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AFRIKA/786: Mauritius - Ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ist keine Wundertüte (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2009 / Januar 2010

Keine Wundertüte

Interview mit Asho Subron von Yves Chavrimootoo


Im August 2009 hat Mauritius ein Interimsabkommen über Wirtschaftspartnerschaften mit der Europäischen Union unterzeichnet. Partnerschaftsabkommen seien grundsätzlich zu begrüßen, meint Asho Subron von der Organisation "Rezistans ek Alternativ" ("Widerstand und Alternative" in der mauritisch-kreolischen Sprache). Bei diesem Abkommen aber könne von Partnerschaft nicht die Rede sein. Es diene nur den Eliten im Lande, die Regierung habe diese wichtige Entscheidung der öffentlichen Diskussion entzogen. Mit Subron sprach Yves Chavrimootoo von L'Express Online, Mauritius.


YVES CHAVRIMOOTOO: "Rezistans ek Alternativ" hat von Anfang an Alarm geschlagen, wenn es um die Abkommen über Wirtschaftspartnerschaften (EPA) ging. Nun hat Mauritius das erste neue Interimsabkommen abgeschlossen. Was sagen Sie dazu?

ASHO SUBRON: Es ist bedauerlich, dass solche Entscheidungen, die einen unmittelbaren Einfluss auf unsere Wirtschaft und unsere Existenz haben, keiner demokratischen Diskussion unterzogen wurden. Im Gegenteil, der ganze Prozess wurde von der wirtschaftlichen und technokratischen Elite völlig kontrolliert. So wurde aus verschiedenen Gründen nur eine Seite der Medaille berücksichtigt. Ein Abkommen wird von zwei Parteien geschlossen. Doch die mauritische Regierung schweigt sich darüber aus, was sie als Gegenleistung erhalten hat.

In ihrem offiziellen Programm und in ihrem Rechenschaftsbericht vor dem Parlament hat die Soziale Allianz, die Regierungspartei, der Wählerschaft versprochen, alle Fragen zu Wirtschaftsabkommen einem eigenen Forum vorzulegen, in dem die verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen vertreten sein sollten. Aber sobald sie wieder an der Macht war, hat sie erneut ihre alten Positionen bezogen. Alle ihre Handlungen erfolgten im strikten Interesse des Kapitals, das Einrichtungen wie den Gemeinsamen Wirtschaftsrat oder die Industrie- und Handelskammer kontrolliert.

YVES CHAVRIMOOTOO: Was hat Sie zu einem Gegner von EPAs gemacht?

ASHO SUBRON: Wir sind nicht gegen ein EPA zwischen den Ländern unserer Region und der Europäischen Union (EU). Wir befürchten jedoch, dass diese Abkommen keine zwischen Partnern sind, sondern den begrenzten Interessen einer kleinen Gruppe dienen. Ein Freihandelsabkommen setzt eine gewisse Gegenseitigkeit voraus und beinhaltet für den Staat die politische Souveränität, die Richtung seiner Wirtschaftspolitik selbst zu bestimmen. Ein volles EPA bedeutet jedoch eine bedingungslose Öffnung für europäische Güter und die gigantischen multinationalen Konzerne in strategischen Sektoren wie Grundleistungen, öffentliche Unternehmen und Sozialdienstleistungen.

YVES CHAVRIMOOTOO: Unser wirtschaftliches Überleben hängt aber nun mal zu einem Großteil von unserem Exportsektor ab. Was ist daran so falsch, uns einen garantierten Zugang zu unserem wohl wichtigsten Markt zu sichern?

ASHO SUBRON: Es gibt in der Tat bei uns eine starke Tendenz in Richtung EPA, die die Dringlichkeit solcher Verträge mit der Abhängigkeit unserer Wirtschaft vom Export begründet. Aber genau wegen dieser Abhängigkeit müssen wir mit Bedacht an die Sache herangehen und uns nicht Hals über Kopf in ein Vertragswerk einbinden, das die Abhängigkeit nur vergrößert. Die EU spielt genau diese Abhängigkeit aus, uns zur Liberalisierung und Privatisierung strategischer Sektoren zu nötigen. Das sind Schlüsselfragen für ein Land wie Mauritius. Was uns ärgert, ist, dass diese Fragen unter Verschluss gehalten werden. Wo sind diese Fragen jemals zur Diskussion gestellt worden? Wir haben ein Recht darauf. Wir lassen uns nicht sagen: Seid mal still, die Elite wird schon entscheiden.

YVES CHAVRIMOOTOO: Wäre es in diesen Zeiten der Wirtschaftskrise nicht trotzdem klug, unsere Wirtschaft durch solche Abkommen zu konsolidieren?

ASHO SUBRON: Wir haben eine vielfältige Krise. Sie betrifft alle Volkswirtschaften quer durch die Welt. Wir haben eine Finanzkrise, eine Klimakrise und man kann inzwischen auch von einer Gesundheitskrise sprechen. Deshalb ist jetzt der entscheidende Moment da, unser Wirtschaftsmodell zu überdenken. Wir brauchen jetzt Umsicht, damit wir unsere wirtschaftliche Zukunft nicht durch solche Abkommen verspielen. Wir sollten unsere Lektionen aus den Abkommen der Weltwirtschaftsorganisation WTO lernen. Da konnten wir mit den Jahren beobachten, welche negativen Folgen solche Abkommen auf Länder der Dritten Welt und Afrikas haben. Das EPA-Konzept ist eine direkte Fortschreibung der mageren Ergebnisse der neuen Wirtschaftsordnung, wie sie die WTO propagiert. Aus meiner Sicht war das der Zeitpunkt, das Entwicklungsmodell, dem wir seit der Unabhängigkeit überwiegend gefolgt sind, zu überdenken.

Die fundamentalen Fragen werden nun überlagert. Aber wir müssen eine Parallele ziehen zwischen den EPAs und dem, was in der WTO abläuft, vor allem nach dem Zusammenbruch der jüngsten Verhandlungen in Hongkong. Wir haben den Eindruck, dass die EU alles daran setzt, die Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) in Freihandelsabkommen einzubinden und so Regelungen zu präjudizieren, denen sich Drittwelt-Länder und Afrika auf der WTO-Bühne widersetzen. Die EU macht Druck im Dienstleistungssektor und geht dabei weit über WTO-Abkommen hinaus. Sie strebt ein WTO-Plus an, das Dienstleistungen, Investitionen und öffentliche Vorsorge mit einschließt.

YVES CHAVRIMOOTOO: Kommen wir noch einmal zurück auf Ihre Befürchtungen...

ASHO SUBRON: Unsere Befürchtungen sind das Ergebnis gründlicher Untersuchungen von "Rezistans ek Alternativ", aber auch von Analysen offizieller Berichte, wie sie gelegentlich die Regierung selbst herausgegeben hat. Ich verweise auf eine Studie "Capacity Building in Support of Preparations for Economic Partnership Agreement". Diese Studie wurde vom Industrieministerium in Auftrag gegeben und von einer Beratergruppe der Universität von Nottingham durchgeführt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigung um zwölf Prozent zurückgehen wird, betroffen wären vor allem die Manufaktur und die Arbeitsplätze von Frauen. Dem gegenüber stehe bestenfalls eine Steigerung des Bruttoinlandsproduktes um 0,06 Prozent. Es liegt auf der Hand: Ein EPA ist nicht - wie immer behauptet - die Wundertüte, in der die Lösung all unserer Probleme liegt. Deshalb besteht "Rezistans ek Alternativ" darauf, die Debatte in die Öffentlichkeit zu tragen.

Ebenso wichtig sind aber auch Überlegungen, welche Folgen EPAs für die regionale Integration haben. Gerade die Krise lehrt uns, wie wichtig regionale Zusammenarbeit ist. Solche Fragen müssen einfach in einer demokratischen Diskussion gestellt werden.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
38. Jahrgang, Nr. 6, Dezember 2009/Januar 2010, S. 37
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2010