Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1096: In Malawi nimmt die Repression gegen Aktivisten zu (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, November/Dezember 2011

Verhaftet ohne Rechte
In Malawi nimmt die Repression gegen Aktivisten zu

von Gertje Ley und Julia Neumann


Die Verfassung Malawis garantiert das Recht auf Freiheit und Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger. Jeder darf seine Meinung frei äußern und verbreiten und für seine Absichten friedlich demonstrieren. Die Würde des Menschen endet nicht vor den Gefängnistoren. Die Gefangenen haben ein Anrecht auf adäquate Ernährung und medizinische Versorgung. Doch Regierung und Sicherheitskräfte halten sich nicht daran. Demonstrationen werden gewaltsam aufgelöst, Tote werden in Kauf genommen, Aktivisten verhaftet, verhört und schikaniert.


Am 20. Juli kam es im südostafrikanischen Land Malawi zu Protesten gegen die derzeitige Regierung, bei denen mindestens 19 Menschen ums Leben kamen (vgl. afrika süd 5'11, "Quo vadis Malawi?"). Seither werden Menschenrechtler offenbar von Mitgliedern der regierenden DPP (Democratic Progressive Party) vermehrt schikaniert. Am 14. Oktober hat die Polizei nun fünf Protestler festgenommen.

Den Aktivisten - Billy Mayaya, Programmleiter der Zentralafrikanischen Presbyterianischen Kirche, Habiba Osman, Menschenrechtsanwältin für die norwegische Nichtregierungsorganisation Norwegian Church Aid, Ben Chiza Mkandawire, Brian Nyasulu und Comfort Chitseko - wird vorgeworfen, am Rande des Gipfeltreffens von Comesa (Gemeinsamer Markt für das Östliche und Südliche Afrika) gegen den Präsidenten Bingu wa Mutharika eine Demonstration geplant zu haben. Es heißt, sie hätten in Lilongwe City Center eine friedliche Protestveranstaltung abhalten wollen, bei der sie unter anderem Staatspräsident Mutharika dazu auffordern wollten, ein Referendum über vorgezogene Wahlen abzuhalten. Nach seiner Wiederwahl 2009 ist Mutharika offiziell noch bis 2014 regierender Präsident Malawis.

Die Gruppe wurde, während sie gemeinsam zu Mittag aß, von der Polizei - ohne Nennung von Gründen - aufgegriffen. Man sagte ihnen lediglich, es handele sich um den normalen Vorgang einer Ermittlung und man würde sie, nachdem sie ein paar Fragen beantwortet hätten, wieder gehen lassen. Zur Verwirrung aller wurden Nyasulu, Mkandawire, Mayaya, Osman und Chitseko in unterschiedliche Gefängnisse der Hauptstadt Lilongwe gebracht. Ihre Telefone wurden konfisziert und die Gründe für ihre Festnahme wurden in Missachtung ihrer Rechte weiterhin verschwiegen. Die Polizei erstattete schließlich Anzeige auf Grundlage des Polizeigesetzes wegen Abhaltung einer nicht genehmigten Demonstration. Am folgenden Tag wurden die Häuser der fünf Aktivisten nach verdächtigem Material, das auf Volksverhetzung oder Ähnliches hinweisen könnte, durchsucht.

Die Gruppe verbrachte insgesamt fünf Tage und vier Nächte in den Gefängnissen der unterschiedlichen Polizeiwachen sowie eine weitere Nacht, nachdem ihr Kautionsgesuch vertagt wurde, in Maula, dem größten Gefängnis der Hauptstadt. Während der gesamten Zeit wurden Nyasulu, der Diabetiker ist, seine notwendigen Medikamente verweigert.

Habiba Osman sagt über die Tortur, die sie im malawischen Gefängnis durchleben musste: "Die Bedingungen in den Zellen sind entsetzlich. . Das Schlafen auf dem harten Fußboden ist sehr schmerzhaft und eine körperliche Qual. Die Zellen sind schmutzig und es wimmelt von Bazillen und Moskitos. Die Zellen haben keine Fenster und Toiletten. . Ich würde niemanden jemals wünschen, dort auch nur eine Stunde oder 10 Minuten verbringen zu müssen. . Während ich in der ersten Zelle alleine war, habe ich mir in Maula die Zelle mit Frauen in Untersuchungshaft teilen müssen. Die meisten von ihnen sind Verdächtige in Mordfällen, die auf das Urteil der Justiz warten. Die Gefängniskonditionen sind erbärmlich und ich stellte fest, dass wenn du dort bist, die Bedingungen selbst schon Strafe genug sind. .Die meisten, die ich traf, beklagten, dass es ihnen nicht möglich wäre, grundlegende Dinge wie Seife und Medizin zu bekommen. Ich war geschockt, dass du als Verdächtiger in Gewahrsam zum Beispiel keine HIV/Aids-Medikamente bekommst, sondern nur, wenn du verurteilt worden bist. Zwei der Untersuchungshäftlinge in Maula bekommen nur 'Bactrim', ein Antibiotikum, und keine ARVs (Antiretrovirale), und sie sind schon krank. Es brach mir das Herz. So wie das Essen, das noch schlechter ist, Die Diät dort besteht aus Bohnen, die noch nicht einmal gar sind. Aber ich schätze, wenn du ein Häftling in Malawi bist, heißt das, du hast keine Rechte!"

Mayaya, Mkandawire, Nyasulu, Osman und Chitseko wurden am 19. Oktober gegen Kaution freigelassen, zunächst bis zum 25. November, für den die nächste Anhörung ihres Falles vorgesehen war. Die Anhörung wurde jedoch auf unbestimmte Zeit vertagt. Bis dahin müssen sie alle vierzehn Tage bei der Polizei antreten. Familie, Freunde und Gratulanten sangen nach der Kautionsverkündung die malawische Nationalhymne, um das Ende der sechstägigen Haft zu markieren.

In Malawi hat der Fall der fünf Aktivisten für großes Aufsehen - auch in den nationalen Medien - gesorgt. Die gegenwärtige Situation des Landes spitzt sich immer weiter zu. Seit Monaten ist es fast unmöglich, Benzin und Diesel zu bekommen, wodurch es auch zu Engpässen im Import kommt - Supermärkte bleiben leer. Es fehlt an Devisen, Wasser und nun soll auch die Stromversorgung auf Strom zwischen 22 und 6 Uhr gekürzt werden. Der Bevölkerung wird geraten, nach 22 Uhr ihr Haus nicht mehr zu verlassen und zeitgleich, wenn möglich, keinen Strom mehr zu verbrauchen.

Aufgrund dieser sich zuspitzenden Lage ist es verständlich, dass die Bevölkerung gegenüber der Regierung ein Zeichen setzen möchte. Doch wie, wenn ihnen ihre Rechte verwehrt werden? Osman sagt dazu: "Verhaftet zu werden entgegen der Menschenrechte oder von einem Recht Gebrauch zu machen, das dein unveräußerliches Recht in der malawischen Verfassung sein sollte, ist erniedrigend, besonders für mich als Anwältin für Menschenrechte, die an den Grundsatz von Demokratie und Respekt gegenüber der Rechtsstaatlichkeit glaubt. Menschen ihre Rechte zu verweigern spottet unserer Demokratie, die im Moment nur auf dem Papier und nicht in der Praxis zu existieren scheint. gegenwärtigen Zeit nicht erlaubt ist, friedliche Proteste oder Versammlungen abzuhalten. . Als Menschenrechtsverteidigerin glaube ich, dass ein friedlicher Protest ein wesentliches Element einer demokratischen Gesellschaft ist, das eine sehr lange und angesehene Tradition in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat, die auch in unserer Verfassung in Artikel 38 verankert ist. . Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wenn Menschen die Erlaubnis gegeben wurde, sich friedlich zu versammeln, warum sollten sie dann verhaftet werden? Ich glaube fest daran, dass Malawier demonstrieren müssen, wenn Dinge nicht gut funktionieren. ... Friedliche Demonstrationen geben den Stummen eine Stimme!"


Julia Neumann studiert Afrikanistik und Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Sie absolvierte von Juli bis September 2011 ein Praktikum in der malawischen Hauptstadt Lilongwe.

Gertje Ley studiert Afrikanistik und Politikwissenschaften an der Universität Hamburg. Von August 2008 bis August 2009 absolvierte sie einen Freiwilligendienst und war 2010 und 2011 für mehrere Monate in Lilongwe und anderen Teilen des Landes in Projekten tätig.


*


Weitere Artikel in afrika süd Nr. 6, November/Dezember 2011


Plätze angewiesen
Kommentar von Hein Möllers zu den Wahlen in der DR Kongo.

aktuell

südafrika
Schutz des Staates vor Recht auf Information
Das südafrikanische Parlament hat die "Protection of State Information Bill" gegen alle Protest angenommen. Von Hein Möllers.

Alle Occupier sind gleich - manche gleicher
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Occupy-Bewegung von Kapstadt liefert der Aktivist Jared Sacks.

Aus der Sicht von Frauen
Welchen Beitrag hat die Wahrheits- und Versöhnungskommission zur Aufarbeitung der Verbrechen unter Apartheid gebracht? Rita Schäfer referiert die Sicht der Frauen.

Umkhonto we Sizwe - Speer der Nation
Vor 50 Jahren begann in Südafrika der bewaffnete Kampf. Die Geschichte von Umkhonto we Sizwe, dem militärischen Flügel des ANC, schildert Hans-Georg Schleicher.

Wege zur Befreiung
Albert Luthuli, Südafrikas erster Träger des Friedensnobelpreises, setzte sich stets für den gewaltfreien Widerstand ein. Für Nelson Mandela, seinem Nachfolger als ANC-Vorsitzender, war der bewaffnete Kampf jedoch unvermeidlich. Gottfried Wellmer schildert eine spannende Auseinandersetzung zwischen zwei Friedensnobelpreisträgern.

Fader Beigeschmack
Südafrikas Zuckerindustrie ist auf Expansionskurs. In bereits 22 afrikanischen Staaten hat Südafrika über den Farmerverband AgriSA seinen Fuß in den Türen. David Marx berichtet.

simbabwe
Indigenisierung der Wirtschaft
Umstritten wie die Landreform ist die Drohung der Zanu-PF, ausländische Unternehmen zu enteignen. Die Devise heißt "Indigenisierung" - ein Rezept für den Machterhalt Mugabes. Von Kathrin Meißner.

Der Marange-Skandal
Die simbabwische Nichtregierungsorganisation Sokwanele hat im Oktober eine umfassende Dokumentation zu den Marange-Diamanten veröffentlicht. Der Bericht beschreibt Menschenrechtsverletzungen und Korruption in Simbabwes Diamantengebiet.

angola
Hoge Generäle verklagt
Der angolanische Journalist Rafael Marques hat hohe Generäle des Landes verklagt. Er wirft ihnen als Anteilseigner von Diamantenfirmen schwere Menschenrechtsverletzungen in den Lunda-Provinzen Nordostangola vor. Ein Interview mit Pambazuka News.

dr kongo
Eigene Zukunft erfinden
Wahlen hin, Wahlen her: Der Kongo ist im Zeichen der Gewalt geboren. Seit der Berliner Konferenz vor über 125 Jahren und der Machtübergabe an den belgischen König Leopold II. ist die Gewalt in Kongo endemisch. Die DR Kongo braucht heute eine Kultur des Lebens, meint Muepu Muamba.

Wahlen im Kongo - Opera buffa oder Trauerspiel
Von Hein Möllers.

malawi
Verhaftet ohne Rechte
Nach den Protesten im Juli nimmt in Malawi die Repression gegen Aktivisten zu. Gertje Ley und Julia Neumann berichten von Verhaftungen und miserablen Bedingungen in den Gefängnissen.

süd-süd-kooperation
Dabei sein ist alles
Südafrika ist in diesem Jahr als fünfter Staat zum Staatenbündnis von Brasilien, Russland, Indien und China - den sog. BRIC-Staaten - aufgenommen worden. Sven Grimm zeigt auf, welche Risiken und Chancen sich für Südafrika als kleinster Partner in der Allianz ergeben.

afrika
Wider den kleptokratischen Kapitalismus
Afrika kann die riesigen Herausforderungen von Klimawandel und "grüner Ökonomie" nur meistern, wenn es sich auf seine eigenen Stärken besinnt und sich vom "kleptokratischen Kapitalismus" befreit, meint Yash Tandon in einem Essay.

service
Nord-Süd-Infos, Rezensionen, Leserbriefe


*


Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 6, November/Dezember 2011, S. 31
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org

"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2012