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FRAGEN/024: Nachhaltigkeitsziele - Interview mit AKP-Generalsekretär Gomes (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Oktober 2015

Entwicklung: "In der Post-2015-Ära müssen wir Entwicklung neu denken" - Interview mit AKP-Generalsekretär Gomes

von Ramesh Jaura


BRÜSSEL (IPS) - Patrick Ignatius Gomes aus Guyana ist seit Dezember 2014 Generalsekretär der Gruppe der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten, kurz AKP-Gruppe, mit Sitz in Brüssel. Mit IPS-Deutschland-Direktor Ramesh Jaura sprach er über Gemeinsamkeiten der Mitgliedstaaten und die Chancen, die er sich von den 17 Nachhaltigkeitszielen (SDG) erwartet.

IPS: Die AKP-Gruppe setzt sich zusammen aus 48 Staaten Subsahara-Afrikas sowie 16 karibischen und 15 pazifischen Staaten. Kann diese doch sehr unterschiedliche Gruppe eine gemeinsame Position vertreten?

Gomes: für die AKP-Botschafter ist die Post-2015-Entwicklungsagenda eine wichtige globale Plattform, auf der die Bedürfnisse der Entwicklungsländer verhandelt werden. Deshalb haben sie im vergangenen Jahr eine Ad-Hoc-Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine gemeinsame Position der Staatengruppe zu den Nachhaltigkeitszielen entwickelt hat. Das gemeinsame Ziel ist es, eine nachhaltige Entwicklung und behutsame Industrialisierung voranzutreiben, um letztlich den Lebensstandard unserer Bevölkerungen zu heben. Dazu haben die Botschafter einige Schlüsselbereiche identifiziert, darunter der Klimawandel, die Finanzierung von Entwicklung und der Technologietransfer.

Was die Ad-Hoc-Arbeitsgruppe erarbeitet hat, hat schließlich zu einer gemeinsamen Erklärung der AKP-Gruppe und der Europäischen Union zur Post-2015-Entwicklungsagenda geführt. Im Juni 2014 wurde sie bereits vom Gemeinsamen AKP-EU-Ministerrat angenommen. Für mich war das ein Meilenstein für die AKP-Gruppe, weil diese Erklärung gerade zeigte, dass wir gemeinsame Interessen haben. Damit haben wir einen Rahmen für unsere künftige Kooperation geschaffen.

IPS: Zeigen sich gemeinsame Ziele auch auf andere Weise?

Gomes: In diesem Sommer hat sich die AKP-Staatengruppe auf eine gemeinsame Position für die UN-Konferenz über Enwicklungsfinanzierung im Juli in Addis Abeba verständigt. Jetzt arbeiten wir gerade an einer gemeinsamen Position für die Klimakonferenz in Paris im kommenden Dezember. Wir gehen also Thema für Thema vor.

IPS: Bringen die 17 Nachhaltigkeitsziele, die Ende September verabschiedet wurden, die Probleme, Herausforderungen und Wünsche der Mitgliedstaaten der AKP-Gruppe auf einen Nenner?

Gomes: Wie Sie bereits angedeutet haben, sind wir eine ziemlich diverse Gruppe. Alle unsere Mitgliedstaaten sind Entwicklungsländer, aber 40 gehören zu den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs), 37 zu den Kleinen Inselentwicklungsländern (SIDS), manche fallen in beide Kategorien. 15 unserer Mitgliedstaaten sind Entwicklungsländer ohne Meereszugang, wobei einige davon auch zu den LDC gehören. Wir unterscheiden auch sechs Regionen innerhalb der AKP, nämlich Ost-, West-, Süd-, und Zentralafrika, außerdem die Karibik- und schließlich die Pazifikregion.

Um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, setzen wir uns für einen sogenannten 'Verletzlichkeits-Index' ein. Der soll die spezifischen Herausforderungen der einzelnen Länder bestimmen, sodass sie sich individuell entwickeln können. Trotzdem setzen wir sowohl auf die Eigenständigkeit der einzelnen Länder als auch auf die gegenseitige Ergänzung - also die Prinzipien der Subsidiarität und der Komplementarität.

Um auf Ihre Frage der SDG zurückzukommen: Die 17 Nachhaltigkeitsziele bilden genau die fünf Bereiche ab, auf die sich die AKP-Gruppe künftig konzentrieren möchte, um sich zu einer effektiven Organisation mit internationalem Gewicht zu entwickeln. Diese Bereiche sind: Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsbewusste Regierungsführung, globale Gerechtigkeit und menschliche Sicherheit, Handel untereinander, Industrialisierung und regionale Integration, der Aufbau nachhaltiger, bestandsfähiger und kreativer Ökonomien sowie die Entwicklungsfinanzierung.

IPS: Sie haben drei wichtige Konferenzen dieses Jahres angesprochen: Die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli, der Nachhaltige Entwicklungsgipfel im September, auf dem die SDG verabschiedet wurden und die Klimakonferenz im Dezember. Sie alle werden das Schicksal der Welt in den kommenden Jahren bestimmen. Und alle haben einen gemeinsamen Kern: die Frage der Finanzierung. Was glauben Sie, wie diese Frage beantwortet werden kann?

Gomes: In der Post-2015-Ära müssen wir Entwicklung ganz klar neu denken. Quantitativ reichen die Gelder der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit nicht aus. Genau genommen ist sie auch schon jetzt überholt von Ausländischen Direktinvestitionen und den Rücküberweisungen von Migranten in ihre Heimatländer. Um langfristig eine nachhaltige Finanzstruktur zu etablieren, müssen wir heimische Ressourcen in unseren eigenen Ländern mobilisieren. Wir müssen unsere Steuergesetze anpassen, die Hinterziehung von Steuern adäquat ahnden und Korruption bekämpfen, um die Milliarden von US-Dollar, die uns jedes Jahr durch Kapitalflucht und illegale Finanzabflüsse verloren gehen, zu stoppen.

Das heißt aber nicht, dass die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit ausgedient hat. Sie wird auch nach 2015 immer noch einen wichtigen Teil der Entwicklungsfinanzierung ausmachen. Industrieländer dürfen sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Entwicklungshilfe zu investieren. Noch immer tun dies nur wenige europäische Staaten. Wenn sich alle EU-Länder an ihre Verpflichtungen halten würden, dann stünde bereits viel mehr Geld zur Verfügung.

IPS: Wie sieht es mit dem Europäischen Entwicklungsfonds aus?

Gomes: Der Europäische Entwicklungsfonds ist Teil eines rechtsverbindlichen Abkommens zwischen zwei Staatengruppen. Das macht ihn zu etwas Besonderem. Für die AKP-Gruppe bedeutet er eine berechenbare finanzielle Zuwendung und ist daher sehr wichtig für uns. Aber natürlich reicht er nicht aus, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

IPS: Denken Sie, dass die Nachhaltigkeitsziele die Entwicklungskooperation der Zukunft maßgeblich verändern werden? Werden Sie mehr Erfolg haben als ihre Vorgänger, die Millenniumsentwicklungsziele (MDG)?

Gomes: Die Nachhaltigkeitsziele werden erfolgreich sein, wenn wir es ihnen erlauben. Das heißt, dass wir sie mit ausreichend Ressourcen ausstatten müssen, damit die Arbeit, die getan werden muss, erledigt werden kann und Ergebnisse erzielt werden können. Genau daran haperte es bei den MDG.

Ich glaube aber, dass wir auf gutem Wege sind. Das Thema Entwicklung wird immer wichtiger genommen, und bestehende Systeme der Entwicklungsfinanzierung werden genauer unter die Lupe genommen und notfalls reformiert. Die Nachhaltigkeitsziele können erfolgreich sein - es ist eine Frage des kollektiven Willens, die richtige Richtung einzuschlagen. (Ende/IPS/jk/08.10.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/10/qa-we-need-to-do-development-differently-in-the-post-2015-era/

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IPS-Tagesdienst vom 8. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2015

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