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ASIEN/628: In Pakistan dominieren Furcht und Skepsis - Umfrage zeichnet düsteres Stimmungsbild (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. August 2010

Pakistan: Furcht und Skepsis dominieren - Umfrage zeichnet düsteres Stimmungsbild

Von Eli Clifton


Washington, 2. August (IPS) - Politiker und Medien im Westen beobachten besorgt die Afghanistan-Einsätze der Streitkräfte ihrer Länder. Es mehren sich die Zweifel, ob der Kampf gegen die Taliban und Al Kaida und eine dauerhafte Befriedung des Landes Erfolg haben können. Beunruhigt blickt man auch auf den Nachbarn Pakistan. Zweifel an der Verlässlichkeit des "Partners im 'Kampf gegen den Terror' werden immer wieder laut.

Umgekehrt sieht es gar nicht so anders aus, wie eine jetzt veröffentlichte Umfrage zeigt: Die Pakistaner sind sich keineswegs sicher über die Beziehung ihrer Regierung zu Washington. Weitgehend einig sind sie aber in ihrer Ablehnung der Taliban und Al Kaidas.

Seit 2001 veröffentlicht die Denkfabrik 'Pew Research Center' in Washington jährlich den Bericht 'Pew Global Attitudes Project'. Die am Donnerstag vorgestellte aktuelle Auswertung einer im Frühjahr in Pakistan durchgeführten Umfrage zeigt, dass das Ansehen der USA im Land nach wie vor schlecht ist. Lediglich 17 Prozent der Befragten haben ein positives Bild von den Vereinigten Staaten. 59 Prozent betrachten sie als Feind betrachten und nur 11 Prozent als Partner.

Al Kaida und die Taliban finden in dem Land ebenfalls nur bei einer Minderheit Rückhalt. 18 Prozent der Pakistaner zeigen eine positive Einstellung zu dem Terrornetzwerk. Immerhin ist dies ein Anstieg um neun Prozent gegenüber 2009. Die Taliban haben in der positiven Beurteilung von zehn auf 15 Prozent zugelegt. Dennoch sind weiterhin viele Befragte besorgt darüber, dass Extremisten die Kontrolle über das Land übernehmen könnten. Allerdings äußerten im Vorjahr noch 69 Prozent solche Befürchtungen, während es aktuell 51 Prozent sind.


Sorge um Sicherheit und Wirtschaft

Der Bericht legt den Schluss nahe, dass die Pakistaner im Großen und Ganzen eine negative Haltung sowohl gegenüber den USA, Al Kaida und den Taliban als auch gegenüber der eigenen Regierung haben.

"Die Pakistaner beurteilen die Lage ihres Landes nach wie vor als schlecht. Große Teile der Bevölkerung sind unzufrieden mit den Zuständen im Land und mit der Wirtschaft. Sie sind beunruhigt über Korruption in der Politik und Kriminalität", heißt es in dem Bericht. "Nur jeder fünfte Befragte äußert sich positiv über Präsident Asif Ali Zardari, vor zwei Jahren hatte er noch 64 Prozent der Bevölkerung hinter sich." 78 Prozent der Befragten beurteilen zudem die wirtschaftliche Lage als relativ schlecht oder schlecht.

Bei den Aussagen zu extremistischen Organisationen fällt auf, dass die vor allem in Kaschmir aktive Gruppe 'Lashkar-e-Taiba', die unter anderem für die Anschläge in Mumbai im November 2008 verantwortlich gemacht wird, sehr gemischte Bewertungen erhält. 35 Prozent der Befragten äußerten sich negativ und 25 Prozent positiv, während 40 Prozent keine Meinung dazu hatten.


'Law and Order' und Scharia

Trotz der generellen Ablehnung extremistischer Gruppierungen äußern viele Pakistaner Zustimmung zu den harten Vorschriften und Strafen, die vor allem von den Taliban durchgesetzt werden. So befürworten 85 Prozent die Trennung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz, 82 Prozent die Steinigung von Ehebrechern. Weitere 82 Prozent halten Auspeitschen oder das Abschneiden der Hand als Bestrafung für Diebe für angemessen. Über drei Viertel fordern die Todesstrafe für Menschen, die sich vom Islam lossagen.

Das Ansehen der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan kann von der kritischen Haltung gegenüber Al Kaida und den Taliban nicht profitieren. 65 Prozent der Befragten wollen einen schnellstmöglichen Abzug der NATO-Truppen aus der Region. Nur wenige befürchten, dass dann die Taliban die Macht in Afghanistan übernehmen und Pakistan destabilisieren könnten.


Feind Nummer Eins: Indien

"Die USA halten an Pakistan als Verbündetem im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan fest und betrachten das Land als strategisch wichtig", sagte der pakistanische Analyst Pervez Hoodbhoy. "Aufgrund der Art und Weise, wie die USA in der Geschichte mit Pakistan umgegangen sind, gibt es im Volk und im Establishment aber große Ablehnung. Im gleichen Maß wie die Islamisierung des Landes hat der Anti-Amerikanismus zugenommen."

"Die US-Streitkräfte werden Afghanistan nicht verlassen. Sie werden sich in den Norden zurückziehen und den Süden mit Drohnen kontrollieren", meinte Hoodbhoy. "Die USA werden Al Kaida nicht wieder zu dem werden lassen, was sie einmal war. Das wird automatisch zu einer Verschlechterung der amerikanisch-pakistanischen Beziehungen führen. Es gibt in meinem Land Menschen, die zum offenen Krieg gegen die Vereinigten Staaten aufrufen."

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass sich in der Umfrage 64 Prozent Pakistaner für bessere Beziehungen zu den USA aussprechen. Trotzdem haben nur 17 Prozent eine positive Meinung von den USA, und sogar nur acht Prozent haben Vertrauen zu Präsident Barack Obama.

Das gestiegene Misstrauen gegenüber den USA wird nur noch übertroffen von der Furcht vor dem Nachbarn Indien. 53 Prozent aller Befragten sehen in Indien die größte Bedrohung. Lediglich 23 Prozent bewerten dagegen die Taliban und nur drei Prozent Al Kaida als schlimmste Gefahr. (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://pewglobal.org/files/pdf/Pew-Global-Attitudes-2010-Pakistan-Report.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52321

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2010