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ASIEN/872: Pakistan - Zweifel an geringer Zahl ziviler Drohnenopfer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2013

PAKISTAN: Zweifel an geringer Zahl ziviler Drohnenopfer

Von Ashfaq Yusufzai


Foto: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Lokale Führer in einem Protestlager gegen Drohnen in der pakistanischen Stadt Hayatabad
Foto: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, Pakistan, 11. Dezember (IPS) - In Pakistan haben seit 2008 mehr als 33 US-Drohnenangriffe 2.160 Milizionären und 67 Zivilisten das Leben gekostet - angeblich. Doch die Menschen in den betroffenen Gebieten trauen den Zahlen nicht. Denn bisher haben sie keinen einzigen gefallenen Kämpfer zu Gesicht bekommen.

Die Bevölkerung in den pakistanischen Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) an der Grenze zu Afghanistan erlebt die meisten Drohnenangriffe. Sie geht davon aus, dass bei den Attacken weit mehr Zivilisten getötet wurden, als die offiziellen Stellen zugeben.

"Die US-Drohnenanschläge sind ein völliges Rätsel. Jeder misstraut der Version, wonach vor allem Taliban und Al-Qaeda getroffen wurden", meint der 51-jährige Lehrer Sadiqullah Shah, der in dem FATA-Verwaltungsbezirk Nord-Wazirstan zu Hause ist. "Die offiziellen Zahlen werden von den Medien ungeprüft verbreitet."

Weder die Landbevölkerung noch die Journalisten hätten je die Leichen der Terroristen zu sehen bekommen. Unterrichtet werde man nur in Fällen, in denen es sich bei den Opfern um bekannte Größen wie Nek Muhammad Wazir, Baitullah Mehsud und Hakeemullah Mehsud handele.

Nach dem Sturz der Taliban in Afghanistan 2001 hatten sich viele der selbsternannten Gotteskrieger hinter die pakistanische Grenze zurückgezogen und in der FATA-Region Waziristan Stützpunkte aufgebaut. Auf der Jagd nach Terroristen werden diese Gebiete nun von den US-Drohnen überflogen.


PTI-Partei spricht von 1.500 zivilen Opfern

Doch nach Aussagen der Lokalbevölkerung sind es immer wieder Zivilisten, die bei den Angriffen getötet werden. "Wir wissen von Familien, die Mitglieder verloren haben", meint Sherin Mazari, ein Sprecher der 'Pakistan Tehreek Insaf' (PTI). Die von der ehemaligen Kricketlegende Imran Khan geführte Partei, die die Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa stellt, gibt die Zahl der US-Drohnenopfer mit mindestens 1.500 an. Aus Protest blockiert sie derzeit die NATO-Nachschubroute nach Afghanistan.

Mazari folgt die pakistanische Regierung den Argumenten der US-Amerikaner, wonach die Drohnenangriffe auf die Mitglieder von Al-Qaeda und Taliban abzielen. Doch warte man darauf dass die Namen der angeblich getöteten Kämpfer und Zivilisten bekannt gegeben würden.

Die FATA unterstehen der Zentralregierung und könnten deshalb dazu gezwungen werden, die Namen der Opfer preiszugeben, meint Mazari, ein Abgeordneter der Nationalversammlung. Er selbst kennt die Namen von vier Opfern des Drohnenanschlages vom 21. November im Bezirk Hangu in Khyber Pakhtunkhwa. Bei ihnen handelte es sich um die Opfer einer lokalen Koranschule. Khyber Pakhtunkhwa grenzt an die FATA an.

Auch die Zivilisten fühlen sich von den pilotlosen Flugzeugen bedroht. Wie Rafiq Rehman, ein Lehrer in Nord-Waziristan, berichtet, wurde seine Mutter im Oktober letzten Jahres bei der Feldarbeit tödlich getroffen. Seine beiden Kinder hätten verletzt überlebt, betont der Familienvater, der nach Washington gereist war, um vor einem Kongressausschuss in dem Fall auszusagen.

Wie Muhammad Ali, ein Polizist in Miramshah, einem Unterbezirk von Nord-Waziristan, berichtet, werden sehr wohl viele unschuldige Pakistaner von den Drohnen getroffen. In Pakistan ist es nicht unüblich, dass die Strafverfolgungsorgane die Leichen Krimineller öffentlich zur Schau stellen. Doch dies sei mit den von Drohnen getroffenen Milizionären nicht geschehen.


Zweifel

Nach Angaben von Adnan Khan, einem 21-jährigen Einwohner Waziristans, der an der Universität Peshawar internationale Beziehungen studiert, lässt sich nur schwerlich sagen, wer wen angreift. "Wir sollen den Geheimdiensten glauben, die behaupten, dass ausschließlich militante Kämpfer von den unbemannten Flugzeugen getroffen werden. Doch wie hat man sich einen Anschlag verzustellen, der ausschließlich militante Kämpfer trifft und Unschuldige verschont?"

Muhammad Sultan, ein Geschäftsinhaber in Miramshah, erläutert, dass die Drohnen Bevölkerung und Milizionäre gleichermaßen in Angst und Schrecken halten. "Die Kämpfer verändern immer wieder ihren Aufenthaltsort." Die Drohnen werden angeblich vom afghanischen Luftwaffenstützpunkt Bagram in Richtung Pakistan gesteuert. (Ende/IPS/kb/2013)

Link:
http://www.ipsnews.net/2013/12/drone-killings-show-numbers-bodies/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2013