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AFRIKA/994: Afrika im weltweiten Netz (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2011

Afrika im weltweiten Netz

Von Sabine Schulze


Die aktuellen Ereignisse in Nordafrika zeigen, welche gesellschaftlichen Mobilisierungsmöglichkeiten in den neuen Telekommunikationstechniken stecken. Der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Sektor südlich der Sahara ist bei weitem noch nicht so entwickelt. Doch er erlebt seit Jahren einen starken Aufschwung. Das wirtschaftliche Wachstum des Internet liegt laut Angaben der International Telecommunications Union (ITU) sogar 13 Prozent über dem weltweiten Durchschnitt. Neue Technologien ermöglichen immer mehr Menschen den Zugang zum Internet. Dessen ungeachtet profitiert die Mehrheit der Bevölkerung noch nicht von den positiven Entwicklungen der letzten Jahre.


Noch vor fünf Jahren waren große Teile Afrikas praktisch vom weltweiten Datennetz getrennt. Damals gab es gerade einmal ein Überseekabel (SAT-3), das die westafrikanische Küste mit Europa und Asien verband. In der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) waren ausschließlich Angola und Südafrika mit SAT-3 verbunden. Seither hat sich viel getan. Innerhalb von nur 12 Monaten landeten drei neue Glasfaserkabel an der ostafrikanischen Küste. In Westafrika wurden zwei neue Kabel verlegt, weitere zwei werden voraussichtlich noch in diesem Jahr ans Netz gehen.

Diese sehr positiven Nachrichten sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Afrikaner immer noch keinen Zugang zum Internet hat. Während Afrika 14,8 Prozent der Weltbevölkerung stellt, kommen nur 5,6 Prozent der Internetnutzer aus dem Kontinent. Nach Daten des Internet World Stats hat mit knapp 90 Prozent ein Großteil der Bevölkerung keinen direkten Zugang zum Internet. Der Masse der Menschen bleibt der Zugang zu den im weltweiten Netz verfügbaren Nachrichten, Unterhaltungsmedien und Dienstleistungsangebote daher weitestgehend verwehrt. Besonders in den ländlichen Gegenden gibt es kaum Internetverbindungen - so verfügten 2008 nur geschätzte 1,4 Prozent der ländlichen Gemeinden im subsaharischen Afrika über eine Netzanbindung.

Obwohl diese Zahlen den wirklichen Zugang zu Internetmedien nur bedingt wiedergeben, machen sie deutlich, wie groß die Kluft zum Rest der Welt trotz Wachstum in den vergangenen Jahren immer doch ist. Die Menschen, die überhaupt einen Zugang zum Internet haben (zumeist über städtische Internetcafés), müssen meist schleppende Verbindungen in Kauf nehmen, denn das Internet ist häufig nur über die langsamen Einwahlleitungen (dial-up) verfügbar. Schnellere Internetzugänge über Breitbandverbindungen sind immer noch die Ausnahme, auch wenn sich dies in nächster Zeit aufgrund der zahlreichen neuen Glasfaserkabel zumindest in den Großstädten verändern dürfte.

Auch die Preise für die Internetnutzung sind schon seit Jahren die höchsten weltweit. Ein durchschnittlicher Breitbandanschluss kostet in Afrika 110 US-Dollar (100 Kbit/ Sekunde), in Europa liegt der Preis bei unter 20 USD. Diese hohen Kosten werden durch die Netzanbieter meist mit den hohen Investitionskosten in die Glasfasernetze begründet. In Wahrheit dürften jedoch auch der geringe Wettbewerb in einigen Ländern sowie "veraltete" Geschäftsmodelle für die exorbitanten Kosten verantwortlich sein. Anstatt über niedrigere Kosten eine wachsende Zahl von Kunden zu gewinnen, setzen die meisten Provider auf einen kleinen Kundenstamm, darunter insbesondere Regierungen, Großunternehmen und Nichtregierungsorganisationen, die in der Lage und willens sind, die hohen Preise für einen Anschluss ans Netz zu zahlen.

Aufgrund der hohen Preise spielt der mobile Internetzugang in vielen Ländern eine stetig wachsende Rolle - zum Glück für ihre Kunden. Im Gegensatz zu den Internetnetzanbietern verfolgen sie ein Geschäftsmodell, das auf die Erschließung der Massen und kleiner Gewinnmargen setzt. Das hat dazu geführt, dass zwei der zehn weltweit führenden Länder der mobilen Internetnutzung heute schon in Afrika zu finden sind (Nigeria, Südafrika). In Ostafrika haben bereits heute mehr Menschen über das Handy Zugang zum Internet als über die klassische Kabelverbindung. Oft nutzen Handybesitzer auch indirekt internetbasierte Informationen, indem sie Dienstleistungen wie Gesundheits-, Wetterdienste oder aktuelle Preise landwirtschaftlicher Produkte via SMS von speziellen Dienstleistern abrufen.


Neue Informationswege durch Internetjournalismus und Blogs

Insbesondere in den Städten steigt die Zahl der Menschen, die das Internet für Ihre Zwecke nutzt. Ein Blick ins Internet verrät, dass die Anzahl der Internetzeitungen und Blogger in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Insbesondere eine wachsende Fülle von interessanten Blogs widmet sich einer sehr breiten Palette von Themen aus so unterschiedlichen Bereichen wie Politik und Menschenrechte, Alltagsleben, Sport, Musik, Kochen oder sogar Philosophie und bietet damit neue und vielfältige Möglichkeiten der Informationsvermittlung und des Austauschs.

So berichtet zum Beispiel die Plattform Gay Rights Uganda über Diskriminierungen und Übergriffe auf Homo-, Bi- und Transsexuelle wie z.B. im Januar dieses Jahres über die Ermordung des ugandischen Aktivisten David Kato. Hier kommen Betroffene und Aktivisten selbst zu Wort, was in anderen Medien kaum der Fall ist.

Im Blog-Projekt Foko stehen die Menschen Madagaskars im Mittelpunkt der Blog-Beiträge. Die Betreiber von Foko haben sich zum Ziel gesetzt, der Welt ein vielseitiges und realistisches Bild der Madagassen zu zeigen, und helfen einfachen Bürgern durch Schulungen, neue Medien für sich zu nutzen. Die Blogger des Online-Dienstes Sokwanele liefern seit Jahren kritische Nachrichten aus Simbabwe und bieten den Nutzern eine Möglichkeit des Austauschs, der so in der realen Welt im autoritären Simbabwe kaum möglich ist. Während der Wahlen im Jahr 2008 berichteten die Blogger - im Gegensatz zu den staatlich zensierten Medien - über zahlreiche Gewalttaten der Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle, Einschüchterungsversuche von Wählern und Wahlmanipulationen. Um die Anonymität der Blogger zu gewährleisten, macht sich Sokwanele ein Open-Source-System zunutze, dass den Zugang zum Internet verschlüsselt und damit die Absender der Beiträge schützt.

Einen Überblick über die Vielzahl unterschiedlicher afrikanischer Blogs bietet der Blog-Aggregator Afrigator, der durch das südafrikanische Technologieunternehmen Afrigator Internet Ltd. betrieben wird. Mit insgesamt knapp 10.400 Blogs liegt Südafrika auf der Liste der afrikanischen Blogger an erster Stelle, gefolgt von Nigeria (1.500) und Kenia (800). Viele SADC-Staaten befinden sich im mittleren und unteren Drittel der Skala - so waren im Januar 2011 für Simbabwe 89, für Lesotho 10 und für die Seschellen nur acht Blogs gelistet.

Die sehr unterschiedliche Ausprägung der Blog-Landschaft zeigt, wie ungleich der Zugang zum Internet geographisch verteilt ist. Dies liegt einerseits an der unterschiedlich entwickelten Infrastruktur und der damit verbundenen wirtschaftlichen Entwicklung der Länder, aber auch am Grad der Medienfreiheit. Trotz oft vielfältigerer Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung geraten auch Blogger und Internetjournalisten zunehmend unter staatlichen Druck und werden vermehrt Opfer von Repressalien. So wurde zum Beispiel Jean-Léonard Rugambage, der stellvertretende Herausgeber der ruandischen Online-Zeitung Umuvugizi, im Juni 2010 vor seinem Haus in Kigali erschossen, nachdem er bereits längere Zeit telefonisch bedroht wurde. Rugambage hatte kurz vor seiner Ermordung brisante Ermittlungsergebnisse über den Mordversuch an einem ehemaligen ruandischen Generalstabschef veröffentlicht, der sich von Präsident Paul Kagamé bedroht fühlte. Rugambage war der letzte Journalist der Online-Zeitung, der noch von Ruanda aus berichtete, nachdem all seine Kollegen aufgrund massiver Bedrohungen bereits aus dem Land geflohen waren.

Einen Überblick über Repressalien gegen Blogger und Online-Journalisten bietet die Internetplattform Threatened Voices, die von Global Voices Advocacy betrieben wird. Auf der Webseite werden seit dem Jahr 2000 Bedrohungen, Verhaftungen und Morde an Bloggern und Online-Journalisten dokumentiert. Bis Januar 2011 wurden insgesamt 268 Fälle erfasst, wobei der größte Teil auf die Länder China (41), Iran (37) und Ägypten (31) entfällt. Im Südlichen Afrika wurden bisher nur vier Fälle (DR Kongo, Ruanda, Madagaskar und Südafrika) registriert. Diese im globalen Verhältnis vergleichsweise geringe Zahl verfolgter Journalisten mag auch Ausdruck der noch relativ geringen Reichweite von Internetmedien und deren damit verbundene politische Bedeutung sein, die dem Online-Journalismus durch autoritäre Regierungen in Afrika zugeschrieben wird. Mit einem wachsenden Zugang zum Internet und seinen Medien in der Bevölkerung wird sich diese Einschätzung sicherlich verändern.


Internetmedien in der Bildung

Bildungseinrichtungen, insbesondere Grund- und Sekundarschulen, haben im Südlichen Afrika immer noch so gut wie kaum einen Internetanschluss. Wenn doch, werden diese kaum für Lehrzwecke genutzt oder gar in den Unterricht integriert. Im Jahr 2003 hat Nepad (New Partnership for Africa's Development) daher die e-School Initiative ins Leben gerufen, um Abhilfe zu schaffen. Diese Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, den Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien in den Schulen zu verbessern, den Einsatz von Internetmedien im Schulunterricht durch Lehrerfortbildungen voranzutreiben und die Medienkompetenzen der Schüler zu stärken. Trotz einiger Pilotprojekte hat die Initiative bisher auf breiter Basis in den Schulen keine Veränderung eingeleitet. Eine der wenigen positiven Ausnahmen ist Mauritius, wo 85 Prozent der Schulen schon heute einen Internetzugang haben. Die Mehrheit der afrikanischen Länder erhebt diesbezüglich jedoch bisher nicht einmal Daten.

Ähnlich dürftig sieht es in anderen Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken und Universitäten aus. Während für Letztere keine Daten zur Verfügung stehen, ist in über 70 Prozent der afrikanischen Staaten nicht einmal jede fünfte öffentliche Bibliothek mit einem Internetanschluss ausgestattet.

Auch wenn in den Schulen großer Nachholbedarf besteht, lassen sich zunehmen Beispiele für die Nutzung von Internetmedien in der außerschulischen und insbesondere politischen Bildungsarbeit finden. Ein Beispiel ist die durch das International Institute of ICT Journalism koordinierte Internetplattform African Elections. Ziel der 2008 gegründeten Plattform ist es, Journalisten, Bürgern und den Medien relevante Wahlinformationen zeitnah zu übermitteln und die Qualität der Wahlberichterstattung in Afrika zu verbessern. Daher betätigt sich African Elections auch gezielt im Bereich der politischen Bildung, indem es Journalisten und Bürgern verschiedene Weiterbildungen anbietet und sie in der Nutzung von IKT-Tools zur Berichterstattung und Wahlbeobachtung schult. African Elections berichtet bereits über kommunale und nationale Wahlen aus zehn afrikanischen Ländern und plant derzeit weitere sieben Länder in die Berichterstattung einzubeziehen.


Was bringt die Zukunft?

Inwieweit Afrikas Bevölkerungen in Zukunft von den zahlreichen Möglichkeiten des Internets profitieren können, hängt stark von der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der einzelnen Länder ab. Aufgrund der durchschnittlich relativ geringen Einkommen wird die Mehrheit der Menschen auch in naher Zukunft keinen direkten Zugang zu Informationstechnologien haben, auch wenn durch Dienstleistungen wie Internetcafés oder die Verbreitung von Informationen aus dem Internet über Radiosender mehr und mehr Menschen erreicht werden.

Auch die rudimentäre Stromversorgung in den ländlichen Gebieten bleibt eine Herausforderung, die mittelfristig den Anschluss ans Netz für die hier lebenden Menschen weiter erschweren wird. Investitionen in die Ausweitung der Stromnetze lohnen sich oft aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte und weiten Entfernungen wirtschaftlich kaum. Netzunabhängige Anlagen, wie Solaranlagen, könnten jedoch zukunftsweisende Alternativen bieten. Kombiniert man diese Art der Stromgewinnung mit dem Ausbau drahtloser Breitbandnetze, zum Beispiel auf Basis bestehender Mobilfunknetze, könnten mittelfristig weit mehr Menschen kostengünstig mit dem Internet verbunden werden als über den Landweg. Ob ein solcher Weg eingeschlagen wird, hängt jedoch maßgeblich von politischen Entscheidungen ab. Regierungen müssen die Voraussetzungen für mehr Wettbewerb auf den IKT-Märkten schaffen und die Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten an wirtschaftlichen Entwicklungen erreichen, damit sich diese IKT-Dienstleistungen auch leisten können.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2011, S. 31 - 32
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2011