Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/662: Sri Lanka - Tamilen entdecken den Süden, Norden nach Kriegsende nicht mehr isoliert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2010

Sri Lanka:
Tamilen entdecken den Süden - Norden nach Kriegsende nicht mehr isoliert


Sigiriya, Sri Lanka, 4. Oktober (IPS) - Für tamilische Jugendliche wäre es noch vor einem Jahr unmöglich gewesen, von ihrer Heimat im Norden und Osten Sri Lankas aus in andere Landesteile zu reisen. Nach dem Ende des fast 30-jährigen Bürgerkriegs beginnen die Menschen des Inselstaates im Indischen Ozean nun neue Freiheiten zu entdecken.

Eine Gruppe junger Tamilen machte kürzlich einen Ausflug zu der aus dem 5. Jahrhundert nach Chr. stammende Felsenfestung Sigiriya im Zentrum Sri Lankas. Die jungen Leute, die in Ferienstimmung zu dem Bauwerk hinaufstiegen, hatten die nördliche Halbinsel früher nur auf Einladung der Regierung oder Nichtregierungsorganisationen verlassen dürfen.

Junge Tamilen besuchen eine prähistorische Höhle - Bild: © Amantha Perera/IPS

Junge Tamilen besuchen eine prähistorische Höhle
Bild: © Amantha Perera/IPS

Der jahrzehntelange Bürgerkrieg spaltete den Norden vom Rest der insgesamt nur 432 Kilometer langen Insel ab. Seit den frühen achtziger Jahren kämpften die separatistischen Tamilen-Tiger (LTTE) gegen die Regierung in Colombo für einen unabhängigen Staat. Im Konflikt, der im Mai 2009 endete, starben 70.000 Menschen, Zehntausende wurden durch die Gewalt in die Flucht geschlagen. Hinzukommen rund 300.000 Menschen, die allein in der letzten Phase der Kämpfe vertrieben wurden.

Von Ausflügen zu der Festung Sigiriya konnten Tamilen aus dem Norden damals nur träumen. "Es war eine interessante Erfahrung, aus Jaffna herauszukommen", sagte der 25-jährige Lehrer Sathiralingam Swarnam, der die siebentägige Klassenfahrt mit 25 Schülern organisiert. Endlich hätten sich er und seine Schüler die berühmten Fresken von Sigiriya anschauen können.


Junge Tamilen sind an Misstrauen gewöhnt

Die LTTE hatte im Bürgerkrieg mit Anschlägen auf militärische und wirtschaftliche Ziele auf sich aufmerksam [gemacht]. Da sie vorwiegend aus jungen Mitgliedern bestand, führte [dies] zu großem Misstrauen gegenüber anderen jungen Tamilen, die sich aus ihren Dörfern und Städten wagten. "Das war eine schreckliche Zeit", erinnerte sich die Schülerin Beevirasa Robinson. "Zum ersten Mal konnte ich Jaffna verlassen", freute sie sich.

Zivilisten können eigentlich erst unbeschwert reisen, seit im Januar die einzige Autostraße in Richtung Süden wiedereröffnet wurde. Inzwischen brechen von Jaffna aus jede Nacht Überlandbusse in Richtung Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, auf. Die Autostraße war seit Angriffen der Tamilen-Tiger auf Regierungstruppen im August 2006 geschlossen. Waren konnten seitdem nur auf dem See- oder Luftweg transportiert werden.

An Reisen habe damals auch niemand gedacht, erläuterte Swarnam. "Wir hatten mit dem Kampf ums Überleben genug zu tun." Im Vanni, einem zehn Jahre lang von der LTTE kontrollierten Landstreifen, versuchen Zehntausende von Rückkehrern sich wieder eine Existenz aufzubauen. Auch dort organisieren Schulen Ausflüge in den Süden der Insel.

Aus der anderen Richtung kommen ebenfalls neugierige Besucher, denen der Norden Sri Lankas fremd ist. Mehr als 100.000 erkunden jede Woche Jaffna. An Wochenenden und Feiertagen steigt die Zahl sogar auf gut eine halbe Million. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://sigiriya.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53025

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2010