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ASIEN/810: Myanmar - Friedensprozess ohne internationale Vermittler, Regierung geht Sonderweg (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. August 2012

Myanmar: Friedensprozess ohne internationale Vermittler - Regierung geht Sonderweg

von Marwaan Macan-Markar



Mae Sot, Thailand, 8. August (IPS) - Waffenstillstandsgespräche bringen in Myanmar zurzeit Vertreter von elf verschiedenen militanten ethnischen Gruppen an einen Tisch. Der Chefunterhändler des südostasiatischen Staates, Eisenbahnminister Aung Min, will die jahrzehntelangen Kämpfe ohne Unterstützung aus dem Ausland beenden.

Seit die Waffenstillstandsinitiative im September vergangenen Jahres vorgestellt wurde, ist der Minister durch Myanmar und in die Nachbarländer gereist, ohne die Beteiligung ausländischer Beobachter oder internationaler Friedenshelfer ernsthaft in Betracht zu ziehen.

"Es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung zum jetzigen Stand der Verhandlungen Dritte hinzuziehen wird. Wir sind vorerst mit diesem Arrangement einverstanden", sagte Zipporah Sein, die Generalsekretärin und erste Anführerin der separatistischen Karen Nationalunion (KNU). "Dies ist Teil der vertrauensbildenden Phase, die zu politischen und Friedensgesprächen führen wird."

Nach Angaben von Sein waren bei der formellen Gesprächsrunde im April lediglich drei Ausländer als Beobachter zugelassen, darunter ein britischer und ein US-Diplomat.

In Mae Sot, einer Stadt an der Grenze zwischen Thailand und Myanmar, war Aung Min im vergangenen Jahr drei Mal. Dort sind mehrere Ethnien mit unterschiedlichen Interessen heimisch. In den letzten zwei Jahrzehnten lebten dort vor allem Angehörige der größten Volksgruppe der Burmanen und zahlreiche Flüchtlinge insbesondere aus dem Karen-Staat, die in Mae Sot Zuflucht vor Gewalt und Verfolgung nahmen.

Der in Myanmar eingeschlagene Weg auf der Friedenssuche weicht von dem Vorgehen anderer asiatischer Staaten ab. Dort wurden in der Regel ausländische Regierungen oder internationale Organisationen als neutrale Vermittler akzeptiert. Sie waren Verbindungsglieder zwischen der jeweiligen Regierung und den Rebellen, die sich seit Jahrzehnten im Kampf befanden.


Internationale Vermittler in mehreren asiatischen Staaten

Malaysia leistet beispielsweise Hilfe bei dem Friedensdialog zwischen der philippinischen Regierung und der separatistischen Islamischen Moro-Befreiungsfront. Eine von dem ehemaligen finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari geleitete Gruppe von Unterhändlern war daran beteiligt, im August 2005 ein Friedensabkommen zwischen der Regierung Indonesiens und der Islamischen Bewegung Freies Aceh in die Wege zu leiten. Norwegen nahm eine vorrangige Rolle als Vermittler ein, als die Verhandlungen zwischen der Regierung Sri Lankas und den inzwischen besiegten Tamilen-Tigern vor mehr als zehn Jahren scheiterten.

Die Situation in Myanmar, mit der Aung Min konfrontiert wird, ist zweifellos komplexer als die Lage in anderen Konfliktgebieten. Und sein neuer Ansatz beginnt sich auszuzahlen. Zwischen September 2011 und April 2012 hat er Waffenstillstandsvereinbarungen mit elf bewaffneten Gruppen bewerkstelligt. Im Januar kam es unter anderem bei den Gesprächen mit der KNU zu einem Durchbruch. Die Gruppe kämpft seit 60 Jahren für einen unabhängigen Staat, länger als Aufständische in anderen Teilen Asiens.

Dass irgendwann doch ein offizieller Mittler von außen dazu geholt werden könnte, will Sein allerdings nicht völlig ausschließen. Dies könnte der Fall sein, wenn heiklere Fragen wie die Zukunft der bewaffneten Karen-Milizen und eine größere Autonomie für den Karen-Staat auf der Tagesordnung stünden.

"Wir könnten eine dritte Partei brauchen, wenn wir über Politik und Entwicklung im Karen-Staat diskutieren", sagte Sein. "Wir sind für ein föderales System, das den Ethnien mehr Rechte garantiert, damit sie in sinnvoller Weise partizipieren können."

Win Min, ein Experte für nationale Sicherheit, hält es für unwahrscheinlich, dass Aung Mins Strategie von Kennern der auf Reformen ausgerichteten Regierung von Präsident Thein Sein entworfen wurde. Er geht eher davon aus, dass sich Aung Min von seiner Unerfahrenheit leiten ließ, nachdem ihm eine Rolle zugedacht wurde, auf die er nicht vorbereitet war.

"Aung Min hat sich in unbekannte Gewässer begeben, als er zum Friedensunterhändler berufen wurde", sagte Win Min. "Er musste in jedem Waffenstillstandsgespräch seinen Weg finden. Kein Dritter hat ihn angeleitet. Nach Ansicht von Win Min hat der Chefunterhändler nach und nach mehr Vertrauen gewonnen. "Seine bescheidene und freundliche Art sowie die Bereitschaft zuzuhören und verschiedene Standpunkte zu akzeptieren, haben den Prozess erleichtert."


Nationalstolz akzeptiert keinen Druck von außen

Aung Min habe erkannt, dass in Myanmar immer noch ein Stolz vorherrsche, der keinen Druck von außen vertrage. Die Menschen im Land wollten die Dinge selbst in die Hand nehmen, erklärte Win Min, ein Harvard-Absolvent.

Die bekannte Nichtregierungsorganisation 'Myanmar Egress' unterstützte diesen Ansatz, indem sie für die Regierung den Kontakt zu den Rebellengruppen herstellte. Dies erlaubte der Regierung von Thein Sein, Vermittlungsangebote international angesehener Persönlichkeiten und Organisationen abzulehnen. Unter ihnen waren Ahtisaari und die so genannten 'Elders', eine unabhängige Gruppe aus Führungspersönlichkeiten aus aller Welt unter Leitung des südafrikanischen Erzbischofs Desmond Tutu.

Im wirtschaftlichen Bereich nimmt Myanmar die Hilfe der Staatengemeinschaft hingegen gern an. Die 'Peace Donor Support Group (PDSG), die von Norwegen angeführt und von Australien, der Europäischen Union, Großbritannien und der Weltbank unterstützt wird, hat vier Millionen US-Dollar für den Wiederaufbau in den Regionen Myanmars zugesagt, in denen die Waffen inzwischen schweigen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.emb-norway.or.th/News_and_events/MPSI/Peace-Donor-Support-Group-is-formed/
http://www.myanmaregress.org/
http://www.ipsnews.net/2012/08/an-unconventional-road-to-peace/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2012