle an Übungen beteiligten Soldaten und Fahrzeuge werden mit Sendern ausgestattet. Jede Gefechtssituation, jede Position, jede Bewegung und jeder simulierte Beschuss können so im Rechenzentrum aufgezeichnet, bis in die kleinste Einzelheit digital dokumentiert und später ausgewertet werden. Mindestens 240 Tage im Jahr wird im Gefechtsübungszentrum geübt, bei 21 Durchgängen von jeweils zehn bis 14 Tagen. Rund 1.200) Soldaten und zivile Mitarbeiter sorgen für optimale Ausbildungsbedingungen der bis zu 1.500 Teilnehmer je Durchgang. Die in Letzlingen stationierten Soldaten des Ausbildungsverbandes übernehmen dann, in den schon vorhandenen kleinen Übungssiedlungen wie "Plattenhausen" zwischen Rohbau-Häusern, die Rolle des militärischen Gegners oder auch der Zivilbevölkerung im Ausland, um die Lage in den Einsatzgebieten realistisch darzustellen.

Auch wenn bei den Übungen kein einziger scharfer Schuss fällt - geschossen wird nach wie vor in der Heide. Die Gegend ist so wildreich, dass schon Herden von 60 Hirschkühen mit Kälbern gesehen wurden - ein Eldorado für Jäger. Für den Naturschutz sind die ausgedehnten waldfreien, von großen Straßen unzerschnittenen Flächen von hohem Wert, bieten doch die offenen Biotopstrukturen vielen seltenen Arten einen Lebensraum, stellt das Bundesamt für Naturschutz im Steckbrief "Truppenübungsplatz Letzlinger Heide" fest, dessen Landschaft von ausgedehnten Calluna-Heiden, Sandmagerrasen und offenen Sandflächen mit aktiver Dünenbildung geprägt sei.

Vom Nebeneinander von Natur und Militär in der Colbitz-Letzlinger Heide überzeugen sich jährlich auch viele Zivilpersonen, die dort das Gefechtsübungszentrum Heer besuchen (Telefon: 039088/903022).

Gudrun Oelze


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Jagdschloss der Hohenzollern in der Colbitz-Letzlinger Heide
- Gefechtsübungszentrum Colbitz-Letzlinger Heide;
- gefördert und aufbereitet wird der flüssige Heide-Bodenschatz seit 1932 im Wasserwerk Colbitz;
- außerhalb des Truppenübungsplatzes ist die Heide ein beliebtes Wandergebiet

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SACHSEN-ANHALT

Ein komfortables Einzugsgebiet

Cheforganisator des Sachsen-Anhalt-Tages ist Gerald Fuchs. ZwischenRuf sprach mit ihm über Besonderheiten, Schwierigkeiten und Herausforderungen des Planungsprozesses.


ZwischenRuf: Die Stadt Dessau-Roßlau, die Ausrichterstadt des vergangenen Jahres, hat 74.600 Einwohner mehr als Gommern. Wie unterscheidet sich die Organisation des Landesfestes in verschiedenen Städten?

Gerald Fuchs: Grundsätzlich kommt es weniger auf die Einwohnerzahl als vielmehr auf die Längen und Breiten einer Ausrichterstadt an. Dabei ist es immer sinnvoll, einen "abrissfreien Umlauf" für den Besucher zu gestalten. Das heißt, dass man von Bühne zu Bühne kommt, ohne, dass das Festgebiet abreißt. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. In Gommern gab es da keine Probleme, weil wir hier Flächen gefunden haben, die genau den Maßgaben entsprechen.

ZwischenRuf: Erwarten Sie einen größeren Zulauf durch die Nähe zu Magdeburg?

Gerald Fuchs: Wir erwarten zwischen 200.000 und 250.000 Besucher beim 17. Sachsen-Anhalt-Tag. Das sind natürlich nur geschätzte Zahlen. Bisher hatten wir noch nie die Situation, dass eine so kleine Stadt in einem solch komfortablen Einzugsgebiet liegt. Immerhin sind nicht nur Magdeburg sondern auch Schönebeck, Zerbst und Burg in der Nähe. Zwar können wir nur orakeln, trotzdem haben wir uns mit 30.000 Parkplätzen auf den Besucheransturm vorbereitet.

ZwischenRuf: Inwieweit ist die historische Wasserburg Teil des Festgebietes?

Gerald Fuchs: In der Wasserburg wird sich die Gastgeberbühne der Einheitsgemeinde Gommern befinden. Außerdem thematisiert eine historische Ausstellung das Jubiläum der Schlacht in Vehlitz 1813, weswegen der Sachsen-Anhalt-Tag in diesem Jahr in Gommern zu Gast ist. Streifzüge durch die Geschichte der Region sollen das Geschehen im Innenhof der Wasserburg bestimmen. Und direkt vor dem historischen Gemäuer wird in einem Feldlager das Lehen vor 200 Jahren nachgestellt.

ZwischenRuf: Welche persönlichen Herausforderungen und Besonderheiten hat die Organisation des Sachsen-Anhalt-Tages in Gommern für sie bereit gehalten?

Gerald Fuchs: Das ist mein neuntes Landesfest und in jedem Jahr gibt es Dinge, die mich überraschen. Zwar bin ich Magdeburger, zu meiner Schande muss ich aber gestehen, dass ich den Kulk und die Wanderdüne nicht kannte. Dank des Sachsen-Anhalt-Tages habe ich ein tolles Naherholungsgebiet kennengelernt und ich freue mich, dass Ende Juni leuchtende Fontänen die nächtliche Wasserfläche des Kulks erleuchten werden.

ZwischenRuf: Das Programm wird Mitte Mai bekannt gegeben. Können Sie vorab einige Programmhighlights verraten?

Gerald Fuchs: Die konkreten Programmpunkte werden erst noch durch die Medienpartner veröffentlicht. Ich kann nur soviel verraten, dass die Band Keimzeit am Freitagabend (28. Juni 2013) in der Evangelischen Kirche "St. Trinitatis" spielt.

Das Gespräch führte Annekatrin Barth


Zur Person

Gerald Fuchs ist der Kopf und die Seele des Sachsen-Anhalt-Tages. 2005 hafte der Magdeburger erstmals die Gelegenheit, diese Großveranstaltung in der Landeshauptstadt mit zu gestalten. Seither hat er sich dem Sachsen-Anhalt-Tag verschrieben. Als selbstständiger Veranstaltungsmanager organisiert er in diesem Jahr sein neuntes Landesfest. Lange Zeit stand Fuchs als Mitglied der "Bördebrothers" selbst auf den Bühnen der Region. Sein Organisationstalent hatte er 1996 zunächst als Veranstaltungsleiter der Bundesgartenschau in Magdeburg, unter Beweis gestellt. Danach war er beim Mitteldeutschen Rundfunk in Leipzig, als Referent für Veranstaltungen sowie Messen und als Station Manager bei regionalen Radiosendern tätig.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Ein Höhepunkt des Sachsen-Anhalt-Tages: Der Festumzug.

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Kunterbunt und einfallsreich

Der 17. Sachsen-Anhalt-Tag findet vom 28. bis 30. Juni in Gommern statt. Die Einheitsgemeinde möchte mit dem größten Volksfest des Landes auch an den 200. Jahrestag des ersten Gefechts der Befreiungskriege erinnern.


Am 26. September 1995 hat die Landesregierung beschlossen, jährlich einen Sachsen-Anhalt-Tag zu veranstalten. Seit 1996 ist es das Ziel des Sachsen-Anhalt-Tages die Identität des Bundeslandes zu stärken und die Vielfalt der Regionen darzustellen. Hierbei sollen vornehmlich kleine und mittlere Städte in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt werden.

In jedem Jahr hat eine andere Stadt die Gelegenheit. Gastgeber der Großveranstaltung zu werden und somit zwischen 150.000 und 500.000 Besucher zu empfangen. Beim größten Volksfest des Landes haben Landkreise, Städte, Verbände und Organisationen die Möglichkeit, sich zu präsentieren.

Seit dem Jahr 2000 ist die Themenstraße "Weltoffenes Sachsen-Anhalt" fester Bestandteil des Landesfestes. Sie wird direkt im Stadtzentrum gegenüber der evangelischen Kirche zu finden sein und beherbergt neben vielen interessanten Angeboten auch die Präsentation des Landtages von Sachsen-Anhalt. An allen drei Tagen können sich die Festbesucher über die Arbeit des Parlaments informieren, Gespräche mit Abgeordneten führen und ihr Wissen bei der Teilnahme an einem Parlamentsquiz mit tollen Preisen testen.

In diesem Jahr findet der 17. Sachsen-Anhalt-Tag in der Einheitsgemeinde Gommern nahe Magdeburg statt. Gelegen im Südwesten des Landkreises Jerichower Land, umgeben von Elbaue und Restausläufern des Flämings, ist Gommern vom 28. bis 30. Juni 2013 Ausrichter des großen Volksfestes.

"Kunterbunt und einfallsreich" möchte sich die Einheitsgemeinde bestehend aus der Stadt Gommern sowie den Ortschaften Vehlitz, Karith/Pöthen, Dannigkow. Wahlitz, Menz, Nedlitz, Leitzkau, Ladeburg. Dornburg. Lübs und Prödel präsentieren. Anlass zur Bewerbung bot der 200. Jahrestag des ersten erfolgreichen Gefechts in den Befreiungskriegen 1813-1815, welches sich in unmittelbarer Nähe, in Möckern, zugetragen hat. Hieran soll gedacht, erinnert und gemahnt werden.

Neben der historischen Wasserburg aus dem Jahre 948 und der Evangelischen Kirche "St. Trinitatis" hat Gommern einige touristische Glanzpunkte zu bieten. So befinden sich in der Umgehung 30 glasklare Steinbruchseen sowie ein Naherholungsgebiet, welches den Kulk und die Wanderdüne umfasst.

Der so genannte Fuchsberg ist die letzte große Wanderdüne des Dünenzuges Gerwisch-Heyrothsberge-Menz-Gommern auf der östlichen Elbe-Niederterrasse. Die Düne ist durch Auswehung der Sande aus den eiszeitlichen Schmelzwasserablagerungen und dem Magdeburger Urstromtal von vor rund 150.000 bis 10.000 Jahren, während der Späteiszeit und der Nacheiszeit entstanden. Weitere Informationen gibt es unter www.sat-gommern.de.

Annekatrin Barth


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Leuchtende Fontänen werden die nächtliche Wasserfläche des Kulks in Gommern erleuchten.

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AUS DEM PLENUM

Novellierung steht an

Der Landtag von Sachsen-Anhalt diskutiert den Gesetzesentwurf zur Änderung der Bauordnung und zur Regelung der Marktüberwachung, den das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr vorgelegt hat.


Da die letzte Novellierung der Bauordnung mittlerweile sieben Jahre zurückliegt, gibt es Erfahrungswerte für eine Verbesserung der Vorschriften. Diese umfassen unter anderem eine Überarbeitung des Sonderbautenkatalogs, die Regelung von Barrierefreiheit sowie verfahrensrechtliche Erleichterungen für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Zudem werden die Zuständigkeiten der Marktüberwachungsbehörden der Länder neu geregelt.

Die Novellierung der Landesbauordnung ist ein Auftrag, der dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD entstammt. Gleichzeitig ist sie die direkte Folge der neuen Bauprodukteordnung der Europäischen Union. Die Bauministerien der deutschen Bundesländer haben sich im Vorfeld auf eine gemeinsame Musterbauordnung geeinigt, auf deren Basis eine jeweilige landeseigene Bauordnung aufgestellt werden soll. Die seit dem Jahr 2002 sich ergebenen Änderungen und Änderungswünsche im Bausektor seien nun in die Musterbauordnung eingeflossen, erklärte Bauminister Thomas Webel. Insgesamt sei das Bauordnungsrecht der Länder näher zusammengerückt. Im Vorfeld der Gesetzesausarbeitung habe das Bauministerium eine systematische Befragung der betroffenen Verbände und Kammern durchgeführt, sagte Webel. Keine der Bauaufsichtsbehörden hätte demnach besondere Schwierigkeiten bei der Ausführung der bisherigen gesetzlichen Lage bekundet.

Neue Vorstöße gibt es im Bereich der erneuerbaren Energien: Maßnahmen für die Wärmedämmung und für Solaranlagen an bereits bestehenden Gebäuden werden vereinfacht. So werde die Abstandsregelung zum Nachbarn aufgeweicht, darüber hinaus müsse kein Genehmigungsverfahren mehr erwirkt werden. Im Sinne des demographischen Wandels wird auch die Barrierefreiheit fester in der Landesbauordnung verankert: Bei der Neuerrichtung eines Hauses mit mehr als zwei Wohnungen muss eine ganze Etage barrierefrei nutzbar gemacht werden. Bisher reichte es aus, diese barrierefrei erreichbar zu machen. Zu guter Letzt diene die novellierte Marktüberwachung der gesteigerten Kontrolle von Bauprodukten. Dies bringe mehr Sicherheit für Bauherren mit sich, so Thomas Webel.

Begrüßt wurde auch die Abstandsreduzierung von Windkraftanlagen zueinander und zu benachbarten Wohngebieten. Positiv bewertet wurden zudem die Neuerungen beim Brandschutz in Tierhaltungsanlagen. In vielen Brandfällen hätten die Tiere in der Vergangenheit nicht gerettet werden können, weil die Schutzmaßnahmen nicht am natürlichen Fluchtverhalten der Tiere ausgerichtet gewesen seien, sagte Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Zustimmung fand auch der Umstand, dass Kommunen aufgrund § 48 des Gesetzes in die Lage versetzt werden, bei Neubauten Abstellplätze für Fahrräder vorzuschreiben.

Die Notwendigkeit der Anpassung der Landesbauordnung werde vorbehaltlos anerkannt, erklärte Guido Henke (DIE LINKE). Einen großen Kritikpunkt aber sei bei den Formulierungen um die Barrierefreiheit zu finden. "Barrierefreiheit hat überall gewährleistet zu sein und nicht nur 'allgemein'", forderte Henke.

Standsicherheit, Abstandsregelungen, Brandordnung die Landesbauordnung soll die technische Entwicklung widerspiegeln, sagte Frank Scheurell (CDU). Insgesamt sei der Entwurf ein Gesetz zur Verringerung der Gefährdung der Menschen. Für einige Bereiche hätten die Spitzenverbände Vorschläge unterbreitet, die noch nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden hätten, die aber nicht unter den Tisch fallen sollten, informierte Thomas Felke (SPD). Aus diesem Grund soll es im Ausschuss eine Anhörung geben.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf der Landesregierung in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr überwiesen.

Dr. Stefan Müller


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Durch die Veränderungen in der Landesbauordnung soll es im Sinne der Marktüberwachung auch zu mehr (Material-)Sicherheit für Bauherren kommen.

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SACHSEN-ANHALT

Mit Fantasie und Ideen

Sachsen-Anhalts Marketingkampagne Wir stehen früher auf startet in die nächste Runde. Mit persönlichen Geschichten soll auf das Land neugierig gemacht werden.


Die Landesmarketingkampagne "Wir stehen früher auf' geht in die nächste Runde. Einmalig in Deutschland ist, dass die Einwohner eines Bundeslandes aufgefordert sind, selbst ein Teil dieser Kampagne zu werden. Jeder Sachsen-Anhalter kann zeigen, wofür sie oder er ganz persönlich früher aufsteht.

www.dafuer-stehen-wir-frueher-auf.de hier können Videos und Bildergeschichten selbst eingestellt und anschließend von den Nutzern bewertet werden. 20 Beiträge mit den besten Publikumsbewertungen gewinnen einen von vielen attraktiven Preisen. Drei Einsendungen werden professionell verfilmt und ab Mai in eine interaktive Landkarte, der Sachsen-Anhalt-Map, eingebunden.

Die neue Kampagnenphase will den erfolgreichen Einsatz der Mittel aus den EU-Strukturfonds im Land aufzeigen. Zudem soll sie weiter das Image Sachsen-Anhalts als junges, aufstrebendes Bundesland prägen. Dafür startet sie beispielhaft mit sechs Geschichten aus Sachsen-Anhalt.

Die Protagonisten stehen für Fantasie und Ideenreichtum und sollen neugierig auf das Land machen. Finanziert wird die Kampagne zu 100 Prozent aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und des Europäischen Sozialfonds.


MITMACHEN!

Bis zum 7. April 2013 kann jeder Sachsen-Anhalter zeigen, wofür sie oder er ganz persönlich früher aufsteht. Die eigenen Videos oder Bildergeschichten werden auf www.dafuer-stehen-wir-frueher-auf.de veröffentlicht. Die besten 20 Beiträge werden von einer Jury prämiert.

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Landesausscheid im Wettbewerb Jugend debattiert

Mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler aus ganz Sachsen-Anhalt sowie ihre Lehrerinnen und Lehrer nehmen auch in diesem Jahr an dem Wettstreit der gemeinnützigen Hertie-Stiftung teil. Die Sieger der Einzelausscheide auf Ebene der Schulverbünde küren am 22. April 2013 im Gesellschaftshaus, Schönebecker Straße 129, in Magdeburg ihre Jahressieger. Die traditionell im Plenarsaal des Landtages stattfindende Veranstaltung musste aufgrund von Umbauarbeiten in diesem Jahr verlegt werden. Der Finalausscheid beginnt um 14:00 Uhr im Gesellschaftshaus.

Landtagspräsident Detlef Gürth eröffnet das Landesfinale im Beisein von Kultusminister Stephan Dorgerloh und Vertretern der Hertie-Stiftung. Debattiert wird über praktische Fragen, wie z.B.: Sollen Streiks im öffentlichen Personenverkehr verboten werden? Eine Jury bewertet Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft. Die Gewinner werden Sachsen-Anhalt beim Bundesausscheid am 15. Juni 2013 in Berlin vertreten.

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IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Auflage und Erscheinen: 10.000 Exemplare, vierteljährlich

Redaktion/Bestelladresse: Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst
und Protokoll
Domplatz 6-9, 39094 Magdeburg
Fon: 0391 / 560 0
Fax: 0391 / 560 1123
www.landtag.sachsen-anhalt.de
landtag@lt.sachsen-anhalt.de

Redaktion: Ursula Lüdkemeier (Ltg.), Annekatrin Barth,
Ulrich Grimm, Gudrun Oelze, Dr. Stefan Müller,
Wolfgang Schulz

Fotos:
Titel: picture-ailiance/dpa; Seite 2: Ulrike Niebuhr; Seite 3: IdeenGut; Seite 4: Falk Wenzel (oben), Jens Schlüter Halle (unten); Seite 6: Ulrich Grimm; Seite 7: Dr. Stephan Müller; Seite 8: Annekatrin Barth; Seite 9: Ulrich Grimm (links), Annekatrin Barth (rechts); Seite 10: Daniel Etzold - Fotolia.com; Seite 12: Bundesarchiv Bild 175-L0004; Seite 13: Archiv Volksstimme; Seite 15: Wolfgang Schulz; Seite 16: Kaarsten - Fotolia.com; Seite 17: Gudrun Oelze; Seite 18: Martin Hünecke (links, mitte), Ines Berger (rechts); Seite 19: Jens Schlüter Halle (oben), Ulrich Grimm (mitte), Ursula Lüdkemeier (rechts); Seite 21: Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH; Seite 23: Foto Klapper Magdeburg (Schröder, Gallert, Budde, Plenarsaal), Foto Döring Magdeburg (Striegel, Dorgerloh); Seite 24: Tourismusverband Colbitz-Letzlinger Heide e.V.; Seite 25: Stiftung Schlösser und Dome Sachsen-Anhalt; Seite 26: Bundeswehr (links); Seite 27: Tourismusverband Colbitz-Letzlinger Heide e.V.; Seite 28: Ulrich Grimm (oben), Annekatrin Barth (unten); Seite 29: Leuchtende Fontänen e.V.; Seite 30: goodluz - Fotolia.com; Seite 31: Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH; Seite 32: Ulrich Grimm

Satz & Gestaltung: IdeenGut OHG | www.ideengut.info

Druck: Harzdruckerei GmbH. www.harzdruck.de

Redaktionsschluss: 1. März 2013

Dieses Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

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Quelle:
ZwischenRuf 1/2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2013