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AFRIKA/1216: Südafrika - Neuer Besen oder Zumas Schachzug? (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April/Mai 2013

Neuer Besen oder Zumas Schachzug?

von William Gumede



CYRIL RAMAPHOSA IST DER NEUE VIZEPRÄSIDENT DES ANC. Er wurde auf dem Parteitag im Dezember 2012 gewählt. Ob er in der von Problemen gebeutelten ANC-Regierung etwas verändern kann, wird vor allem davon abhängen, wie viel Macht, Unterstützung und Freiheit Präsident Jacob Zuma ihm gewährt.


Wie sieht die Wirklichkeit im ANC aus? Der Präsident verfügt über eine allumfassende Macht, während ihm sein Stellvertreter gemäß seinem Willen dient, ungeachtet der Phrasen von "kollektiver" Führung vonseiten der Parteisoldaten. Dies zeigt sich zum einen in der Rücksichtslosigkeit, mit der die Kämpfe um die Führung im ANC ausgetragen werden. Da kann der Gewinner seinen Unterstützern in atemberaubendem Maße Vergünstigungen zukommen lassen - von Regierungsaufträgen bis zu Führungsposten in Staatsunternehmen und Provisionszahlungen. Er kann Rivalen und Kritikern Arbeitsstellen in der Regierung und der Privatwirtschaft verwehren oder einfach allmächtige Staatsbehörden darauf ansetzen, sie kaltzustellen.

Zum anderen ist das gegenwärtige Führungskollektiv des ANC bis zum Rand mit Verbündeten von Zuma besetzt - einige von ihnen werden Cyril Ramaphosa gegenüber sehr misstrauisch sein. Es besteht die reale Gefahr, dass Ramaphosas Stimme neben denen der Pro-Zuma-Mehrheit untergehen wird.

Bei vielen im ANC ist der kritische Punkt offenbar erreicht. Der Abstand zwischen der "Bling"-Kultur der ANC-Führung - das protzige Auftreten mit neuem Reichtum - und der täglichen Schinderei der gewöhnlichen Mitglieder wächst. Viele der Partei eng verbundene ANC-Mitglieder könnten sich bald nicht mehr mit der Partei und ihren Führern identifizieren.


Gegenseitige Abhängigkeiten

Sollten sich die ANC-Wählerinnen und Wähler von Zuma abwenden und Zuma seine skandalanfällige, von schlechten staatlichen Dienstleistungen gekennzeichnete und im Autopilot abgespulte Präsidentschaft fortsetzen, dann wird für Ramaphosa die Anbindung an Zuma zum Fluch werden. Im Vorfeld der nationalen Wahlen 2014 ist Zuma wiederum verzweifelt auf Ramaphosa angewiesen. Ramaphosa hat den Ruf als ein dynamischer, effektiver und relativ sauberer Manager, als eine für Wahlen nützliche Krücke und als Gegengewicht zum ramponierten Image des Präsidenten.

Zuma hat Cyril Ramaphosa, den früheren Generalsekretär sowohl des ANC als auch der NUM (der nationalen Gewerkschaft der Minenarbeiter) und nunmehr erfolgreichen schwarzen Geschäftsmann, ins Spiel gebracht, um seine gespannte Beziehung zur Geschäftswelt und den Märkten wiederherzustellen. Mit ihm hat er Managementfähigkeiten in die Regierung geholt und einen versierten Vermittler eingebunden, der schlichten kann in der Vielzahl politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte, die innerhalb der ANC-Regierung bestehen oder aufzubrechen drohen.

Während der ANC-Konferenz in Mangaung im Dezember 2012 neutralisierte Ramaphosa effektiv die Bedrohung durch den früheren ANC-Vizepräsidenten Kgalema Motlanthe, der gegen Zuma als Parteipräsident angetreten war. Ramaphosa fischte im Grunde genommen im selben Umfeld nach Wählerstimmen wie Motlanthe. Nun könnten diejenigen, die sich während der ANC-Konferenz im Dezember 2012 in Mangaung gegen Zuma stellten und nach Zumas Wiederwahl mit dem Gedanken an einen ANC-Austritt gespielt haben, sich durch Ramaphosas Gegenwart vom Verbleib im ANC überzeugen lassen. Die Aussicht auf einen schnellen Weg zur Führung des ANC und zu einer späteren Präsidentschaft dürfte einer der Hauptgründe gewesen sein, warum Ramaphosa das Jobangebot als Zumas Stellvertreter akzeptiert hat.

Indem er zustimmte, Teil von Zumas Kandidatenliste zu sein, eröffnete sich Ramaphosa eine Abkürzung zurück in ein hohes politisches Amt auf dem Rücken der Wählergruppen, die Zuma zur Präsidentschaft im ANC und in Südafrika getragen haben. Gegenwärtig verfügt Ramaphosa nach einer solch langen Zeit außerhalb der politischen Bühne allein nicht über die Netzwerke auf der Graswurzelebene, die es braucht, um eine ANC-Präsidentschaftskampagne erfolgreich zu bestreiten.

Die Gruppe der gleichaltrigen ANC-Führer mit Präsidentschaftsambitionen aus Ramaphosas Generation ist außergewöhnlich groß: von Tokyo Sexwale, dem Siedlungsminister, bis zu Mathews Phosa, dem ehemaligen Schatzmeister des ANC. Indem er sich eng an Zumas Lager band, gelangte Ramaphosa außerhalb der Reichweite seiner gleichaltrigen Rivalen.

So könnte der Deal, den Zuma und Ramaphosa miteinander schusterten, aussehen: Bei den nationalen Wahlen 2014 wird Zuma das Gesicht des ANC sein und nach seinem Sieg die Macht schrittweise auf Ramaphosa übertragen. Es gibt zwar keinen festen Zeitplan oder detaillierte Festlegungen, wie eine solche Übertragung ablaufen soll. Vorstellungen gehen jedoch dahin, dass irgendwann zwischen den nationalen Wahlen 2014 und der nationalen Konferenz des ANC 2017 Ramaphosa die Staatspräsidentschaft übernimmt, während Zuma ANC-Präsident bleibt. Gemäß dieses Kalküls im Zuma-Lager würde Ramaphosa während der nationalen ANC-Konferenz 2017 zum Parteipräsidenten gewählt - mit Zumas Rückhalt.

Wenn der von Zuma geführte ANC während der Wahlen 2014 schlecht abschneiden sollte (ein Sturz auf 55 Prozent der Stimmen und darunter, wie einige ANC-Führer befürchten) und vielleicht nach dem Westkap eine weitere Provinz verlöre, könnte Zuma vom ANC aufgefordert werden, seinen Stuhl früher zu räumen. In einem solchen Fall wäre Ramaphosa, als sein Stellvertreter, der natürliche Nachfolgekandidat.


Wie viel sind Abmachungen wert?

In der Mitte der Neunziger Jahre zurrten die ANC-Strategen eine ähnliche Vereinbarung zwischen Ramaphosa und Mbeki zurecht. Danach sollte Thabo Mbeki dem damaligen Präsidenten des ANC und Südafrikas, Nelson Mandela, nachfolgen, während Ramaphosa wiederum Mbeki ablösen sollte. Dieser Deal scheiterte auf spektakuläre Weise, als Mbeki sich gegen Ramaphosa wandte.

Viele der Unterstützer Motlanthes haben Ramaphosa gewarnt. Er könne sich nicht darauf verlassen, dass Zuma seine Versprechen, die Macht auf Ramaphosa zu übertragen, halten werde. Sie verweisen darauf, dass vor der nationalen ANC-Konferenz in Polokwane 2007, als Zuma Mbeki als Parteivorsitzenden verdrängte, Zuma versprochen hatte, nur für eine Amtszeit Präsident zu bleiben. Er hielt sein Wort nicht.

Ungeachtet dessen wird Ramaphosa als stellvertretender ANC-Präsident in Zumas Kabinett die Position als "Leiter der Regierungsgeschäfte" übernehmen. Mbeki hatte während der Präsidentschaft Mandelas dieselbe Position inne und nutzte sie mit großer Effektivität. Mbeki verwandelte den Posten quasi in die Rolle eines Premierministers.

Mbeki war damals damit erfolgreich, weil Mandela als sein Vorgesetzter Mbeki die volle Kontrolle über die Regierung und den ANC überließ und ihm den Rücken in fast jeder einzelnen Angelegenheit stärkte - selbst da, wo er nicht mit Mbeki übereinstimmte. Ob Zuma Ramaphosa die Kontrolle in derselben Weise übertragen wird wie Mandela Mbeki, ist höchst fraglich.

Zuma hat einer gewaltigen Zahl von Interessengruppen gegenüber sich widersprechende Versprechungen gemacht. Er schuldet einem ebenso großen Netzwerk von Gönnern Vergünstigungen. Von ihm wird erwartet, dass er die sich immer weiter ausbreitenden wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Interessen eines Netzes aus Verbündeten, Freunden und Familienangehörigen bewahrt.

Zuma wird während seiner zweiten Amtszeit auch versuchen, die Vielzahl nicht aufgeklärter Korruptionsbeschuldigungen gegen ihn zu umschiffen. Um all dies zu erreichen, wird er eher auf der vollen Kontrolle über Partei und Regierung bestehen, als diese an Ramaphosa zu übertragen.

Ramaphosa befindet sich in der realen Gefahr, über sehr wenig wirkliche Macht innerhalb der Zuma-Regierung zu verfügen und dennoch mit Zuma die Verantwortlichkeit für dessen Scheitern zu teilen.



Aus Pambazuka News 615, 6.2.2013
Übersetzt von Ringo Raupach

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afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
42. Jahrgang, Nr. 2, März/April/Mai 2013, S. 8 - 9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2013