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SCHLESWIG-HOLSTEIN/1786: Bundeswehrreform bringt herbe Einschnitte (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 10 - Dezember 2011

Bundeswehrreform bringt herbe Einschnitte
Landtag: Bund darf keine verbrannte Erde hinterlassen


Die Bundeswehr zieht ab, aber der Bund bleibt in der Pflicht: Berlin soll schleswig-holsteinischen Kommunen, die von der drastischen Reduzierung von Standorten und Dienstposten betroffen sind, unter die Arme greifen. Hierüber herrscht große Einigkeit im Landtag. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) forderte den Bund in einer Regierungserklärung auf, seine Liegenschaften "nicht zu Höchstpreisen zu verkaufen", sondern verbilligt und altlastenfrei an Nachnutzer und Investoren abzugeben. Zudem müsse das Verteidigungsministerium "zügig" Zeitpläne vorlegen, wann der Truppenabzug abgeschlossen sein soll - vor Ort brauche man Planungssicherheit.


Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) forderte dagegen, zunächst einmal für den Erhalt der Standorte zu kämpfen, denn die verkündeten Entscheidungen seien "noch keineswegs unverrückbar". Als Beispiele für "unsinnige" Vorhaben nannte Stegner die Schließung des Kieler Marinearsenals und des Flottenkommandos in Glücksburg sowie die Kürzungspläne beim Heer in Boostedt (s. unten). Auch Carstensen zweifelte am Sinn dieser Entscheidungen, gab aber zu bedenken: "Der Bundesminister wird für niemanden das Paket noch einmal aufschnüren."

Stegner monierte zudem, dass Schleswig-Holstein "weit überproportional" von der Reform betroffen sei. Er warf der Landesregierung vor, die Interessen des Landes bei den schwarzgelben Parteifreunden in Berlin nicht durchgesetzt zu haben. Hier gingen die Fraktionschefs Johannes Callsen (CDU) und Wolfgang Kubicki (FDP) auf Gegenkurs. Callsen attestierte der Landesregierung, "den Geist der Tat und nicht des Jammerns" an den Tag gelegt zu haben. So sei es ein Erfolg des Ministerpräsidenten, dass die für den Küstenschutz wichtigen Pioniere in Husum bleiben sollen. Kubicki warf der SPD vor, den Umbau der Bundeswehr zwar im Prinzip zu begrüßen, aber immer dagegen zu sein, wenn es konkret werde. Das sei "rein destruktiv".

Auch Grünen-Fraktionschef Robert Habeck wies die Kritik der Soziademokraten an der Landesregierung zurück: Ein sozialdemokratischer Ministerpräsident "hätte eins zu eins die gleiche Rede gehalten". Vom Bund forderte Habeck, anstatt in das Militär nun in Bildung und Forschung im Norden zu investieren.

Auch das Land bietet Unterstützung an

Schleswig-Holstein, bislang das Land mit der größten Dichte an Dienstposten, ist von der Ende Oktober verkündeten Reform mit am stärksten betroffen. Das Land verliert 10.700 seiner 26.000 Soldaten und zivilen Mitarbeiter. Vor der Wende waren noch 86.000 Mann im Lande stationiert. Weitere acht Standorte werden nun geschlossen, andere radikal verkleinert. Das seien "bittere Nachrichten für viele Menschen im Land", so Carstensen. Den betroffenen Städten und Gemeinden sagte er Unterstützung zu: "Wir lassen Euch nicht alleine." Das Kabinett habe einen "Aktionsplan Konversion" aufgelegt, der den Gemeinden Beratung und Service biete. Das Konversionsbüro im Wirtschaftsministerium fördere Gutachten und Machbarkeitsstudien.

Anke Spoorendonk (SSW) zeigte sich bei den Zukunftsaussichten vieler Standorte dennoch skeptisch. "Ohne die Hilfe von Förderprogrammen" werde die Konversion nicht gelingen. "Wir brauchen dafür Geld, das wir nicht haben." Die Landesmittel reichten "nur noch für Planungen" aus - nicht jedoch für Investitionen, meinte Spoorendonk. Antje Jansen begrüßte für die Linken "jeden Rückbau der Bundeswehr". Der Aktionsplan der Landesregierung sei "nur heiße Luft", so Jansen, denn er enthalte lediglich bereits bestehende Förderprogramme. Stattdessen müsse der Bund "die halbe Milliarde Euro", die er im Norden einspare, komplett im Lande belassen.

Der Innen- und Rechtsausschuss berät weiter.

Drucksachen 17/1940, /1973, /1974, /1978, /2013)


DIE PLÄNE

Schließungen:

Alt Duvenstedt (940 Dienstposten):
Das 5. Aufklärungsbataillon und das Lufttransportgeschwader (LTG) 63 werden aufgelöst.
Hohn (850):
Betroffen sind ebenfalls Teile des LTG 63.
Glücksburg (920):
Das Marine-Flottenkommando geht nach Rostock.
Lütjenburg (830):
Unter anderem werden das Flugabwehrregiment 6 und die Sanitätsstaffel aufgelöst.
Seeth (720):
Aufgelöst wird unter anderem das Lazarettregiment 11. Dazu: Ladelund (50), Bargum (40), Hürup (20)

Deutliche Reduzierungen:

Boostedt: Nur 40 von 1.980 Dienstposten bleiben übrig. Betroffen sind das Instandsetzungsbataillon 166 und das Logistikbataillon 162.
Kiel verliert 1.700 seiner 5.290 Posten. Das Marinearsenal, das 5. Minensuchgeschwader, das Wehrbereichskommando, das Kreiswehrersatzamt und das Marinefliegergeschwader 5 fallen weg.
Stadum: Es bleiben 1.070 von 1.590 Dienstposten. Die Flugabwehrraketengruppe fällt weg.
Oldenburg: Statt 740 künftig 250 Dienstposten. Unter anderem wird das Flugabwehrlehrregiment gestrichen.
Plön behält die Marineunteroffiziersschule, verliert aber fast die Hälfte der 940 Stellen.
Flensburg büßt 350 von 840 Stellen ein. Unter anderem wird das Dienstleistungszentrum aufgelöst.
Husum verliert die Flugabwehrgruppe mit 280 der 2.630 Dienstposten.
Appen: 150 der 500 Posten fallen weg.
Dazu: Schleswig, Bramstedtlund und Itzehoe sinken von jeweils rund 70 auf unter zehn Posten.

Aufstockungen:

Jagel: Der Fliegerhorst wird um 90 auf 1.530 Posten vergrößert.
Eckernförde erhält die Marineschutzkräfte aus Alt Duvenstedt sowie eventuell fünf Korvetten aus Warnemünde.


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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 10 im Dezember 2011, S. 3
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2012