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ASIEN/673: Burma - Das zweite Leben des Ne Win, toter General fordert Juntachef Than Shwe heraus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2010

Burma: Das zweite Leben des Ne Win - Toter General fordert Juntachef Than Shwe heraus

Von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 28. Oktober (IPS) - Kurz vor den Wahlen am 7. November bahnt sich in Burma eine Kraftprobe zwischen Anhängern des ersten Diktators General Ne Win und der herrschenden Militärjunta unter General Than Shwe an. Die Kandidaten aus dem Lager des früheren Machthabers locken die Wähler mit der Aussicht auf größere politische Freiheiten.

Bei den ersten Wahlen in dem südostasiatischen Land seit 20 Jahren bewerben sich rund 1.100 Mitglieder von Than Shwes Partei Union für Solidarität und Entwicklung (USDP) um Parlamentssitze auf nationaler und regionaler Ebene. Die Partei der Nationalen Einheit (NUP), die von Getreuen des 2002 verstorbenen Machthabers Ne Win unterstützt wird, hat 999 Kandidaten aufgestellt.

Ne Win hatte das inzwischen in Myanmar umbenannte Land von 1962 bis 1988 mit eiserner Faust regiert. Seit der Machtübernahme von Than Shwe Anfang der neunziger Jahre hat die Junta die Rechte der Bürger jedoch noch weiter beschränkt. Politische Beobachter sehen Than Shwe nun vom Geist seines Vorgängers heimgesucht.

"Die NUP will sich nun von der derzeitigen Militärregierung abgrenzen", sagte ein Analyst aus Rangun im Gespräch mit IPS. "Erst vor kurzem haben sie den Wählern erklärt, dass sie keine 'politischen Monster' sind und aus früheren Fehlern gelernt haben." Nach Einschätzung des Beobachters spricht die Partei mit ihrer Politik auch Angehörige der Mittelschicht an, die für politische Veränderungen seien. "Die NUP eröffnet einen Weg zu einem Wandel in engen Grenzen", erklärte er.

Kleinere Parteien wie die Nationale Demokratische Kraft (NDF), die Demokratische Partei von Myanmar (DPM) und die Demokratische Partei der Shan-Völker (SNDF), die weitaus glaubwürdiger für die Demokratie eintreten, bleiben dagegen im Hintergrund. Die NDF hat nur 163 Kandidaten nominiert. Die SNDF schickt 156 und die DPM 48 Bewerber ins Rennen.


Showdown zwischen USDP und NUP erwartet

Kommentatoren in den beiden größten Städten Rangun und Mandalay rechnen daher mit einem Showdown zwischen der USDP und der NUP. Auch die burmesischen Exilmedien sehen die Partei der Anhänger von Ne Win als ernste Gefahr für die Junta.

"Die NUP könnte die Pläne des Regimes durchkreuzen, die USDP zu einem Erdrutschsieg zu führen", kommentiert die Internet-Zeitung 'The Irawaddy', deren Redaktion in Thailand sitzt. Die jüngsten Äußerungen der NUP, die Pressefreiheit nur im Falle eines Ausnahmezustands zu beschränken, hätten viele politische Beobachter in Burma beeindruckt. Sie schlössen nun nicht aus, dass die NUP sogar eine Allianz mit kleineren pro-demokratischen und ethnischen Parteien eingehen könnte, heißt es in 'The Irawaddy'.

Die NUP hat im Vergleich zu ihren ersten Jahren deutlich an Rückhalt gewonnen. Bei den letzten Wahlen 1990 hatten die Getreuen von Ne Win lediglich zehn der damals über 480 Sitze im nationalen Parlament errungen. Die starke Ablehnung, die die NUP von Gegnern des repressiven Regimes von Ne Win erfuhr, kam der oppositionellen Nationalen Liga für Demokratie (NLD) zugute.

Die von der späteren Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi angeführte Partei gewann damals 82 Prozent der Sitze. Sie kam allerdings nicht an die Regierung, da sich die Militärjunta weigerte, das Wahlergebnis anzuerkennen. Aung San Suu Kyi steht inzwischen seit fast 14 Jahren unter Hausarrest.

Im März dieses Jahres wurde die Politikerin durch ein neues Gesetz von den Wahlen ausgeschlossen. Demnach dürfen Strafgefangene nicht Mitglieder einer politischen Partei sein. Die NLD wurde aufgelöst, nachdem sich der Vorstand geweigert hatte, die Nobelpreisträgerin aus ihrer Führungsebene zu entfernen. Mitglieder der NLD gründeten daraufhin die NDF.

Than Shwes Regime traf bereits frühzeitig Vorkehrungen, um eine verheerende Niederlage der USDP von vornherein zu verhindern. Von den 440 Mandaten im nationalen Parlament sind laut der Staatsverfassung 110 für nichtgewählte Militäroffiziere reserviert.


Beobachter halten Wahl für eine Farce

"Die der Militärjunta nahestehende Partei muss bei der Wahl also nur 166 Sitze gewinnen", stellte die burmesische Sicherheitsexperte Win Min fest. "Natürlich wird General Than Shwe mehr als 82 Prozent erringen wollen, um das Rekordergebnis der NLD von 1990 zu übertreffen."

Mit 166 Mandaten und den 110 reservierten Sitzen hätte Than Shwe aber bereits genügend Rückhalt, um sich von den Abgeordneten zum zivilen Präsidenten bestimmen zu lassen, erklärte Win Min im Gespräch mit IPS. "Anders als 1990 gibt es auch keine Mindestwahlbeteiligung von 50 Prozent mehr. Deshalb können Kandidaten der Junta auch dann gewinnen, wenn nicht viele Leute zur Wahl gehen."

Da das Regime die Handlungsfreiheit der pro-demokratischen Parteien zudem durch eine Reihe repressiver Maßnahmen begrenzt hat, halten unabhängige Beobachter die Wahlen von vornherein für eine Farce. Die NUP lässt sich dennoch nicht davon abschrecken, einen Triumph von Than Shwes Unterstützern verhindern zu wollen. Ein Analyst aus Mandala sagte dazu: "Die November-Wahl wird ein Kampf zwischen einem toten und einem lebenden General werden." (Ende/IPS/ck/2010)


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IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2010