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EUROPA/789: Gespaltene Linke Italiens erlitt neue Niederlage (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 14 vom 9. April 2010
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Berlusconi stellt Weichen neu
Gespaltene Linke Italiens erlitt neue Niederlage

Von Gerhard Feldbauer


Die italienische Linke hat bei den Regionalwahlen am 28./29. März erneut eine schwere Schlappe einstecken müssen. Nach der vernichtenden Niederlage bei den Parlamentswahlen 2008 war sie im Bündnis mit Zentrumskräften immer noch in elf der insgesamt 20 Regionen (Ländern vergleichbar) im Parlament vertreten und an der Regierung beteiligt. Berlusconis Partei des "Volkes der Freiheiten" (PDL) beherrschte mit den Rassisten der Lega Nord sieben. Zwei Regionen (Trentino/Südtirol und das Aostatal) werden von regionalen Autonomieparteien der bürgerlichen Mitte regiert.

Die Linke Mitte hat vier Regionen verloren: Im Süden Kampanien (mit Neapel) und Kalabrien, im Norden Piemont mit der Industriemetropole Turin (FIAT) und in der Mitte Latium mit Rom. Mitte-Links verbleiben die roten Hochburgen Emilia Romagna und Toskana. In Apulien wurde Nicola Vendola, der 2009 die Kommunistische Neugründungspartei PRC verließ, und eine Partei "Linke für Umwelt und Freiheit" gründete, als Ministerpräsident wiedergewählt. Er kam mit seiner Partei zwar kaum über drei Prozent, erhielt aber in der Direktwahl viele Stimmen der Demokratischen und anderer Oppositionsparteien.

Berlusconis PDL blieb mit 26,7 Prozent stärkste Partei, verlor aber gegenüber 2005 knapp fünf Prozent. Kurz vor den Wahlen hatte der Medientycoon zwei gegen ihn wegen der Anschuldigung der Korruption, darunter Anwaltsbestechung, laufende Ermittlungsverfahren per Regierungsdekret niedergeschlagen. Er setzte damit seine vom Obersten Verfassungsgericht für rechtswidrig erklärte Immunität während der Amtszeit (Lex Berlusconi) wieder in Kraft. In der Wahlkampagne beschimpfte er in übelster antikommunistischer Weise Richter und Staatsanwälte als "Rote", "Kommunisten" und "Linke", die ihn stürzen wollten.


Gefährlicher Stimmenzuwachs der "Lega"

Die offen rassistische Lega Nord Umberto Bossis stieg im Durchschnitt von 5,6 auf 12,7 Prozent an. In der roten Emilia Romagna kam sie auf 10 Prozent. Bisher nur in Norditalien vertreten, ist sie jetzt auch im Latium präsent. In Piemont und im Veneto stellt sie die Ministerpräsidenten. Sie verlangt eine Föderalismusreform mit mehr Unabhängigkeit des Nordens von der Zentralgewalt, darunter einen größeren Anteil an Steuergeldern, und droht mit einem norditalienischen Separatstaat. Sie vertritt eine rigorose Abschottung gegen Einwanderer und extrem islamfeindliche Positionen.

Gewählt wurden die Ministerpräsidenten und die Parlamente in den 13 Regionen. Mit 41 Millionen waren rund zwei Drittel der Wähler zur Abstimmung aufgerufen, von denen jedoch nur 64,2 Prozent an die Urnen gingen. Es ist ein Ausdruck der zunehmenden Resignation, die angesichts des Fehlens einer linken Perspektive vor allem unter deren früheren Wählerschichten um sich greift.

Wenn in Wahlberichten von einem Sieg der Rechten die Rede ist, dient das der Verharmlosung der von Berlusconi mit Faschisten und Rassisten gebildeten Regierung. Nach dem 2009 erfolgten Beitritt der faschistischen Alleanza Nazionale, der früheren Mussolini-Nachfolgepartei MSI, zur PDL Berlusconis ist diese schon früher stark faschistoid geprägte Partei unter diesem Aspekt noch stärker ausgerichtet worden. AN-Führer Gianfranco Fini und seine führenden Faschisten haben bis heute nicht ihr klares Bekenntnis zu Erbe und Tradition des Mussolini-Faschismus widerrufen. Auch wenn das Kabinett Berlusconis kein faschistisches Regime herkömmlicher Prägung darstellt, handelt es sich um eine Regierung, die immer öfter auf faschistoide oder auch regelrecht faschistische Methoden zurückgreift und offen verfassungswidrig agiert. Rassisten-Chef Bossi drohte in der Vergangenheit, seine Anhänger gegen die Linken "an die Gewehre zu rufen", oder bedauerte, es sei leider "leichter, Ratten zu vernichten als Zigeuner auszurotten". Wie die in der Volksfreiheitspartei untergekrochenen AN-Faschisten sind das nicht einfach Rechte. Nobelpreisträger Dario Fo, Umberto Eco, Antonio Tabucchi oder Vincenzo Consolo haben immer wieder vor der von dieser Bündniskonstellation ausgehenden Gefahr der Etablierung eines offen faschistischen Regimes gewarnt. Eco schätzte ein, dass der Faschismus von heute auch ohne Uniformen, Stechschritt und Führergruß auskommt. Raffiniert verpackt und mit PR verkauft erreicht er dieselben Resultate: totale Kontrolle und Ausbeutung, Zensur, Gleichschaltung der Medien, Unterdrückung von Andersdenkenden, Militarisierung der Gesellschaft und Angriffskriege.


Die Karten werden neu gemischt

Berlusconis Position ist gestärkt worden. Er stellt jetzt die Weichen nicht nur für die Fortsetzung seines rechtsextremen Kurses, sondern auch für die Zeit nach den Parlamentswahlen 2013. Er strebt auf den Präsidentensitz, während Gianfranco Fini seine Nachfolge im Palazzo antreten soll. Dazu will er mit entsprechenden Verfassungsänderungen ein Präsidialregime installieren, das die Rolle des Staatschefs stärkt. Die Meinungen über diese Rollenverteilung sind allerdings bei seinen Partnern Fini und Bossi geteilt. In der Lega wird bereits der derzeitige Justizminister Giulio Tremonti als neuer Premier gehandelt. Er gilt als der starke Mann der Lega und Berlusconi wäre auf ihn bei Verfassungsänderungen angewiesen.

Gewandelt hat sich der Inhalt der traditionellen "Mitte-Links"-Koalitionen. Sie wurden früher von Kommunisten und Sozialisten bzw. später Linksdemokraten geprägt, oft auch durch erreichte Stimmen-Mehrheit. Die Linksdemokraten haben sich 2008 mit der katholischen Zentrumspartei Margherita zur Demokratischen Partei vereinigt, deren Kurs eher nach rechts tendiert. Bei leichten Verlusten bleibt sie mit 27 Prozent in Mittelitalien stärkste politische Kraft. Die PRC erlitt erneut eine Niederlage. Sie sank regional von acht auf 2,7 Prozent ab. Sie war zusammen mit der zweiten KP (PdCI) und einer kleinen linken Gruppe "Sozialismus 2000" angetreten. In einigen Regionen hatte sie Wahlbündnisse mit der DP geschlossen, was in der Partei als Ursache ihres schlechten Abschneidens gesehen wird.

Die DP versucht derzeit nicht ohne Erfolg mit der früher zur Berlusconi-Koalition gehörenden Union Demokratischer Christen (UDC) eine Allianz zu bilden. Damit würde ein rechtes Zentrum entstehen, das die Gruppierung um Nicola Vendola auf seine Seite ziehen könnte. Auch ein solches Bündnis hätte inhaltlich kaum noch etwas mit der herkömmlichen Linken Mitte zu tun. Aber selbst PRC-Vorsitzender Paolo Ferrero erlag der Versuchung, mit der UDC zusammenzugehen, um Berlusconi zu schlagen. Nach einem Proteststurm in seiner Partei ließ er den Vorschlag fallen. Da er nach dem Wahlsieg Vendolas jedoch einen Beitritt zu dessen neuer Linkspartei erwägt, könnte der PRC über diese Hintertür dennoch einer solchen Koalition ein etwas stärkeres linkes Aushängeschild verschaffen. Offen bleibt, ob sich die in radikaler Opposition zu Berlusconi stehende Wertepartei Di Pietros dieser Koalition anschließen wird. Sie kam bei den Regionalwahlen durchweg im Alleingang auf 7,5 Prozent.


Kurswechsel nicht in Sicht

Bleibt die Frage, ob es bis 2013 möglich sein wird, eine linke Gegenkraft aufzubauen, die eine echte demokratische Alternative vertritt und diesem Spuk des Zerfalls elementarster bürgerlicher Demokratie ein Ende setzen könnte. Dazu müsste gehören, dass die Kommunisten als ihre konsequenteste Kraft zur Einheit finden, mit den verblichenen Linksdemokraten in Aktionseinheit handeln, eine kämpferische Opposition betreiben und auf dieser Grundlage zu einem Mitte-Links-Bündnis zurückfinden, das diesen Namen verdient. Es werden wieder Stimmen laut, die fragen, warum es im Dezember 1994 gelang, Berlusconi nach nur acht Monaten Amtszeit zu Fall zu bringen. Damals mobilisierten eben Kommunisten, Linksdemokraten und Gewerkschaften ohne zu zögern die Volksmassen gegen Berlusconi. Das war noch bevor Fausto Bertinotti PRC-Vorsitzender wurde und die Partei 2008 nicht zuletzt mit seiner Befürwortung des Afghanistan-Einsatzes und dem Ziel ihrer Auflösung in die katastrophale Niederlage trieb. Ein Kurswechsel, der mit den Beschlüssen des PRC-Parteitages 2008 eingeleitet werden sollte, ist jedoch derzeit nicht in Sicht.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 42. Jahrgang, Nr. 14,
9. April 2010, Seite 10
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2010