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ASIEN/953: Sri Lanka - UN-Friedenstruppen zugesagt, Präsident sucht Rückhalt der Staatengemeinschaft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Oktober 2015

Sri Lanka: UN-Friedenstruppen zugesagt - Präsident sucht Rückhalt der Staatengemeinschaft

von Amantha Perera



Bild: Chamal Pathirana (CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Soldaten der Armee von Sri Lanka
Bild: Chamal Pathirana (CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

NEW YORK/BERLIN (IPS) - Neun Monate nach seiner Wahl hat Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena den Vereinten Nationen in New York fünf Infanteriebataillone für Friedensmissionen in Aussicht gestellt. Sirisena, der dem südasiatischen Inselstaat mit seiner Geste offenbar neue Anerkennung verschaffen will, hat in seinem Land schwierige Aufgaben zu meistern.

Sechs Jahre nach Ende des jahrzehntelangen Bürgerkriegs zwischen der singalesischen Bevölkerungsmehrheit und Tamilen-Rebellen sind die Gräben, die die srilankischen Volksgruppen voneinander trennen, nach wie vor tief. Mehr als 50.000 Binnenflüchtlinge müssen zudem neu angesiedelt werden.

Wie die 'New York Times' berichtete, stieß Sirisenas Angebot auf dem von US-Präsident Barack Obama geleiteten Treffen auf großes Interesse. Weitaus gedämpfter fiel seinerzeit die Reaktion der internationalen Gemeinschaft aus, als die Vorgängerregierung, die wegen mangelnder Kooperation bei der Aufklärung von Menschenrechtsverbrechen während des Bürgerkriegs kritisiert wurde, mehrere Helikopter stellen wollte.


Sri Lankas Präsident sichert Achtung der Menschenrechte zu

In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung sicherte Sirisena am 30. September einen Aktionsplan zu, der die Menschenrechtslage in seinen Land verbessern soll. Am Tag darauf billigte der UN-Menschenrechtsrat in Genf eine Resolution, nach der Kriegsverbrecher in Sri Lanka in glaubwürdigen Prozessen unter Beteiligung ausländischer Rechtsanwälte und Richter verurteilt werden sollen.

Obwohl die Resolution offen lässt, welche Art von Gericht für diese Verfahren zuständig sein wird, begrüßten die USA und Großbritannien diesen Schritt. Wie viele nicht-ausländische Experten eingeschaltet würden, wollte Sirisena nicht präzisieren. Für seine Regierung und sein Volk sei dies eine neue Erfahrung, erklärte er gegenüber der Zeitung. Das zuständige Gericht würde nach eingehenden Unterredungen mit Religionsführern, Politikern und Militärvertretern eingesetzt.

Ein Berater des Präsidenten wies später darauf hin, dass die geltende Staatsverfassung Sri Lankas die Anwesenheit ausländischer Rechtsanwälte vor Gericht nicht zulasse. Ein neuer internationaler Gerichtshof in dem Land wäre also nur nach einer schwierig durchzusetzenden Verfassungsänderung denkbar.


UN sehen Justiz in Sri Lanka nicht als unabhängig

Die Schaffung eines Kriegsverbrechertribunals ist auch ohne eine Einbeziehung internationaler Anwälte und Richter eine äußerst heikle Angelegenheit. Ein Bericht der Vereinten Nationen war kürzlich zu dem Fazit gekommen, dass wahrscheinlich beide Seiten in dem fast 30-jährigen Bürgerkrieg Kriegsverbrechen begangen hätten. Die Weltorganisation hält daher die Beteiligung ausländischer Richter an den Prozessen für unabdingbar.

UN-Flüchtlingshochkommissar Zeid Ra'ad al-Hussein erklärte, Sri Lanka sei "derzeit nicht ausreichend ausgestattet, um unabhängige und glaubwürdige Ermittlungen zu führen". In dem Bericht wurden extralegale Hinrichtungen, Verschleppungen und Fälle von Folter sowie von sexueller Gewalt dokumentiert.

"Ich habe ein Land übernommen, der von der internationalen Gemeinschaft ausgegrenzt wurde", sagte Sirisena. "Die größte Herausforderung liegt für mich darin, die Staatengemeinschaft auf meine Seite zu bringen. Ich glaube aber, dass diese Bemühungen nun Früchte tragen."

Einen Beweis für die Aufwertung der internationalen Rolle des Landes sieht der srilankische Botschafter in den USA, Prasad Kariyawasam, darin, dass Sirisena bei einem Mittagessen in New York an den selben Tisch platziert wurde, an dem auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Präsident Obama und der russische Staatschef Vladimir Putin saßen.

Sirisena sagte zu, den UN-Friedensmissionen unter anderem Spezialkräfte und Experten für Bombenentschärfung bereitzustellen. Die Vereinten Nationen tragen nun die Verantwortung, die Soldaten und ihre Rolle in dem Bürgerkrieg im eigenen Land genau zu untersuchen.


Gesellschaftliche Aussöhnung noch nicht erreicht

Der srilankische Präsident muss derweil zu Hause erhebliche politische und rechtliche Probleme lösen. Bei den Wahlen im Januar setzte er sich gegen seinen Amtsvorgänger Mahinda Rajapakse mit dem Versprechen durch, endlich die Wunden des Bürgerkriegs zu heilen. Die Vorgängerregierung hatte zwar unter anderem zugesagt, den Vertriebenen ihr Land zurückzugeben. Ein konkreter Zeitplan wurde dafür aber nicht festgelegt.

In dem ehemaligen Konfliktgebiet, das die Region Vanni, die Halbinsel Jaffna und Teile der Ostprovinz unfasste, hatten während der Unruhen 1982 Tausende Tamilen Zuflucht gesucht, die aus dem von den Singalesen dominierten Süden vertrieben wurde. Die tamilische Rebellengruppe LTTE errichtete im Norden eine De-Facto-Herrschaft, bis die srilankische Armee den Krieg im Mai 2009 durch einen militärischen Sieg beendete.

Konservativen Schätzungen zufolge wurden während des Krieges etwa 100.000 Menschen getötet. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass allein in der Endphase 2008 und 2009 um die 40.000 Zivilisten starben. (Ende/IPS/ck/05.10.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/08/will-new-sri-lankan-government-prioritize-resettlement-of-war-displaced/

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IPS-Tagesdienst vom 5. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2015

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