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ASIEN/661: Burma - Ethnische Minderheiten verfallen dem Heroin, Vorwürfe gegen das Militär (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2010

Burma: Ethnische Minderheiten verfallen dem Heroin - Vorwürfe gegen das Militär

Von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 1. Oktober (IPS) - In einer der ältesten Hochschulen des burmesischen Bundesstaates Kachin gibt es ungewöhnliche Abfalleimer. Hier können heroinabhängige Studenten ihr gebrauchtes Spritzbesteck einwerfen. Die Behälter, ein Geschenk der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, sollen die Gefahr verringern, dass sich Studenten an achtlos weggeworfenen Nadeln zu verletzten.

Auf dem Campus der Myitkyina-Universität seien gebrauchte Spritzen ein normaler Anblick, berichtete die burmesische Nachrichtenagentur 'Kachin News' mit Sitz in der nordthailändischen Stadt Chiang Mai. Die Heroinsucht unter den rund 3.000 Hochschülern habe ein alarmierendes Ausmaß erreicht. Diejenigen, die später eigentlich Führungspositionen innerhalb der Kachin-Ethnie übernehmen sollten, machten sich durch Rauschgift kaputt.

Die Zahl der Drogenabhängigen sei seit 2004 deutlich gestiegen, sagte der Journalist Nawdin Lahpai im Gespräch mit IPS. "Heroin ist in Kachin mittlerweile leicht erhältlich." Inoffiziellen Schätzungen zufolge sind bereits mehr als die Hälfte der männlichen und weiblichen Studierenden Fixer. Sie könnten bereits ab dem frühen Morgen dabei beobachtet werden, wie sie Heroin in Läden, Cafés und Billardhallen kauften, berichtete Kachin News.


Armee wird Förderung des Drogenhandels vorgeworfen

Führende Vertreter der wie andere Ethnien verfolgten Minderheit geben der in Burma herrschenden Militärjunta die Schuld an dem häufigen Drogenmissbrauch. Das Regime fördere den Rauschgifthandel in der Region, um den sozialen Zusammenhalt der Kachin zu schwächen, lauten die Vorwürfe. "Die Militärregierung muss die Verantwortung für die Verbreitung von Drogen in unseren Gemeinden übernehmen", forderte James Lum Dau von der Separatistenbewegung der Kachin.

Auch in dem benachbarten Shan-Staat, der ebenfalls von ethnischen Minderheiten bewohnt wird, ist der Sorge über den wachsenden Drogenkonsum groß. In beiden Staaten wird großflächig Schlafmohn angepflanzt, aus dem die Grundsubstanz für Heroin gewonnen wird.

In Burma mit etwa 55 Millionen Einwohnern leben rund 135 verschiedene Volksgruppen, von denen die Burmanen die Mehrheit bilden. Zurzeit werde in 46 von 55 Gemeinden im Shan-Staat Schlafmohn angebaut, sagte Khuensai Jaiyen von der Hilfsorganisation 'Shan Drug Watch'. Die in Chiang Mai ansässige Gruppe hatte kürzlich ihren diesjährigen Drogenreport vorgestellt.

Die Armee sei auf die Steuern auf Opiate angewiesen, erklärte der Experte. Deshalb lasse sie zu, dass nahe stehende Milizionäre den lukrativen Rauschgifthandel betrieben. "Die meisten Mohnanbaugebiete stehen unter der Kontrolle des Militärs und lokaler Milizionäre. Die Einnahmen dienen der Armee dazu, die Soldaten zu ernähren."

Die UN-Drogenkontrollbehörde UNODC ist besorgt. Die Junta hatte bereits vor zehn Jahren zugesichert, den Rauschgifthandel bis 2014 zu unterbinden. In einem Ende 2009 veröffentlichten Bericht stellte UNODC jedoch fest, dass sich die Mohnpflanzungen in der unwegsamen Bergregion seit 2006 um 50 Prozent auf fast 32.000 Hektar vergrößert haben.

Mehr als eine Million Menschen sind offenbar an dem Anbau des Drogengrundstoffs beteiligt. 95 Prozent des gesamten burmesischen Schlafmohns wächst im Shan-Staat. 2009 hätten sich die Anbauflächen im dritten Jahr in Folge weiter ausgedehnt, berichtete Gary Lewis, der Chef des UNODOC-Büros für den Asien-Pazifik-Raum. Mitte der neunziger Jahre war der Mohnanbau in Burma dagegen deutlich zurückgegangen. Einige Jahre später sagte die Junta dem Drogenanbau offen den Kampf an.


Burma war weltgrößter Produzent von Opiaten

Bis dahin galt das Land als der weltgrößte Produzent von Opiaten. Laut UNODOC war 1995/96 auf einer Gesamtfläche von schätzungsweise 163.000 Hektar die Rekordmenge von 1.760 Tonnen Opium geerntet worden. Das aus Rohopium gewonnene Morphin ist die Ausgangssubstanz für die Heroinherstellung.

Nach Angaben von Lewis konnte der Schlafmohnanbau in den Jahren 2001 und 2002 auf eine Fläche von etwa 81.000 Hektar zurückgedrängt werden. Die Opiumproduktion sank auf etwa 830 Tonnen. Afghanistan löste daraufhin Burma als weltgrößter Heroinlieferant ab.

Aktivisten wie Khuensai halten den Kampf des Militärregimes gegen das Rauschgift in Wirklichkeit aber für eine Farce. Die mit der Armee zusammenarbeitenden Milizionäre seien die neuen Drogenbarone, sagte er. Nawdin sieht die Tatsache, dass Heroin in Kachin so leicht erhältlich ist, als Beweis für die Absicht des Regimes, auf Kosten der Ethnien Profite zu machen. (Ende/IPS/ck/2010)

Links:
http://www.unodc.org/
http://www.medecinsdumonde.org/
http://www.artsenzondergrenzen.nl/
http://democracyforburma.wordpress.com/2010/09/29/shan-drug-watch-2010-report-shan-
analysts-junta-militias-emerging-as-new-drug-lords-in-burma/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53002

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2010