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LATEINAMERIKA/1071: Spanischer Energie-Riese beherrscht Stromversorgung in Nordkolumbien (Südwind)


Südwind Nr. 11 - November 2009
Magazin für internationale Politik, Kultur und Entwicklung

"Nur den Profit im Kopf"

Der spanische Energie-Riese Union Fenosa ist in Lateinamerika sehr präsent. Im Norden Kolumbiens beherrscht er exklusiv die Stromversorgung. Südwind-Redakteur Werner Hörtner sprach mit dem Konsumentenschützer Omar Mendivil.


SÜDWIND: Union Fenosa hat in sieben Departements der kolumbianischen Karibikregion seit 2002 ein Monopol bei der Stromversorgung. Was bedeutet das für die Konsumentinnen und Konsumenten?

OMAR MENDIVIL: Die Regierung Kolumbiens hat beschlossen, die Dienstleistung in diesem Sektor einem internationalen Konzern zu übertragen. Das bedeutet, dass es für die große Mehrheit der Menschen in dieser Region keinen anderen Anbieter in der Elektrizitätsversorgung gibt. Um nach außen hin dem Prinzip des freien Wettbewerbs Genüge zu leisten, hat der Konzern mehrere Firmen gegründet, die die Konkurrenz darstellen sollen.

Für uns Verbraucher hat die Ankunft des spanischen Konzerns im November 2002 empfindliche Nachteile gebracht. Das Unternehmen übt eine aggressive Politik aus, die unsere Rechte verletzt. Es verbreitet das Gerücht, dass wir von unserer Kultur her für eine Dienstleistung nicht zahlen wollen, dass wir betrügerisch sind. Als nun Union Fenosa kam, hat sie die Armen in den Elendsvierteln, die den Strom nicht zahlen können, als illegale Nutzer, als Stromdiebe bezeichnet und begann, von allen die Tarife zu kassieren. Als Druckmittel setzte sie ein, immer wieder den Strom einfach abzuschalten.

SÜDWIND: Und wie verhält sich die Regierung in diesem Konfliktfall?

OMAR MENDIVIL: Als nächste Repressalie verkündete Union Fenosa, sie wolle in 125 Gemeinden der Region die Stromversorgung überhaupt einstellen. Alles arme Kommunen, und obendrein im Konfliktgebiet gelegen, wo sich Militär, Guerilla und Paramilitärs bekämpfen. Die Regierung hat daraufhin ein Treffen aller Bürgermeister der Region mit Vertretern der öffentlichen Hand und des Unternehmens organisiert. Als Folge des Treffens hat die Regierung einen "Fonds für soziale Energie" geschaffen, FOES, in den sie regelmäßig für Investitionen des Unternehmens in die Infrastruktur der Versorgungsanlagen einzahlt. Das Geld dafür nimmt sie aus den Einkünften vom Stromexport in benachbarte Länder.

Heute muss jeder Nutzer umgerechnet 0,14 Euro pro Kilowattstunde bezahlen, das ist für uns sehr viel. Obendrein legt Union Fenosa überhöhte Rechnungen vor, ohne Rechtfertigung, ohne Erklärung. Wenn nun jemand nicht die ganze Rechnung zahlen kann, so akzeptiert das die Gesellschaft, doch sie schreiben den Außenstand als Schulden an und holen sich zur Entschädigung das Geld aus dem FOES, der ja für Investitionen gedacht wäre. Seit dem Jahr 2003, als dieser Fonds eingerichtet wurde, hat Union Fenosa daraus mehr als 17 Mio. US-Dollar entnommen!

SÜDWIND: Und die Menschen haben sich das alles gefallen lassen?

OMAR MENDIVIL: Nein. Es hat eine ganze Reihe von Protesten und Widerstandsaktionen gegeben. Der staatliche Ombudsman hat die nationale Regierung und die regionalen Regierungen aufgefordert, etwas gegen die Missbräuche des spanischen Unternehmens zu tun, doch kümmert sich der Konzern nicht darum. Die Regierung hat sogar ein "Programm der Normalisierung der Stromversorgung" ins Leben gerufen, mit dem sie die Infrastruktur der Leitungen und Netze verbessert, was ja eigentlich das Unternehmen tun sollte. Das ist doch ein völliger Widerspruch. Zuerst privatisiert die Regierung diesen Dienstleistungssektor, weil sie sich die Versorgung angeblich nicht mehr leisten kann, und einige Jahre später steckt dieselbe Regierung auf Druck des internationalen Konzerns wieder Geld in die Aufrechterhaltung der Versorgung.

SÜDWIND: Was könnt nun ihr als Verbraucher unternehmen?

OMAR MENDIVIL: Wir haben ein so genanntes "Karibisches Netzwerk von Konsumenten öffentlicher Dienstleistungen" gegründet, in dem ich als Koordinator tätig bin. Unsere Forderung ist, dass diese Dienste wegen ihrer Bedeutung für die Bevölkerung wieder ins Eigentum der öffentlichen Hand übergehen müssen, denn nur so ist eine Tarifgestaltung nach sozialen Kriterien möglich. Der Konzern hat ja nur den Profit im Kopf. Und vom Unternehmen fordern wir, dass es die versprochenen Verbesserungen der Infrastruktur durchführt und dass es reale Tarife verrechnet. Die defekten Netze sind ja eine große Gefahr für die Menschen. In den Jahren, seit die Union Fenosa nun die Stromversorgung über hat, sind an die 300 Menschen durch schadhafte Anlagen gestorben. Die Bevölkerung ist dieser Fahrlässigkeit schutzlos ausgeliefert.

Wir werden unsere Protestaktionen fortsetzen, wir suchen aber auch einen Dialog mit dem Konzern. Wir sind gerade dabei, eine genaue Überprüfung der Tarife und der Rechnungen durchzuführen, und wir werden keine überhöhten Rechnungen mehr bezahlen.


Omar José Mendivil Guzman hat Wirtschaftswissenschaften studiert (ohne das Studium abzuschließen). Er lebt in Montería, der Hauptstadt des Departements Córdoba, und ist Mitglied des Koordinationskomitees des Verbrauchernetzwerks der Karibikregion; als solches nahm er am Lateinamerika-Alternativengipfel 2006 in Wien teil. Er ist in seiner Heimatstadt auch in mehreren sozialen Bewegungen aktiv.
Omar Mendivil wurde vom "Netzwerk Soziale Verantwortung" (NeSoWe, www.sozialeverantwortung.at) im Rahmen eines EU-Projektes zu einem Besuch eingeladen und hatte in Wien vor allem Medienkontakte. Die Wirtschaftskammer sagte ein Treffen kurzfristig ab.


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Quelle:
Südwind - Magazin für internationale Politik, Kultur und Entwicklung
30. Jahrgang, Nr. 11/2009 - November 2009, Seite 31
Herausgeber: Südwind-Entwicklungspolitik (ehem. ÖIE)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2010