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AFRIKA/1228: Somalia - Gespräche über Föderalismus durch Klan-Rivalitäten erschwert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2013

Somalia: Gespaltenes Land - Gespräche über Föderalismus durch Klan-Rivalitäten erschwert

von Ahmed Osman


Bild: © Ahmed Osman

Friedensdemonstration in der somalischen Hauptstadt Mogadischu
Bild: © Ahmed Osman

Mogadischu, 9. September (IPS) - Eine Lösung der institutionellen Krise in Somalia ist offenbar nicht in Sicht. Größtes Hindernis ist nach Ansicht wichtiger Akteure des politischen Lebens der Föderalismus.

"Die meisten Somalier sind sich über ihre Zukunftswünsche einig", erklärte der Wissenschaftler Jaylani Mukhtar am Rande einer nationalen Konferenz vom 2. bis 7. September über die Umsetzung föderaler Reformen, die seit August 2012 geltende vorläufige Verfassung und die nächsten Wahlen 2016. "Der Föderalismus wirkt als die stärkste Bremse."

Viele autonome Teilstaaten am Horn von Afrika wie Somaliland im Nordwesten und Puntland im Nordosten Somalias blieben den Beratungen in Mogadischu fern. Vertreter Puntlands beschuldigten Mogadischu, die Verfassung "manipulieren" zu wollen. Der Sprecher des somalischen Parlaments, Osman Jawari, wies die Vorwürfe zurück.

Wie Mohamed Jama, Mitorganisator der Konferenz, erklärte, ging es bei dem Treffen nicht darum, einzelnen Regionen eine Plattform zu bieten, sondern "Experten und Intellektuelle des Landes" zusammenzubringen, um gemeinsam die politische Zukunft Somalias zu planen.

Die somalischen Teilstaaten können über interne Angelegenheiten selbst entscheiden und bleiben in anderen Bereichen der Zentralregierung untergeordnet. Etliche Experten betrachten dieses Modell als ideale Lösung nach zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg. Andere Stimmen wiederum befürchten, dass die Unterstützung für Mini-Staaten, in denen Klans das Sagen haben, den Konflikt eskalieren lassen werde.


Bevölkerung außen vor

Die frühere somalische Übergangsregierung, deren Mandat im August 2012 ausgelaufen ist, hatte sich mit den Regionen und lokalen Gruppen im Zentrum und Süden Somalias auf ein föderales Verwaltungssystem geeinigt. Doch Mukhtar kritisiert, dass das Abkommen rein politischer Natur sei. Über die Art und Weise, wie der Föderalismus umgesetzt werde, müsse die Bevölkerung entscheiden.

Ahmed Daahir, ein politischer Analyst aus der nordsomalischen Stadt Bossaso in Puntland, sieht den Föderalismus als Weg, die Bevölkerung an der Regierung teilhaben zu lassen. "Seit der Unabhängigkeit wurden wir viele Jahre lang direkt von Mogadischu aus regiert", sagte er. "Dies hat zu einem Zusammenbruch des Staates geführt. Nun sollen die Rechte der Bürger durch die Einführung von Bundesstaaten gestärkt werden."

Zu den Regionen, die erst kürzlich aus dem Gesamtgefüge ausgeschert sind, gehört der halbautonome Staat Jubaland im Süden. Im Mai erklärte die lokale Miliz 'Ras Kamboni' die drei südlichen Grenzprovinzen Unteres Juba, Mittleres Juba und Gedo zum autonomen Jubaland. Milizenführer Ahmed Mohamed Islam, auch bekannt als Scheich Madobe, wurde zum Präsidenten ernannt.

Die neuen politischen Führer in Jubaland beriefen sich auf die Verfassung. Sie gebe ihnen das Recht zur Bildung eines autonomen Staates, erklärten sie. Da aber nicht alle Klans berücksichtigt wurden, fürchteten Regierungsvertreter in Mogadischu ein neues Blutvergießen. Dennoch stimmte Mogadischu auf Vermittlung Äthiopiens einem Abkommen mit den regionalen Führern zu, das eine zweijährige Übergangsverwaltung für Jubaland vorsieht. Diese Übereinkunft gilt als Test für die Führungsstärke der Zentralregierung.


Klans in Jubaland vermissen Inklusion

Zahlreiche Klans in Jubaland, die nicht an den Gesprächen beteiligt wurden, lehnen die Einführung des Föderalismus jedoch ab. Sie werfen der Regierung vor, Ras Kamboni eine Vormachtstellung in der Region zu ermöglichen und die Rechte anderer Klans zu missachten.

"Das Abkommen hat uns gezeigt, dass Föderalismus für einige bedeutet, Mini-Staaten unter Führung eines Klans innerhalb von Somalia zu schaffen", so der Experte Mukhtar. Andere autonome Staaten seien hingegen "organisch gewachsen", etwa Somaliland und Puntland.

Dann gibt es noch die ausgescherten Regionen Galmudug, Himin und Heeb im Zentrum des Landes. Sie gründen laut Mukhtar auch auf der Klanherrschaft, die allerdings variiert. Einige Staaten würden von einem Klan geführt, andere von mehreren. "In Somalia benötigen wir aber vor allem eine richtige Aussöhnung, die die Wunden der vergangenen drei Jahrzehnte heilen lässt. Erst dann können wir eine sinnvolle Diskussion über die Zukunft des Landes führen."

Somalia und die EU werden am 16. September gemeinsam eine hochrangige Konferenz in Brüssel ausrichten. Ziel der Beratungen ist es, das Land auf dem Weg zu Stabilität, Frieden und Wohlstand zu halten und Unterstützung seitens der internationalen Gemeinschaft zu mobilisieren. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.somalia-newdeal-conference.eu/about
http://www.ipsnews.net/2013/09/somalias-fractures-getting-hard-to-heal/

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IPS-Tagesdienst vom 9. September 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2013