Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → SPD

WIRTSCHAFT/2421: Sofortprogramm für eine zukunftsorientierte Infrastruktur


SPD-Pressemitteilung 187/13 vom 8. Mai 2013

Steinbrück: Sofortprogramm für eine zukunftsorientierte Infrastruktur



Auf dem Zukunftsforum Infrastruktur in Duisburg hat der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück folgendes Papier vorgestellt:

Sofortprogramm für eine zukunftsorientierte Infrastruktur

Seit Jahren baut sich in Deutschland ein riesiger Investitionsstau auf. Die Investitionen reichen weder, um unsere Verkehrsinfrastruktur zu erhalten noch für anstehende Zukunftsaufgaben wie den Breitbandausbau oder den Ausbau der Energienetze. Die Bundesregierung hat keinen Plan und keine Kraft für die Zukunftssicherung unseres Standorts.

Nach Übernahme der Regierungsverantwortung werden wir sofort ein Programm zur Beseitigung des Investitionsstaus und zum Ausbau der Infrastruktur starten. Dabei steht die Frage der Finanzierung im Vordergrund, denn die Modernisierung der Infrastruktur wird ein finanzieller Kraftakt. Die derzeitige Einnahmesituation des Staates reicht dazu nicht aus. Auch deshalb werden wir einige Steuern für wenige erhöhen. Wir wollen darüber hinaus mehr privates Kapital für Zukunftsinvestitionen mobilisieren und dazu bestehende Hemmnisse abbauen. Auch den Bürgerinnen und Bürgern wollen wir die Möglichkeit eröffnen, sich mit eigenem Kapital an Projekten zu beteiligen, die ihnen wichtig sind.

Unser Sofortprogramm zur Beseitigung des Investitionstaus in der Infrastruktur besteht aus folgenden Elementen:

1. Aufstockung der Bundesmittel für den Ausbau und die Sanierung der Verkehrswege und neue Prioritätensetzung beim Einsatz der Mittel

Wir wollen:
- im Bundeshaushalt jährlich zusätzlich mindestens zwei Milliarden Euro verlässlich für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stellen;

- bei der Verteilung der Finanzmittel dem Erhalt der Straßen und Schienenwege Priorität vor Aus- und Neubau einräumen;

- beim Aus- und Neubau eine klare Priorität bei der Beseitigung von Engpässen setzen. Hierfür wollen wir ein "Nationales Verkehrswegeprogramm" auflegen, in das 80 Prozent der Neu- und Ausbaumittel fließen;

- die Erschließung der Fläche nicht vernachlässigen. Hierfür werden wir weiterhin 20 Prozent der Investitionsmittel des Verkehrsetats für den Neu- und Ausbau zur Verfügung stellen;

- Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden kann und die Mehreinnahmen ohne Abstriche in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden.

Notwendig ist darüber hinaus ein breiter gesellschaftlicher Konsens für eine grundlegende Reform der Planung, Durchführung und Finanzierung von Verkehrsinvestitionen. Zu diesem Infrastrukturkonsens gehört auch eine frühzeitige Bürgerbeteiligung. Sie steht nicht im Widerspruch zu kurzen Planungs- und Bauzeiten, im Gegenteil. Wenn die Interessen der Bürger wie z.B. der Lärmschutz schon frühzeitig in der Planung berücksichtigt werden, ist das vertrauensbildend und fördert die Akzeptanz.

Wir werden darüber hinaus die Kommunen dabei unterstützen, ihre kommunale Infrastruktur instand zu setzen bzw. auszubauen. Aufgrund der angespannten Finanzlage vieler Städte und Gemeinden ist ein solidarischer Beitrag des Bundes erforderlich. Wir verbessern die Finanzlage der Kommunen durch das SPD-Finanzierungskonzept und die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund um knapp 6,6 Mrd. Euro im ersten bis auf 9,2 Mrd. Euro im vierten Jahr einer SPD-geführten Regierung. Zusätzlich werden wir die Bundesmittel für die Städtebauförderung auf 700 Millionen Euro jährlich anheben und auf hohem Niveau verstetigen.

Darüber hinaus werden wir ein durch den Bund garantiertes Kreditprogramm der KfW für Kommunen auflegen. Die Kreditfinanzierung ist für finanzschwache Kommunen zuletzt deutlich schwieriger geworden. Dies liegt vor allem daran, dass sich viele Banken krisenbedingt aus der Kommunalfinanzierung zurückgezogen haben. Die noch verbliebenen Institute vergeben Kredite verstärkt risikoorientiert. Durch die Bundesgarantie wird die Kreditvergabe an Kommunen erleichtert. Gefördert werden allein investive Kredite und keine Kassenkredite. (Siehe hierzu auch die gemeinsame Erklärung mit den SPD-Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom 2. Mai 2013 zum Investitionspakt "WIR investieren für Deutschland")

2. Breitbandfonds: Breitband für alle! Wege für einen flächendeckenden Ausbau

Der Ausbau auch ländlicher Regionen mit schnellem Internet ist nicht irgendeine Investition. Es ist die zentrale Investition, um die digitale Spaltung unseres Landes zu verhindern. Wenn sich die digitale Spaltung vertieft, werden die Mittelständler in ländlichen Regionen Schritt für Schritt ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Sie werden gezwungen sein, ihre Betriebe in die besser versorgten Zentren zu verlagern. Auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden noch mehr als heute in die Städte abwandern, weil dann nur noch dort gut bezahlte Arbeitsplätze angeboten werden können. Mitten im demografischen Wandel droht damit, dass die Abwanderung aus ländlichen Räumen beschleunigt wird. Ohne Breitbandausbau werden weite Teile unseres Landes von der Zukunft abgekoppelt. Das werden wir verhindern!

Das Hauptproblem beim Breitbandausbau ist, dass ein Glasfaseranschluss in ländlichen Regionen um ein Vielfaches teurer ist als in den Zentren. Für die Netzanbieter ist der weitere Ausbau nur dann wirtschaftlich, wenn Zuzahlungen seitens der Kommune bzw. des Breitbandnutzers geleistet werden. Hier setzt unser Breitband-Konzept an. Die Rentabilitätslücke der ausbauenden Unternehmen wird durch eine "Breitbandhilfe" geschlossen. Von den Zuzahlungen, die der Netzversorger verlangen muss, damit sich der Ausbau nach einer Amortisationszeit von 20 Jahren rentiert, werden 50 % bis zu einem Höchstbetrag von 2.000 Euro pro Hausanschluss als Förderung übernommen. Der Wettbewerb unter den Telekommunikationsunternehmen stellt sicher, dass Zuzahlungen nur in dem Umfang verlangt werden, der die tatsächliche Rentabilitätslücke darstellt. Sollte ein Unternehmen höhere Zuzahlungen verlangen, würde es von Wettbewerbern mit einem niedrigeren Zuzahlungspreis schnell unterboten werden. Gebiete, die ohne Zuschuss rentabel ausgebaut werden können, fallen auf diese Weise auch weiterhin nicht unter die Förderung, sondern werden von einem Breitbandunternehmen ohne staatliche Hilfe ausgebaut. Das Geld für die Breitbandhilfe wird nicht vom Bundeshaushalt, sondern durch "Breitbandfonds" zur Verfügung gestellt. Hierein können alle Bürgerinnen und Bürger einzahlen. Ihre Einzahlung wird mit einem Aufschlag über den derzeitigen Sparzinsen der Banken verzinst und muss für mindestens 5 Jahre angelegt werden. Die Rückzahlung der Fondsmittel an die Bürger erfolgt über die Einnahmen, die bei den in einigen Jahren anstehenden Frequenzauktionen erzielt werden. Der Breitbandfonds ist ein erstes Beispiel für neue Formen bürgerschaftlicher Beteiligung, die wir auch in anderen Infrastrukturbereichen mit kommunalen Anleihen und regionalen "Bürger-Fonds" fördern wollen.

3. Mobilisierung von privatem Kapital aus der Versicherungswirtschaft und von Pensionsfonds für Energieinfrastrukturprojekte

Für einen Industriestandort wie Deutschland ist eine sichere Stromversorgung eine absolute Notwendigkeit. Die Energiewende ist ohne Modernisierung und Ausbau der Netzinfrastruktur nicht machbar. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Modernisierung der Netze müssen Hand in Hand gehen, um weiterhin die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig die Kosten im Griff zu halten. Das gilt sowohl für die Verteilnetze als auch für die Übertragungsnetze. Um zu vermeiden, dass es zu Spannungsabfällen und Frequenzstörungen kommt, müssen die regionalen Verteilnetze zu "intelligenten" Leitungssystemen ausgebaut werden. Denn zunehmend mehr Verbraucher werden zu Erzeugern und speisen ihren Strom unregelmäßig ein, z.B. über ihre Photovoltaikanlage auf dem Dach. Wir brauchen für den Ausbau der Verteilnetze eine Reform der Anreizregulierung bei den Netzentgelten, damit private Netzbetreiber verstärkt in Smart Grids und neue Technologien der Netzübertragung investieren. Auf der Grundlage des Planungs- und Genehmigungsrechts ist eine Synchronisation des Ausbaus von Übertragungsnetzen und großen Stromerzeugern unabdingbar. Dies gilt z.B. für den Bau und den Netzanschluss von Offshore-Windparks. Zudem muss aufgrund der wetterabhängigen, nicht konstanten Einspeisung sichergestellt werden, dass die Erneuerbaren Energien in das Gesamtsystem integriert werden und durch fossile Kapazitäten abgesichert bleiben. Auch hier gilt: Ertüchtigung vorhandener Trassen vor Neubau und ein Monitoring, das die Ausbauziele mit der tatsächlichen Entwicklung abgleicht. Die Akzeptanz der Bürger für den Netzausbau ist nur durch ein schlüssiges Gesamtkonzept zu erreichen.

Mangelhafte Koordinierung und fehlende Planungssicherheit insbesondere im Übertragungsnetzausbau sind vielfach Investitionshemmnisse für privates Kapital. Vor dem Hintergrund der notwenigen Abwägung zwischen dem Umfang des Netzausbaus und den möglichen Alternativen wollen wir auf eine Zusammenführung der vier großen Übertragungsnetzbetreiber in eine Deutsche Netz AG hinwirken, an der sich die öffentliche Hand in dem Maße beteiligt, dass sie Einfluss auf den Netzausbau nehmen kann. Doch in erster Linie soll die Finanzierung durch privates Kapital erfolgen.

Investitionen in Energieinfrastruktur sind klassischerweise geeignet für Finanzinvestoren, die lange Laufzeiten und niedrige Rendite/Risikoprofile bevorzugen. Gerade vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Niedrigzinsumfeldes suchen insbesondere Versicherungen oder Pensionsfonds nach solchen Anlagemöglichkeiten. Dazu müssen die Haftungsrisiken für Investoren gerade im Bereich der Offshore-Anbindung hinreichend transparent gemacht und minimiert werden. Darüber hinaus werden wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die neuen Regulierungsvorschriften für Versicherungen (Solvency II) so ausgestaltet werden, dass Versicherungen mehr Kapital für den Netzausbau bereit stellen können. Zur Beschleunigung von großen grenzüberschreitenden Netzprojekten sollen die Mittel der Europäischen Investitionsbank ebenso als Anschubfinanzierung genutzt werden wie europäische "Projektbonds", die von der Europäischen Union mitfinanziert werden.

*

Quelle:
SPD-Pressemitteilung 187/13 vom 8. Mai 2013
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
Bürgerbüro, Willy-Brandt-Haus
Wilhelmstraße 141, 10963 Berlin
Tel.: 030/25 991-300, Fax: 030/25 991-507
E-Mail: pressestelle@spd.de
Internet: www.spd.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2013