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AFRIKA/1384: Sambia - Der politische Kampf mit multinationalen Rohstoffkonzernen (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2016

Der politische Kampf mit multinationalen Rohstoffkonzernen

von Esther Uzar


Sambia wird am 11. August 2016 eine neue Regierung wählen. Die Menschen sind von der Patriotic Front unter Präsident Edgar Lungu enttäuscht. Experten vermuten einen Wahlsieg der Oppositionspartei United Party for National Development (*). Damit würde das Land seinen dritten Parteiwechsel ohne Blutvergießen erleben - eine beachtliche Leistung in der politischen Landschaft Afrikas. Doch was bedeutet das für das Verhältnis von Politik und multinationalen Rohstoffkonzernen?


Politische Stabilität ist ein Markenzeichen von Sambia, das seit 2000 ein reales Wachstum von sieben Prozent jährlich aufweist und zum Land mittleren Einkommens hochgestuft wurde. Gleichzeitig sind Armut und Arbeitslosigkeit die größten Probleme, und darum geht es auch im Wahlkampf. Oppositionsführer Hakainde Hichilema verspricht eine höhere Wirtschaftsleistung, gemeinsam mit verbessertem Zugang zu Bildung und Gesundheit. Hichilema ist Ökonom und erfolgreicher Unternehmer, doch seine kapitalistische und investorenfreundliche Einstellung verunsichert viele Menschen, die sich einen Wohlfahrtsstaat und eine soziale Marktwirtschaft wünschen.


Rohstoffreichtum, Umweltskandale und Steuerflucht

Wer auch immer neuer Präsident wird, steht vor einer enormen Herausforderung, denn das rohstoffreiche Land hat den Kampf mit multinationalen Rohstoffkonzernen aufgenommen. Sambia ist - wie Südafrika - eine traditionelle Bergbaunation. Neben den alten Werken aus den 1930er Jahren in den Industriestädten in der Provinz Copperbelt sind neue Minen im Nordwesten an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo entstanden. Multinationale Konzerne aus der Schweiz, aus England, Kanada, Australien, Südafrika, China, Indien, Brasilien, Kasachstan und Singapur bauen hauptsächlich Kupfer und Kobalt ab, darüber hinaus werden Gold, Uran, Mangan, Zink, Eisen, Nickel, Kohle und Smaragde gefördert.

Der erneute Ressourcenboom hat hitzige Debatten im Land entfacht. Eine breite Öffentlichkeit aus christlichen Kirchen, sozialen Vereinen, der Presse und Oppositionsparteien ist sich einig: Wir müssen unseren gerechten Anteil am Rohstoffreichtum einfordern. Die Siedlungen im Umfeld der Bergwerke verhandeln über mehr soziales Engagement, im Fachjargon Corporate Social Responsibility: den Ausbau von Schulen, Straßen und Krankenhäusern. Gewerkschaften führen jährliche Tarifverhandlungen, doch glich die durchschnittliche Lohnerhöhung von 14,1 Prozent zwischen 2000 und 2016 nur die Inflationsrate um 14,15 Prozent aus.

Ausgelöst wurde die Debatte über die Konzernverantwortung durch eine Reihe von Skandalen. Im Jahr 2005 kamen bei einer Explosion in einer chinesischen Fabrik 52 sambische Arbeiter ums Leben. Im folgenden Jahr verseuchte das britisch-indische Unternehmen Vedanta den Mushishima-Fluss mit Kupfersulfat und Schwefelsäure. Als die Umweltbehörde Vedanta belangen wollte, nahm die Regierung das Unternehmen in Schutz. Anwohner gingen daraufhin selbst vor Gericht, das dem Konzern eine Strafe von zwei Millionen US-Dollar auferlegte. Die Wasserwerke in den Städten Kitwe und Chingola verklagten die Firma ihrerseits wegen regelmäßiger Wasserverschmutzung.

Als Vedanta 2013 die sambische Steuerbehörde verklagte und 2000 Arbeiter entlassen wollte, wies Präsident Michael Sata den indischen Unternehmensleiter Kishore Kumar außer Landes.

Auch das in der Schweiz registrierte Glencore sorgte für Schlagzeilen. In der Bergbaustadt Mufulira strömte von 1937 bis 2006 Schwefeldioxid ungefiltert in die Luft. Erst 2014 installierte die Firma eine Technologie, die 95 Prozent der Gase auffangen soll. Steuerprüfungen stellten darüber hinaus Kapitalflucht bei Glencore und Vedanta fest. Beide haben Partnerunternehmen in Steueroasen und werden beschuldigt, ihre Gewinne nicht vollständig anzugeben, sondern von Leistungsverrechnung mit Tochterunternehmen (Transfer pricing) und Hedging zu profitieren.


Der Kampf um die Steuern

Ein Video brachte das Fass zum Überlaufen: Vedantas Inhaber amüsierte sich auf einer Konferenz in Indien 2014 darüber, dass er das Werk 2004 für 25 Mio. US-Dollar erworben hatte, es ihm seitdem jedoch jedes Jahr 500 Mio. US-Dollar einbringen würde. Das ganze Land war empört: Wie kann ein Konzern im Jahr mehrere Hundertmillionen Dollar erwirtschaften, das Land davon jedoch kaum einen Nutzen tragen? Es gibt in Sambia nur zwei Bergbaufirmen, die regelmäßig Unternehmenssteuern zahlen, das sind die kanadische Kansanshi Mine und die Chibuluma Mine, die von Südafrikanern geleitet wird, aber im Besitz der chinesischen Regierung ist. Die anderen Firmen erklären jedes Jahr Verluste. Vedanta beispielsweise ist seit 2004 im Land, hat allerdings 2013 das erste Mal Steuern gezahlt, während die Schweizer Glencore-Gruppe seit 2000 Kupfer abbaut, aber nur 2012 und 2013 Unternehmenssteuern zahlte.

Die Regierung reagierte auf den Unmut ihrer Bürgerinnen und Bürger und führte einen Steuerkrieg fort, den sie bereits im Jahr 2008 begonnen hatte. Man sollte dazu wissen, dass die Investoren mit der Regierung sehr günstige Verträge ausgehandelt hatten und deren Steuerleistung zwischen 2000 und 2008 weniger als ein Prozent der jährlichen Steuereinnahmen des Landes betrug. Diese Verträge kündigte der Staat 2008. Die Regierung führte eine neue Spekulationssteuer ein und erhöhte die Mineralölsteuer in den Jahren 2008, 2012 und 2015. Die neuen Steuern sollten am Umsatz bemessen werden und weniger Möglichkeiten bieten, Profite falsch anzugeben. Die Unternehmen weigerten sich jedoch schlicht und einfach.

Nur drei Firmen haben die Spekulationssteuer (windfall tax) 2008 gezahlt, darunter das NFCA-Werk im Besitz des chinesischen Staates. Tragischerweise kam die Weltwirtschaft den Investoren zur Hilfe: In der Finanzkrise 2009 und der Bergbaukrise 2015 erklärten die Firmen, sie würden um ihr Überleben kämpfen und könnten die erhöhten Steuern nicht aufbringen. Sie schlossen einige Werke vorübergehend und entließen Tausende von Arbeitern. Als zwei der größten Minen ihre Schließung ankündigten, gaben der Präsident und der Bergbauminister nach. Im Jahr 2009 war es Glencore mit Mopani in den Städten Kitwe und Mufulira, das Steuern zahlte. Auch wenn einige der Steuerreformen wieder rückgängig gemacht wurden, so erbrachten die Bergbaufirmen zwischen 2010 und 2014 immerhin im Durchschnitt 14,8 Prozent der gesamten Steuereinnahmen.

Im Zuge der Massenentlassungen forderten die Gewerkschaften, einige der Investoren sollten das Land verlassen und die Regierung sollte bessere Besitzer für die Minen suchen. Doch genau darin liegt die Tragik: Man ist sich nicht so sicher, wer eigentlich die schlechten Investoren sind. Wenn Firmen behaupten, sie könnten nur bei niedrigen Steuern und mit reduzierter Arbeiterschaft überleben; wenn die Handelskammer für Bergbau warnt, die ständigen Gesetzesänderungen würden potenzielle Investoren abschrecken - dann zweifeln viele an der Glaubwürdigkeit dieser Drohungen. Allerdings kennt niemand die genauen Unternehmensbilanzen, um das Gegenteil zu beweisen. Keiner im Land weiß genau, wie viel Kupfererz die Firmen abbauen, ob sich darin eventuell noch Gold und Silber befinden, zu welchem Preis die Exporte verkauft werden, wie hoch die Betriebskosten und die Gewinne sind. Die Finanzfachkräfte, Rechtsanwälte, Steuerexperten und Geologen der Unternehmen sind besser qualifiziert als die des sambischen Bergbauministeriums und der Steuerbehörde. Um die Produktion der Firmen zu überwachen, wurden nun Förderprogramme für beide Behörden ins Leben gerufen, mit Finanzierung der norwegischen Regierung und der Europäischen Union.


Kampagnen zur globalen Unternehmensverantwortung

Rohstoffkonzerne sind eine große Herausforderung für afrikanische Staaten. Umso wichtiger ist es, dass die internationale Gemeinschaft den Druck auf transnationale Unternehmen erhöht. In den vergangenen zehn Jahren haben europäische NRO, kirchliche Organisationen und globale Kampagnen bereits sehr viel in Sambia bewirkt. Dieses Engagement ist bedeutend. Rohstoffkonzerne sollten ihre Jahresberichte veröffentlichen, inklusive Gewinne und Steuerzahlungen. Ein weiteres Anliegen sind die Arbeitsbedingungen: Mehr als die Hälfte der 74.000 Bergarbeiter muss sich als Zeitarbeiter für Subunternehmer zu Hungerlöhnen und schlechter Versorgung bei Arbeitsunfällen verdingen. Jedes Jahr passieren etwa 329 Unfälle in den Minen. Die Zahl der tödlichen Unfälle ist am höchsten in dem chinesischen NFCA sowie den Schweizer Glencore-Werken.

Wichtig ist es vor allem, dass Arbeiter streiken können. Die Arbeitsrechte im Land schreiben ein langwieriges Verfahren für die Beantragung von Streiks vor, deshalb waren die 80 Streiks seit 2000 alle illegal und Firmen hatten das Recht, die "Unruhestifter" zu entlassen.

Angesichts dieser Probleme erwarten Bergbaustädte die kommenden Wahlen mit Spannung. Die derzeitige Regierung wurde 2011 von Bergarbeitern ins Amt gewählt, doch die Patriotic Front ist an den Investoren gescheitert. Von der Opposition ist nicht viel zu erwarten, sie kündigt eine investorenfreundliche Wirtschaftspolitik an. Umso bedeutender wird die lebhafte Zivilgesellschaft.


Die Autorin hat in Bayreuth studiert und beendet nun an der Universität Basel ihre Doktorarbeit über Politik und Gewerkschaften im Schatten von Rohstoffkonzernen in Sambia.

Weitere Informationen:
ActionAid Zambia; Zambia Extractive Industry Transparency Initiative (EITI); Foll Vedanta

(*) Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Wahl endete mit einem knappen Sieg des Amtsinhabers.

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afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2016

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