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AFRIKA/1013: Südsudan - Genug gefeiert, Frauen fordern Rechtssicherheit und ein Ende der Gewalt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juli 2011

Südsudan: Genug gefeiert - Frauen fordern Rechtssicherheit und ein Ende der Gewalt

Von Protus Onyango und Charlton Doki


Juba, 13. Juli (IPS) - Südsudans neu erworbene politische Unabhängigkeit stellt die Regierung eines der weltweit ärmsten Länder vor erhebliche Probleme. Nach über 20 Jahren Bürgerkrieg und tief verwurzelten Stammeskonflikten warten die Menschen und vor allem die Frauen auf physische und rechtliche Sicherheit. Doch wegen der weithin fehlenden Infrastruktur ist eine staatliche Präsenz in Krisengebieten bislang kaum möglich.

Ohne ein Mindestmaß an Sicherheitsgarantien dürften auch die für die wirtschaftliche Entwicklung umworbenen ausländischen Investoren auf sich warten lassen, räumte Südsudans stellvertretender Staatspräsident Riech Machar Teny ein. "Wir sind rund um den Globus unterwegs, um nach Investoren zu suchen, mit deren Hilfe wir das Gesicht unseres Landes verändern können."

Auch Lazarus Sumbeiyeo, der als Mediator an den Friedensverhandlungen zwischen Nord- und Südsudan beteiligt war, appellierte an die internationale Gemeinschaft. "Die Sudsudanesen kennen sich mit Verwaltungssystemen und staatlichen Einrichtungen nicht aus. Ihr gegenseitiges Misstrauen ist groß. Deshalb brauchen sie Freunde aus nah und fern, um weiter zu kommen."


Mehr bewaffnete Zivilisten als Polizei

Einen Eindruck von der staatlichen Hilflosigkeit gegenüber der Gewalt vor Ort vermittelte der Politiker Gabriel Duop Lam, Sicherheitsminister im Bundesstaat Jonglie. "Wir sind machtlos, denn hier gibt es weit mehr bewaffnete Zivilisten als Polizisten", stellte er fest.

Besonders problematisch sei die Lage von Frauen und Mädchen, betonte Susan Purdin, die für den Südsudan zuständige Koordinatorin von Programmen des 'International Rescue Committee' (IRC), einer internationalen Hilfsorganisation, die sich um Flüchtlinge und Kriegsopfer kümmert.

"Als Vermächtnis des langen Bürgerkriegs ist hier Gewalt gegen Frauen und Kinder weiterhin alltäglich und wird toleriert", stellte sie fest. "Mit zunehmender Gewalt nehmen auch Schändungen und Misshandlungen zu. Hilfe für die Betroffenen gibt es ebenso wenig wie Präventionsmaßnahmen", kritisierte die erfahrene Aktivistin.

"Der Staat Südsudan wurde in eine Krise hinein geboren. Die sich ausbreitende Gewalt macht noch mehr Menschen heimatlos und erschwert die Erreichbarkeit von Gemeinden, die dringend Hilfe benötigen", erklärte Purdin.

In einem Bericht über die Lage vor Ort stellte die IRC-Mitarbeiterin Leora Ward fest, dass 52 Prozent der von ihr befragten Frauen die ihnen angetanen Gewaltverbrechen nicht anzeigen. Im Bundesstaat Lakes führten Stammeskonflikte zwischen Wanderhirten und Ackerbauern immer wieder zur Vertreibung, Brandschatzung, Vergewaltigung und anderen Misshandlungen, heißt es in dem Bericht.

Neuerdings sorgten auch die hohen, für viele Männer kaum bezahlbaren Brautpreise für gewaltsam ausgetragene Konflikte sowie - nach der oft frühen Heirat mit der teuren Braut - zu häuslicher Gewalt, stellt die IRC-Untersuchung fest. Gesundheitsstationen, in denen vergewaltigte Frauen Hilfe finden, wenn sie unerwünscht schwanger oder durch den Täter mit HIV oder Geschlechtskrankheiten infiziert wurden, seien kaum erreichbar.


Frauenschutzgesetze gefordert

Purdin forderte die Regierung in Juba zum Handeln auf. "Sie muss für Sondergesetze zum Schutz von Frauen und Mädchen sorgen. Mit Priorität müssen auch Bildungsangebote für Frauen und Mädchen eingerichtet werden, damit die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Gemeinden des neuen Südsudan überhaupt in Gang kommt.

Die Hilfsorganisation 'Plan International', die sich seit dem Ende des Bürgerkriegs im Südsudan durch Entwicklungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen um den Wiederaufbau in der Region bemüht, bestätigt die Beobachtungen des IRC. "Im Mittelpunkt unserer Programme stehen Stabilisierung und Friedensarbeit, denn viele der jungen Menschen, die wir ausbilden, sind ehemalige Kindersoldaten", berichtete Fikru Abebe, der Leiter der Projekte der Organisation im Südsudan.

Viele Frauen könnten durch die Teilung des Sudans in eine schwierige Lage kommen, warnte Lillian Rizik vom 'South Sudan Women Empowerment Network'. Sie appellierte an die Regierungen in Khartum und Juba, die Menschen aus dem jeweiligen Nachbarland zu respektieren. "Es gibt südsudanesische Frauen, die mit einem Mann aus dem Norden Sudans verheiratet sind. Was geschieht, wenn sie und ihre Kinder ihre nordsudanesische Staatsbürgerschaft verlieren? Wenn die Politiker darüber verhandeln, sollten sie besonders die Sorgen der betroffenen Frauen berücksichtigen", forderte Rizik (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.rescue.org
http://www.plan-international.org
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=56457
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=56450

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Juli 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2011