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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2069: Landesverfassung - Landtag lehnt Gottesbezug ab (Landtag)


Der Landtag - Nr. 03 / Oktober 2014
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

PLENUM
Landesverfassung: Landtag lehnt Gottesbezug ab



Mehr Transparenz, Minderheitenschutz und Bürgerrechte - aber kein Gottesbezug. Der Landtag hat im Oktober eine stark reformierte Landesverfassung beschlossen.


In der dreistündigen Debatte ging es vor allem um die Frage, ob die "Verantwortung vor Gott und den Menschen" in die Präambel, das Vorwort der Verfassung, aufgenommen werden soll. Diese von der CDU vorgelegte Formulierung fand auch in anderen Parteien Anhänger. Landtagspräsident Klaus Schlie nannte das Bekenntnis zu Gott "identitätsstiftend" für viele Menschen im Land. Es dürfe in der Verfassung nicht "ignoriert" oder "verschwiegen" werden. Patrick Breyer (Piraten) pochte dagegen auf die Neutralität des Staates: "Religion ist Privatsache."

Die Abgeordneten Daniel Günther (CDU), Bernd Heinemann (SPD), Andreas Tietze (Grüne), Wolfgang Dudda (Piraten) und Jette Waldinger-Thiering (SSW) hatten einen eigenen Antrag vorgelegt, um den verschiedenen Positionen gerecht zu werden. Sie schlugen vor, neben der "Verantwortung vor Gott" auch das "philosophische und humanistische Erbe" in der Verfassung zu verankern.

Am Ende verfehlten sowohl der CDU-Entwurf (29 Ja-Stimmen) als auch der interfraktionelle Antrag (33 Ja-Stimmen) die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit von 46 Stimmen. Nachdem der Gottesbezug gescheitert war, stimmte auch die CDU der neuen Verfassung "mit Bauchweh" zu. Schließlich votierten 61 der 69 Abgeordneten für die Verfassungsänderung. Es gab drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Drei Abgeordnete fehlten erkrankt.

Den neuen Verfassungstext hatte ein Sonderausschuss des Landtages in einjährigen Beratungen erarbeitet. Entstanden sei ein "Meilenstein in der Geschichte des Landes", wie Landtagspräsident Schlie als Vorsitzender des Sonderausschusses betonte. Für weite Teile des neuen Regelwerks gab es einhelliges Lob im Landtag. Tenor: Die Landesverfassung ist nun bürgerfreundlicher und lebensnäher. Neue Staatsziele sind die digitale Privatsphäre, eine unbürokratische Verwaltung und die Inklusion von Behinderten und Nicht-Behinderten. Die dänischen Schulen werden finanziell den deutschen gleichgestellt. Die FDP forderte, auch alle deutschen Privatschulen gleichzustellen. Dies lehnte das Parlament jedoch ab. Auch der Vorschlag der Piraten, eine Volksabstimmung über die Verfassung abzuhalten, fand keine Mehrheit.

Ein weiterer Punkt: Es gelten jetzt niedrigere Hürden, wenn Bürger ein Volksbegehren und einen Volksentscheid anstoßen wollen. Für Volksbegehren beträgt das Quorum nicht mehr fünf Prozent der Stimmberechtigten - etwa 112.000 Stimmen -, sondern es reichen 80.000 Stimmen. Bei Volksentscheiden genügt künftig eine Mehrheit von 15 Prozent der Stimmberechtigten (vorher: 25 Prozent). Hiervon könnten die Kirchen profitieren. Nachdem der Gottesbezug gescheitert war, kündigte ein Kirchensprecher an, jetzt werde die Möglichkeit eines Volksentscheides geprüft.

(Drucksachen 18/196, /2115, /2116, /2361, /2327, /2365)

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 03 / Oktober 2014, S. 15
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2014