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SACHSEN-ANHALT/325: ZwischenRuf 2-2015 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 2/2015
DAS MAGAZIN DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT

Willkommen in Sachsen-Anhalt
Parlament diskutiert Integration von Flüchtlingen


INHALT
25 JAHRE SACHSEN-ANHALT

Wenn die Pflicht zum Vergnügen würde ...
25 Jahre nach den ersten freien Wahlen organisierten Landtag, Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund eine Podiumsdiskussion über "Zustand und Zukunft der Kommunen".

IM BLICKPUNKT

Gemeinsam für Europa
Die EU-Abgeordneten Sven Schulze (CDU) und Arne Lietz (SPD) setzen durch eine enge Zusammenarbeit quasi die Große Koalition aus Sachsen-Anhalt im europäischen Parlament fort.

AUS DEM PLENUM

Echte Ankommenskultur entwickeln
Die Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden ist zurzeit eine der größten Herausforderungen in Sachsen-Anhalt.

Schnelle Netze bis 2018
Der Landtag von Sachsen-Anhalt setzt sich für die konsequente Förderung des Breitbandausbaus ein. Ziel ist eine flächendeckende Netz-Infrastruktur in Sachsen-Anhalt.

Weiterentwicklung des Rundfunkbeitrags
Landtag spricht sich für Entlastung der Unternehmen durch Wegfall der Kfz-Veranlagung aus.

SACHSEN-ANHALT

Ernährung für 10 Mrd. Menschen sichern
Als wichtiger Landwirtschaftsstandort bietet Sachsen-Anhalt auf der EXPO in Mailand zukunftsweisende Lösungen zur Sicherung der Welternährung.

Neuer Schülerkalender ist da
Der Landtag von Sachsen-Anhalt gibt auch für das nächste Schuljahr 2015/2016 wieder einen Schülerkalender heraus.

RÜCKBLICK

"Jugend debattiert" auf YouTube
Der Landtag wirft mit einem Video einen Blick auf das Finale des diesjährigen Landeswettbewerbs "Jugend debattiert".

EINBLICK

Friedliche Streithähne
Die Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Landtages feiert ihr 20-jähriges Bestehen.

Aktiv und selbstbestimmt
Am 22. September 2015 findet das 8. Seniorenforum des Landtages und des Seniorenbeirates statt.

Der Duft von frisch bedrucktem Papier
Blauer Kittel, flinke Gestalt: Michael Neundorf ist Mitarbeiter der Landtagsdruckerei.

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19. Landesfest in Köthen - ein voller Erfolg

Super Wetter, Musik, die ins Ohr ging, ein tolles Bühnenprogramm und leckere Speisen aus Nah und Fern - das war der 19. Sachsen-Anhalt-Tag in Köthen. Unter dem Motto "KÖTHEN - ANHALTen und erleben" präsentierte die Bach-Stadt am Flüsschen Ziethe vom 29. bis 31. Mai 2015 ein tolles und vielfältiges Landesfest. Der Landtag von Sachsen-Anhalt war mit einem breiten Informationsangebot erneut in der Themenstraße "Weltoffenes Sachsen-Anhalt" dabei. Tausende Menschen folgten an allen drei Festtagen der Einladung von Abgeordneten aller im Landtag vertretenen Fraktionen, informierten sich über aktuelle Themen und erklärten im direkten Gespräch, "wo ihnen der Schuh drückt". Den jüngsten Festbesuchern zauberte das Sachsen-Anhalt-Memory regelmäßig ein Lächeln ins Gesicht. Im kommenden Jahr wird der Sachsen-Anhalt-Tag vom 9. bis 11. September 2016 in der Rosenstadt Sangerhausen gefeiert.

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Abgeordnete als Zeitzeugen auf Tour

Sozialkunde- oder Geschichtsunterricht mal anders? Dann ermöglichen Sie Ihren Schülern doch ein Gespräch mit einem Landtagsabgeordneten von Sachsen-Anhalt. Denn anlässlich seines 25-jährigen Bestehens organisiert der Landtag noch bis Oktober 2015 eine Gesprächsreihe zwischen Abgeordneten und Schülern. Dazu kommt ein Abgeordneter als Zeitzeuge in Ihre Schule und steht für ein bis zwei Stunden Rede und Antwort. Ausgehend von den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen in der ehemaligen DDR sollen die ersten Jahre des wiedergegründeten Sachsen-Anhalts reflektiert und gleichzeitig verdeutlicht werden, was in den letzten 25 Jahren alles erreicht wurde, erklärt Landtagspräsident Detlef Gürth. Besonders wichtig sei ihm, den Schülern zu zeigen, dass sie es seien, die die Entwicklung des Landes in den nächsten Jahren maßgeblich beeinflussen werden. Mitmachen kann jede interessierte Schule in Sachsen-Anhalt - außer Grundschulen.

Anmeldungen richten Sie per Mail an:
hans-juergen.ende@lt.sachsen-anhalt.de

Ihre Anmeldung richten Sie bitte an den Besucherdienst der Landtagsverwaltung, Telefon: 0391/560-1230.

Stefanie Böhme

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Ex-WM-Schiri wird neuer Landtagsabgeordneter

Bernd Heynemann (CDU) aus Magdeburg ist seit dem 21. April neuer Landtagsabgeordneter. Der 61-Jährige übernahm als Nachrücker den Sitz von Kay Barthel, der neuer Präsident des Landesrechnungshofs wurde.

Bereits seit 1999 ist Heynemann Mitglied im Magdeburger Stadtrat, zwischen 2002 und 2009 engagierte sich der zweifache Familienvater als Mitglied des Deutschen Bundestags für seine Heimatregion. Bei der Bundestagswahl 2009 verpasste der Hobby-Golfspieler den Wiedereinzug und arbeitete seitdem in seinem alten Beruf bei der AOK Magdeburg.

Den meisten von Ihnen ist Bernd Heynemann sicher als Fußballschiedsrichter bekannt. Höhepunkte seiner Schiedsrichter-Karriere waren die Teilnahme an Europa- (1996) und Weltmeisterschaft (1998). Kurz darauf erhielt Heynemann das Bundesverdienstkreuz am Bande und die Ehrennadel des Deutschen Fußballbunds.

Stefanie Böhme

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

seit einigen Wochen bin ich verwaist im Büro - meinen lieben Kollegen hat es erwischt - Krankenhaus! Dies trifft mich umso schwerer, da ich ein durch und durch geselliger Mensch bin, für den ein nettes Gespräch am Arbeitsplatz dazugehört wie die Pommes zur Currywurst. Aber immerhin gab es in der letzten Woche tierische Abwechslung. Eines Vormittags watschelten plötzlich eine Entenmama und ihre zwölf Jungen über den Innenhof des Landtags. Zu putzig, die Kleinen!

Eine Kollegin rief die Tierrettung und diese brachte die Enten unversehrt auf einen sonnigen Teich in Magdeburg. Davon haben unsere Landtagsabgeordneten vermutlich nichts mitbekommen - und das aus gutem Grund: Vor dem Juni-Plenum gaben sie ihren Anträgen den letzten Schliff, legten gemeinsame Positionen fest und schrieben an ihren Reden für die nächste Landtagssitzung. Schließlich ging es dort wieder um sehr gewichtige Themen.

Gleich drei Anträge beschäftigten sich mit der Integration von Flüchtlingen: verbesserte Sprachförderung, Unterstützung bei der Ausbildung und die besondere Situation minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge. Außerdem betonte der Landtag erneut, wie wichtig der kontinuierliche Breitbandausbau ist und die Debatte um das umstrittene Tarifeinheitsgesetz erreichte das Plenum. Wie diese und andere Debatten verlaufen sind und welche Positionen es in den einzelnen Fraktionen dazu gibt, lesen Sie auf den Plenums-Seiten dieses Heftes.

Ein Schwerpunktthema in diesem ZwischenRuf ist Europa. Vor gut einem Jahr waren wir aufgerufen, ein neues europäisches Parlament zu wählen. Nach einem Jahr Brüssel ziehen die beiden sachsen-anhaltischen Europaabgeordneten nun Bilanz. Diese zog auch die stellvertretende lettische Botschafterin in Berlin bei ihrem Besuch im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien. Sie berichtete zum Ende der lettischen EU-Ratspräsidentschaft über Erfolge und anstehende Aufgaben. Aber Europa findet nicht nur auf der "großen Bühne" statt, sondern auch vor Ort, ganz im Kleinen. Anlässlich der Preisverleihung des Europäischen Wettbewerbs haben wir einen 16-jährigen Maler aus der Nähe von Halle getroffen, der sich künstlerisch mit dem Thema Europa auseinandersetzt.

In unserer Serie "25 Jahre Sachsen-Anhalt" erinnern wir uns gemeinsam mit Ihnen an die letzten Tage im Juni 1990. Unendlich lange Schlangen vor den Sparkassen in den Bezirken Halle und Magdeburg. Zahllose Formulare und der Versuch, "so viel zu retten, wie möglich". Denn am 1. Juli war es aus: "Adieu Aluchips - Willkommen D-Mark". Und wie immer kommen auch die Kultur- und Kunstliebhaber nicht zu kurz. Wir werfen einen Blick auf die große Landesausstellung Lucas Cranach der Jüngere, die Sachsen-Anhalt dem "Maler der Reformation" zum 500. Geburtstag widmet. Seit dem letzten Juni-Wochenende ist sie in seinem Geburtstort Lutherstadt Wittenberg zu sehen.

Nun dann, viel Spaß bei der Lektüre und einen entspannten Sommeranfang!

Ihre
ZwischenRuf-Redaktion

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25 JAHRE SACHSEN-ANHALT

Wenn die Pflicht zum Vergnügen würde ...

25 Jahre nach den ersten freien Kommunalwahlen im späteren Sachsen-Anhalt organisierten Landtag, Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund eine Podiumsdiskussion in Halberstadt. Thema: Zustand und Zukunft der Kommunen.


Solange "wählen gehen" als Pflicht betrachtet wird und keinen Spaß machen darf, werde die Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt weiter sinken, prognostizierte Dr. Christian Rademacher vom Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. anlässlich der Podiumsdiskussion "Von der Demo zur Demokratie - 25 Jahre nach den ersten freien Kommunalwahlen in der DDR" am 6. Mai in Halberstadt. Auch Werbekampagnen würden Bürger nicht zum Wählen animieren.

Stattdessen schlug Rademacher vor, "Wahl-Lokale" wörtlich zu verstehen und in ihrer unmittelbaren Umgebung vielleicht Kaffee und Kuchen auszuschenken. Auch ein Volksfest im Zusammenhang mit demokratischen Wahlen sei für ihn vorstellbar, so würden Wahlen zu echten "Festen der Demokratie".

Ziel der Podiumsdiskussion war es - ausgehend von der Aufbruchsstimmung des Jahres 1990, den Hoffnungen und Erwartungen - einen Blick auf die heutige Situation der Kommunen und Landkreise zu werfen. Als Veranstaltungsort diente nicht zufällig die Hochschule Harz, Campus Halberstadt, schließlich werden hier die "Verwaltungsmitarbeiter von morgen" ausgebildet.

Dass diese in Zukunft vor allem mit den leeren Kassen der Kommunen und Landkreise zurechtkommen müssen, wurde jedem Teilnehmer der Diskussionsrunde schnell klar. Nach Ansicht von Annette Sprung-Scheffler, Dozentin für Verwaltungswissenschaften an der Hochschule Harz, könne man allerdings auch mit wenig Geld eine Menge gestalten. Die jungen Absolventen auf diesen "Spagat zwischen Kreativität und Geldnot" vorzubereiten, sei eine Aufgabe der Hochschule.

Handlungsspielräume der Kommunen enorm eingeschränkt

Dr. Rademacher erinnerte dagegen daran, dass die Schulden- und Finanzkrise in vielen Kommunen zu einer enormen Einschränkung kommunalpolitischer Handlungsspielräume führt. Er verwies auf Art. 28, Abs. 2 des Grundgesetzes, der innerhalb der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auch die Gewährleistung ihrer finanziellen Grundlagen umfasse. Außerdem sei das Konnexitätsprinzip in Art. 104a der Verfassung verankert.

Der Präsident des Landkreistages, Michael Ziche, sah in der fehlenden Handlungsfähigkeit einen wichtigen Grund für die sinkende Wahlbeteiligung. Die Bürger würden spüren, dass die Akteure auf kommunaler Ebene immer stärker eingeengt würden und stellten sich die Frage, was Bürgermeister und Landräte überhaupt noch bewegen könnten. Denn nur über vier (!) Prozent der Haushaltsmittel könnten die Kommunen wirklich frei entscheiden, betonte Ziche. Auch im Hinblick auf die Diskussion um das Finanzausgleichsgesetz plädierte er dafür, den Kommunen mehr Verantwortung und größeren finanziellen Spielraum zu übertragen.

Dr. Ronald Brachmann, Vorsitzender des Innenausschusses im Landtag, sagte, dass bei der Diskussion um die leeren Kassen nicht die Ursachen vergessen werden dürften: geringe Wirtschaftskraft, fehlende Steuereinnahmen, sinkende Bevölkerungszahlen. Um dem entgegenzuwirken, müssten den Kommunen mehr finanzielle Hilfen bereitgestellt werden, damit sie handlungsfähig blieben, erklärte Ronald Brachmann in der Diskussion.

Wählen bald per Mausklick von zu Hause?

Der zukünftige Oberbürgermeister der Stadt Quedlinburg, Frank Ruch, war einer von zahlreichen Gästen bei der Podiumsdiskussion und konstatierte, solange die finanzielle Ausstattung der Kommunen nicht gelinge, werde sich auch die Wahlbeteiligung nicht verbessern. Dr. Brachmann verwies darauf, dass man vielleicht darüber nachdenken müsste, "digitale Möglichkeiten zu schaffen", um das "wählen gehen" zu erleichtern.

Definitiv keinen Erfolg bei der Erhöhung der Wahlbeteiligung habe eine weitere Absenkung der Altersgrenze beim Kommunalwahlrecht, so Rademacher. Statistiken bewiesen, das Gegenteil sei der Fall: "Die propagierte demokratisierende Wirkung ist mehr als zweifelhaft und der entwicklungspsychologische Effekt desaströs." Junge Menschen würden nicht frühzeitig an demokratische Wahlen herangeführt, sondern lernten stattdessen, dass es keinerlei Konsequenzen habe, nicht zur Wahl zu gehen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag, Sebastian Striegel, widersprach dieser Einschätzung vehement. Es gehe bei der Absenkung des Wahlalters nicht vordergründig um die Erhöhung der Wahlbeteiligung; vielmehr sei es Ziel, Jugendliche frühzeitig an der demokratischen Willensbildung zu beteiligen und ihre Meinungen mit aufzunehmen.

Angst vor Fehlern bremst Entwicklung

"Wer wählen geht, übernimmt Verantwortung für das Gemeinwohl" - dies müsste zukünftig noch stärker herausgearbeitet werden, erklärte Landtagspräsident Detlef Gürth. Daneben sah auch er die Frage der Konnexität als Schlüssel für die zukünftige Bewältigung der kommunalen Aufgaben. Gürth sprach sich zudem dafür aus, dass Bürger eine größere Fehlertoleranz für die Akteure in den Ländern, Gemeinden und Ratsstuben mitbringen. Anfang der 1990er Jahre hätten die Menschen einfach die Ärmel hochgekrempelt, losgelegt und versucht, während des Prozesses jedes Mal ein bisschen besser zu werden. "Heute werden, bevor es überhaupt losgeht, so viele Vermerke geschrieben, um auch jeden denkbaren Fehler von vornherein auszuschließen, das macht alles langwieriger und teurer."

Stefanie Böhme

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25 JAHRE SACHSEN-ANHALT

Adieu Alu-Chip - Willkommen D-Mark!

Clara Zetkin, Thomas Müntzer und, wer ihn hatte, Karl Marx verschwanden am 1. Juli 1990 aus den Portemonnaies der Menschen in der DDR. Die DDR-Mark wurde während eines Zeitraums von wenigen Wochen wertlos und per Umtausch durch die D-Mark ersetzt.


Alles wurde anders, als im Spätherbst 1989 die Menschen die Mauer zwischen Ost und West zum Einsturz brachten und das friedliche Miteinander in Europa endlich in eine demilitarisierte Epoche eintreten konnte.

Die Menschen wollten frei sein und doch ihre Heimat nicht verlieren, sie wollten auf wirtschaftlich starken Beinen in die Zukunft schreiten, ohne jedoch ihre Identität aufzugeben.

Kaum einer zweifelte die schon als überirdisch schlecht zu bezeichnende Lage der DDR an, der Arbeiter- und Bauernstaat war bankrott und hochverschuldet; Licht am Ende des Tunnels bot die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten und die Einführung der D-Mark in der Noch-DDR. "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr" - noch immer erscheint dieser Slogan vor dem inneren Auge, wenn man an die Massendemonstrationen in den großen DDR-Städten zurückdenkt. Die D-Mark kam - heiß gewünscht und herbeigesehnt, nicht jedoch ohne des Deutschen erste Tugend: per Gründlichkeit mit entsprechendem Formular!

Am 1. Juli 1990 wurde die D-Mark offizielle Währung in der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden DDR. Die Umstellung von Löhnen, Gehältern, Mieten oder wiederkehrenden Zahlungen erfolgte zunächst nach einem Umtauschkurs 1:1.

Guthaben auf Sparkonten wurden mit Betragsgrenzen gewechselt - nach dem 1. Juli 1976 Geborene konnten 2.000 Mark 1:1 tauschen, bis 2. Juli 1931 Geborene 4.000 Mark und vor dem 1. Juli 1931 Geborene 6.000 Mark. Alles, was an Sparguthaben über diesen Betrag hinausging, wurde nach dem Wert 1:2 umgetauscht. "Die große Rechnerei ging los", weiß Astrid May von der Magdeburger Sparkasse als Augen- und Ohrenzeugin zu berichten. "Man versuchte natürlich, so viel DDR-Mark wie möglich zu retten, wodurch man Geld auf den Konten hin- und herschob."

In den ersten sechs Monaten des Jahres 1990 stieg die Anzahl neu eröffneter Konten allein in Magdeburg um circa 49.000 an, etwa 216 Millionen Mark wurden in dieser Zeit in den verschiedenen Filialen eingezahlt. Von Ost-Mark zu D-Mark wurde jedoch nur getauscht, wenn man vorher den entsprechenden Umstellungsantrag gestellt hatte. Für diesen gab es eine Frist vom 11. Juni bis zum 6. Juli - jeder, der danach mit seiner Ost-Mark kam, konnte nur noch mit Spielgeld nach Hause geschickt werden, ein Umtausch war nicht mehr möglich.

Im Zeitraum der ersten Umtauschwoche wurden in der Landeshauptstadt 120.000 Umstellungsanträge bearbeitet. Bis zum 30. Juni 1990 wurden zudem über 80.000 Auszahlungsquittungen mit einem Gegenwert von 74 Millionen D-Mark ausgestellt, die ab dem 1. Juli eingelöst werden konnten und wurden.

Lange Menschenschlangen bildeten sich vor den Sparkassenfilialen, eine Arbeitszeit von 15 Stunden an sieben Tagen der Woche (also auch am Wochenende!) wurde für die Angestellten eine Herausforderung, die bis an die Belastungsgrenze führte. Selbst unlängst in den Ruhestand verabschiedete Mitarbeiter wurden wieder zum Helfen zurückgeholt, unzählige Einstellungsgespräche wurden geführt. "Nebenbei musste das normale Sparkassengeschäft ja auch noch weitergehen", erzählt Astrid May, die kurz nach der Wende in Kontakt mit der Hannoverschen Sparkasse kam, die die Kollegen aus dem Osten in Know-how und Technik stark unterstützten.

Mitunter wurden für die Kunden sogar Container eingerichtet, der Zulauf war einfach enorm. "Die Leute freuten sich auf das neue Geld, standen stundenlang dafür an - es war ein Gemeinschaftserlebnis der Mitarbeiter und der Menschen draußen. Ich glaube, ich habe nicht einmal jemanden murren gehört, die Arbeits- und Wartezeiten wurden akzeptiert." Das lange Warten war nicht weniger als das Warten auf eine neue Zukunft. Diese Zukunft - ist sie auch manchmal nicht so, wie sie sich der Einzelne vorgestellt haben mag - machte die Menschen frei. Mit Geld im Portemonnaie, das sich auf dem Weltmarkt behaupten konnte, ging es daran, ein neues und anderes Leben zu entdecken.

Dr. Stefan Müller


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Vor den Filialen der Sparkasse bildeten sich lange Menschenschlangen. Der Umtausch der DDR-Mark war nur für eine relativ kurze Zeit möglich.

Das DDR-Papiergeld wurde nach der Währungsunion zunächst in einer Untertageanlage bei Halberstadt eingelagert, später dann in der Müllverbrennungsanlage Buschhaus vernichtet.

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Busreisen in die Stadt der Liebe

59 D-Mark ihres Begrüßungsgeldes haben viele tausend Reisende aus dem späteren Sachsen-Anhalt zwischen Januar und Juni 1990 in eine Fahrt nach Paris investiert. Die Infrastruktur Richtung Westen ließ mehr als zu wünschen übrig, Reisebusse standen nicht zur Verfügung. Abhilfe leisteten niedersächsische Busreiseunternehmen, die ihre Fahrzeuge kurzerhand zur Verfügung stellten. Der Reisebus startete abends 20 Uhr in Magdeburg, um bestenfalls acht Stunden später in Paris einzutreffen. Nach einer Stadtrundfahrt gab es bis 19 Uhr Zeit zur freien Verfügung, nach einer gemeinsamen Lichterfahrt machte sich der Bus wieder auf die Heimreise...


Wahlhelfer dringend gesucht!

Sieben Wochen nach der ersten freien Volkskammerwahl im März 1990 wurden die 12,3 Millionen wahlberechtigten DDR-Bürger am 6. Mai erneut an die Wahlurnen gerufen. Wie überall in der Republik sollten auch in den Bezirken Halle und Magdeburg, dem heutigen Sachsen-Anhalt, neue Kommunalparlamente bestimmt werden. Im Wahllokal 239 Halle Süd kam es bei der ersten freien Kommunalwahl zu einer besonderen Geschichte. Als das Wahllokal um 7 Uhr öffnete, waren anstatt der erforderlichen sieben Mitglieder des Wahlvorstandes nur vier anwesend...

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IM BLICKPUNKT

Gemeinsam für Europa

Die EU-Abgeordneten Sven Schulze (CDU) und Arne Lietz (SPD) setzen seit einem Jahr durch eine enge Zusammenarbeit quasi die Große Koalition aus Sachsen-Anhalt im europäischen Parlament fort und wirken für ein Europa zum Anfassen.


Seit einem Jahr sind Brüssel und Straßburg die neuen Wirkungsstätten von Sven Schulze (35) und Arne Lietz (38). Die im Mai 2014 gewählten Europaabgeordneten von CDU und SPD verkörpern nicht nur einen Generationswechsel, sondern bringen durch ihre parteiübergreifende Zusammenarbeit frischen Wind in die parlamentarische Arbeit. Übereinstimmend betonen beide ihre Absicht, bei allen Entscheidungen der EU gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Region zwischen Arendsee und Zeitz nicht zu kurz kommt.

Dabei sei es nicht immer leicht, einen Zusammenhang zwischen Sachsen-Anhalt und Brüssel herzustellen, meint Sven Schulze. Er freue sich aber sehr, dass er wunschgemäß unter anderem Mitglied im Ausschuss für Regionale Entwicklung geworden ist und so bestimmte Forderungen von Sachsen-Anhaltern begleiten könne. Jüngste Beispiele dafür seien die Fortsetzung des Schulobstprogramms und das Thema Hochwasserschutz für die Alte Elbe in Magdeburg. 2015/16 werden 18.000 Kinder in Sachsen-Anhalt dreimal pro Woche mit Obst, Gemüse und Milch versorgt, was zum größten Teil mit EU-Geldern bezahlt wird. "Um die bürokratischen Hürden abzubauen", so Schulze, "haben wir im Parlament beschlossen, die Schulobst- und Schulmilchprogramme zusammenzulegen."

Um die Alte Elbe und die Umflut in Magdeburg aus dem EU-Naturschutzgebiet herauszulösen und dringende Maßnahmen des Hochwasserschutzes in Angriff nehmen zu können, waren Schulze in Brüssel im Frühjahr 7000 Unterschriften von Magdeburgern übergeben worden. "Ich habe mit Verantwortlichen der EU-Kommission gesprochen und konnte den Magdeburgern inzwischen mitteilen, dass die Angelegenheit ohne Brüsseler Zustimmung auf Landesebene geklärt werden kann."

Das regelmäßige Zusammentreffen mit Sachsen-Anhaltern ist für beide Abgeordnete, so betonen sie übereinstimmend, von größter Bedeutung. Dabei würden die unterschiedlichsten Anliegen an sie herangetragen. Eine ausgezeichnete Möglichkeit, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, sei die alljährliche Europawoche und speziell in Magdeburg das Europafest. So gab es im Mai in Sachsen-Anhalt mehr als 70 Veranstaltungen von zahlreichen Vereinen, Verbänden, Schulen, Hochschulen, Kommunen und Organisationen. Bei vielen Treffen waren die beiden Abgeordneten mit von der Partie. Auch hierbei gab es eine Absprache zwischen Schulze und Lietz über ihre örtlich getrennten Auftritte, damit möglichst viele Menschen in den Genuss von Informationen aus erster Hand kommen konnten. Wichtige Themen dabei waren die europäische Dimension des 25. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung, die neue EU-Förderphase bis 2020 sowie die Unionsbürgerrechte und das Digitale Europa.

"Unser Ziel ist es, den Menschen ein Europa zum Anfassen zu vermitteln", sagt Lietz. Die EU sei nichts Abstraktes, sondern gehöre inzwischen zu allen Lebensbereichen. Neben der Europawoche in ganz Sachsen-Anhalt sei zum Beispiel "in Magdeburg das Europafest eine tolle Möglichkeit, noch mehr über Europa, seine Mitglieder und vor allem seine kulturelle Vielfalt zu erfahren." Er habe deshalb gern die Schirmherrschaft übernommen, um den Bürgern Europa näher zu bringen. Im nächsten Jahr wird Sven Schulze die Schirmherrschaft übernehmen, auch das ist eine Absprache zwischen den beiden Abgeordneten.

Unabhängig von den zahlreichen Aufgaben und Verpflichtungen, die Arne Lietz als Mitglied mehrerer Ausschüsse wahrnehmen muss, steht für den 38-Jährigen, der viele Jahre in der Lutherstadt Wittenberg gewirkt hat und als Luther-Darsteller in bester öffentlicher Erinnerung ist, der 500. Jahrestag des Thesenanschlags von Martin Luther 2017 ganz oben auf seiner Agenda. In Anlehnung an die Ottmar-Hörls-Installation in Wittenberg "Martin Luther: Hier stehe ich" aus dem Jahre 2008 plant er mit dem Künstler eine ähnliche Aktion in Brüssel. Damals war der Markplatz mit 800 seriellen Luther-Plastiken in einen "temporären, kommunikativen, identifikationsfördernden und bildstarken Kunstschauplatz" verwandelt worden. Bis heute sind die Luther-Skulpturen immer wieder Teil von Veranstaltungen, sind weit gereist und stehen als Botschafter in aller Welt. Nun will Lietz, auch hierbei wieder von seinem Amtskollegen Schulze unterstützt, deutlich machen, dass die Reformation eine europäische Bewegung war. Das Gedenken daran ist unmittelbar mit einem Gedenken an die großen Reformatoren verbunden, die als Initiatoren die geistige Grundlage der Bewegung maßgeblich prägten. Neben Martin Luther gehören Erasmus von Rotterdam, Ulrich Zwingli, Johannes Calvin und Jan Hus dazu. Mit diesen fünf führenden europäischen Reformatoren soll der europäische Gedanke der Reformation mit einer Kunstinstallation von Prof. Ottmar Hörl, bestehend aus 500 seriellen Figuren (jeweils 100 Figuren), vor dem Europäischen Parlament in Brüssel sichtbar gemacht werden. Hörls Vision sei es, mittels Kunst alle Menschen zu einem kulturellen Diskurs einzuladen, erklärt Lietz sein Vorhaben, das aus Spenden finanziert werden soll.

Beide Abgeordnete sind jederzeit bereit, Fragen von Bürgern zu beantworten. Wer Arne Lietz persönlich treffen will, hat dazu im Juli Gelegenheit. Dann ist er auf den rund 270 Kilometern des Europaradweges in Sachsen-Anhalt zwischen der niedersächsischen und der brandenburgischen Grenze unterwegs und auf vielen Stationen ansprechbar.

Per E-Mail sind die Abgeordneten über diese Adressen erreichbar:
sven.schulze@ep.europa.eu
arne.lietz@europarl.europa.eu


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Arne Lietz
Der 1976 in Güstrow geborene SPD-Europaabgeordnete ist Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten sowie im Entwicklungsausschuss und gehört dem Unterausschuss für Menschenrechte des Europäischen Parlaments an. Er studierte Geschichte in Berlin und Kapstadt und war bis zur Europawahl 2014 als Referent im Rathaus der Lutherstadt Wittenberg tätig.

Sven Schulze
Der 35-jährige Diplom-Wirtschaftsingenieur Sven Schulze aus dem Landkreis Harz ist als CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament Mitglied in den drei Ausschüssen Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten sowie Regionale Entwicklung und Petitionen. Er wurde in Quedlinburg geboren, ist verheiratet und Vater von zwei Kindern, das dritte ist unterwegs.

Unter der Schirmherrschaft des Europaabgeordneten Arne Lietz lockte das Magdeburger Europafest in diesem Jahr Ende Mai mehr als 250.000 Besucher an. Insgesamt zehn europäische Länder waren vertreten und präsentierten regionale Produkte sowie Kultur. Unter dem Motto "Europa zum Anfassen" gab es Informationen rund um die EU. Im nächsten Jahr wird Sven Schulze (MdEP) die Schirmherrschaft übernehmen.

Wolfgang Schulz

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IM BLICKPUNKT

Auf gute Nachbarschaft

Lettlands Botschaftsrätin Guna Japina berichtete im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien über die lettische EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2015 / Lob und Dank von Ausschussmitgliedern.


Im Landtagsausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien gehört es zur guten Tradition, dass sich die Mitglieder im Rahmen der Selbstbefassung regelmäßig über die halbjährlich wechselnde Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union informieren lassen. Mit großer Freude begrüßte Ende Mai der Ausschussvorsitzende, Ralf Geisthardt (CDU), die stellvertretende Leiterin der Botschaft Lettlands in der Bundesrepublik, Botschaftsrätin Guna Japina. Vom 1. Januar bis 30. Juni 2015 verantwortete die Republik Lettland erstmals die Präsidentschaft in diesem EU-Gremium.

Guna Japina berichtete ausführlich und sehr engagiert über die großen Herausforderungen, die damit für ihr Land verbunden waren. Als kleines Land, das erst vor zehn Jahren der EU beigetreten ist, habe Lettland einiges für das Zusammenwachsen Europas und für das Zusammenleben aller Völker in guter Nachbarschaft beitragen können, was sie mit Stolz erfülle.

Die lettische Regierung hatte bereits im Januar 2014 drei Schwerpunktbereiche der lettischen EU-Ratspräsidentschaft beschlossen, an deren Umsetzung im ersten Halbjahr 2015 u.a. zielstrebig auf mehreren hochrangig besetzten Tagungen in Riga gearbeitet wurde. Diese drei Schwerpunkte sind:

  • Förderung des Wettbewerbs in der EU als Grundlage für das Wachstum und die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen;
  • Nutzung digitaler Medien für die künftige Entwicklung der EU;
  • Stärkung der Rolle der EU auf globaler Ebene und die EU als Platz des Wohlergehens und der Sicherheit für die Nachbarregionen.

Diese grundlegenden Aufgaben sind eingebettet in das 18-Monats-Programm der Trio-Ratspräsidentschaft von Italien, Lettland und Luxemburg.

Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgten die Ausschussmitglieder die Ausführungen von Guna Japina über die "Nachbarschaftspolitik" sowohl in der EU als auch gegenüber Zentralasien, deren Ziele und Instrumentarien jedoch der neuen Lage angepasst werden müssten. Zustimmung fand die Botschaftsrätin bei den Ausschussmitgliedern in ihrer Einschätzung, dass die gegenwärtige Krise in der Ostukraine eine Bedrohung für den Frieden in Europa sei. Eine mögliche Verlängerung der Sanktionen gegenüber Russland im Rat der Europäischen Union im Juli wäre ein Beweis für die Geschlossenheit und Einheit in der EU, sagte sie.

Im Anschluss an ihre Ausführungen beantwortete Guna Japina Fragen der Ausschussmitglieder und lobte dabei u.a. die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Lettland.

Der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tilman Tögel, betonte nach der Ausschusssitzung gegenüber dem Zwischenruf, dass Lettland seine erste Ratspräsidentschaft mit Bravour gemeistert habe. Trotz nicht vorhersehbarer aktueller Probleme wegen der Finanzkrise, Griechenlands Staatsfinanzen und der Ukrainekrise, seien einige Themen positiv bearbeitet worden. "Kleine Mitgliedstaaten haben zwar auch eigene Interessen, sind aber erfahrungsgemäß eher in der Lage, Kompromisse zwischen den 28 Mitgliedstaaten der EU zu verhandeln." Die baltischen Republiken, so Tögel weiter, befänden sich, als ehemalige Sowjetrepubliken, derzeit in einer inhaltlich wie geografisch, schwierigen Lage. "Sie brauchen und bekommen die uneingeschränkte Solidarität der Europäischen Union."

Sören Herbst von der bündnisgrünen Fraktion bestätigte, dass die junge baltische Demokratie auf eigene Erfolge verweisen könne. "Insbesondere hat Lettland die Gefahren des von Russland in die Ukraine getragenen Krieges erkannt. Die Wiederherstellung der Friedensordnung in Europa ist somit eine der drängendsten sicherheitspolitischen Herausforderungen für die Europäische Union und für die Präsidentschaft. Lettland kann und will dabei seine eigenen, authentischen Erfahrungen als post-kommunistscher Staat nutzen, um die Transformationsprozesse anderer osteuropäischer Länder hin zur Demokratisierung zu begleiten." Auch Sachsen-Anhalt kann und sollte dabei seinen Beitrag leisten.

Dr. Frank Thiel von der Fraktion DIE LINKE verwies auf Gemeinsamkeiten, und zwar bei den Transformationsprozessen in Sachsen-Anhalt und Lettland nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme. "Beide Länder haben fast gemeinsam diese Prozesse erleben können und haben festgestellt, ein Ende ist noch nicht erreicht. Hier wäre sicherlich auch die wissenschaftliche Begleitung durch das in Halle ansässige Institut für Wirtschaftsforschung interessant, das mit seinen Forschungsprojekten gerade die osteuropäischen Transformationsprozesse beleuchtet." Er habe die Kontaktdaten mit der Botschaftsrätin für weitere Gespräche ausgetauscht.

Dieter Steinecke von der CDU-Fraktion zeigte sich erleichtert, als Guna Japina auf seine diesbezügliche Frage über das Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen antwortete, dass ein mögliches Referendum in Lettland nicht wie auf der Krim ausgehen würde, obwohl es auch hier einen großen Anteil russischstämmiger Menschen gebe. "Die Leute sollen mit ihrem Leben zufrieden sein, dafür sorgen wir auch in der EU und mit unseren politischen Partnern", hatte ihm die Botschaftsrätin geantwortet. Steinecke verwies zugleich auf die Zusammenarbeit der europäischen Jugend, die forciert werden müsse. Eine Möglichkeit dafür sehe er im Ausbau der Beziehungen im Rahmen der Deutschen Kriegsgräberfürsorge.

Wolfgang Schulz

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Was heißt Ratspräsidentschaft?

Der Rat der Europäischen Union (nichtamtlich auch EU-Ministerrat genannt) ist ein Organ der Europäischen Union. Im politischen System der EU übt er zusammen mit dem Europäischen Parlament die Rechtsetzung der Europäischen Union aus. Er repräsentiert die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten.


Welches Land führt den Rat?

Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union, kurz als Ratspräsidentschaft bezeichnet, wechselt alle sechs Monate zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Im ersten Halbjahr 2015 hat Lettland den Vorsitz. Zuvor stellte Italien die Präsidentschaft, seit 1. Juli 2015 ist es Luxemburg.


Wer ist der Ratspräsident?

Einen einzelnen Ratspräsidenten gibt es im strengen Sinn nicht. Allerdings nimmt der Rat für Allgemeine Angelegenheiten, in dem die Außenminister tagen, eine koordinierende Rolle zwischen den verschiedenen Ratsformationen (Wirtschaftsministerrat, Umweltministerrat) ein. Deshalb wird häufig der Außenminister des Landes, das den rotierenden Vorsitz einnimmt, als Ratspräsident bezeichnet.


Warum gibt es die Trio-Präsidentschaft?

Da die Ratspräsidentschaft alle sechs Monate wechselt, ist es schwierig, die langfristigen Politikaufgaben kontinuierlich zu betreuen. Daher arbeiten seit 2007 jeweils drei aufeinander folgende Ratspräsidentschaften in einer sogenannten Trio-Präsidentschaft zusammen.

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REGIONALFENSTER

Aus dem Schatten des Vaters

Mit der Landesausstellung "Cranach der Jüngere 2015" feiert Sachsen-Anhalt in diesem Jahr den 500. Geburtstag von Lucas Cranach dem Jüngeren (1515 bis 1586). Es ist die weltweit erste Ausstellung, die sich dem Leben und Wirken des Meisters widmet. An originalen Schauplätzen - in der Lutherstadt Wittenberg, in Dessau und in Wörlitz - werden die wichtigsten und wertvollsten Kunstwerke der deutschen Renaissance präsentiert.

Seit dem 26. Juni 2015 steht er nun wirklich nicht mehr im Schatten seines berühmten Vaters: Lucas Cranach der Jüngere, dem Sachsen-Anhalt zum 500. Geburtstag eine große Landesausstellung widmet. Sie ist seit dem letzten Juni-Wochenende in der Geburtsstadt des "Malers der Reformation", in der Lutherstadt Wittenberg, zu sehen und weltweit die erste Sonderausstellung, in deren Mittelpunkt ausschließlich der jüngere Cranach steht.

Mit der Würdigung seines Schaffens richtet die Lutherdekade den Blick auf die Kunst und auf die Bilder der Reformationszeit, die deren Botschaft verbreiteten, denn das neue Menschenbild der Reformation fand seinen Ausdruck vor allem auch in der Kunst.

"Entdeckung eines Meisters" im Augusteum

Vom 26. Juni bis 1. November 2015 zeigt die "Entdeckung eines Meisters", wie der Wittenberger Maler Lucas Cranach der Jüngere die durch Martin Luther angestoßene Reformation zu einem faszinierenden Bilderereignis werden ließ.

Rund 150 Gemälde und Zeichnungen verdeutlichen die Breite von Cranachs Schaffen, darunter zahlreiche Leihgaben aus international renommierten Sammlungen, wie dem Nationalmuseum Oslo oder dem Museum of Fine Arts Houston. Kostbare Porträtzeichnungen kamen als Leihgabe des Musée des Beaux-arts aus Reims (Frankreich) nach Wittenberg. Die eindrucksvollen Porträtstudien waren zuvor nur ein einziges Mal ausgestellt, 1951 in den USA. Auch andere jetzt in Wittenberg gezeigte Werke wurden noch nie der Öffentlichkeit präsentiert.

Erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich ist nun auch das Augusteum, das Vordergebäude des Lutherhauses in Wittenberg. Es wurde 1580 erbaut und ist damit eines der ältesten Universitätsgebäude Deutschlands. Nachdem es lange Zeit vom Evangelischen Predigerseminar genutzt wurde, ist der Gebäudekomplex nach fast 200-jähriger Trennung wieder zusammengeführt worden. Die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, die auch das Gesamtvorhaben "Cranach der Jüngere 2015 - Landesausstellung Sachsen-Anhalt" koordinierte, hat das alte Universitätsgebäude zum Schauplatz der "Entdeckung eines Meisters" bestimmt.

Im Mittelpunkt dieser großen kunst- und kulturhistorischen Ausstellung stehen Leben und Werk eines trotz seiner ausdrucksstarken Formensprache noch weitgehend unbekannten Künstlers. Lucas Cranach der Jüngere wurde am 4. Oktober 1515 als Sohn des Malers Lucas Cranach des Älteren geboren. Wittenberg war sein Lebensmittelpunkt. Hier wurde er getauft, hier hörte er die Predigten von Martin Luther, arbeitete in der Werkstatt des Vaters und wurde dessen Nachfolger. Wie dieser nahm auch der Sohn als Ratsherr, Stadtkämmerer und Bürgermeister eine bedeutende Stellung im öffentlichen Leben ein.

Die väterliche Werkstatt entwickelte sich unter Leitung des jüngeren Cranach zu einem europaweit agierenden "Kunstunternehmen". Verbunden mit einer Druckerei war sie der wichtigste Impulsgeber der damaligen Kunstszene, lieferte farbenprächtige Gemälde von höchster Qualität und trug den protestantischen Glauben in die Welt.

Als Maler reformatorischer Altäre und Epitaphien, als ausgezeichneter Porträtist und hochbegabter Zeichner gab Lucas Cranach der Jüngere der Reformation ein Gesicht und entwickelte neue Bildformeln für den protestantischen Glauben.

Die faszinierende Schönheit der Werke, ihre komplexen Bildbedeutungen und Chiffren erfüllten schon die Zeitgenossen mit Bewunderung und beeindrucken noch heute.

"Pop up Cranach" und "Meister sucht Lehrling"

Zum Gesamtvorhaben "Cranach der Jüngere 2015 - Landesausstellung Sachsen-Anhalt" gehören neben der "Entdeckung eines Meisters" sechs weitere Projekte in Wittenberg, Dessau und Wörlitz.

So sind junge Kunstliebhaber und solche, die es werden wollen, eingeladen, die Kunst der Cranachs einmal ganz anders zu entdecken: Mit interaktiven und begehbaren Exponaten und einer Mitmach-Werkstatt. Das Ausstellungsprojekt "Pop Up Cranach" nimmt Familien, Kinder- und Jugendgruppen mit auf eine spannende Zeitreise in die Welt der Malerfamilie. Mitmachen, Anfassen und Erforschen - mit Pinsel, Farbe und einer Portion Kreativität - sind ausdrücklich erwünscht.

Speziell für Schulklassen entwickelt wurde das Programm "Meister sucht Lehrling. Lucas Cranach am historischen Ort erleben", das in Wittenberg den Besuch der Mitmachausstellung, ein Aktionsprogramm in der Werkstatt und eine Begegnung mit Originalen umfasst.

"Meister sucht Lehrling" heißt es zudem im Gotischen Haus in Wörlitz. Denn Sachsen-Anhalts Landesausstellung 2015 zeichnet nicht nur in Wittenbergs Augusteum ein äußerst facettenreiches Bild des Renaissance-Künstlers, sondern stellt Lucas Cranach den Jüngeren auch an anderen Originalschauplätzen als fürstlichen Auftragnehmer, als Maler, Porträtisten und Zeichner vor, zeigt seinen Anteil an der Weiterentwicklung reformatorischer Bildkonzepte sowie seinen Beitrag in den Netzwerken künstlerischer, theologischer und gesellschaftlicher Akteure der Reformationszeit.

"Cranachs Welt" in der Lutherstadt

Im Geburtshaus des Malers - ein bis heute eindrucksvoll erhaltenes, prachtvolles Haus am Wittenberger Markt - führt die Ausstellung "Cranachs Welt" in die Lebenswege und das Schaffen der Familie Cranach. In der neu restaurierten Exerzierhalle wagen künstlerische Arbeiten zum Cranach-Preis "Cranach 2.0" zudem einen modernen Blick auf den alten Meister. Der Rundgang durch "Cranachs Welt" und durch die historischen Cranach-Höfe eröffnet heutigen Besuchern einzigartige Einblicke in die Werkstätten und die Druckerei, in der einst unter anderem die Bibelübersetzung Martin Luthers vervielfältigt wurde.

2015 ist Wittenberg "CranachCity"

Im 500. Geburtsjahr von Lucas Cranach d. J. wird ganz Wittenberg zu "Cranach-City". Bunte Inszenierungen, Theater, Kunsthandwerk, Multimedia-Installationen und vieles mehr gibt es zu entdecken - und an beinahe jeder Hausecke Lucas Cranach den Jüngeren. Darsteller in historischer Tracht nehmen Besucher mit auf Zeitreise und entführen sie in Cranachs Bilderwelt. Durch die Altstadt windet sich, entlang an Schaufenstern und Häuserwänden, eine Schlange - jenes Symboltier, an dem Cranach-Bilder zu erkennen sind. Kunst- und Kulturschaffende aus der Region beteiligen sich mit mehr als 30 Einzelprojekten am vielfältigen Programm der "CranachCity".

"Cranachs Kirche - Originale am originalen Ort"

Die Stadtkirche Sankt Marien in Wittenberg beherbergt zahlreiche Originalgemälde von Lucas Cranach dem Jüngeren und bezeugt als authentischer Ort das Leben des Malers vom Anfang bis zu seinem Tod am 25. Januar 1585. Dort befinden sich sein Grab und Grabmal, dort wurde er vermutlich getauft und getraut. Für die Ausstellung "Cranachs Kirche" wurden die Cranachwerke der Stadtkirche Sankt Marien aufwändig restauriert, darunter der bekannte Reformationsaltar, an dem Lucas Cranach der Jüngere zusammen mit seinem Vater gearbeitet hat. Weitere wichtige Werke sind die Epitaphe für Johannes Bugenhagen und Paul Eber, letzteres besser bekannt unter seinem Titel "Der Weinberg des Herrn".

"Cranach-Kirchen in der Region"

Neben Museen beherbergen zahlreiche Kirchen in Sachsen-Anhalt, so auch in der Region Dessau/Wittenberg, wertvolle Cranach-Altäre und - Gemälde. Das Projekt "Cranach-Kirchen in der Region" nimmt ausgewählte Gotteshäuser in den Blick. In Gottesdiensten, Veranstaltungen und Ausstellungen werden die Schätze in den "Cranach-Kirchen" für die Öffentlichkeit erfahrbar gemacht.

Ausstellung "Cranach in Anhalt"

Seit dem offiziellen Bekenntnis der Dessauer Fürsten zur lutherischen Lehre war Dessau eng mit der Reformation verbunden. Die Cranachfamilie zog es deshalb immer wieder aus dem 40 Kilometer entfernten Wittenberg dorthin. Geblieben ist ein reicher, für die Reformation programmatischer Bildbestand. Die Ausstellung "Cranach in Anhalt" im Johannbau, in der Marienkirche und der Johanniskirche in Dessau zeigt unter anderem den Dessauer Fürstenaltar Cranachs des Älteren aus der Sammlung der Anhaltischen Gemäldegalerie und in der Johanniskirche das Dessauer Abendmahl Cranachs des Jüngeren. Der war, anders als sein Vater, nicht Hofmaler der kursächsischen Fürsten, und konnte mit seiner Werkstatt deshalb freier arbeiten - für Auftraggeber aus vielen Fürstenhäusern, von Adeligen, Kirchengemeinden und wohlhabenden Bürgern. Insbesondere die Fürsten von Anhalt waren "Stammkunden" Cranachs und bescherten der Region schon seit den 1530er Jahren eine große Zahl von Portraits, Epitaphien, Altären und Buchillustrationen.

"Cranach im Gotischen Haus in Wörlitz"

Die Kulturstiftung DessauWörlitz fügt den vielfachen Ehrungen für Lucas Cranach d. J. einen besonderen Akzent hinzu. Sie präsentiert im Wörlitzer Park die Ausstellung "Cranach im Gotischen Haus in Wörlitz". Dort begründete Fürst Franz von Anhalt-Dessau im 18. Jahrhundert eine der weltweit ersten und umfangreichsten Sammlungen von Gemälden der beiden Cranachs. Die frühe Verehrung der beiden Wittenberger Meister und anderer berühmter altdeutscher und altniederländischer Maler durch den Fürsten ist eine Besonderheit und von großer kulturgeschichtlicher Bedeutung, lässt sich dadurch doch erstmalig Interesse für die Malerei des Spätmittelalters und der Renaissance nachweisen. Die Sammlung in Wörlitz mit rund 20 Werken ist in wesentlichen Teilen erhalten geblieben. Sie werden in der Ausstellung weitgehend in originaler Hängung präsentiert.

Gudrun Oelze

Alle Infos zur Ausstellung:
www.cranach2015.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Lucas Cranach der Jüngere, "Moritz von Sachsen" (1545) - eine von 13 Porträtzeichnungen des Malers, die als Leihgabe des Musée des Beaux-arts aus Reims (Frankreich) zur Ausstellung "Cranach 2015 - Entdeckung eines Meisters" nach Wittenberg kamen.

- Lucas Cranach der Jüngere, "Ruhende Quellnymphe" (1550), Leihgabe des Nationalmuseums Oslo zur Ausstellung "Cranach 2015 - Entdeckung eines Meisters".

- Cranach-Denkmal in der Lutherstadt Wittenberg. "Cranach 2015 - Cranachs Welt" - Wohn- und Wirkungsstätten der Cranachs in Wittenberg waren die Renaissancehöfe in der Schlossstraße 1 und am Markt 4 Cranach-Haus am Markt 4, Blick in den Cranach-Hof am Markt 4.

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AUS DEM PLENUM

Echte Ankommenskultur entwickeln

Die Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden ist zurzeit eine der größten Herausforderung in Sachsen-Anhalt. Im Juni-Plenum hat sich der Landtag gleich in drei Anträgen mit diesem Thema beschäftigt.


Haben im ersten Quartal 2014 noch knapp 1.000 Menschen einen Asylantrag in Sachsen-Anhalt gestellt, waren es zu Beginn dieses Jahres bereits 3.000 Asylanträge - Tendenz steigend. All diese Menschen müssen nicht nur ein Dach über dem Kopf bekommen, sondern auch so schnell wie möglich in die Gesellschaft integriert werden. Das bedeutet zum Beispiel: Sprache lernen, Arbeit finden, Schulbesuch für die Kleinen und Ausbildungsplatz für die Größeren organisieren.

Teilhabe durch Bildung und Arbeit

Um in all diesen Bereichen Verbesserungen zu erreichen, hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Antrag eingebracht, der konkrete Maßnahmen vorschlägt. Zunächst soll die Landesregierung gebeten werden, bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung die schulische, berufliche und sprachliche Qualifikation der Flüchtlinge zu ermitteln, sowie Orientierungskurse in der deutschen Sprache und Gesellschaftsordnung anzubieten. Außerdem wird angeregt, Jugendliche und junge Erwachsene bei der Erlangung eines Schulabschlusses zu unterstützen. In einem vierten Punkt schlagen die Grünen vor, dass während der Berufsausbildung der Aufenthalt in Deutschland nicht infrage gestellt werde. Letztlich wäre es wünschenswert, an die Hochschulen zu appellieren, bei der Studienberatung zukünftig auch Flüchtlinge in den Blick zu nehmen.

Nach Ansicht des Grünen-Abgeordneten Sören Herbst bestehe ein "krasser Widerspruch" zwischen den immer wieder formulierten Zielen und Verlautbarungen zur Integration von Flüchtlingen und der gesellschaftlichen Realität. Oft scheitere der Staat an sich selbst, und dies sei keine Frage der Gesetze, sondern oft der Einstellung. Daneben bestünden schon länger "strukturelle Integrationshemmnisse". "Für echte Willkommenskultur braucht es eine echte Ankommenskultur", betonte Herbst. Dabei dürfte nicht zwischen Arbeitsmigration und Geflüchteten unterschieden werden.

Genau dies sah Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) anders. Seiner Ansicht nach sei es wichtig, bei allen Aktivitäten den Sinn und Zweck des Asylverfahrens zu hinterfragen. Das Asylverfahren sei kein Instrument der Einwanderung. Unterstützungsmaßnahmen sollten daher Asylsuchende im Blick haben, die vermutlich länger bleiben werden.

Bezug nehmend auf das konkrete Maßnahmenpaket der Grünen verwies der Innenminister darauf, dass es bereits Überlegungen zu einem Modellprojekt mit der Bundesagentur für Arbeit gebe, in dem die Qualifikationen der Flüchtlinge schon in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) in Halberstadt ermittelt würden. Darüber hinaus erklärte er, dass das Aufenthaltsrecht es bereits jetzt zulasse, dass für Zwecke der Ausbildung der Aufenthalt in Deutschland verlängert werden könne. Noch in diesem Sommer solle ein entsprechender Erlass aus seinem Hause darauf aufmerksam machen.

Jens Kolze (CDU) schloss sich der Position von Innenminister Stahlknecht an: Wenn Menschen keinen politischen Grund für Asyl hätten, dann müssten sie zurück in ihre Heimatländer. Dies müsste laut Kolze zeitnah und schnell geschehen. Es dürfe kein Bleiberecht durch die Hintertür geben, weil sich Asylsuchende gerade in einer Integrationsmaßnahme befänden.

Silke Schindler (SPD) erklärte, dass seit dem Asylgipfel im Januar schon viele Schwierigkeiten bewältigt worden seien. Daher sehe sie "Sachsen-Anhalt auf einem guten Weg".

Bianca Görke (DIE LINKE) begrüßte den Antrag der Grünen-Fraktion und betonte, wie wichtig nachhaltige Konzepte bei der Integrationspolitik seien. Sie hob die frühe Sprachförderung als essentiell hervor - unabhängig vom Aufenthaltsstatus eines Asylsuchenden. Es dürfe hier keine Selektion stattfinden.

Ohne BAföG geht es nicht

Darüber hinaus brachte Görke für ihre Fraktion einen eigenen Antrag ein. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Zugangsfristen zu den Instrumenten der Ausbildungsförderung für Flüchtlinge und Asylsuchende verkürzt werden. "Bildung wirkt nachhaltig" und Chancengleichheit müsse auch für jugendliche Flüchtlinge gelten, sagte die Linken-Abgeordnete.

Die Bundesregierung habe zwar die Verkürzung der Zugangsfristen zum Ausbildungsmarkt verändert, nicht aber die Fristen zur Ausbildungsförderung. Dies sei absurd und müsse schnellstens geändert werden.

Fraktionsübergreifend wurde zu diesem Antrag Zustimmung signalisiert. Berufliche Bildung wurde von allen Rednern als wichtiger Schlüssel zur Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt angesehen.

Im Fokus: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Ein weiterer Antrag der Linken beschäftigte sich mit der Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt. Grund für den Antrag sei zum einen die gestiegene Zahl an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, zum anderen plane die Bundesregierung eine Neuregelung über die Verteilung dieser Flüchtlinge, erklärte Linken-Abgeordnete Monika Hohmann. Ihre Fraktion beantragte daher unter anderem, dass bei der Betreuung und Unterbringung der Flüchtlinge das Kindeswohl stets Vorrang haben müsse.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollten nur in profilierten Jugendhilfeeinrichtungen und möglichst in Kommunen mit guter öffentlicher Infrastruktur untergebracht werden. Des Weiteren soll die Landesregierung aufgefordert werden, neben Magdeburg eine zweite Clearingstelle in der Stadt Halle einzurichten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN befürwortete den Antrag und schlug in einem Änderungsantrag vor, lokale Kompetenzzentren zu schaffen, die Unterbringung, Begleitung und Betreuung der Minderjährigen bündeln sollen. Diese Aufgaben könnten nach Ansicht der Grünen von ein oder zwei Jugendämtern übernommen werden. Die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge wurde von allen Fraktionen als Herausforderung gesehen, der man sich schnellstmöglich stellen und für die man entsprechende Lösungen finden müsse.

Alle drei Anträge wurden zur weiteren Beratung in die Ausschüsse für Inneres und Sport, Arbeit und Soziales sowie Wissenschaft und Wirtschaft überwiesen.

Stefanie Böhme


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die Zahl der Asylanträge in Sachsen-Anhalt hat sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdreifacht. Land und Kommunen stehen daher in puncto Integration vor großen Herausforderungen.

- Flüchtlingskinder und jugendliche Migranten sollten so schnell wie möglich die deutsche Sprache lernen und auf ihrem Bildungsweg unterstützt werden, so der Tenor von gleich drei Anträgen im Juni-Plenum zum Thema Integration.

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AUS DEM PLENUM

Gute Arbeit ist mehr als guter Lohn

Gute Arbeit bedeutet mehr als nur guter Lohn. So lautet der Tenor einer von der SPD-Fraktion beantragten Aktuellen Debatte im Juni-Plenum. Die Debatte stand unter der Überschrift "Gute Arbeit - Entwicklung der Arbeitsbedingungen und der Einkommen in Sachsen-Anhalt". Mit der Einführung des Mindestlohns sei zwar ein erster Schritt hin zu guter Arbeit gemacht, hieß es in der Antragsbegründung der SPD-Fraktion, langfristig werde es jedoch wichtig sein, auch die Rahmenbedingungen guter Arbeit positiv zu beeinflussen. Im Wesentlichen waren sich alle Fraktionen einig: Sachsen-Anhalt könne es sich nicht leisten, dass gut ausgebildete junge Menschen das Land verließen. Neben einer weiteren positiven Lohnentwicklung gelte es zukünftig, die "weichen Faktoren" zu stärken. Konkret nannten die Landtagsabgeordneten unter anderem bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein attraktives Wohn- und Lebensumfeld, betriebliche Mitbestimmung, Weiterbildungsmöglichkeiten und gutes Gesundheitsmanagement.

Stefanie Böhme

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Kollektives Versagen bei der Aufsicht über die IBG

In einer Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 6/4119) befasste sich der Landtag am 5. Juni mit einer Kritik des Landesrechnungshofes an der Arbeit und Aufsicht über die Innovations- und Beteiligungs-Gesellschaft (IBG), deren Wirken Gegenstand des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ist. Gibt es ein kollektives Versagen bei der Aufsicht über die IBG? Bei der Beantwortung dieser Frage prallten die gegensätzlichen Meinungen von Koalition und Opposition aufeinander. Während Bündnisgrüne und LINKE die Verantwortung für die Misswirtschaft bei Dr. Reiner Haseloff, dem damaligen Wirtschaftsminister und heutigen Regierungschef, sehen, verteidigten die Koalitionäre die IBG als Erfolgsmodell, das 5.000 Arbeitsplätze geschaffen habe. Der Schaden für das Land, den die Opposition mit 70 Millionen Euro bezifferte, sei durch das Fehlverhalten eines Einzelnen entstanden.

Wolfgang Schulz

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Straßenbaumittel verfallen nicht mehr zum Jahresende

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat eine Änderung des Gesetzes zur Finanzierung von Investitionen des kommunalen Straßenbaus beschlossen. Damit können pauschaliert zugewiesene Straßenbaumittel auch weiterhin in ungekürzter Form in die Folgejahre übertragen werden. Nach der bisherigen Gesetzeslage wären in Sachsen-Anhalt die Mittel immer am 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Dies sei mit den typischen praktischen Abläufen bei Straßenbaumaßnahmen jedoch nicht mehr in Einklang zu bringen, erklärten die Fraktionen von CDU und SPD. Sie hatten die Änderung des Gesetzentwurfes im März dieses Jahres in den Landtag eingebracht.


Vorschriften für das Archivrecht geändert

Der Landtag hat während seiner Juni-Sitzung ein Gesetz zur Änderung archivrechtlicher Vorschriften beschlossen. Der Gesetzentwurf geht zurück auf eine im Frühjahr 2013 im Landtag geführte Debatte, ob und welche Unterlagen - unabhängig von ihrer Speicherungsform - die Verfassungsschutzbehörde dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt anbieten und gegebenenfalls übergeben muss. Das Gesetz sieht nun vor, dass auch für die Verfassungsschutzbehörde eine Anbietungs- und Übergabepflicht gelten soll. Gleichzeitig werde nach Meinung der Koalition mit dem Gesetz das Archivrecht an die Erfordernisse der modernen Informations- und Kommunikationstechnik angepasst.

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AUS DEM PLENUM

Schnelle Netze bis 2018

Der Landtag setzt sich für die konsequente Förderung des Breitbandausbaus ein, bis 2018 sollen alle Haushalte in Sachsen-Anhalt schnelles Internet haben. Der Landtag von Sachsen-Anhalt setzt sich für die konsequente Förderung des Breitbandausbaus ein. Ziel ist eine flächendeckende Netz-Infrastruktur in Sachsen-Anhalt. Derzeit belegt das Land in Deutschland auf diesem Gebiet den letzten Platz.


In Sachsen-Anhalt soll es nach dem Willen von Bundes- und Landesregierung bis 2018 flächendeckend ein Breitbandinternet mit Übertragungsgeschwindigkeiten von mindestens 50 Mbit/s geben. Gegenwärtig kommen nur 38,5 Prozent der Haushalte in den Genuss des schnellen Internets. Im Bundesvergleich nimmt Sachsen-Anhalt damit den letzten Platz ein. Die Fraktionen von CDU und SPD haben deshalb in einem Antrag am 4. Juni 2015 (Drucksache 6/4097) die Landesregierung aufgefordert, den Breitbandausbau konsequent weiter zu fördern.

Beim Ausbau des schnellen Internets habe es seit 2010 Fortschritte gegeben, sagte Markus Kurze (CDU) bei der Einbringung des Antrages. Immerhin sei der Anteil der versorgten Haushalte von 6 Prozent auf diese 38,5 Prozent gestiegen, aber das reiche bei Weitem nicht. "Ein Ausbau mit Vernunft und Augenmaß ist gefordert", sagte er. Die Koalitionsfraktionen fordern mit ihrem Antrag die Landesregierung auf, die Förderkriterien nach spezifischen Nutzern zu differenzieren, die Kommunen fachlich zu unterstützen, den kommunalen Eigenanteil zu senken sowie die Zuwendungsverfahren möglichst unbürokratisch zu gestalten. Außerdem soll sie darauf hinwirken, dass bei geplanten Baumaßnahmen bereits die technischen Voraussetzungen für eine spätere Nutzung, insbesondere mit Hilfe von Glasfasertechnologie (zum Beispiel Leerrohrverlegung), geschaffen werden.

In einem weiteren Punkt wird die Landesregierung gebeten, Sachsen-Anhalt zufließende Erlöse aus der Versteigerung der 700 MHz-Frequenzen (Digitale Dividende II) insbesondere zur Senkung des kommunalen Eigenanteils beim Breitbandausbau zu nutzen; eine Mittelverwendung zu weiteren Digitalisierungsprojekten sowie freien W-LANs sollte geprüft werden.

In der Stellungnahme der Landesregierung konnte Staatsminister Rainer Robra (CDU) mitteilen, dass Sachsen-Anhalt zu diesem Zeitpunkt bereits mit 36 Millionen Euro aus den Versteigerungserlösen rechnen könne. Weitere Millionen dürften bis zum Ende der Versteigerung möglich sein. Zusammen mit den bereits eingeplanten 110 Millionen Euro soll vor allem der Rückstand im ländlichen Bereich abgebaut werden. Denn während 57 Prozent der städtischen Haushalte mit einem schnellen Internetzugang abgedeckt seien, wären es auf dem Land nur 16 Prozent. Robra appellierte an Unternehmen, sich am Ausbau des Breitbandinternets finanziell zu beteiligen.

Jan Wagner von der Fraktion DIE LINKE lobte den Koalitionsantrag, der "ein völlig anderes Niveau" als ein gleichgelagerter Antrag von 2011 habe, und sprach von "ambitionierten Zielen". In einem Änderungsantrag, der aber vom Plenum abgelehnt wurde, sprach sich seine Fraktion für eine noch stärkere Förderung der Glasfasertechnologie und für eine stärkere Entlastung der Kommunen aus.

Demgegenüber forderte Matthias Graner von der SPD die Kommunen auf, mehr Eigenmittel in die zukunftsfähigen Projekte zu stecken. "Statt irgendwelche Grundstücke zu erwerben, sollten Kommunen zum Beispiel lieber in die Verlegung von Leerrohren investieren, die später vermietet werden könnten."

Sören Herbst von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wünschte sich von der Landesregierung ein klareres personelles Bekenntnis zum Internetausbau. Er vermisse eine "Gesamtkoordination" und schlug vor, die Landesregierung sollte die Angelegenheit zur Chefsache machen.

Der Koalitionsantrag zum Breitbandausbau wurde zur weiteren Diskussion in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien überwiesen.

Wolfgang Schulz

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AUS DEM PLENUM

"Ein Betrieb - eine Gewerkschaft"?

So heftig wie im Mai wurde über das neue Tarifeinheitsgesetz im Bundestag lange nicht mehr diskutiert. Mit einem Antrag der Fraktion DIE LINKE fand das Thema im Juni seinen Weg auf die Tagesordnung des Landtags. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt.


Das neue Tarifeinheitsgesetz des Bundestags werde seinem Namen nicht gerecht, sagte Dr. Frank Thiel (DIE LINKE) zu Beginn seiner Einbringung. Ziel sei vielmehr die Lähmung der Gewerkschaften. Dabei sei die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer im Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützt und das Gesetz damit rechtswidrig. Mit dem Antrag "Tarifautonomie stärken - Streikrecht verteidigen" wollte seine Fraktion die Landesregierung auffordern, im Bundesrat aktiv zu werden, einer weiteren Zergliederung der Unternehmen und Einschränkungen der Mitbestimmungsrechte entgegenzuwirken.

Grundsätzlich sei das Prinzip "Ein Betrieb - eine Gewerkschaft" richtig, aufgrund der unternehmerischen Entwicklung sei es jedoch ausgehöhlt worden. Ursachen sah Thiel in der Zergliederung von Unternehmen durch Outsourcing, Leiharbeit und den Missbrauch von Werkverträgen. Die dadurch entstandene Wahlmöglichkeit für eine Gewerkschaft dürfe jetzt nicht per Gesetz beschnitten werden. Der Linken-Abgeordnete betonte: "Eine starke Demokratie braucht ein starkes Streikrecht."

Nobert Bischoff (SPD), Minister für Arbeit und Soziales erklärte, mit dem neuen Tarifeinheitsgesetz werde lediglich ein bewährter Rechtszustand wieder hergestellt, der bis 2010 bundesweit Gültigkeit hatte. Der Minister zeigte sich überzeugt, dass Gesetz werde die Funktionsfähigkeit der Tarifeinheit sichern. Eine abschließende Klärung unterschiedlicher Interpretationen könnte nur das Bundesverfassungsgericht leisten und dies halte Bischoff auch für richtig.

Ähnlich argumentierte der CDU-Abgeordnete Ulrich Thomas. Es müsse der Grundsatz gelten, dass es für eine Beschäftigungsgruppe nur einen Tarifvertrag gibt. Seinem Kollegen Thiel warf er vor, in seiner Argumentation nur einseitig auf die Arbeitgeberseite fixiert zu sein. Es sei nicht besonders charmant, die Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt so darzustellen, als wollten sie die Arbeitnehmer nur ausbeuten. Laut Thomas bedarf es starker Tarifpartner, einerseits die Arbeitgeber andererseits die Gewerkschaften.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält das Gesetz für "verfassungsmäßig äußerst bedenklich", weil es die Koalitionsfreiheit einschränke und das Streikrecht bedrohe, erläuterte Prof. Dr. Claudia Dalbert. Ähnlich wie die Linksfraktion sehen die Grünen die Ursache für die Zersplitterung vor allem bei den Arbeitgebern. Dalbert sagte: "Die Grünen lehnen jede Aushöhlung der Arbeitnehmerrechte ab und streiten in Sachsen-Anhalt für gute Arbeit."

Andreas Steppuhn (SPD) zeigte sich verwundert, was alles in das Tarifeinheitsgesetz hinein interpretiert werde. Natürlich gebe es zwischen den Gewerkschaften unterschiedliche Auffassungen über das Gesetz, die große Mehrheit allerdings stehe dahinter. Stepphun ist überzeugt, dass es gute Argumente für das Tarifeinheitsgesetz gebe. Es werde die Sozialpartner und die Tarifautonomie stärken und sei weit davon entfernt, das Streikrecht auszuhöhlen.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

Weiterentwicklung des Rundfunkbeitrags

Landtag beauftragt Landesregierung, sich bei der Evaluierung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages für Entlastung der Unternehmen durch Wegfall der Kfz-Veranlagung einzusetzen.


Wenn die Ministerpräsidenten der Länder am 18. Juli 2015 auf ihrer Konferenz die Evaluierung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages beraten, dann hat Sachsen-Anhalts Regierungschef einen klaren Auftrag: Auf Beschluss des Landtages vom 4. Juni 2015 soll er sich dafür einsetzen, dass künftig Unternehmen für nicht-private, gewerblich genutzte Kraftfahrzeuge keinen Rundfunkbeitrag mehr bezahlen müssen. Der Landtag folgte damit einem Antrag von CDU und SPD (Drucksache 6/4098), um sachsen-anhaltische Unternehmen, die von Mittelstand und Handwerk geprägt sind, finanziell zu entlasten.

Die Fraktion DIE LINKE hatte in einem Änderungsantrag zur Weiterentwicklung des Rundfunkbeitrages zusätzliche Entlastungen gefordert. So wollte sie Kindertagesstätten vollständig von der Rundfunkbeitragspflicht befreien. Außerdem sollte die Landesregierung prüfen, ob Einrichtungen des Gemeinwohls sowie Lauben- und Datschenbesitzer vom Rundfunkbeitrag entlastet werden könnten. Dieser Antrag wurde von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt.

SPD-Fraktionschefin Katrin Budde verwies bei der Begründung des Antrages darauf, dass schon 2011 im Beschluss zur Reform der Rundfunkfinanzierung auf eine notwendige Entlastung der Bürger sowie von Unternehmen verwiesen worden sei, wenn die Reform zu Mehreinnahmen führen würde. "Das ist geschehen", sagte sie "und deshalb dieser Antrag."

Hintergrund des Antrages der Koalitionsfraktionen sind Mehreinnahmen beim Rundfunkbeitrag im vergangenen Jahr von 643 Millionen Euro. Insgesamt werden bis 2016 durch die Reform der Rundfunkfinanzierung vom 1. Januar 2013 bis 2016 Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden Euro erwartet. Neben der Senkung des Beitragssatzes um 48 Cent auf 17,50 Euro sollen diese Mehreinnahmen für die Beitragsstabilisierung sowie für Entlastungen von Beitragszahlern eingesetzt werden.

Wolfgang Schulz

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Neue Schriftführerin gewählt

Der Landtag hat bis zum Ende der 6. Wahlperiode eine neue Schriftführerin. Auf Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde die Grünen-Abgeordnete Verena Wicke-Scheil gewählt. Sie übernimmt das Amt vom ihrem Fraktionskollegen Sören Herbst. Laut Geschäftsordnung wählt der Landtag insgesamt zwölf Schriftführer, die den Landtagspräsidenten bei seiner Arbeit unterstützen.


Neue Besoldung für Beamte und Richter

Ein von der Landesregierung vorgelegter Entwurf eines Landesbesoldungs- und Landesversorgungsanpassungsgesetzes 2015/2016 ist in die Ausschüsse überwiesen worden. Ziel ist die Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge für Beamte und Richter des Landes, der Gemeinden und Landkreise an die allgemeine wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung. Basis ist der Tarifabschluss für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder vom März 2015. Die Landesregierung rechnet mit Mehrkosten in Höhe von rund 48 Millionen Euro.


DDR-Geschichte soll neu bewertet werden

Die Fraktionen von CDU und SPD wollen mit einem Aufarbeitungsbeauftragtengesetz das Gesamtsystem staatlicher Repressionen in der DDR in den Blick nehmen und die Aufgabenbereiche der Stasiunterlagenbeauftragten neu regeln. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde vorgelegt. Danach soll unter anderem die Landesbeauftragte für Stasiunterlagen nicht mehr an das Justizministerium, sondern den Landtag angebunden sein. Der Antrag wurde in die Ausschüsse überwiesen.

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SACHSEN-ANHALT

Essen für 10 Mrd. Menschen sichern

Sachsen-Anhalt braucht sich auf der EXPO in Mailand nicht zu verstecken. Als wichtiger Landwirtschaftsstandort und innovatives Wissenschaftsland bietet es zukunftsweisende Ideen, um die Ernährungsprobleme der Welt zu lösen.


Die Frage nach dem "Was bleibt?" kann auf vielfältige Art und Weise beantwortet werden. Das gilt besonders bei Weltausstellungen: Eifelturm in Paris, Atomium in Brüssel oder Space-Needle in Seattle waren damals Zeichen des Fortschritts und sind heute Wahrzeichen der Metropolen. Neben architektonischen Meisterleistungen profitiert auch der Alltag von Erfindungen, die erstmals auf einer Weltausstellung präsentiert wurden: Wie sähe unser Leben ohne Zündhölzer (Paris 1855), das Telefon (Philadelphia 1876) oder den Reißverschluss (Chicago 1893) aus?

Im dritten Jahrtausend scheinen Antworten auf die Fragen der Zukunft ausschließlich in digitalen Sphären möglich. Demgegenüber klingt das größte Problem der kommenden Zeit eigentlich profan: Die Ernährung von zehn Milliarden Menschen auf unserem Planeten im Jahr 2020. Genau dem Thema widmet sich die diesjährige EXPO in Mailand. Unter dem Motto "Feeding the Planet - Energy for Life" stellen insgesamt 148 Nationen von Mai bis Oktober Projekte zum nachhaltigen und intelligenten Umgang mit der Natur als Quelle der Ernährung vor. Im deutschen Pavillon mit seinem Leitthema "Field of Ideas" ist auch Sachsen-Anhalt mit einem innovativen Ansatz aus Spitzenbiotechnologie, Naturforschung und Umweltschutz vertreten.

Am 27. Mai eröffnete Landtagspräsident Detlef Gürth die "Sachsen-Anhalt-Tage" auf der EXPO mit einem Rundgang durch den deutschen Pavillon. Mit der Genbank des Leibnitz Institutes für Pflanzengentechnik Gatersleben (IPK), der Kulturpflanzenzucht des Julius-Kühn-Instituts Quedlinburg, dem Projekt MOBICOS des Helmholtz Forschungszentrums Magdeburg sowie dem WWF-Naturschutzprojekt "Mittlere Elbe" präsentiert sich das Bundesland mit vier zukunftsweisenden Projekten auf dem Gebiet der Pflanzenforschung. Bereits die Präsentationsform der jeweiligen Stationen verbindet digitale Informationsvermittlung mit klassischen Unterhaltungsformen. Der Besucher begibt sich auf eine Reise durch die Stufen unserer Ernährung, angefangen von Boden und Wasser bis hin zu Produktion und Konsum.

So ist es nicht überraschend, dass neben einem interaktiven Programm zur Erläuterung der Pflanzengenetik auch Reagenzgläser mit Samen oder getrockneten Pflanzen vorgestellt werden. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Magdeburg bietet dem Besucher mit seinem Projekt "MOBICOS" die Möglichkeit, in einem mobilen Forschungscontainer mit einer Fließrinne die entstehenden Biofilme auf Muscheln, Schnecken oder Keramikplatten zu untersuchen. Detlef Gürth verweist dabei auf die einmalige Verbindung von Landwirtschaft, Naturschutz und Hightech-Forschung, aus der ein verantwortungsvoller Nutzen für den Umgang mit der Natur als Quelle unserer Ernährung entsteht. "Ich bin stolz, dass auf diesen Projekten "Made in Saxony-Anhalt" steht", erklärt der Landtagspräsident.

Stephan Dehn


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Landtagspräsident Detlef Gürth auf der Ausstellungsfläche des Leibnitz-Institutes Gatersleben im Deutschen Pavillon. Das IPK ist die weltweit größte Genbank für Kulturpflanzen, die mehr als 150.000 Pflanzenproben aufbewahrt und für die Zukunft erhält.

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SACHSEN-ANHALT

Neuer Schülerkalender ist da

Nach der sehr positiven Resonanz bei der Premiere im vergangenen Jahr bringt der Landtag von Sachsen-Anhalt auch für das kommende Schuljahr 2015/2016 einen Schülerkalender heraus.


Frei nach dem Motto "never change a winning horse" orientiert sich der neue Schülerkalender in Aufmachung und Inhalt stark am alten und stellt eine Kombination aus Hausaufgabenheft und professionellem Timer dar. Selbstverständlich finden sich auch im diesjährigen Kalender Vordrucke für Stundenpläne, Zensurenspiegel, ein Kontakt- und Notizbereich sowie ein Kalendarium. Beibehalten wurden ebenso die heimlichen Stars des Schülerkalenders - die kleinen Hinweistexte in jeder Wochenübersicht. In der neuen Ausgabe erfahren die Schülerinnen und Schüler beispielsweise, was es mit dem "Weltgesundheitstag" auf sich hat, wie das genau funktioniert mit den Überhang- und Ausgleichsmandaten bei einer Landtagswahl oder wer die "Angie aus Sri Lanka" ist.

Daneben gibt es Infoseiten zu gesellschaftlichen und politischen Themen. Mit dem "Europa-Quickie" ist eine "Eins" im nächsten Schuljahr garantiert und mit den Seiten über die 25-jährige Geschichte Sachsen-Anhalts kann man vielleicht sogar die Großeltern mit seinem Wissen überraschen. Abgerundet werden die Info-Seiten durch witzige Geschichten und Besonderheiten, die es so nur in Sachsen-Anhalt gibt. Von der kleinsten Hansestadt Europas bis zur größten Hallorenkugel der Welt zeigt diese Sammlung, warum sich Sachsen-Anhalt nicht zu verstecken braucht.

Der Kalender richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren und erscheint im praktischen A5-Format. Die durable Ringbindung sorgt für eine gute Handhabung und Haltbarkeit. Ein Grund mehr, warum der kostenfreie Schülerkalender in keiner Schultasche fehlen sollte.

Bei Bedarf, kann auch ein Klassensatz (30 Stück) zur Verfügung gestellt werden. Ihre Bestellungen richten Sie bitte an: Landtag von Sachsen-Anhalt; Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst und Protokoll | Domplatz 6-9 | 39104 Magdeburg | Tel.: 0391/560-1226 | Fax: 0391/560-1123 | E-Mail: kontakt@lt.sachsen- anhalt.de

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RÜCKBLICK

"Jugend debattiert" auf YouTube

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat ein neues Video für seinen YouTube-Kanal produziert. Der etwa dreiminütige Film wirft einen Blick zurück auf das Finale des diesjährigen Landeswettbewerbs "Jugend debattiert".


Mit seinen kurzen Text- und Interviewpassagen sorgt der neue Film über das Landesfinale "Jugend debattiert" nicht nur für Spaß beim Zuschauen, sondern lässt auch die Akteure zu Wort kommen. Auf diese Weise wird der 3-Minüter sicher den einen oder anderen Schüler motivieren, sich im nächsten Jahr an dem Wettbewerb zu beteiligen und wer weiß, vielleicht gehen die Trophäen, dann mal in den Norden des Landes. Bei seiner zehnten Auflage im Landtag jubelten in diesem Jahr Josy Barteld aus Staßfurt und Katharina Schade aus Naumburg, die in ihrer jeweiligen Altersklasse gewannen. Gemeinsam mit den Zweitplatzierten vertreten sie Sachsen-Anhalt beim Bundesfinale am 27. Juni 2015 in Berlin.

Neben Sachkenntnis und Debattiertfähigkeit überzeugten die beiden Siegerinnen laut Juryurteil vor allem mit ihrer Gesprächsfähigkeit. Sie könnten sehr gut zuhören und auf die jeweils andere Position eingehen, erklärte Juryvorsitzender Stephan Vogel (Alumnus 2013). Er ist davon überzeugt, dass alle Teilnehmer eine Menge für ihr weiteres Leben aus dem Wettbewerb mitnehmen werden - vor allem jede Menge Selbstvertrauen. "Wer in dem Alter vor dem Landtag oder beim Bundesfinale vor Bundespräsident Gauck redet, für den ist ein Referat in der Uni kein Problem mehr."

Genau das hat die Gewinnerin der Altersklasse 1, Josy Barteld vom Dr.-Frank-Gymnasium Staßfurt, bereits für sich entdeckt. "Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass man frei sprechen kann." Wie gut sie das mittlerweile beherrscht, davon konnten sich alle Anwesenden im Plenarsaal überzeugen. Sehr souverän diskutierte sie die Frage: "Sollen die Kosten für Polizeieinsätze bei Spielen der 1. und 2. Fußball-Bundesliga von den Vereinen getragen werden?" Umso erstaunlicher, da sie selbst und niemand in ihrer Familie "irgendetwas mit Fußball am Hut habe". Beste Voraussetzungen also für eine Karriere als Politikerin, die sich Josy durchaus vorstellen könnte. Vorher möchte sie aber erst einmal Jura studieren.

Das wird Landtagspräsident Detlef Gürth gerne hören, denn für ihn ist der faire Austausch von Argumenten die Grundvoraussetzung für ein konstruktives und gewaltfreies Miteinander der Menschen in allen Kulturformen. Als Politiker sehe er sich daher in der Pflicht, den Wettbewerb, zum Beispiel mit der Durchführung des Finales im Landtag zu unterstützen. Mehr als 3.000 Schülerinnen und Schüler in 28 Schulen haben sich im laufenden Schuljahr in Sachsen-Anhalt im Rahmen einer Unterrichtsreihe an "Jugend debattiert" beteiligt. Durchgeführt wird der Wettbewerb von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung auf Initiative und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Projektpartner sind die Robert Bosch Stiftung, die Stiftung Mercator und die Heinz Nixdorf Stiftung. Kooperationspartner sind die Kultusministerkonferenz, die Kultusministerien und die Parlamente der Länder.

Stefanie Böhme

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RÜCKBLICK

"Ich verurteile die Abschottung"

Mehr als 75.000 Mädchen und Jungen, zwischen fünf und 20 Jahren haben sich in diesem Jahr wieder am Europäischen Wettbewerb beteiligt und Spitzenleistungen im künstlerischen und literarischen Bereich vollbracht. Einer von ihnen ist Jan-Malte Henk (16 Jahre) vom Elisabeth-Gymnasium Halle. Für ihn ist es mittlerweile schon die fünfte Teilnahme, in diesem Jahr hat er sogar den Preis der Bundeskanzlerin gewonnen und war im Juni für drei Tage in Berlin. Wie er auf die Ideen zu seinen künstlerischen Arbeiten kommt und wie er zu Europa steht, lesen Sie im Interview.


Sie haben schon mehrmals erfolgreich am europäischen Wettbewerb teilgenommen. Was hat Sie beim ersten Mal bewogen mitzumachen? Und warum danach immer wieder?

Jan-Malte Henk: In der zweiten Klasse brachten mich meine Eltern zur Musikschule, aber das machte mir keinen Spaß. Daher überredete ich meine Eltern, mir Kunstunterricht zu organisieren, so dass ich seit 2007 Schüler von Burghard Aust bin. Er erzählte mir vom europäischen Wettbewerb und so reichte ich in der vierten Klasse mein erstes Bild ein und gewann. Vom Erfolg motiviert, hab ich weiter gemacht und mittlerweile schon ein paar Mal Kunstwerke eingereicht. Dabei kommt es - wie auch in diesem Jahr - auf die politische Fragestellung an. Ich denke, schon an meinem Wettbewerbsbeitrag von 2012 sieht man meine Entwicklung zum politischen Künstler.

In diesem Jahr war das Motto des Wettbewerbs "Europa hilft - hilft Europa?" Dabei ging es um eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Entwicklungspolitik der EU. Wie kommen Sie auf die Ideen zu Ihren Arbeiten?

Jan-Malte Henk: Durch die Berichterstattung über das Massengrab Mittelmeer und die Graphic Novel von Reinhard Kleist "Der Traum von Olympia" steht im Mittelpunkt meines Bildes die "Festung Europa", das Europa, das sich abschottet und Menschen zu Tausenden lieber ertrinken lässt, als etwas von seinem Reichtum zu teilen. Mit der Tatsache, dass etwa eine Million Menschen in Nordafrika auf Schleuser und eine Überfahrt nach Europa oder in den Tod warten, ist das Versagen jeglicher Entwicklungspolitik verbunden. Die 6,5 Mrd. Euro deutscher Entwicklungshilfe sind nur ein Tropfen auf einem heißen Stein. Man könnte also sagen, auch wenn ich noch mit vielen Techniken und Materialien zu unterschiedlichen Themen arbeite, ist für mich der politische Inhalt der Bilder am wichtigsten.

Was bedeutet für Sie Europa?

Jan-Malte Henk: Weltweit ist Europa ein wichtiger Wirtschaftsraum und eine bedeutende politische Macht. Die Vorteile einer solchen Solidargemeinschaft sind eine einheitliche Währung, durchlässige Grenzen innerhalb Europas und allgemein die Freizügigkeit, schließlich bin ich in Schweden geboren, als mein Vater dort arbeitete. Negativ finde ich die Bürokratie und den Verordnungswahnsinn in den europäischen Institutionen. Die Abschottung Europas, die ich in meinem Bild thematisiere, verurteile ich auf das Schärfste.

Könnten Sie sich vorstellen, auch beruflich etwas im künstlerischen Bereich zu machen?

Jan-Malte Henk: Auf jeden Fall, allerdings weiß ich noch nicht genau, welchen Weg ich einschlagen soll. An der Burg Giebichenstein in Halle Kunst zu studieren wäre schön, aber was mache ich anschließend? Vielleicht werde ich mich eher in Richtung Design orientieren.

Stefanie Böhme

Alle Infos zum Wettbewerb:
www.europaeischer-wettbewerb.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Ein Preisbild von Jan-Malte Henk aus dem Jahr 2012. Es befasst sich mit der Zukunft Europas, zeigt ein Schloss und zahllose Hütten. Nach Aussage des Künstlers soll es den aufbrechenden Graben zwischen arm und reich thematisieren.

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EINBLICK

Friedliche Streithähne

Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Landtages feiert 20. Geburtstag. Kein "Kaffeekränzchen", vielmehr politisch-engagiertes Wirken von 40 früheren Abgeordneten. Vorschlag für die künftige Zusammenarbeit mit dem Landtag.


Mit einer festlichen Veranstaltung im Landtag begeht die "Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Landtages von Sachsen-Anhalt e.V." am 3. September 2015 den 20. Jahrestag ihrer Gründung. Nach dem Ende der ersten Legislaturperiode hatten sich im Herbst 1994 Christoph Koch, Ulrich Seidel (beide CDU) und Jürgen Angelbeck (Gast der CDU-Fraktion) zusammengesetzt und überlegt, wie sie nach dem Ausscheiden aus dem Parlament weiter in Kontakt bleiben und sich politisch engagieren könnten. Weitere "Ehemalige" kamen dazu, und so gründeten 15 von ihnen im März 1995 die Vereinigung.

Heute gehören dem Verein unter dem langjährigen Vorsitz von Ulrich Seidel mehr als 40 Mitglieder an. Mitglied kann jeder ehemalige Abgeordnete des Landtages sein, wobei Angehörige extremistischer Parteien und Abgeordnete mit Stasi-Vergangenheit ausgeschlossen sind. "Wir wollen keineswegs nur in Erinnerungen schwelgen oder als 'Alter Herren- und Damenverein' in Erscheinung treten", sagt Seidel, der heute als Referent im Landesverwaltungsamt angestellt ist. Dafür seien viele Mitglieder noch zu jung bzw. beruflich tätig. Die Erwerbstätigkeit nach dem Abgeordnetendasein sei übrigens ein Unterschied zu den Vereinigungen in den alten Ländern. Während dort viele Abgeordnete bis zur Rente in den Landtagen seien, gebe es in Sachsen-Anhalt zahlreiche ausgeschiedene Abgeordnete, die wieder in ihren Berufen unterkommen müssten. "Dabei unterstützt sie unsere Vereinigung, denn für viele ist es nicht leicht, wieder Fuß zu fassen", so Seidel.

Die Mitglieder der Vereinigung treffen sich mindestens zweimal jährlich zu Versammlungen, unternehmen Reisen und organisieren Diskussionsrunden, wobei regelmäßig Mitglieder der Landesregierung dabei sind. "Die Exkursionen, zuletzt zum Beispiel in Sachen Hochwasserschutz oder zur Leopoldina nach Halle, und die Zusammenkünfte sind sehr konstruktiv und ein bisschen von der Mentalität der runden Tische geprägt. Über ehemalige Fraktionsgrenzen hinweg sitzen die einst größten Streithähne friedlich nebeneinander und diskutieren sachlich über Probleme", freut sich der heute 61-jährige Seidel. Es mache Spaß, diesen Verein zu führen.

Für die künftige Zusammenarbeit mit dem Landtag hat Seidel einen Vorschlag parat. Nach dem Beispiel von Niedersachsen und Schleswig-Holstein schlägt er die Bildung einer Parlamentarischen Vereinigung vor, in der sowohl ehemalige als auch aktive Abgeordnete zusammenarbeiten. "Nach dem weisen Spruch der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Ursula Lehr 'Ihr seid, was wir waren, und Ihr werdet, was wir sind' könnte ich mir ein solches Zusammenwirken gut vorstellen", meint Seidel. Das Modell habe Charme und Reiz und könnte vielleicht auch zur Entkrampfung der heutigen Streithähne im Parlament beitragen. Erste Gespräche habe es bereits mit Abgeordneten gegeben. "Vielleicht beflügelt unser 20-jähriges Jubiläum diesen Prozess", hofft der Vorsitzende.

Wolfgang Schulz

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EINBLICK

Aktiv und selbstbestimmt

Der Landtag und der Landesseniorenbeirat Sachsen-Anhalt e.V. organisieren am 22. September 2015 das 8. Seniorenforum. Zentrales Thema ist die Möglichkeit der Teilhabe und Mitgestaltung älterer Menschen an der Gesellschaft.


Zentrumsnah, mit Anschluss an Bus und Bahn, zehn Minuten zum Park, Supermarkt und Kino. Gleich auf dem Flur gegenüber ihrer Wohnung lebt eine junge Familie, für die die 70-Jährige gerne mal die "Ersatz-Oma" gibt. Bis zu ihren Freundinnen vom Kegeln und Chor ist es außerdem nur ein Katzensprung und ihre beiden Kinder wohnen zwar 30 Autominuten entfernt, kommen aber öfter als nur zu Weihnachten. Und falls sie irgendwann auf mehr Hilfe angewiesen ist, dann kommt die häusliche Pflege - alles schon geklärt. Für viele ältere Menschen ist das die Idealvorstellung des Älterwerdens, mit der Realität hat sie jedoch leider nur selten zu tun.

Bis 2025 wird in Sachsen-Anhalt vermutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung über 50 Jahre alt sein. Gleichzeitig steigt der Anteil der über 65-Jährigen deutlich, auf dann schätzungsweise 31 Prozent. Ausgehend von diesen demografischen Fakten gibt es in Sachsen-Anhalt seit 2008 ein von der Landesregierung erarbeitetes "Seniorenpolitisches Programm". Es stellt die Grundlage der Landespolitik bis 2020 dar und schreibt Leitziele für Bereiche wie Beteiligung, Wohnen, Bildung, Betreuung und Hilfe im Alter fest.

Ein wesentlicher Grundsatz ist, ältere Menschen so lange wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen und Mitgestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen. "Die ältere Generation hat jede Menge Kompetenzen, Wissen und Erfahrungen, die wir nutzen sollten", sagt Angelika Zander, Schatzmeisterin der Landesseniorenvertretung Sachsen-Anhalt e.V. Wie dies von politischer Seite noch besser gefördert werden kann, ist eines der zentralen Themen beim 8. Seniorenforum am 22. September im Landtag.

Weitere Schwerpunkte werden die soziale und kulturelle Versorgung sowie die Gesundheitsvorsorge im ländlichen Raum sein. Gerade weil die Mobilität im Alter nachlasse, müssten bessere Möglichkeiten geschaffen werden, weiter am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ohne Probleme einen Arzt aufzusuchen, unterstreicht Angelika Zander die Notwendigkeit dieses Themas. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass "Ältersein" einen großen Zeitraum des Lebens (30 Jahre und mehr) umfassen kann.

Das Seniorenforen im Landtag hat sich in den vergangenen 15 Jahren zu einer parlamentarischen Tradition entwickelt. Sie ermöglicht Vertretern der älteren Generation direkt mit Landtagsabgeordneten Ideen auszutauschen und zu diskutieren. Nach verschiedenen Impulsreferaten am Vormittag diskutieren Seniorenvertreter hinter verschlossenen Türen in drei Arbeitsgruppen über Themen wie Gesundheitsförderung, ehrenamtliche Tätigkeit und politische Teilhabe. Am Nachmittag präsentieren sie ihre Ergebnisse im Plenum und stimmen über die erarbeitete Beschlussvorlage ab. Jeder Interessierte ist herzlich eingeladen das 8. Seniorenforum von der Besuchertribüne des Plenarsaals zu verfolgen.

Stefanie Böhme

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VORGESTELLT

Der Duft von frisch bedrucktem Papier

Blauer Kittel, flinke Gestalt: Jeder, der schon mal mit der Landtagsdruckerei zu tun hatte, weiß, dass es sich hier nur um Michael Neundorf handeln kann. Seit 2010 ist er einer der zwei Drucker in der hauseigenen "Papierverarbeitungsfabrik".


In einigen Kellerräumen des Landtags von Sachsen-Anhalt surrt, brummt und knistert es so beständig, dass man genau das findet, was man hinter den Türen vermutet: eine hauseigene Druckerei. Doch wer nun denkt, es handele sich um eine Zweigstelle eines großen Verlags, der irrt, denn hier werden nur hausinterne Produkte erzeugt: Von der Visiten- oder Einladungskarte über gesetzte Briefbögen bis zu Broschüren in kleiner Auflage. Herzstück der Produktion ist aber der Druck der Landtagsdokumente - Papiere aus den Ausschüssen, Drucksachen, Gesetzestexte und der täglich erscheinende Pressespiegel.

Einer der beiden Drucker des Hauses ist der 30-jährige Michael Neundorf. Der gelernte Offsetdrucker (also noch "alte Schule") arbeitet seit 2010 im Landtag und hat auch sogleich die Antwort parat, warum der Landtag überhaupt eine eigene Druckerei braucht: "Viele Erzeugnisse werden in geringer Stückzahl produziert, da wäre es zu zeit- und kostenaufwendig, sie außerhalb herstellen zu lassen. Zudem sind wir eine On-Demand-Druckerei und reagieren schnell auf die Wünsche und Nöte aus dem Haus", erklärt Michael Neundorf. "Ein nicht zu verachtendes Detail ist auch, dass bestimmte Dokumente nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und deswegen lieber gleich im Hause gedruckt werden."

Seinen Beruf hat Michael Neundorf in der Wertpapierdruckerei Leipzig erlernt, wo bis heute Geldscheine und Briefmarken produziert werden. Dort wurde wie in einer Zeitungsdruckerei im sogenannten Offsetverfahren gedruckt, also große Auflagen, die von riesigen Maschinen erzeugt wurden. Im Landtag wird dagegen per Digitaldruck gearbeitet. "Statt an einer Maschine eine Schraube festzudrehen, geht man hier per Computer auf Fehlersuche oder füttert die Druckmaschine an der Tastatur mit den nötigen Informationen", sagt der Fachmann. Da er sowieso computerbegeistert ist, wächst das Know-how in Sachen rechnergesteuerter Digitaldruck einfach mit.

Die technischen Möglichkeiten verlangen auch dem jungen Drucker einiges ab. Zeitmanagement mit seinem Kollegen ist gefragt, wenn bisweilen die vier Druckmaschinen parallel laufen und gefalzt, geheftet, gelocht und getackert werden muss und gleichzeitig am Computer letzte Layoutaufgaben gelöst werden. Layout ist übrigens ein gutes Stichwort: Mit viel Kreativität beweist Michael Neundorf, dass selbst Produkte aus einer Landtagsdruckerei sich in Bezug auf Design und Einfallsreichtum nicht verstecken müssen - und wenn es "nur" schicke Einladungskarten zu einer Ausstellungseröffnung im Landtag sind. Was allein zählt, ist die Bastelei mit der Bildbearbeitung, dieses Gefühl, wenn die Maschinen in Gang gesetzt werden und am Ende der fertige Druck mit seinem unverkennbaren Duft in der Ablage auftaucht - in lebendigen Farben, auf griffigem Papier.

Dr. Stefan Müller

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AUSSTELLUNGEN IM LANDTAG
VON JULI BIS SEPTEMBER 2015

DIE ELBE - VON BRÜCKE ZU BRÜCKE
WALTRAUD REINKE | 01.07. - 31.07.2015
"Wer an der Elbe geboren wurde, den lässt sie nicht mehr los", ist Waltraud Reinke überzeugt. Und die Liebe der Menschen zu ihrem Fluss habe auch durch das Hochwasser von 2013 keinen Dämpfer bekommen. Reinke kommt aus der kleinen Hansestadt Werben, ganz im Osten der Altmark und hält in lebendigen, heiteren und naiven Landschaftsbildern die Schönheit und Einzigartigkeit der Elbe fest, egal zu welcher Jahreszeit und an welcher Flussbiegung. Die Ausstellung "Die Elbe - von Brücke zu Brücke" ist vom 1. bis 31. Juli 2015 im Landtag von Sachsen-Anhalt zu sehen.


STARKE SCHULE - STARKE SCHÜLER

TERMIN: 26.08. - 30.09.2015
Die Exposition gibt einen Überblick über das Programm "Schulerfolg sichern!". Auf neun Informationstafeln werden unterschiedliche Ansätze der Schulsozialarbeit zur Senkung der Schulabbruchquote in Sachsen-Anhalt vorgestellt und erläutert. Die Wanderausstellung dient als Mittel der Kommunikation zwischen den Schulsozialarbeitern und der breiten Öffentlichkeit. Sie sensibilisiert für die Erfolge und die Notwendigkeit dieses Arbeitsfeldes bzw. zeigt auf, wie "stark" Schule mit Schulsozialarbeit sein kann. Der konzeptionelle Ansatz verfolgt das Ziel, gleichermaßen Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte und insbesondere die Eltern zu informieren.


MALGALERIE
TERMIN: 2.9. - 30.9.2015
Das Projekt Malgalerie wird vom Landesverband für Straffälligen- und Bewährungshilfe organisiert. Für den jährlich stattfindenden Wettbewerb können alle Häftlinge der Justizvollzugsanstalten (JVA) Sachsen-Anhalts sowie der Jugendanstalt Raßnitz selbst gestaltete Bilder einreichen, von denen die besten prämiert werden. Die Malgalerie ist Teil eines integrativen Konzeptes, das den Inhaftierten helfen soll, Resozialisierungsziele bereits während der Haftzeit anzusteuern. Die sportlichen Initiativen und Aktivitäten sowie kulturellen Angebote dienen nicht nur der Freizeitbeschäftigung, sondern sollen den Insassen helfen, sich mit ihrem Leben und Erlebten auseinanderzusetzen und dabei langfristig auf die Vermeidung von Rückfällen hinzuarbeiten. Erfolge zeigen sich im Erlernen von Toleranz und Grenzsetzung in demokratischen Gefügen, dem Erkennen von Unterschieden in der Eigen- und Fremdwahrnehmung und nicht zuletzt in der Stärkung des Selbstbewusstseins.

Die Malgalerie bietet darüber hinaus den Betrachtern Gelegenheit, darüber ins Gespräch zu kommen, wie die Rückkehr in die Gesellschaft nach dem Ende der Haftzeit gelingen kann.

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IM BLICKPUNKT

GUT INFORMIERT - MIT DEN PUBLIKATIONEN DES LANDTAGES

• Was gehört zu den Aufgaben des Landtages?
• Wann und wie kann ich eine Petition einreichen?
• Themen aus dem Plenum und den Ausschüssen!

Ein breites Informationsangebot finden Sie im Internet und auch in den gedruckten Publikationen des Landtages. Diese können Sie bestellen oder abonnieren. Sie werden Ihnen kostenfrei zugesandt:

Landtag von Sachsen-Anhalt | Domplatz 6-9 | 39104 Magdeburg
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IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Auflage und Erscheinen: 10.000 Exemplare, vierteljährlich

Redaktion/Bestelladresse: Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst
und Protokoll
Domplatz 6-9, 39094 Magdeburg
Fon: 0391 / 560 0
Fax: 0391 / 560 1123
www.landtag.sachsen-anhalt.de
landtag@lt.sachsen-anhalt.de

Redaktion: Ursula Lüdkemeier (Ltg.), Stefanie Böhme, Ulrich Grimm,
Dr. Stefan Müller, Gudrun Oelze, Wolfgang Schulz

Fotos & Grafiken:
Titel: picture alliance/ZB
Seite 2: Landtag von Sachsen-Anhalt;
Seite 4: Marc Tollas/pixelio.de; Stefanie Böhme;
Seite 6 - 7: Stefanie Böhme;
Seite 8: Sparkasse Magdeburg; Uwe Seinbrich;
Seite 9: Sparkasse Magdeburg;
Seite 10: picture alliance/dpa;
Seite 11: SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt; Wolfgang Schulz;
Seite 12: Wolfgang Schulz;
Seite 14: Musée des Beaux-Arts Reims
Seite 15: Nationalmuseum Oslo;
Seite 16: WittenbergKultur e.V.
Seite 17: WittenbergKultur e.V.
Seite 18: picture aliance /zb
Seite 19: Robert Kneschke/fotolia.com
Seite 20: Harald Krieg/IMG; Foto Klapper Magdeburg;
Seite 21: Foto: v.poth/fotolia.com
Seite 22: maxcam/fotolia.com
Seite 23: Marek Gottschalk/fotolia.com
Seite 24: Stephan Dehn;
Seite 25: IdeenGut OHG;
Seite 26: Jugend debattiert;
Seite 27: Jan-Malte Henk;
Seite 28: Ulrich Grimm;
Seite 29: Foto Klapper Magdeburg;
Seite 30: Dr. Stefan Müller;
Seite 31: Landtag von Sachsen-Anhalt

Satz & Gestaltung:
IdeenGut OHG | www.ideengut.info

Druck:
Harzdruckerei GmbH | www.harzdruck.de

Redaktionsschluss 05.06.2015.

Dieses Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

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Quelle:
ZwischenRuf 2/2015
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Internet: www.landtag.sachsen-anhalt.de
 
Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2015

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