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ITALIEN/029: Übergangspremier Monti kandidiert nun doch (Gerhard Feldbauer)


Übergangspremier Monti kandidiert nun doch

Italien vor Parlamentsauflösung und Neuwahlen acht Wochen danach

von Gerhard Feldbauer, 20. Dezember 2012



Der im November 2011 nach dem Fall des Mediendiktators Berlusconi von Staatspräsident Giorgio Napolitano als Übergangspremier eingesetzte frühere EU-Kommissar und Wirtschaftsmanager, Professor Mario Monti, hat dem Drängen aus Brüssel und Berlin als auch der eigenen Kapitalkreise nachgegeben und nun doch angekündigt, für die Neuwahlen 2013 zu kandidieren. Wie die Nachrichtenagentur ANSA am Mittwochmorgen meldete, will Monti auf einer eigenen Liste 4 (nach Mitte Links, der Volksfreiheitspartei Berlusconis PdL und der italienischen Piratenpartei fünf Sterne) antreten. Es tritt damit der ungewöhnliche Fall ein, dass mit Monti ein Senator auf Lebenszeit zu den Wahlen antritt. Wie diese Prozedur vor sich gehen wird, ist noch offen.


Eisige Abfuhr für Berlusconi in Brüssel

Die jüngste Regierungskrise hatte der gestürzte Berlusconi mit der Nichtteilnahme bzw. Stimmenthaltung der Mehrheit der Parlamentarier seiner PdL bei der Abstimmung über das sogenannte "Reformpaket" ausgelöst. Der amtierende Regierungschef, der ohne Mehrheit dastand, gab danach seinen Rücktritt bekannt. Entgegen vorherigen Verzichtserklärungen kündigte der Mediendiktator daraufhin an, erneut für das Amt des Premiers zu kandidieren. Mit seiner Kehrtwende vom rigorosen Durchpeitscher des Sozialabbaus zum "Gegner" des von Monti fortgesetzten, in Brüssel und Berlin diktierten Sparkurses, erhofft sich der gewiefte Demagoge Wählerzulauf für seine PdL, die in Umfragen von 37,7 Prozent 2008 auf 14,3 Prozent abgesunken ist. Nachdem Monti auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember in Brüssel einhellige Zustimmung erhielt, während Berlusconi selbst auf eisige Abfuhr stieß, erklärte dieser wieder einmal auf seine Kandidatur zu verzichten und Monti zu unterstützen, wenn er an die Spitze des von der PdL angeführten rechten Lagers trete.

Der durch und durch konservative Professor erteilte dem Versuch, ihn vor den Karren der faschistoiden und gescheiterten Koalition Berlusconis zu spannen, eine klare Absage, womit er sich nachgerade einen antifaschistischen Touch verschaffte. Vor Ankündigung seiner Kandidatur führte er obendrein Gespräche mit dem Vorsitzenden der Demokratischen Partei (DP) Luigi Bersani, der das Bündnis von Mitte Links anführt, über ein gemeinsames Vorgehen und evtl. getroffene Absprachen wurde allerdings nichts bekannt.


Ferrari-Chef unterstützt Monti

Seine nun angekündigte List 4, bezeichnet Monti als Koalition des Zentrums. Hinter den Kulissen hat es, darüber sind sich Beobachter in Rom nahezu einig, konkrete Absprachen vor allem mit dem derzeitigen Vertreter führender italienischer Kapitalkreise, dem langjährigen Vorsitzenden des Industriellenverbandes Confindustria, dem Agnellierben und Ferrari-Chef Cordero di Montezemolo, gegeben, der umgehend zusagte, Monti zu unterstützen. Montis Liste wollen sich ferner die von dem früheren Führer der AN-Faschisten Gianfranco Fini, dem derzeitigen Parlamentspräsidenten, neu gegründete Partei Zukunft und Freiheit (Fel) und die Union Demokratischer Christen (UDC), ebenfalls ein früherer Parteigänger Berlusconis, anschließen. Monti rechne außerdem, so die "Repubblica", auf Überläufer aus der PdL. Ein mehr als rechtslastiges Zentrum, das Monti da anführen würde.

Der Liste des Professors werden etwa 25 Prozent zugetraut. Er tritt gegen Mitte Links und gegen die Extreme Rechte unter Berlusconi an. Letztere ist auch noch gespalten, denn die Lega Nord erwägt angesichts der geringen Chancen Berluconis, allein anzutreten. Bersani dürfte eine absolute Mehrheit nicht schaffen, denn die 5 Sterne-Bewegung des Starkomikers Beppe Grillo dürfte ihm wenigstens zehn, wahrscheinlich noch mehr Prozent Stimmen entziehen. Während die Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) auf der Liste Bersanis einige Kandidaten aufstellen will, sucht Rifondazione Comunista (PRC), die zweite KP, ein Bündnis mit der Wertepartei (IdV) des früheren Korruptionsermittlers Antonio di Pietro, die 2008 auf 4,3 Prozent kam. Die Parteien bzw. Wahlkoalitionen müssen die Speerklausel von vier Prozent überspringen. In den nächsten Tagen wird mit der Auflösung des Parlaments durch Präsident Napolitano gerechnet. Acht Wochen danach sind Neuwahlen. Im Gespräch ist bereits der 17. Februar.

Angesichts der chaotischen Zustände in seiner PdL und in der Hoffnung, die Lega noch zu gewinnen, hat Berlusconi ein neues Manöver gestartet. Hatte er mit der Aufkündigung der Unterstützung für Monti die jetzige Krise ausgelöst, um vorzeitige Neuwahlen zu erzwingen, will er jetzt eine Verschiebung um wenigstens zwei Wochen erreichen. Die fadenscheinige Begründung: Die Italiener im Ausland hätten nicht genügend Zeit, sich auf die Stimmabgabe vorzubereiten. In seinen ersten Wahlkampfreden verunglimpfte er Monti als "picolo Protagonista". Wahlkampf leistet ihm eine 28jährige Francesca Pascale, die der Medientycoon in der Provinz Neapel auf der Liste seiner PdL als Landrätin unterbrachte und die einen Berlusconi Fan-Klub gründete. Der 76jährige Berlusconi teilte mit, er habe sich mit ihr verlobt und sie werde demnächst seine dritte Ehefrau.


Spekulationen über Ämterabsprachen

Schon vor dem Wahlausgang wird in Rom eine danach mögliche "Große Koalition" nach deutschem Vorbild erörtert. Insider meinen, das habe bereits in den Gesprächen Montis mit Bersani eine Rolle gespielt. Es gibt die kühne Spekulation, in einem solchen Fall könnte Bersani Ministerpräsident werden und Monti in der für Mai anstehenden Neuwahl des Staatspräsidenten auf parlamentarischem Weg als garantierter Bewerber antreten.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2012