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AFRIKA/1309: Namibia - Die Qual mit der Wahl (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2014

Die Qual mit der Wahl

von Henning Melber



Am 28. November wird in Namibia gewählt. Mit der Swapo steht der Wahlsieger der anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen schon fest. Im Vorfeld gibt es trotz mehrerer Vorkehrungen (siehe afrika süd 4/2014) noch Sand im Getriebe. Dabei scheint die Befreiungsbewegung an der Macht mit sich selbst die größten Probleme zu haben.


Symptomatisch für die mangelnde Feinabstimmung war die andauernde Spekulation über den endgültigen Wahltermin. Bis Ende September gab es kein verbindliches Datum. Dann hieß es, dass am 29. November 2014 gewählt würde - um dies anschließend auf den 28. November zu korrigieren. Doch selbst dieser Termin, der von Staatspräsident Pohamba gemäß Abschnitt 50(1) des Wahlgesetzes festgelegt wird, findet erst mit der Proklamierung im Amtsblatt die offizielle Bestätigung. Der Leiter der staatlichen Wahlkommission ECN (Electoral Commission of Namibia) bestätigte Anfang Oktober, dass Präsident Pohamba den entsprechenden Erlass bereits unterschrieben habe. Dieser würde aber erst mit der Veröffentlichung am 13. Oktober gültig. Namibias Mühlen mahlen langsam...


Umstrittene Wahlprozedur

Das gilt auch für die materiellen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die Durchführung der Wahlen, die an den namibischen Botschaften im Ausland (unter insgesamt 343 registrierten Wahlberechtigten) und für Seeleute in Lüderitz und Walvis Bay bereits am 14. November stattfinden sollen. Bis zum 29. Oktober müssen die Wahllisten der Parteien und die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen bei der Wahlkommission eingereicht werden. Die offizielle Wahlliste soll am 7. November im Amtsblatt erscheinen.

Die allgemeine Wählerregistrierung wurde bis zum 2. März durchgeführt. Von Oppositionsparteien wurde moniert, dass der Zugang zum Register nur elektronisch möglich sei, was eine Prüfung der Eintragungen erschwerte. Weitere fast 120.000 Wahlberechtigte wurden in einem ergänzenden Durchgang im September registriert. Damit erhöht sich deren Zahl auf über 1,3 Millionen Stimmberechtigte und so sind die formellen Voraussetzungen für den erneut nur eintägigen Wahlgang geschaffen. Die letzten Wahlen erfolgten über zwei Tage, was nicht den SADC-Richtlinien entsprach und für erhebliche Kritik sorgte, zumal es über eine Woche dauerte, bis ein amtliches Endergebnis bekannt gegeben wurde.

Doch die nötige Ausstattung für einen formal ordnungsgemäßen Verlauf ist noch nicht geschaffen und sorgt bereits für Missstimmung. Im Zuge der Ende August verabschiedeten weitgehenden Verfassungsänderungen (siehe afrika süd 4/14) modifizierte das Parlament auch das Wahlgesetz. So wurde die Einführung von elektronischen Wahlmaschinen beschlossen, die aus Indien geliefert werden. Um Manipulierungsbedenken zu entkräften, wurde gesetzlich fest gelegt, dass die Stimmabgabe von einem ausgedruckten PapierbeleX zur Kontrolle begleitet würde. Nun wurde Ende September bekannt, dass die ECN bislang nur Wahlmaschinen ohne Papierbeleg erworben habe und es entgegen der ursprünglichen Annahmen die eigentlich erforderlichen Wahlmaschinen noch gar nicht in ausgereifter Version gebe. Doch sollte der Papierbeleg nicht im Zuge des Wahlgangs erstellt werden können, wäre dies ein eklatanter Verstoß gegen das Wahlgesetz.

Zudem gab es Anfang Oktober noch immer keine staatlichen Ausschreibungen, um die nötige Zahl von Kabinen für die Wahllokale sowie ergänzende Ausrüstung für die ordnungsgemäße Abhaltung und Überwachung der Wahlen (wie z.B. Stühle und Fahrzeuge für das Personal) zu beschaffen. So scheint es unrealistisch, diese noch ordnungsgemäß zu bekommen. - Es mag dahin gestellt bleiben, wer als Beteiligte an einem solch rechtlich zweifelhaften Prozess die materiellen Nutznießer sein werden. Das Land hat ein, erhebliches Potenzial an Kreativität und Flexibilität bewiesen, was die individuelle Vorteilnahme durch ungerechtfertigte bzw. den Vorschriften nicht entsprechende Vergabe von Steuergeldern betrifft.


Swapos Vorwahl-Schluckauf

Mit der Annahme der Verfassungsänderungen durch die Swapo-Parlamentarier Ende August schien der Weg für eine problemlose Kontinuität geebnet. Zwar musste im letzten Moment als Konzession an die öffentliche Kritik die Absicht zurück genommen werden, dass die vom Präsidenten zu ernennenden zusätzlichen acht Mitglieder des Parlaments auch mit Stimmrecht ausgestattet werden. Doch die Erhöhung der Parlamentssitze schien zumindest das Problem zu lösen, dass mit der "Zebra-Regelung" die Hälfte aller Swapo-Abgeordneten fortan Frauen sind. Die drohende Eliminierung der alt gedienten männlichen Kämpen schien damit gebannt.

Nur Tage später sorgte am letzten August-Wochenende der Swapo-Wahlausschuss (das Electoral College) für ein Ergebnis, das in einigen Medien als "Tsunami" bezeichnet wurde. Die etwa 200 Delegierten entschieden in geheimer Abstimmung über die 96 Plätze der Wahlliste. Sollte das Wahlergebnis wie erwartet ein ähnliches Verhältnis wie in den Wahlen zuvor sichern, könnten drei Viertel der Parlamentssitze (also etwas über 70) an die Partei gehen.

Das Ergebnis war für viele ein Schock: Es vollzog sich ein nicht vorhersehbarer Generationenwechsel, indem mehrere "nobodies" und viele Jüngere auf sichere Listenplätze gewählt wurden. Mehrere Minister und Vizeminister sowie eine weitere Zahl gestandener Swapo-Funktionäre verpassten eine Mindestplatzierung. Darunter auch die beiden mit Hage Geingob auf dem Parteikongress Ende November 2012 konkurrierenden Rivalen um die Position des stellvertretenden Parteivorsitzenden und Präsidentschaftskandidaten in der Nachfolge Pohambas.

Aber auch das "Team Hage", seinerzeit unerwartet deutlicher Gewinner (vgl. afrika süd 1/2013), musste unerwartet Federn lassen. Einige der engsten Verbündeten schafften die sichere Nominierung nicht. Damit wird der künftige Präsident Geingob bei der Regierungsbildung im März 2015 ein paar diffizile Aufgaben zu lösen haben. Auch Nujoma-Getreue (sein eigener Sohn und Minister eingeschlossen) gehören zu den Verlierern. Die Frage, wer in dieser Konstellation die Gewinner sind, konnte bislang hingegen nicht schlüssig beantwortet werden.

Die vordergründige Einheitsfassade der Partei war damit dahin. Seither kursieren Spekulationen, welche Machenschaften dazu führen konnten, dass sich die Partei in einer Umbruchphase befindet, die gar nicht geplant war. Gerüchten zufolge wurde noch unmittelbar vor den parteiinternen Wahlen vonseiten mindestens zweier Fraktionen gegen die Wahl bestimmter Personen mobilisiert. Der Nachweis eines solchen "de-campaigning" wäre ein klarer Verstoß gegen die Parteirichtlinien. Eine entsprechende Untersuchung wurde Mitte September von Partei-Generalsekretär Nangolo Mbumba (selbst Mitglied im "Team Hage") angekündigt. Es wurde allerdings versichert, dass die Wahlliste in keinem Fall revidiert würde.

Inmitten der innerparteilichen Irritationen trug ein weiterer Vorfall dazu bei, das Image der Befreiungsbewegung an der Macht zu schädigen. Als die so genannten "struggle kids" (eine Gruppe mittlerweile Erwachsener, die im Exil geboren und häufig elternlos aufgewachsen ist und seit der Rückkehr nach Namibia ohne Existenzsicherung um Integration ringt) einmal mehr Mitte September vor dem Swapo-Hauptquartier demonstrierten, eröffnete die Polizei das Feuer auf die flüchtende Menge und erschoss eine junge Mutter. Der Gewaltakt löste Empörung aus. Tags darauf wurde Swapo-Generalsekretär Mbumba bei der Ankunft vor dem Parteibüro von aufgebrachten "struggle kids" im Auto umringt und musste die Flucht antreten.

Als die Swapo kurz danach ihr Wahlmanifest vorstellte, blieben nicht nur einige der höheren Funktionäre und Minister dem Ereignis fern. Auch die üblichen Massen fielen deutlich dünner aus. Mittlerweile hat sich dies relativiert. Zu den Wahlveranstaltungen in den Regionen findet sich wieder die übliche zahlreiche Anhängerschaft ein, die ihre Partei feiert. An der Höhe des Wahlsiegs gibt es weiterhin kaum Zweifel.


And the winner is...

Dank einer hoffnungslos zerstrittenen und organisatorisch schwachen Opposition braucht sich die Partei keine Sorgen um die Zukunft zu machen. Mangels ernst zu nehmender Alternativen kann die Swapo die staatlichen Leistungen seit der Unabhängigkeit als die der Partei reklamieren. Dies dokumentiert sie auch im Wahlprogramm, das erstmals gänzlich ohne Beschwörung der heroischen Taten im Befreiungskampf auskommt und sich ganz auf Errungenschaften seit der Unabhängigkeit und die Gleichung Partei-Regierung-Staat konzentriert.

Neben der unerwarteten Swapo-Wahlliste und den Wahlkampfthemen signalisiert auch die demographische Zusammensetzung der Wählerschaft, dass sich die Zeiten ändern. Doch muss sich die Partei deshalb zumindest vorerst wohl kaum Sorgen um die Zukunft ihres politischen Monopols machen. Allenfalls wird eine schlampige bis fehlerhafte Durchführung der Wahlen erneut dazu führen, dass deren Resultat hinterfragt wird. Präsidentschaftskandidat Hage Geingob erklärte schon im September, eine Wahlbeobachtung durch Ausländer aus westlichen Ländern sei für ihn unzumutbar. Das trägt nicht zur Entwarnung bei.

Im übrigen werden die Staatspfründe weiterhin für "business as usual" geschröpft. Präsident Pohamba wird zu seiner Pensionierung als Staatsoberhaupt einen derzeit im Bau befindlichen Ruhesitz beziehen, dessen Kosten auf 35 Mio. N$ geschätzt werden. Ein dritter Düsenjet für die Regierungsführung wurde im September zum Preis von 130 Mio. N$ geliefert. Tage zuvor wurde bekannt, dass Präsidentschaftskandidat Hage Geingob drei Mercedes der Sonderklasse mit Hochsicherheitsausrüstung erhalten hat. Ihr Stückpreis liegt deutlich über einer Mio. N$.

Für die am 21. März 2015 neu zu ernennenden Minister werden bereits neue Mercedes-Limousinen parat gehalten. Die aus dem Amt scheidenden Politiker können die bis dahin genutzten Karossen zu Sonderpreisen erwerben. Sie werden eine opulente Rente und eine Prämie erhalten, weil sie als Veteranen des Befreiungskampfes gelten. Darüber hinaus wurde bekannt, einige lassen sich auch die gesetzliche Altersrente von 600 N$ monatlich auszahlen, auf die sie wie alle anderen Bürger des Landes mit Erlangung des 60. Lebensjahres Anspruch haben.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
43. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2014, S. 11-12
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2015


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