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AFRIKA/1378: Südafrika - Im Guptagate verfangen (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2016

Im Guptagate verfangen

Quellen: südafrikanische Medienberichte, zusammengestellt von Rita Schäfer


Ausverkauf des Staates, Errichtung einer Schattenregierung, verantwortungslose Patronage und neuer Kolonialismus lauten die Vorwürfe gegen Südafrikas Präsidenten Jacob Zuma. Anlass sind seine Verwicklungen mit dem indischen Familienimperium Gupta. Nun eskaliert ein Meinungsstreit im ANC. Oppositionsparteien und Öffentlichkeit verstärken ihren Druck auf Zuma.


Diese Chronologie wirft Schlaglichter auf die problematischen Beziehungen zwischen Südafrikas Präsident Jacob Zuma und dem Wirtschaftsimperium der Familie Gupta. Es geht um deren politische Einflussnahme und Geschäftsinteressen etlicher Verwandter und Vertrauter Zumas.


Schnellstart 1993

Atul Gupta migrierte 1993 aus dem indischen Bundesstaat Uttar Pradesh nach Südafrika. Er und seine Brüder Rajesh ("Tony") und Ajay begannen mit der Computerfirma Sahara Computers. Kontinuierlich bauten sie ihre unternehmerischen Interessen aus. Nun sind sie Anteilseigner an Uran-, Gold- und Kohleminen. Ihnen gehören der Energiekonzern Oakbay Resources and Energy und die Clifftop Luxuslodge. Politischen Einfluss nehmen sie durch ihre Tageszeitung New Age und ihren Fernsehsender ANN7.

Zwei Mitglieder der Familie Zumas arbeiteten zeitweise für Gupta-Unternehmen: Zumas Gattin Bongi Ngema-Zuma für JIC Mining Services und seine Tochter Duduzile für Sahara Computers, im Wesentlichen bevor Jacob Zuma Präsident wurde. Der Präsidentensohn Duduzane ist weiterhin Anteilseigner in Gupta-Firmen, insbesondere im Investment- und Minensektor.


Minenfinanzierung ab 2010

Im Jahr 2010 lieh die staatliche Industrial Development Corporation (IDC) dem Gupta-Unternehmen Oakbay Resources and Energy 250 Millionen Rand. Damit sollte deren Gold- und Uranminen geholfen werden, die von der Schließung bedroht waren. 2400 Jobs standen auf dem Spiel. Investigative Journalisten fanden heraus, dass Oakbay 2010 dank der IDC-Finanzierung 74 Prozent Anteile an Uranium One Africa, einem Sub-Unternehmen von Uranium One, gekauft und in Shiva Uranium umbenannt hat. Die IDC handelte dabei Medienberichten zufolge in Absprache mit dem Minenministerium. Demnach änderte die Industrie-Behörde auch ihren Kredit in einen Anteil an Oakbay um. Die von Oakbay erworbene Shiva-Uranmine liegt 165 Kilometer südwestlich von Johannesburg. Von der Übernahme profitierte Duduzane Zuma. Die Kapazitäten dieser Mine wurden in den Folgejahren aber nur partiell genutzt. Im Februar 2016 wurde in der Öffentlichkeit über den Marktwert von Oakbay diskutiert, bei dem Atul und Rajesh Gupta sowie deren Ehefrauen und Kamran "Raj" Radiowala, ein befreundeter Geschäftspartner in Singapur, Anteilseigner sind und - so die Kritik - deren Börsengeschäfte das IDC übervorteilten. Inzwischen kündigten Zumas Sohn und die Guptas an, ihre Anteile zu verkaufen. Zudem ließen sie verlautbaren, ihren Hauptstandort von Südafrika in die Golfstaaten zu verlagern.

Ab 2010 gab es auch mehrjährige juristische Auseinandersetzungen um Minenlizenzen zwischen Duduzane Zuma und den Guptas (Imperial Crown Trading ICT), Arcelor Mittal South Africa und Kumba/Sishen Iran Ore, das zu Anglo American Pic zählte. Kumba warf ICT Bestechung und Korruption beim Lizenzzugang vor und erstattete Anzeige. Komplizierte unternehmerische, ministerielle und politische Verwerfungen sowie strafrechtliche Ermittlungen begleiteten die Prozesse. 2013 entschied das Verfassungsgericht, ICT sei nicht der rechtmäßige Lizenzbesitzer.


Medienmacht

2010 erschien die erste Ausgabe der Tageszeitung New Age, deren Berichterstattung als regierungsnah gilt. Ein Teil der täglichen Auflage wird von para-staatlichen Unternehmen abonniert. Sie zählen auch zu den wichtigsten Anzeigenkunden, was von der Medienwelt angeprangert wird. Seit 2013 sendet der Fernsehkanal ANN7 Nachrichten und andere Sendungen. Er gehört vor allem Oakbay Investments, Essel Media und Mabengela Investment, dessen wichtigste Anteilseigner Duduzane Zuma und Rajesh Kumar Gupta sind.

New Age organisierte Frühstücke für Regierungs- und Wirtschaftsvertreter, die insbesondere para-staatliche Unternehmen bezahlten. So bezuschusste das Energieunternehmen Eskom zwischen 2011 und 2014 insgesamt zehn Frühstücke mit jeweils 1,2 Mio. Rand. Der damals verantwortliche Eskom-Vertreter, Collin Matjila, bewilligte auch weitere Gelder für Geschäftsgespräche mit New Age. Damit setzte er sich über die Empfehlungen der Eskom-Rechtsabteilung hinweg. Allerdings schadeten seine eigenmächtigen Finanzentscheidungen Matjila lange nicht, denn man sagte ihm nach, den politischen Schutz Zumas zu genießen. Sowohl der Eskom-Aufsichtsrat als auch die Ministerin für Public Enterprises, Lynne Brown, ließen ihn damals gewähren. Zuvor war Matjila in zweifelhafte Geschäfte mit Pensionsfonds und Immobilien verstrickt gewesen, wobei er unter anderem auf Salim Essa aufbaute, der wiederum über das Unternehmen Inca Energy direkte Wirtschaftsbeziehungen mit Rajesh Gupta und Dudzane Zuma pflegte.


Guptagate

Im April 2013 landeten über 200 Gäste, die zur Hochzeit von Vega Gupta und Aakash Jahajgarhia - einer Verwandten der Guptas und einem indischen Geschäftsmann - einflogen, auf dem Militärflughafen Waterkloof bei Johannesburg. Sie wurden in Hubschraubern und Luxuskarossen - begleitet von Polizeieskorten - zum Ferienparadies Sun City gebracht. Dieses Ressort hatte noch das Apartheidregime im früheren Homeland Bophuthatswana, in der heutigen Nordwestprovinz, errichtet. Die außergewöhnliche Nutzung des Militärflughafens für die Hochzeitsgäste sorgte für viele parteipolitische und öffentliche Kontroversen, weswegen Präsident Zuma, der zu den geladenen Gästen zählte, nicht an den Feierlichkeiten teilnahm. Hingegen hielt die Kritik nicht den damaligen Handels- und Industrieminister Rob Davies sowie Malusi Gigaba, den Minister für Public Enterprises, von ihrer Teilnahme an den Festivitäten ab. Davies beteuerte, es habe sich um eine rein private Einladung gehandelt. Familie Gupta entschuldigte sich schließlich; einige indische Politiker, die der eingeflogenen Hochzeitsgesellschaft angehörten, gaben an, den Tourismus in Südafrika zu fördern. Das indische Hochkommissariat ließ verlautbaren, es hätte eine Landerlaubnis gegeben, und berief sich auf Kreise aus dem Verteidigungsministerium.


Landwirtschaft als Alibi

Ein offizielles Alibi für die Landung der Privatmaschine mit den Hochzeitsgästen auf dem Militärflughafen Waterkloof verschaffte auch Mosebenzi Zwane, er war 2013 Agrarminister im Freistaat. Ein Schreiben, das unter Bezug auf diesen Posten verfasst wurde, strich die Beziehungen zwischen indischen und südafrikanischen Agrarministern heraus. Zwane war zuvor in Indien gewesen. Die bald darauf eröffnete Milchkuhfarm Estina in Vrede sorgte aber für negative Schlagzeilen. Kritiker vermuteten, Ziel der von einem indischen Computer- und Verwaltungsfachmann geleiteten Farm, in der nachweislich etliche Kühe verendeten, sei weniger die Milchproduktion gewesen, sondern der Zugang zu Geldern aus dem Provinzhaushalt. 2014 stellte der Freistaat seine Förderung ein. Bis dahin hatte er bereits 144 Millionen Rand ohne vorherige Marktanalyse in die Farm investiert. Diesem Privat-Public-Partnership wurden indirekte Verbindungen mit Firmen nachgesagt, in denen Gupta-Familienmitglieder Anteilseigner waren. Das soll beispielsweise Mabengela Investments betroffen haben, wo temporär auch ein Sohn des Freistaat-Premierministers Ace Magashule arbeitete, der wiederum ein Freund Mosebeni Zwanes war.


Minen- und Finanzministerium

Zwane wurde im September 2015 überraschend zum nationalen Minenminister ernannt, obwohl er über keine Kompetenzen in diesem Sektor verfügte. Kritiker vermuteten, dass diese Personalie den Weg für rechtliche und politische Rahmenbedingungen im Minensektor und in der Minenaufsicht ebnen sollte, die der Gupta-Familie entgegenkommen würden. Zwane wurde vorgeworfen, die Gupta-Firma Tegeta, bei der nun auch Duduzane Zuma Anteilseigner ist, beim Vertrag für die Kohlezulieferung an Eskom bevorzugt zu haben. Es ging um vier Milliarden Rand, und das obwohl Tegata 2,4 Milliarden Rand Strafe zahlen sollte, da es minderwertige Kohle an Eskom geliefert hatte. Kohleminen in Mpumalanga, an denen Gupta-Firmen große Anteile besaßen, hatten über Jahre hinweg auch wiederholt gegen Umweltgesetze verstoßen, beispielsweise im Wasserschutz. Es liegt an Minenminister Zwane, darauf zu reagieren. Er begleitete die Guptas im Dezember 2015 in die Schweiz, als sie mit dem Bergbaugiganten Glencor Übernahmepläne einer Kohlemine klärten.

Der Einfluss von Gupta-Getreuen betrifft weiterhin den Eskom-Vorstand, wie aktuell Mark Pamensky, der kurz zuvor für Oakbay Resources and Energy arbeitete. Hinzu kommen personelle Verflechtungen zwischen (para-)staatlichen Firmen und Gupta-Unternehmen wie in der Waffenproduktion, der Telekommunikation und im Medienbereich.

Die Äußerung des stellvertretenden Finanzministers Mcebisi Jonas Mitte März, Mitglieder der Gupta-Familie hätten ihm im Dezember das Amt des damaligen Finanzministers Nhlandhla Nene angeboten, als Zuma diesen überraschend entließ, und Erklärungen früherer (stellvertretender) Minister wie Vytjie Mento (Portfolio Committee on Public Works) und Barbara Hogan (Public Enterprises) zu Guptas Amtsangeboten oder gar deren Druck, stehen nicht isoliert. Vielmehr sind sie Teil komplexer Patronagenetze, die hier schlaglichtartig skizziert wurden. Es wird sich zeigen, welche Wirkung die Anzeige der Oppositionspartei Democratic Alliance, die ANC-interne Kritik und mögliche Ermittlungen durch die Ombudsfrau Thuli Madonsela haben werden und was die Günstlinge der Patronage unternehmen, um weiter zu profitieren.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
45. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2016, S. 14-15
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2016

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