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AFRIKA/1312: Jemen - US-Verbündetem drohen Teilung und Bürgerkrieg (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2015

Jemen: US-Verbündetem drohen Teilung und Bürgerkrieg

von Thalif Deen


Bild: © Yazeed Kamaldien/IPS

Jemenitische Demonstranten in Sanaa mit den Bildern verhafteter Personen
Bild: © Yazeed Kamaldien/IPS

New York, 28. Januar (IPS) - Als sich der Nord- und der Südjemen im Mai 1990 unter dem Banner der Arabischen Republik Jemen zusammengeschlossen hatten, kommentierte eine britische Zeitung: "Zwei arme Länder sind nun ein armes Land geworden."

Die Vereinten Nationen führen den Jemen seit seiner Staatsgründung auf der Liste der 48 ärmsten Länder der Welt (LDCs). Damit sind all jene Staaten gemeint, die sehr stark von ausländischer Hilfe abhängen und um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen.

Doch das derzeitige politische Chaos, das den Rücktritt des Präsidenten, Premierministers und Kabinetts erzwang, droht den Jemen in einen verfehlten Staat zu verwandeln. Das Land könnte zudem in zwei Teile zerfallen und auf einen neuerlichen Bürgerkrieg zusteuern.

"Wir erleben die De-facto-Teilung des Landes und sollten uns auf einen langen Verhandlungsprozess gefasst machen", meinte dazu Charles Schmitz, Analyst am 'Middle East Institute', in der vorletzten Januarwoche. "Auch ist es gut möglich, dass uns ein Krieg bevorsteht."


Am Abgrund

In einem am 27. Januar veröffentlichten Bericht erklärten die Friedensforscher der 'International Crisis Group' mit Sitz in Brüssel, dass die Regierung das Land an einen Abgrund geführt habe, der die territoriale Teilung, den wirtschaftlichen Niedergang und ausufernde Gewalt bedeuten könnte, sollte ein Kompromiss nicht zustande kommen.

Die inzwischen aufgelöste Regierung von Staatspräsident Abdu Rabbu Mansur Hadi war ein enger US-Verbündeter gewesen. Sie hatte die US-Drohnenangriffe auf die Al-Qaeda der Arabischen Halbinsel (AQAP) in den entlegenen Regionen des Jemens unterstützt. Einem Bericht der New York Times zufolge wurden die USA von dem Rücktritt der Regierung kalt erwischt.

"Ich vermag nicht zu sagen, ob der Jemen in zwei Teile zerfällt", meint Matthew Hoh vom 'Center for International Policy' (CIP) in New York. "Wohl aber ist die Gefahr meiner Meinung nach sehr groß, dass der Jemen aufgrund der Gewalt zwischen den unterschiedlichen Fraktionen im Chaos versinken könnte, wie dies schon in Afghanistan, im Irak, in Libyen und Syrien geschehen ist, die allesamt Zielscheiben der interventionistischen US-Außenpolitik waren", so der Experte.

Da das Land von einer sunnitischen Mehrheit dominiert werde, die Unterstützung aus dem Nachbarland Saudi-Arabien erhalte, sei die Gefahr eines religiös motivierten Konflikts wie in Syrien, dem Irak, und im Libanon bereits programmiert, warnte Hoh. Ironischerweise betrachteten alle diese Länder inklusive der USA die AQAP als gemeinsamen Feind. Die AQAP hat sich auch zu dem jüngsten Anschlag auf die Redaktionsräume der Satirezeitschrift 'Charlie Hebdo' in Paris bekannt.

Nach Ansicht von Vijay Prashad, Professor für internationale Studien am 'Trinity College' im US-amerikanischen Connecticut, lässt sich zu diesem Zeitpunkt nur schwerlich abschätzen, was aus dem Jemen werden wird. "Die Schlachtlinie ist noch längst nicht abgesteckt", meinte er. Der sogenannten Pro-US-Regierung des ehemaligen Staatschefs Ali Abdulla Saleh warf er vor, seit 2004 in Anti-Terror-Fragen ein undurchsichtiges Spiel gespielt zu haben. Auf der einen Seite habe sie sich als Widersacher der Al-Qaeda positioniert, sich auf der anderen Seite jedoch den Umstand zunutze gemacht, dass die Al-Qaeda gegen ihre Feinde, die Zaydis (Huthi-Rebellen), zu Feld zog.

"Dass der Jemen ein doppeltes Spiel gespielt hat, war den USA durchaus bewusst. Sie ließen ihn gewähren", so Prashad. Das erklärt seiner Meinung auch, warum es der AQAP gelungen ist, Jar und andere Regionen im Jemen einzunehmen und zu halten. Die Aussage, die Zaydis seien Erfüllungsgehilfen des Irans, wies der ehemalige Edward-Said-Vorsitzende an der Amerikanischen Universität von Beirut und Autor des Buches 'Arab Spring, Libyan Winter' als "absurd" zurück.

Seiner Meinung nach hat sich die US-amerikanische Nahost-Politik als eine Katastrophe, vor allem für die Menschen vor Ort, herausgestellt. Profitiert hätten allein die Extremistengruppen und die westlichen Waffenproduzenten.


Ausgiebige Militärhilfe

Laut Nicole Auger, Nahost-Afrika-Analystin bei dem weltführenden, auf Militärfragen spezialisierten Marktforschungsinstitut 'Forecast International', kam der Jemen über Jahre in den Genuss US-amerikanischer Militärhilfe. Seit 2006 habe er mehr als 400 Millionen Dollar über den Ausbildungs- und Ausrüstungsfonds der Abteilung 1206 des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums erhalten. Die Gelder kamen insbesondere der Luftwaffe, den Sondereinsatz- und Grenzkontrolleinheiten sowie der Küstenwache des Jemen zugute.

Wie Auger weiter berichtete, sind auch die Mittel aus den Programmen 'Auswärtige Militärfinanzierung' (FMF) und 'Internationale Militärerziehung und Training' (IMET) beträchtlich gestiegen. Auch wird das Land mit Geldern aus den Programmen für Nichtverbreitung, Anti-Terrormaßnahmen, Minenräumung, Drogenkontrolle und Strafvollzug bezuschusst.

Wie einem Bericht des US-Kongresses zur Rechtfertigung der Haushaltsausgaben ('U.S. Congressional Budget Justification') zu entnehmen ist, wird die Förderung des jemenitischen Militär- und Sicherheitsbereichs 2015 eine US-Priorität bleiben, "um dem Jemen Frieden und Sicherheit zu bringen". (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/01/u-s-ally-yemen-in-danger-of-splitting-into-two-again/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2015


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