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AFRIKA/1285: Botswana - Ressourcenkonflikte in Nationalpark (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2014

Ressourcenkonflikte in Nationalpark

von Rita Schäfer



Die Buschmann-Bevölkerung Botswanas hat einen juristischen Teilerfolg errungen. Ihr Recht auf Trinkwasser wird durch den Bau neuer Brunnen verwirklicht. Allerdings ist der Diamantenkonzern Gem Diamonds der Bauherr. Diamantenminen und neue Gasbohrungen stehen im Kontrast zu den Menschenrechten der indigenen Bevölkerung.


Ende Februar 2014 erklärten die Gerichte in Botswana die Vertreibungen der Buschmann-Gruppen für verfassungswidrig. Schon zuvor hatten zwei Gerichtsverfahren die Rechtsansprüche der Basarwa auf das Jagen und Sammeln im 52.000 Quadratkilometer großen Botswana Central Kalahari Game Reserve (CKGR) bestätigt. Seit 2006 dauern die Prozesse der First People of the Kalahari gegen ihre Zwangsumsiedlung aus diesem Park an. In der Lokalsprache der Aktivistinnen und Aktivisten heißt ihr Interessenverband Kgeikani Kweni; sie selbst bezeichnen sich als Buschmänner, Basarwa oder N/oakwe, ("Rote Menschen") - der Begriff San - nicht nur - ist in Botswana umstritten.

Trotz der Rechtsprechung brauchen die Buschmänner Jagdlizenzen für den Kalahari-Nationalpark, immer wieder geraten sie in Konflikte mit Rangern und Polizei. Gleichzeitig ist der zweitgrößte Tierpark der Welt ein Touristenmagnet, luxuriöse Lodges in unberührter Natur locken vor allem zahlungskräftige Europäer. Allerdings geht es hier nur vordergründig um einen Interessenkonflikt zwischen Jagd- und Landrechtsforderungen der Basarwa und den Naturschutz- bzw. Tourismusbehörden. Vielmehr kommen laut Survival International, einer internationalen Menschenrechtsorganisationen für Indigenen-Rechte, seit einigen Jahren handfeste Wirtschaftsinteressen hinzu. Konkret wecken Diamanten und Erdgas die Begehrlichkeiten von Minenkonzernen.


Tourismus und Diamanten

So ist der Diamantenkonzern Gem Diamonds Botswana für das Bergwerk Gope im zentralen Kalahari-Nationalpark verantwortlich. Er kündigte im letzten Jahr an, vier Brunnen für die Buschmänner zu bauen. Survival International kritisiert, diese seien nur ein Vorwand, um den sozialen und ökologischen Unternehmensverpflichtungen zu entsprechen. Es gehe vor allem um den Zugang zu Diamanten und anderen Rohstoffen in der abgelegenen Region. Deshalb protestierten Aktivisten von Survival International Anfang März 2014 vor den Messehallen der Internationalen Tourismusmesse in Berlin. Sie forderten, Botswana sollte von der Tourismusbranche boykottiert werden. Schließlich ist der Tourismus neben den Diamanten eine wichtige Devisenquelle, allein 2011 brachten Touristen 15 Milliarden US-Dollar ins Land. Das sind 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wobei die Angaben je nach Statistik variieren. Zudem gilt die Tourismusbranche als wichtiger Arbeitgeber. Während die Regierung mit exotischen Bildern von ursprünglich lebenden Buschleuten den hochklassigen Tourismus bewirbt, werden den Reisenden Zwangsumgesiedelte aus dem Kalahari-Tierpark vorgeführt, so die Kritiker. Diese müssen nun in New Xande im Ghanzi-Distrikt wohnen. Sie erzürnt das sehr, zumal Ian Khama, der Präsident Botswanas, 2013 von der Internationalen Umweltschutzbehörde (IUCN) für sein ökologisches Engagement und die vorbildlichen Naturschutzprogramme seiner Regierung ausgezeichnet wurde. Einige Sprecher der Kgeikani Kweni werfen dem Präsidenten sogar vor, der jahrelange Rechtsstreit sei ein Mittel gewesen, um sie endgültig aus ihren Jagdgebieten zu vertreiben und die dortigen unterirdischen Ressourcen zu nutzen.

Die Buschmann-Bevölkerung profitierte nicht vom Wirtschaftsboom Botswanas, wo seit der Unabhängigkeit 1966 im Unterschied zu Sierra Leone, der Demokratischen Republik Kongo oder Simbabwe die Einnahmen aus ertragreichen Diamantenvorkommen nicht in privaten Schatullen der Eliten verschwanden. Vielmehr verbuchte die Regierung Botswanas - weltweit der viertgrößte Diamantenproduzent - die Gewinne aus dem Diamantenverkauf als Staatseinnahmen und nutzte sie zum systematischen Ausbau der Infrastruktur und Bildung. So verbesserte sich der Index für menschliche Entwicklung, mit dem die Vereinten Nationen die Bildungs- und Gesundheitssituation messen und international vergleichen, zwischen 1980 und 2012 um 41 Prozent. Darüber hinaus zählt das Pro-Kopf-Einkommen mit neuerdings etwa 16.800 US-Dollar zu den höchsten auf dem Kontinent. Auch in der HIV-Prävention und in Aids- Programmen ist Botswana seit Jahren führend. Das Land gilt zudem als stabile, wenn auch patriarchalisch regierte, Demokratie. Um so mehr fühlen sich Basarwa-Vertreter von ihrer Regierung übergangen und ausgegrenzt.


Fracking

Besonders erzürnt sie, dass sie von Plänen zur großflächigen Erschließung von Erdgas im Khalahari-Park nur durch die Medien erfuhren und nicht in Planungsverfahren konsultiert wurden. Zunächst leugnete das Minen- und Energieministerium, dass es solche Pläne gäbe. Erst als der amerikanische Dokumentarfilm "The high cost cheap gas" und Reporter der britischen Zeitung The Guardian die Fakten publik machten und eine detaillierte Prospektierungskarte die Bohrungen illustrierte, hieß es aus Regierungskreisen, die Erlaubnis zu ersten Erkundungsbohrungen sei erteilt worden. Diese würden gelegentlich als "Fracking" bezeichnet. Bei der hydraulischen Frakturierung, kurz Fracking, handelt es sich um ein kompliziertes Verfahren zur Erschließung von Öl oder Erdgas in tiefen Gesteinsschichten, in diesem Fall Kohleflözen. Es ist umstritten, weil das Gas mit großen Wassermengen und giftigen Chemikalien unter hohem Druck aus dem Gestein gelöst wird. Die Zusammensetzung dieser Additive wird gegenüber der Öffentlichkeit geheim gehalten. Die mit den Chemikalien vermengten Wassermassen werden anschließend wieder an die Oberfläche gepumpt und sind stark kontaminiert. Unter der Kalahari lagern Methankohlebetten, die mit Fracking erschlossen werden sollen. Auch von groß angelegten Kohleauswaschungen ist die Rede. Studien und Schätzungen im Regierungsauftrag gehen von gigantischen Kohlevorkommen aus. Bislang fördert Botswana nur geringe Kohlemengen mit herkömmlichen Abbaumethoden. Ansonsten deckt das Land seine Energieversorgung im Wesentlichen durch Importe aus Südafrika. Mit Fracking will die Regierung in der Stromversorgung autonomer werden. Zudem will sie ihre Abhängigkeit von den Diamanten vermindern und die Wirtschaft diversifizieren.

Lizenzen zur Prospektierung erhielten südafrikanische und australische Unternehmen wie African Coal and Gas Corporation, Kalahari Energy, Sasol, Debswana, Tamboran Resources und Tlou Energy. Sie sind teilweise auch in anderen Parks tätig, so im Chobe-Nationalpark oder im transnationalen Kgalagadi-Park. Dort verfügen auch Exxaro und Anglo American über Konzessionen für Probebohrungen. Die Open Society Intitiative for Southern Africa befragte südafrikanische Unternehmensvertreter, ob sie Umweltmanagementpläne erstellt oder Umweltfolgeabschätzungen durchgeführt hätten. Rasch wurde klar: Die botswanischen Behörden hatten diese nicht verlangt. Und das, obwohl Umweltexperten in Kenntnis der umfangreichen Folgeprobleme des Frackings etwa in Garfield County, Colorado, USA, vor der Wasserverseuchung, der drastischen Absenkung des Grundwasserspiegels, dem Anstieg der Treibhausgase, der Luftverschmutzung und chronischen Krankheiten warnen. Sie sind sicher, das auch die Tierpopulationen, die bislang die Touristen anziehen, leiden werden; so die insgesamt 60.000 Elefanten in den Parks, die auf die wenigen Wasserstellen und auf sauberes Wasser angewiesen sind.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie in ariden Gebieten die gigantischen Wassermassen beschafft werden sollen, die für das Fracking erforderlich sind. Biologen wissen: Obwohl der Kalahari-Park abgelegen und unerschlossen wirkt, handelt es sich um ein sehr fragiles und mit anderen Naturräumen im südlichen Afrika vernetztes Ökosystem, das auf menschliche Einflüsse reagiert. Deshalb sind sowohl Kgeikani Kweni-Vertreter als auch etliche Umweltwissenschaftler und Umweltaktivisten in Botswana erzürnt, dass sie von der Regierung im gesamten Planungsprozess übergangen wurden. Schließlich sei es nicht nur ein lokales Problem, das die Basarwa im Park betreffe, sondern die gesamte Bevölkerung. Alle Bürgerinnen und Bürger Botswanas hätten ein Recht, bei Projekten von nationaler Bedeutung informiert zu werden und darüber öffentlich zu diskutieren. Allerdings geht es nicht nur um nationale Interessen, wie der Kgalagadi Transfrontier-Park zwischen Botswana, Namibia und Südafrika beweist. Mitte Februar 2014 erläuterte der südafrikanische Präsident Jacob Zuma in seiner Rede zur Nation: Naturtourismus sei ein boomender Wirtschaftszweig und solle weiter ausgebaut werden. Gleichzeitig gab er bekannt, das Fracking werde gefördert, um die Energieversorgung der Wirtschaft zu sichern. Während die Fracking-Gegner in der Karoo (siehe Afrika Süd 5/2013) die Interessen ihrer Region vertreten, werden im Kgalagadi Transfrontier-Park Minenindustrie und Kritiker/-innen aus Südafrika und Botswana aufeinander treffen.

http://www.survivalinternational.org/news
http://firstpeoples.org/wp/tag/botswana/

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
43. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2014, S. .. - ..
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2014