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LATEINAMERIKA/1034: Honduras - Zelayas Handlungen waren legal als auch verfassungsmässig (Tlaxcala)


Tlaxcala - das Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt

Weshalb Zelayas Handlungen in Honduras sowohl legal als auch verfassungsmässig waren

Von Alberto Valiente Thoresen, 01.07.2009
Übersetzt von Einar Schlereth


Anmerkung des Herausgebers von Rebel Reports: Rebel Reports veröffentlicht diesen Original-Artikel als Antwort an jene, die behaupten, dass der Coup in Honduras legal und/oder verfassungsmässig war und an die Berichte jener Medien, die beständig falsche Charakterisierungen von dem honduranischen Gesetz und den Handlungen Präsident Zelayas wiederholen.
(Jeremy Scahill)


In der klassischen griechischen Tragödie "Der gefesselte Prometheus" heisst es: "Die Heilung von der Krankheit des Zorns sind weise Worte." Kurz gesagt handelt diese Geschichte von Prometheus, ein Titan, der von den allmächtigen Göttern dafür bestraft wurde, dass er die Menschheit die Fähigkeit des Feuermachens lehrte. Das verursachte einen Konflikt, der mit der Verbannung von Prometheus und seinem Exil endete.

Gegenwärtig gibt es eine Tragödie, die in der zentralamerikanischen Republik Honduras aufgeführt wird. Unterdessen folgt der Rest der Menschheit den Ereignissen als Betrachter eines überholten Vorfalls in Lateinamerika, der einen unglücklichen, undemokratischen Präzedenzfall für die Region schaffen könnte. In ihrem Zorn haben die allmächtigen Götter der honduranischen Politik einen hochstrebenden Titanen, Präsident Manuel Zelaya, bestraft wegen des Versuchs, den Honduranern das Geschenk teilhabender Demokratie zu machen. Dies rief einen Verfassungs-Konflikt hervor, der mit Zelayas Verbannung und Exil endete. In dieser Tragödie sind Worte wieder einmal die Heiler der erzürnten Gemüter. Wenn wir, die Zuschauer, den Worten nicht aufmerksam folgen, riskieren wir, intellektuell zu unterliegen, bereitwillig die Fakten zu akzeptieren, die uns von erzürnten Coup-Machern und den honduranischen Göttern der Politik präsentiert werden.

Diesbezüglich ist die Medienberichterstattung über den kürzlichen Militärcoup in Honduras häufig irreführend; selbst wenn sie einen kritischen Standpunkt zu den Ereignissen einnimmt. Sich auf die Worte zu konzentrieren, die zur Kennzeichnung der von Präsident Zelaya geführten Politik benutzt werden, scheint auf den ersten Blick trivial zu sein. Aber jede Vertrautheit mit dem Begriff "Erzeugung von Übereinstimmung" und damit, wie winzige semantische Tricks benutzt werden können, um die öffentliche Meinung und Untertützung zu manipulieren, reicht aus, um sich über das Ausmass gewisser Unterlassungen klar zu werden. Derartige Zusammenfassungen verlassen sich auf die verbreitete Unkenntnis der Öffentlichkeit hinsichtlich scheinbar kleiner legaler Verzwicktheiten der honduranischen Verfassung.

Zum Beispiel haben die meisten Berichte behauptet, dass Zelaya aus dem Präsidentenamt seines Landes deswegen gejagt wurde, weil er versuchte, ein nicht-bindendes Referendum durchzuführen, um seine Amtszeit zu verlängern. Aber dies ist nicht ganz richtig. Eine derartige Darstellung der "Fakten" trägt lediglich zur Legitimierung der Propaganda bei, die von den Coupmachern benutzt wird, um ihre Handlungen zu rechtfertigen. Diese Interpretation ist in den US-amerikanischen liberalen Kreisen weit verbreitet, insbesondere nachdem die Aussenministerin Hillary Clinton sagte, dass der Coup unannehmbar sei, aber dass "alle Parteien eine Verantwortung tragen, die zugrundeliegenden Probleme anzugehen, die zu den Ereignissen (des Sonntag) führten". Jedoch kann Präsident Zelaya nicht für diese flagrante Verletzung der honduranischen demokratischen Institutionen verantwortlich gemacht werden, die er auszuweiten versuchte. Was tatsächlich passierte ist folgendes:

Der honduranische Oberste Gerichtshof, der Generalstaatsanwalt, der Nationale Kongress, die Streitkräfte und das Oberste Wahltribunal haben alle fälschlicherweise Manuel Zelaya angeklagt, ein Referendum zur Verlängerung seiner Amtszeit durchführen zu wollen.

Nach dem honduranischen Gesetz wäre ein solcher Versuch illegal gewesen. Artikel 239 der honduranischen Verfassung hält eindeutig fest, dass Personen, die als Präsidenten gedient haben, nicht nochmals Präsidentenkandidaten sein können. Derselbe Artikel schreibt auch fest, dass sowohl Staatsbeamte, die gegen diesen Artikel verstossen als auch jene, die ihnen dabei helfen, direkt oder indirekt, automatisch ihre Immunität verlieren und gesetzlich belangt werden können. Zusätzlich heisst es in den Artikeln 374 und 5 ganz klar: "Es ist nicht möglich, die Verfassung in Bezug auf die Regierungsform, die Präsidentenamtszeiten, Wiederwahl und das honduranische Territorium zu reformieren", und dass "Reformen des Artikels 374 dieser Verfassung nicht Gegenstand eines Referendums sein kann".

Nichtsdestoweniger ist dies weit davon entfernt, was Präsident Zelaya in Honduras am vergangenen Sonntag zu tun versuchte, und was der honduranischen politisch/militärischen Elite so sehr missfiel. Pråsident Zelaya versuchte, eine nicht-bindende öffentliche Befragung durchführen über die Bildung einer gewählten Nationalen Verfassunggebenden Versammlung. Um dies zu tun, berief er sich auf Artikel 5 des honduranischen "Civil Participation Act" (Bürgerbeteiligungsakt) von 2006.

Laut diesem Akt können alle Beamten nicht-bindende öffentliche Konsultationen abhalten, um zu erfahren, was die Bevölkerung von politischen Massnahmen hält. Dieser Akt wurde vom Nationalen Kongress gebilligt, und er wurde nicht vom Obersten Gerichtshof verworfen, als er 2006 in dem offiziellen Mitteilungsblatt veröffentlicht wurde. Erst, als der Präsident der Republik ihn in einer Weise anwandte, die gegenüber den Interessen der Mitglieder dieser Institutionen nicht freundlich war.

Ausserdem sagt die honduranische Verfassung nichts gegen die Bildung einer gewählten Nationalen Verfassunggebenden Versammlung mit dem Mandat, eine vollständig neue Verfassung auszuarbeiten, die von der honduranischen Öffentlichkeit gebilligt werden müsste. Ein solcher mitbestimmender Prozess des Volkes würde die gegenwärtige liberal-demokratische, wie sie in Artikel 373 der gegenwärtigen Verfassung dargelegt wurde, umgehen, bei der der Nationalkongress jede Reform der Verfassung von 1982 mit einer 2/3 Mehrheit der Stimmen billigen muss, ausschliesslich einer Reform der Artikel 239 und 374. Das bedeutet, dass eine vollständig legale Nationale Verfassunggebende Versammlung ein grösseres Mandat und weniger Einschränkungen hätte als der Nationale Kongress, weil eine solche Nationale Verfassunggebende Versammlung die Verfassung nicht reformieren, sondern neu schreiben würde. Das Mandat der Nationalen Verfassunggebenden Versammlung würde direkt vom honduranischen Volk kommen, das den neuen Entwurf einer Verfassung billigen müsste, anders als Verfassungserg änzungen, die nur 2/3 der Stimmen des Kongresses benötigen. Diese Volksverfassung würde demokratischer sein und würde einen Gegensatz zu gegenwärtigen Verfassung von 1982 sein, die das Produkt aus einem Zusammenhang war, der von der Politik der Aufstandsbekämpfung, unterstützt von der US-Regierung, Militärregierungen mit ziviler Fassade und undemokratischen Massnahmen geprägt war. Im Gegensatz zu anderen legalen Systemen und Regierungen in der zentralamerikanischen Region, die (direkt oder indirekt) an den Bürgerkriegen der 80-er Jahre beteiligt waren, ist die honduranische Verfassung nicht allzu sehr von Friedensabkommen und nachfolgenden Reformierungen der Rolle, die von den Streitkräften gespielt wurde, beeinflusst worden.

Nach diesen Betrachtungen können wir nochmals einen Blick auf die weitverbreitete Annahme werfen, dass Zelaya als Präsident abgesetzt wurde, nachdem er versuchte, ein nicht-bindendes Referendum abzuhalten, um seine Amtszeit zu verlängern.

Gewiss wäre die Abstimmung nicht-bindend gewesen und daher nicht Gegenstand eines Verbots. Derlei öffentliche Befragungen werden jedoch gemeinhin nicht als Referendum verstanden. Aber selbst wenn es das gewesen wäre, war sein Gegenstand nicht die Verlängerung von Zelayas Amtszeit. In diesem Sinne ist es wichtig zu betonen, das Zelayas Amtszeit im Januar 2010 ausläuft. Übereinstimmend mit Artikel 239 der honduranischen Verfassung von 1982 nimmt Zelaya an den Präsidentenwahlen vom November 2009 nicht teil, was bedeutet, dass er nicht wiedergewählt werden konnte. Darüberhinaus ist es vollständig ungewiss, was eine mögliche Nationale Verfassunggebende Versammlung in Hinsicht auf Amtszeiten und Wiederwahl von Präsidenten vorgeschlagen hätte. Diese Vorschläge hätten von allen Honduranern gebilligt werden müssen, und das wäre geschehen zu einer Zeit, zu der Zelaya seine Amtszeit beendet hätte. Desgleichen, selbst wenn die honduranische Öffentlichkeit beschlossen hätte, dass ehemalige Präsidenten erneut kandidieren könnten, wäre diese Verfügung Teil einer vollständig neuen Verfassung gewesen. Daher könnte es nicht als ein Zusatz zur Verfassung von 1982 betrachtet werden und wäre keine Verletzung der Artikel 5, 239 und 374. Die Nationale Verfassunggebende Versammlung, mit einem Mandat des Volkes, würde die frühere Verfassung aufheben, bevor sie eine neue billigen würde. Das Volk, nicht Präsident Zelaya, der dann bereits Ex-Präsident wäre, würde entscheiden.

Es ist offensichtlich, dass die Opposition keine legale Handhabe gegen Präsident Zelaya hatte. Alles, was sie hatte, waren Spekulationen über vollkommen legale Szenarien, die ihr stark missfielen. Sonst hätte sie den legalen Prozeduren folgen können, die in Artikel 205, Nr. 22 der Verfassung von 1982 festgelegt sind, die besagen, dass Staatsbeamte, die verdächtigt sind, das Gesetz zu verletzen, vom Nationalkongress öffentlich angeklagt werden können. Im Ergebnis griff sie hilflos zu einem gewalttätigen und barbarischen Präventivschlag, der die Sitten, die Demokratie und die Stabilität der Region bedrohte.

Es ist grundlegend, dass die Medienkanäle nicht den Unterlassungen verfallen, die eine Rückkehr zur Demokratie in Honduras verzögern können, und die die Verurteilung schwächen können, die von wichtiger Seite, wie der Regierung der Vereinigten Staaten, erhoben wurden. Es ist auch wichtig, dass der Einzelne informiert wird, so dass er eine kritische Haltung zu Medienberichten einnehmen kann. Honduras braucht seine Demokratie jetzt, und die internationale Gemeinschaft kann eine wichtige Rolle spielen, um dies zu erreichen und indem sie sich nicht an unverantwortlichen übermässigen Vereinfachungen beteiligt.


Quelle:
Why President Zelaya's Actions in Honduras Were Legal and Constitutional
Originalartikel veröffentlicht am 1.7.2009

Über den Autor
Alberto Valiente Thoresen wurde 1980 in San Salvador, El Salvador geboren. Er wohnt gegenwärtig in Norwegen, wo er am Zentrum für Friedensstudien der Universität Tromsö studiert hat. Er arbeitet im Vorstand des norwegischen Solidaritätskommittees für Lateinamerika.

Einar Schlereth ist ein Mitglied von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese Übersetzung kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor, der Übersetzer, der Prüfer als auch die Quelle genannt werden.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2009