Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

SCHLESWIG-HOLSTEIN/1831: Verhältnis zu Hamburg und "Nordstaat" bleiben umstritten (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 03 - März 2012

Abschlussbericht der Enquete-Kommission
Verhältnis zu Hamburg und "Nordstaat" bleiben umstritten



Wie bereits in der letzten Ausgabe berichtet, hat eine Enquete-Kommission des Landtages in zweijähriger Arbeit die Chancen der norddeutschen Zusammenarbeit ausgeleuchtet und in einem 400 Seiten starken Abschlussbericht eine engere Verzahnung von Politik und Verwaltung im Norden angemahnt. Nun diskutierte das Plenum. Schleswig-Holstein könne "Motor" der Entwicklung werden, betonte der Kommissionsvorsitzende Markus Matthießen (CDU) bei der Vorstellung des Papiers. Es gebe zahlreiche gemeinsame Interessen, etwa in der Verkehrs-, Energie- und Bildungspolitik, und es gebe "Sparpotenziale". Wie die Zusammenarbeit konkret vorangebracht werden kann und wie weit sie gehen soll, blieb allerdings umstritten.


Knackpunkt war vor allem das zuletzt angespannte Verhältnis zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg. So hatte der Hamburger Plan, eine Konkurrenzveranstaltung zur traditionellen Husumer Windmesse auszurichten, für Verstimmung in Kiel gesorgt. CDU-Fraktionschef Johannes Callsen warnte in diesem Zusammenhang vor "Hamburger Alleingängen zulasten seiner Nachbarn" und mahnte eine "Allianz auf Augenhöhe und in Partnerschaft" an. Auch Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) prangerte die "ausgestreckte Faust" Hamburgs in dieser Frage an.

Gitta Trauernicht (SPD), stellvertretende Enquete-Vorsitzende, hielt der Koalition hingegen vor, die Beziehungen zur Hansestadt durch "beleidigtes, kleinliches Verweigern" auf einen "Tiefstand" gebracht zu haben. Trauernicht warb für den Vorstoß der Hamburger Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD), eine gemeinsame Gesprächsrunde der Parlamente von Schleswig-Holstein und Hamburg einzurichten. CDU-Mann Callsen hatte dies zuvor als "reines SPD-Wahlkampfmanöver" zurückgewiesen. Auch FDP, Grüne und SSW waren skeptisch.

Streitthema Länderfusion

In dem Abschlussbericht unterstreichen die Fraktionen ihre unterschiedlichen Standpunkte: CDU und FDP schlagen eine Parlamentarierkonferenz mit Vertretern aller norddeutschen Landtage vor. SPD und Grüne fordern länderübergreifende Ausschüsse. Linke und SSW erteilten vor allem einer Länderfusion von Hamburg und Schleswig-Holstein eine Absage.

Anke Spoorendonk (SSW) wandte sich in der Debatte gegen das "technokratische Hirngespinst namens Nordstaat". Die Enquete habe in ihren Beratungen und Anhörungen "keinen Beleg" dafür gefunden, dass eine Länderfusion Geld spart. Und Heinz-Werner Jezewski (Linke) stellte heraus: "Wir haben eine gewachsene und funktionierende Struktur." Bei einer zu engen Anlehnung an Hamburg könne der nördliche Landesteil "vor die Hunde gehen". Kooperation sei "kein Selbstzweck", mahnte auch Ingrid Brand-Hückstädt (FDP). Für jedes gemeinsame Projekt müsse zunächst eine "Kosten-Nutzen-Rechnung" erstellt werden.

Demgegenüber forderte Ines Strehlau (Grüne), es dürfe "keine Denkverbote" geben; "notwendige strukturelle Veränderungen" müssten angegangen werden. Strehlau kritisierte "Bedenkenträger, die alles so lassen wollen wie es ist, weil es immer so war."

Das Abschlusspapier wird in allen Landtagsausschüssen weiter beraten.

(Drucksache 17/2230)


Die Nord-Enquete

"Zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe" kann der Landtag laut Geschäftsordnung Enquete-Kommissionen (vom französischen Wort enquête, "Untersuchung") einsetzen. An diesen überfraktionellen Arbeitsgruppen können auch Nicht-Parlamentarier teilnehmen - in diesem Fall der Vizepräses der IHK Lübeck, Bernd Jorkisch, den die CDU benannt hatte. Um eine solche Kommission einzurichten, ist die Zustimmung eines Viertels des Landtages erforderlich. Die Kommission erstellt einen Bericht, der im Parlament diskutiert wird.

Die Kommission "Chancen einer verstärkten norddeutschen Kooperation" ist die siebte Enquete des Schleswig-Holsteinischen Landtages seit 1947.‍ ‍Beantragt wurde sie von SPD und Grünen. Zwischen März 2010 und Februar 2012 ist sie zu 29 Sitzungen zusammengekommen, hat 78 Sachverständige mündlich angehört und in großem Umfang schriftliche Stellungnahmen eingeholt.

*

Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 03 im März 2012, S. 3
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages,
Referat für Öffentlichkeitsarbeit, Postfach 7121, 24171 Kiel
Telefon: 0431/988-11 16
E-Mail: awk@landtag.ltsh.de
Internet: www.sh-landtag.de
 
Die Landtagszeitung erscheint in der Regel zehnmal
jährlich. Abonnement und Versand sind kostenfrei.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2012