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GRIECHENLAND/010: Der Streik in Aspropyrgos wurde nach neun Monaten beendet (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 31 vom 3. August 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Widerstand mit langem Atem Der Streik in Aspropyrgos wurde nach neun Monaten beendet

von Udo Paulus



Neun Monate haben sie allen Erpressungen und Provokationen widerstanden. Jetzt, nach 272 Tagen, beendeten die Stahlarbeiter von Aspropyrgos westlich von Athen ihren Streik. In der Streikversammlung im Gewerkschaftszentrum in Elefsina entschieden sich vergangenen Samstag 107 Kollegen für ein Ende des Streiks, 14 votierten für die Fortsetzung und 29 enthielten sich.

Eine Woche zuvor hatten der Werksboss Manesis und die griechische Regierung Samaras mit dem polizeistaatlichen Sturm auf das Werksgelände die Macht des Kapitals demonstriert. Sondereinsatzkräfte der Polizei vertrieben die Streikenden mit Schlagstöcken sowie Tränengas und Pfefferspray vom Werksgelände und sperrten seitdem den Zugang zum Stahlwerk. Vorübergehend hatten sie sechs Stahlwerker festgenommen und gleichzeitig etwa 100 Streikbrecher ins Werk geschleust, nach Aussagen des Betriebsratsvorsitzenden Sifonios mehrheitlich Büroangestellte, die selbstverständlich "kein einziges Kilo Eisen (hätten) produzieren" können.

Am Tag danach hatte die Wut der Streikenden noch dem Übergriff getrotzt und eine Mehrheit die Fortsetzung des Streiks beschlossen. Gleichwohl hatten sie Anfang Juli ein Kompromissangebot unterbreitet, die Arbeit wieder aufzunehmen, wenn Manesis umgehend zusage, mindestens 40 der insgesamt bereits 120 entlassenen Arbeiter einzustellen. Für die übrigen erwarteten sie danach neue Arbeitsverträge "innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens" Manesis und Arbeitsminister Giannis Vroutsis zeigten keinerlei Kompromissbereitschaft.

"Keiner von uns hat wissen können, als wir unseren Kampf begannen, wie heldenhaft der Kampf für die Arbeiterbewegung werden würde ..., welche Kraft und Geduld von uns verlangt würde", hieß es im Beschluss der Vollversammlung. Keineswegs erfahren im Klassenkampf, habe sie überrascht, welche beispiellose Bewegung der nationalen und internationalen Solidarität ihr Streik auslösen würde. Sie hätten getan, was sie hätten tun müssen. "Erhobenen Hauptes" kehrten sie an den Arbeitsplatz zurück mit dem Willen, das Ziel ihres Arbeitskampfes zwar nicht erreicht, an Stärke und Bewusstheit in der Klassenauseinandersetzung aber gewonnen zu haben, fest entschlossen den Kampf jetzt am Arbeitsplatz fortzusetzen.

Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen mit Temperaturen über 110° C, Verbrennungen, Ohnmacht, tödliche Arbeitsunfälle wegen mangelnden Arbeitsschutzes und der schlecht gewarteten Ausrüstung ist der Preis für den Profit des Unternehmens, das mehr als 30 Prozent des griechischen Stahlmarktes kontrolliert und durch steigende, subventionierte Exporte seine ökonomische Position ausbaut. Manesis will die Wochenarbeitszeit der zu Beginn des Streiks 400 Beschäftigten halbieren und ihnen einen Monatslohn von 500 Euro statt zuvor 1.000 bis 1.500 Euro auszahlen. 180 Kündigungen sieht sein Plan vor. 120 Entlassungen hat er bislang ausgesprochen und verweigert trotz guter Auftragsbücher unnachgiebig deren Wiedereinstellung.

Das gesellschaftspolitische Klima hatte sich im neunten Monat des Streiks deutlich zu Ungunsten der Streikenden verschlechtert. Zum einen das Ergebnis der Parlamentswahl am 17. Juni, das die klassenbewussten Kräfte schwächte; zum anderen die unter der Fuchtel der Regierenden stehenden Dachgewerkschaften, die keinerlei Verständnis für die Streikbewegung signalisierten. Im Gegenteil: In den Zweigwerken des Stahlindustriellen Manesis in Volos verhinderten sie mit ihrem dortigen Einfluss solidarische Streikbewegungen. Sie schwiegen zu den sich häufenden Arbeitsunfällen in den beiden Zweigwerken im Bezirk Magnisia und selbst zum Transport radioaktiv verseuchter Ladungen in eines der Werke. Einzig die Gewerkschaftsfront PAME unterstützte seit dem ersten Streiktag die Stahlarbeiter uneingeschränkt und organisierte seitdem eine beispielhafte Solidaritätsbewegung, die nationales und mittlerweile auch internationales Echo fand. Gewerkschaftsorganisationen, Studenten- und Schülervereine, Initiativen der kleinen Landwirte und Gewerbetreibenden zeigten materiell und politisch-moralisch ihre Solidarität mit den Streikenden und ihren Familien. Nur so war dieser Streik neun Monate durchzuhalten. Noch eine Woche vor Streikende hatte PAME in 42 griechischen Städten Demonstrationen zur Solidarität mit dem Chalyvourgia-Streik organisiert. Auch nach der Rückkehr an ihre Arbeitsplätze werden die Stahlarbeiter auf die konsequente Unterstützung der PAME bauen können. Ihr Streik sei ein beispielhaftes Signal für den Klassenwiderstand im ganzen Land, habe nationale und sogar internationale Bedeutung.


Bildunterschrift einer im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Streikführer Georgios Sifonios mit Kollegen vor dem Werkstor. Der DKP-Parteivorstand hat vor zwei Wochen eine Solidaritätspende in Höhe von 500 Euro an die Streikenden von Chalyvourgia überwiesen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 31 vom 3. August 2012, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2012