Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1050: Sudan - Krieg mit Südsudan gefährdet Ölindustrie, China soll vermitteln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Oktober 2011

Sudan: Krieg mit Südsudan gefährdet Ölindustrie - China soll vermitteln

von Reem Abbas

Öl-Containeranlage in Bentiu im südsudanesischen Unity State - Bild: © Charlton Doki/IPS

Öl-Containeranlage in Bentiu im südsudanesischen Unity State
Bild: © Charlton Doki/IPS

Khartum, 5. Oktober (IPS) - China, ein Schwergewicht im internationalen Ölgeschäft, könnte nach Ansicht von Experten seinen Einfluss als wichtigster Abnehmer von sudanesischem Öl nutzen und der eskalierenden Gewalt zwischen dem afrikanischen Land und dem jüngst in die Unabhängigkeit entlassenen Südsudan Einhalt gebieten. Die Volksrepublik importiert zwei Drittel von Sudans schwarzem Gold und besitzt 40 Prozent der Anteile an den beiden größten lokalen Erdölunternehmen 'Petrodar' und der 'Greater Nile Petroleum Operating Corporation'.

Doch der andauernde Konflikt zwischen beiden afrikanischen Ländern wirkt sich negativ auf die Ölförderung aus. So ist die Produktion im Südsudan nach Angaben des dortigen Erdöl- und Bergbauministeriums von einst 85.000 Barrel am Tag (bpd) auf derzeit 60.000 bpd in den Grenzstaaten gesunken. Die sudanesische Ölproduktion ging in den sudanesischen Grenzstaaten von 60.000 bpd auf 48.000 bpd zurück.

In Southern Kordofan beispielsweise wird seit Juni gekämpft und Blue Nile, an der äthiopischen Grenze gelegen, entwickelte sich Anfang September zum Schauplatz von bewaffneten Auseinandersetzungen. Beide Konflikte werden zwischen der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung - Nord (SPLM-N), einer Gruppierung der regierenden südsudanesischen Regierungspartei 'Sudanesische Volksbefreiungsarmee', und der sudanesischen Armee ausgetragen.

Southern Kordofan sei seit der südsudanesischen Unabhängigkeit zum größten sudanesischen Erdölproduzenten aufgestiegen, wie der sudanesische Kommentator Magdi El Gizouli berichtet. Zu Anfang des in dem Bundesstaat ausgebrochenen Konflikts hatte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, vor den negativen Folgen der Kämpfe für die Ölförderung gewarnt. Sie schlug China als geeigneten Vermittler vor, die Gewalt im Sudan zu beenden.


Washington ohne Einfluss

Den USA fehle der (diplomatische) Einfluss, hatte der ehemalige US-Botschafter in Äthiopien, David Shinn, im Juni eingeräumt. Washington könne lediglich damit drohen, seine Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zu verringern. Doch die ausgeworfenen Köder eines Schulden- und eines Straferlasses für den sudanesischen Präsidenten, dem einzigen amtierenden Staatschef, der vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag unter Anklage gestellt wurde, wurden nicht geschluckt.

Obwohl der überwiegende Teil des Öls sich im neuen unabhängigen Staat Südsudan konzentriert, verfügt der Sudan über die erforderlichen Pipelines und alle anderen für die Erdölindustrie wichtigen Infrastrukturen und Serviceleistungen. Seit letztem Jahr verhandeln beide Länder über die Höhe der Gebühren, die der Südsudan der Regierung in Khartum für die Nutzung der sudanesischen Infrastruktur zahlen soll.

Den größten Teil seines Einkommens erwirtschaftet der Südsudan mit Erdöl. Er werde trotz des fortgesetzten Konflikts alles daransetzen, um seine Ölindustrie zu schützen, weil er sich einen Rückgang der Fördermenge - auch nicht vorübergehend - leisten könne, meint Mohammed Adel (Name von der Redaktion geändert) von Petrodar. Etwa 98 Prozent der südsudanesischen Einnahmen sind Petrodollar.

Nach der Fertigstellung seiner 1.505 Kilometer langen Ölleitung im Jahr 2006 konnte Petrodar seine Erdölproduktion von 300.000 bpd auf 500.000 bpd steigern. Nur 100.000 bis 110.000 bpd der täglichen Fördermenge wurden im Sudan produziert. Der Rest stammte aus einem Ölfeld, das nun zum Südsudan gehört. Die Petrodar-Pipeline reicht von Melut Basin im Bundessstaat Unity (Südsudan) bis Port Sudan (Sudan). Unity liegt zwischen den beiden Konfliktzonen Southern Kordofan und Blue Nile.


Streit um Zollgebühren

Im letzten Monat hat die sudanesische Regierung 24 Stunden lang 600.000 Barrel Öl einbehalten, um den Südsudan zur Zahlung von Einfuhrzöllen zu zwingen. Die Lieferung wurde schließlich wieder aufgenommen. Ob der Südsudan nun die Zölle bezahlt hat, ist unbekannt.

In einem Interview mit der in London erscheinenden saudischen Zeitung 'Asharq Al Awsat' hatte al-Bashir erklärt, die südsudanesische Regierung müsse sich spätestens bis Ende Oktober entschieden haben, ob sie nun die Transitgebühren zahlen werde oder nicht. Doch der Südsudan will die Verhandlungen über das Öl während eines Treffens der Afrikanischen Union unter dem Vorsitz des ehemaligen südafrikanischen Staatspräsidenten Thabo Mbeki führen.

"Manch einer ist der Meinung, dass die sinkenden Öleinnahmen den Nordsudan davon abhalten werden, mit dem Krieg weiterzumachen. Doch ich denke, dass die eigentliche Frage die ist, ob Khartum eine durch Inflation und explodierende Nahrungsmittelpreise aufgebrachte Bevölkerung auch weiterhin ohne einen Krieg im Würgegriff halten kann", meinte Eric Reeves, ein sudanesischer Analyst und Wissenschaftler am Smith College in den USA.

Angesicht der Tatsache, dass China nach den USA der weltgrößte Erdölimporteur der Welt ist und den Großteil seines Öls aus dem Sudan und aus Libyen bezieht, wird die künftige Supermacht ihren ölabhängigen Wirtschaftsboom wohl kaum ihren Beziehungen zu Al-Bashir opfern - insbesondere wenn dieser einen Krieg im Umfeld der kostbaren Erdölfelder riskiert.

Wie Hafiz Mohammed, ein sudanesischer Analyst, erklärte, sind Chinas Ölunternehmen ausschließlich am schwarzen Öl Gold interessiert. "Der Großteil des sudanesischen Öls wird von chinesischen Unternehmen ausgebeutet, denen die Menschenrechte herzlich egal sind. Ihnen geht es nur um Investitionen und Handel", betonte er.

"Bis zu einem gewissen Grad befeuert Öl Konflikte, indem es Konflikte finanziert. Anstatt Wohlstand, Wachstum und gesellschaftliches Aufstreben zu fördern, wirkt es polarisierend. Unbequeme Stimmen werden mit Petrodollar gekauft", sagte Mohammed gegenüber IPS.


Chinesische Investitionen

China hat im Sudan investiert. Westliche Konzerne hingegen halten sich wegen der schlechten Menschenrechtslage im Land und den von den USA in den 1990er Jahren gegen das Land verhängten Sanktionen zurück. Dem Sudan wird vorgeworfen, terroristische Aktivitäten zu unterstützen und Konflikte im Lande zu schüren.

"In den Jahren des Booms war die sudanesische Erdölindustrie ein Hochrisikogeschäft mit immensen Gewinnchancen. Westliche Unternehmen waren ebenso involviert wie die Chinesen, die jedoch nicht das Problem hatten, von einheimischen Menschenrechtlern zum Verlassen des Landes gedrängt zu werden", erklärte El Gizouli.

2003 verkaufte die kanadische Energiegruppe 'Talisman' ihren 25-prozentigen Anteil an Greater Nile, nachdem sie zu Hause von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert worden war.

China wird allerdings von internationalen Menschenrechtsorganisationen attackiert - zuletzt 2008, als die Olympischen Spiele den Spitznamen 'Völkermord-Olympiade' erhielten, weil es im Sudan tätige chinesische Firmen unterließen, ihren Einfluss auf Khartum geltend zu machen, den Konflikt in Darfur beizulegen.

Die 'European Coalition on Oil in Sudan' (ECOS) berichtet, dass die Ölexploration- und -produktion seit 1996 indigene Völker in ressourcenreichen Gebieten in Massen vertrieben hat. Das gilt besonders für den Bundesstaat Unity, wo die Greater Nile-Pipeline beginnt. Laut ECOS, einem Zusammenschluss von etwa 50 Nichtregierungsorganisationen, wurden mehr als 15.000 Menschen in den Unity-Landkreisen Melut und Maban zwangsvertrieben. Etliche Personen wurden festgenommen, weil sie die Verstöße gegen ihre Landrechte angeprangert hatten. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.ecosonline.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105321

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. Oktober 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2011